Warum finden manche Menschen das Akkordeon schrecklich?

die negativen Reaktionen kommen (zumindest nach meiner Beobachtung) aus den Kreisen, die sehr wohl gebildet sind und auch musikalisch interessiert sind.

Hallo Maxito,

Es ist eher eine psychologische Identifikation mit scheinbar prestigeträchtigerem Instrument. Jeder Mensch erhöht instinktiv den Selbstwert und identifiziert sich mit wertvolleren Dingen und edleren Berufen. Die Skala der Wert kann zum Beispiel enthalten: 1/Orgel – 2/Instrumente des Sinfonieorchesters - 3/ Klavier/Cembalo – 4/Gitarren – 5/Akkordeon – 6/Dudelsack 7/Folk-Instrumente. Das ist eine natürliche unterbewusste Reaktion, aber im Falle der Profis bin ich manchmal enttäuscht.:weep:

Gruß,
Vladimir
 
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Faszinierend, was so viele Akkordeonisten und nicht-Akkordionisten zu diesem Thema meinen!

Ich gehöre zu den letztern. Neben einigen Zupfinstrumente spiele ich auch Concertina - aber das ist ganz was Anderes als Akkordeon!
Manchmal mag ich Akkordeon nicht hören. Eben dann, wenn der Spieler diesen wabernden, verstimmten Register einsetzt, anstatt gefühlvoll zu spielen. Aber das ist Gott sei Dank nicht immer der Fall.
Ich hatte ein Schlüsselerlebnis. Es war Internationales Straßenfest in Sindelfingen, und ich war der Ansager im kleinen Hinterhof, wo unser Kulturverein für das Musikprogramm zuständig war. Da gab es alles - Operettenauszüge, Irish Folk, Lorca-Vertonungen, schottische Dudelsäcke - bunte, internationale Pallette. Da kam ein mexikanischer Vereinskollege zu mir und sagte, er hätte in Stuttgart an der Königsstraße einen russischen Akkordeonisten gefunden - könnte ich ihn ansagen?
Der Russe steckte mir einen Zettel mit seinem Namen zu, und ich fragte ihn, "Was machst du?" Er antwortete auf Englisch: "I bllay aggordeon llike you never hurrd beforre." Also sagte ich ihn an: "Jetzt kommt Sergei - er spielt Akkordeon, wie Sie es noch nie gehört haben."
Er setzte sich mitten im Hof und spielte auf seinem Bayan eine Orgeltoccata von Bach. Andächtige, etwas verdutzte Stille, dann donnernder Applaus.
Dann spielte er "Kalinka" (wie wir es nie gehört hatten). Stimmung, Applaus.
Dann zum Schluss ein modernes klassisches Stück für Akkordeon. Eigentlich viel zu ernst und schwierig für das Laufpublikum beim Straßenfest. Trotzdem: aufmerksame Stille und wieder donnernder Applaus.

Für mich ist das gute Musik. Abseits aller Erwartungen das Publikum in den Bann ziehen; ihnen das Gefühl geben, dass sie etwas Besonderes beiwohnen durften. Längst nicht jeder Akkordeonist kann das - auch längst nicht jeder Pianist, Geiger, Trompeter, Gitarrist, Sänger ...

Musikinstrumente machen alleine keine Musik - nur im Team mit einem Menschen. Ein Mensch wie Sergei ist nicht so sehr Akkordeonist; er ist ein Musiker, der Akkordeon spielt. Solche Vollblutmusiker verstehen es, die Stärken ihres Instruments auszunützen, in Szene zu setzen. Weniger musikalische Menschen neigen dazu, die Schwächen ihres Instruments in den Vordergrund treten zu lassen, sei es das Gekrächtze der Violine oder das Gewabere des "Schweineregisters" beim Akkordeon.

Manche Instrumente, wie der irische Dudelsack, der vorhin gelinkt wurde, sind so schwer zu spielen, dass wirklich nur hoch musikalische Menschen sich heranwagen. Daher hört man fast nur gute irische Dudelsackmusik. Beim Akkordeon ist es ähnlich wie bei der Violine - sieht einfach aus, also wagen sich auch die weniger musikalischen Menschen heran - und es gibt logischerweise viele mittelmäßige Spieler (die z.B. nicht wissen, dass ein Akkordeon auch feste Register hat, die fast an das Bandoneon heranreichen :evil:).

Zwei interessante Informationen habe ich seit dem Straßenfest von Sergei bekommen. Natürlich spielt er Transkriptionen von Orgel- und Klavierwerke - aber barocke Musik (für Cembalo komponiert) läßt sich eher auf das Bayan übertragen, als Romantische Musik - denn das Akkordeon hat - anders als das Klavier - kein Pedal!
Die andere Bemerkung war dahingehend, dass auf dem Gebrauchtmarkt für Akkordeons viele Piano-Akkordeons zu haben sind, aber kaum chromatische Knopfakkordeons. Das liegt wohl daran, dass viele, die Akkordeon spielen möchten, meinen, das Piano-Akkordeon wäre einfach, weil man schon als Kind Klavierunterricht hatte. Viele merken, dass diese Rechnung nicht aufgeht und verkaufen ihr fast neuwertiges Instrument wieder. Wer aber wirklich am Akkordeon interessiert sei, erkenne die Vorzüge des B- oder C-Griffs (die wohl bei fortgeschrittener Technik doch besser zu greifen sind) und bleibe dran, bis er wirklich etwas kann.

Fazit: je einfacher ein Instrument "von außen" erscheint, desto mehr mittelmäßige Musiker zieht es an! Oder hat jemand eine Beispiel für schlechtes spiel auf einem chromatischen Knopfakkordeon?

Cheers,
Jed
 
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aber im Falle der Profis bin ich manchmal enttäuscht
Von (Musik-)Profis oder auch Hobbymusikern aller möglichen Stilrichtungen wurde ich bis jetzt nur positiv überrascht, wie offen sie dem Akkordeon gegenüberstanden. Negative Einstellungen oder Ablehnung kam eigentlich immer von "Musikfreunden", die selbst nicht aktiv musizieren.
 
Das Akkordeon ist ein fast komplettes Instrument! Melodie und Bass vereint... Ein guter Akkordeon-Spieler kann alleine eine Party schmeißen (geneigtes Publikum vorausgesetzt...), das geht mit anderen Instrumenten nur begrenzt.
Es gibt auf Youtube abertausende Videos zum Akkordeon, da kann man hören, wie vielfältig dieses Instrument ist.
 
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Mal kurz OT ... ich bin durch diesen Thread auf die Idee gekommen, dass Akkordeon eigentlich auch gut zu meiner Musik, dem alten Blues der Anfangszeit, passen könnte ... wenn jemand der Akkordeon lernt/spielt in meiner Region Lust hat mal sowas zu probieren ... mir kommen da grad paar Ideen ... ;)
absolut richtig, hier etwas von Ry Cooder zu dem Thema:
 
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Ja das ist tolle Musik, aber auch uralt. Um 1880 sollen deutsche Auswanderer Akkordeons nach Louisiana gebrracht haben, wo französischsprachige Hinterwäldler lebten, die aber tolle Musik machten.
hier kann man sehen wie Herr Schulze eine Schnelltherapie gegen den alten Quetschkommodenblues bekommt . Ein Riff genügt schon:great:
 
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Hm, also wer wirklich ein Instrument grundsätzlich verdammt, gibt sich einfach keine Mühe, nach guter Musik zu suchen. Ein Akkordeon kann grauenhaft oder grandios klingen. Zuhörer sollten allerdings beizeiten etwas Humor mitbringen, es spielen ja nicht nur Profis. Ich würde einiges drum geben, auf dem Instrument gut spielen zu können und nehme es mir heute noch übel, als Junge damit aufgehört zu haben (auch wenn dies zugunsten der Gitarre ging, aber im Nachhinein hätte ich gern beides betrieben). Zu viele Ländler und son Zeug, ich hatte einfach keine Perspektive bzw. Vorstellung, wo das musikalisch hingehen könnte. Ein Problem sehe ich darin, dass es sich - im Gegensatz zur Gitarre - so schlecht leise spielen läßt. Naja, jedenfalls das thread Problem kenne ich. Alle paar Jahre hole ich das Akkordeon, ein altes Hohner Arietta IM zum Leidwesen meiner Familie aus dem Koffer. Lange läßt sich das nicht durchhalten und dann verschwindet es wieder wo es hergekommen ist.
 
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Kennt ihr andere Erklärungen / Aussagen?

(Vermutlich schon genannt?)

Das "Blockflöten-Syndrom".

Von Könnern bedient ist das Akkordeonv ein beeindruckendes Instrument ...

... ich allerdings verbinde mit dem Akkordeon (wie auch der Blockflöte) eher die, äh, sagen wir "etwas schräg" klingende Vorführungen in der Schule.

Von einem Trauma würde ich nicht sprechen, in guter Erinnerung habe ich das aber keinesfalls ;-)
 
Es kam im Laufe der Diskussion die Frage auf, warum das Akkordeon auf dem Balkan und in Nordeuropa anscheinend kein so schlechtes Image hat, wie hier. Erstens würde ich sagen, dass nur die besseren Akkordeonisten aus diesen Regionen bei uns Gehör finden.

Aber es gibt noch etwas. Die Musik, für die das Akkordeon dort eingesetzt wird.

Ich kann nur für die britischen Inseln sprechen, genauer gesagt Schottland und Irland, wo ich meine Kindheit verbrachte. Dort wird das Akkordeon vornehmlich für Tanzmusik verwendet. Es dominiert in irischen Ceili Bands und in Scottish Country Dance Bands. Und die Tänze dort sind anders als in Deutschland. Ein irischer Tanzlehrer hat mir mal gesagt, die irischen Tänze basierten auf die alten europäischen Schreittänze - bloß nicht im Schrittempo, sondern im Lauftempo. Auch die schottischen Country Dances werden leichtfüßig hüpfend getanzt - da braucht die Musik das entsprechende "lift". Außerdem kommt der 3/4 Takt selten vor. Bei deutschen (Paar-)Tänzen, die ich erlebt habe, bleiben die Füße meist auf dem Boden, also kann das Tempo langsamer sein.

Ich habe im YouTube nochmals "Jimmy Shand and his Band" - die ich als Kind regelmäßig im Radio hörte - vor Ohren geführt. Tatsächlich spielt Shand mit einem sehr subtilen Tremolo - fast "trocken", aber nicht ganz. Die Power, die herüberkommt, rührt von dem Tempo her - die Musik verfält nicht in die deutsche "Gemütlichkeit". Schottische Bands spielen Sets aus bis zu 4 Tunes, die allesamt stark melodisch betont sind. Hier ein Beispiel mit Tänzern:



Cheers,
Jed
 
Warum finden manche Menschen das Akkordeon schrecklich?

Wenn ich anfange mir ein neues Stück einzuüben, gehöre ich eindeutig auch zu diesen Menschen ! Manches mal auch noch viel später wenn ich mir so meine Aufnahmen anhöre. Das ist ein Punkt.
In meiner Jungendzeit waren Instrumente zum umhängen durchaus cool, aber nur mit 4 oder 6 Saiten, keineswegs die mit Tasten, oder noch schlimmer mit Knöpfen. In den 68ern habe ich mein Akkordeon in den Keller verbannt weil es wesentlich interessanter war dem Umstand zu folgen, dass es nicht nur große und kleine Menschen gibt ;). Mit einem Akkordeon war man halt einfach nicht unbedingt groß angesagt. In dieser Zeit war man eher damit beschäftigt seinen Schriftsatz für die Wehrdienstverweigerung zu verfassen als in die Tasten zu greifen. Später jedoch als ich dann scheinbar "erwachsen" geworden bin, habe ich das Akkordeon wieder aus dem Keller geholt, musste aber leider fast wieder ganz von vorne anfangen. Flüssige Notenkenntnisse waren mir abhanden gekommen. Mittlerweile hatte sich aber dann die "Orgelwelle" ausgebreitet. Eine Band ohne Orgel war ja gar nix. Da ich mit den Orgeln nicht viel anfangen konnte habe ich mir für viel Geld eine Farfisa Elektronik Akkordeon Orgel gekauft. War nicht schlecht das Teil, sogar mit Leslie Kabinet, nur musste ich einmal aus dem Publikum hören wie man sagte: "die haben ja gar keine Orgel". Damit war bewiesen, daß das Publikum in den meisten Fällen nicht unbedingt zu den Experten zählt. Ich rede hier von Tanzveranstaltungen !
Nun, im Rentenalter, erlebt für mich das Akkordeon eine weitere Renaissance, und ich pfeife auf alle Kommentare, Weisheiten, und dummen Sprüche. Mein Akkordeon ist einzig und alleine für mich da und ich spiele auch nur für mich. So, wenn andere Menschen ein Akkordeon schrecklich finden, ist das deren Problem, ich find's schön. Nicht umsonst habe ich mir innerhalb kurzer Zeit gleich zwei neue Instrument gekauft, obwohl ich weiß Gott nicht zu den Virtuosen zähle.
Ich denke Akkordeon, mit all seiner Vielfalt hat heute wieder viel Boden gut gemacht. In München spielt z.B. ein (Tschechischer oder Polnischer) Akkordeonist in der Fussgänger Zone und zwar so gut, der verkauft inzwischen CD's von sich ! Wenn man in der Nähe ist, denkt man in der Theatiner Kirche nebenan sind die Türen offen und der Organist spielt, so fantastisch ist sein sakrales Spiel, einfach umwerfend. Die Leute bleiben gebannt stehen und bewundern den Mann, Geld gibts natürlich auch. Was ist nun daran schrecklich?

Vive la akkordeon !!! Es lebt mehr denn je und hat seinen Platz in der Musik, basta !

Ich wollte mir das nur mal so von der Seele schreiben. Nothing for ungood !
 
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Ich finde kein Instrument schrecklich, nur die Emotions- & Lustlusigkeit mit der es gepielt wird und dann klingts nach nix.
Ein Instrument ist ja nur ein Wiedergabegerät, die Musik selbst findet ja im Menschen statt.

Besser kann man das nicht sagen.
 
Ich hasse Saxophone! Dieser nasale kratzige Sound... völlig überschätzt. Let the Flamewars begin :D

PS: Akkordeon ist cool!
 
Also, ich finde das Akkordeon nicht schrecklich. Es kommt immer darauf an, wo und wie es eingesetzt wird.
Selber habe ich einen Privaten Unterricht an dem Instrument gehabt, und das war auch mein Einstieg in die Theorie.
Später kamen dann natürlich noch weitere Instrumente, wie Gitarre Drums Bass usw dazu.
Ich höre sehr gerne, wenn Virtuosen auf dem Instrument moderne Arrangements gekonnt vortragen.
Dann weiss ich immer, wo ich eigentlich mit meinen handwerklichen Fähigkeiten stehen geblieben bin.
Allerdings habe ich Schwierigkeiten in meinem Studio das Akkordeon zu spielen.
Da wird mein Hund regelrecht wütend, und ich muss ihn entfernen aus dem Raum.
Das nimmt er mir jedesmal sehr übel.
Heute spiele ich selten noch darauf, denn viele andere Sachen gibt es da, die großen Spass machen.
Trotzdem hat das Ak. einen Platz in meinem Herzen behalten, weil sich auch viele
angenehme Erinnerungen aus frühester Jugend damit verbinden.

Franzilein
 
Ich hasse Saxophone!
Naja, hassen? Kommt halt immer auf den Spieler an, und wie ein Sax eingesetzt wird. Findet auch in der Rock Musik seinen Einsatz, und wenn es gut zum Song gespielt ist, hört es sich auch cool (meist) an.
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Habe mal als Bsp. einen Bob Marley Live Clip genommen, wo das Sax sehr passend zum Reggae Sound gespielt wird, da finde ich es absolut passend zur Mucke.
 
Zum Bekehren von Akkordeon-Hassern; Ludovic Beyer in Action, und Gitarrenfans werden auch gleich mit bedient:

 
Liebe Freunde,

Und noch etwas fällt mir da ein. Mag es schon zwanzig Jahre her sein, da sah ich des öffteren einen jungen Straßenmusiker in der Münchner Innenstadt. Der hat so richtig abgedrehte Sachen gepielt, die mir die Kinnlade fallen ließen - war richtig gut!

Ich denke, sie waren einfach verblüfft, dass man mit dem Akkordeon auch Nicht-Volkstümliches spielen konnte.

In München spielt z.B. ein (Tschechischer oder Polnischer) Akkordeonist in der Fussgänger Zone und zwar so gut, der verkauft inzwischen CD's von sich !


Jeder Musiker kann ihre eigene Meinung haben. Was wichtig ist, ist die Toleranz der Ideen. Daher mit Respekt und Demut akzeptiere ich die Meinung anderer Musiker. Aber ich denke, dass eine Stratifizierung der Qualitätsproduktion sein sollte:

Wir können z.B. wie folgt beginnen:





… und dann nach oben und nach oben…






Ich wünsche Ihnen schönen Tag!

Gruβ
Vladimir
 
Nun wird der Faden langsam zur Youtube Sammlung, dafür gibt's aber schon einen.
 
Das Akkordeon ist fantastisch, von Folk bis Metal eingesetzt - und immer noch nicht tot zu bekommen. ;)
 
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