Es gibt doch im Forum mehr als genug Vintage-Gibson Besitzer. Vll mag sich jemand von denen kurz die Zeit nehmen Licht ins Dunkle zu bringen?
Ich bin kein Vintage-Gibson-Besitzer und meine vergleichsweise billige Epiphone leidet ja nicht unter dem geschilderten Problem.
Und leider muss ich den vielzitierten Überflieger-Gitarristen attestieren, dass sie offenbar nicht viel Ahnung von Mathematik haben und auch die Handwerkstraditionen nicht zu kennen scheinen.
Beziehungsweise lieber um den heißen Brei herumschwafeln, statt einfach die profanen Hintergründe zu erläutern. Das grenzt ja an Verschwörungstheorien..."
Deshalb behaupte ich mal ganz frech:
Das ist kein Mysterium, sondern einfach Handwerkstradition.
Früher gab es bekanntlich keine Taschenrechner, im 17. Jahrhundert kamen Logarithmentafeln auf.
Die Gitarren- und Lautenbauer haben seit Jahrhunderten eine (vereinfachende) Methode genutzt, um die Bundabstände zu berechnen, die im Englischen "Rule of 18" genannt wird, ich glaube, das erwähnt Tom Bucovak auch.
Hintergrund ist die logarithmische Natur der Bundabstände bzw. die Tatsache, dass Frequenzen/Saitenlängen sich von Halbton zu Halbton um einen bestimmten
Faktor ändern und nicht um einen konstanten Wert.
Deshalb werden die Bundabstände nach oben hin auch immer enger.
Ausgangslage: Oktavreinheit
Wie im Video erwähnt, wird zunächst die Saitenlänge so justiert, dass sie vom 12. Bund genau halbiert wird, denn das bedeutet halbe Länge und damit doppelte Frequenz, also genau eine Oktave.
Um eine weitere Oktave höher zu kommen, müsste man die verbleibende Saitenlänge wieder halbieren, sie hätte also effektiv dann noch 1/4 der Gesamtlänge.
Gleichschwebende Stimmung
Den benötigten Faktor von Halbton zu Halbton kann man heute leicht mit dem Taschenrechner ausrechnen:
Wenn eine Oktave in 12 gleiche Teile aufgeteilt werden soll, muss sich die Frequenz bei jedem
Halbtonschritt um den
Faktor exp(ln2/12) oder, anders ausgedrückt, die 12. Wurzel aus 2 ändern. nämlich
h =
1,059463.... (
h wie Halbonschritt)
Da die ertönende Frequenz umgekehrt proportional zur Saitenlänge ist (z. B. halbe Länge -> doppelte Frequenz), muss die Saite von Bund zu Bund um den Kehrwert dieses Faktors kürzer werden.
Die Saitenlänge sei
L.
Für den 1. Bund kommt man so auf eine Länge von L/h, der 1. Bund muss also
L -
L/
h vom
Steg [edit: Quatsch, natürlich] Sattel entfernt sein.
Wenn man die Saitenlänge L ausklammert, kann m
(
L -
L/
h) =
L*(1-1/
h) =
L/
x mit
x = 17,8171...
von dort aus gesehen (also vom 1. Bund ab) muss dann die verbleibende (!) Saitenlänge wieder durch
x geteilt werden, um den Abstand zum 2. Bund zu erhalten.
Und so weiter, und so weiter...
Die Crux: Abgesehen davon, dass sich auf diese Weise "zu Fuß" berechnet Rundungsfehler aufaddieren, hat man traditionell mit Bleistift und Papier und deshalb mit dem auf
18 gerundeten Faktor gerechnet.
-> deshalb "Rule of
18".
Das ist natürlich ungenau, aber Handwerkstradition.
Gibson hat sich also nur and die üblichen Regeln der Handwerkskunst gehalten! Nichts weiter.
Heute (eigentlich schon lange) kann man das viel besser, aber Tradition ist eben Tradition, gerade im Musikinstrumentenbau.
Sonst könnte sich ja einer beschweren, die "neuen" Gibsons klängen nicht mehr so wie die alten...
Sollten hier Leute sein mit dementsprechneden Gitarren würde ich nochmal explizit darum bitten.
Jemand möge doch bitte schön (please-pretty please-with a cherry on top) so nett sein und nachmessen wie groß genau diese Abweichung ist.
Das wäre interessant.
Aber mit dem Wissen um diese vereinfachende und deshalb ungenaue bis "falsche" Traditionsformel müsste man die Abweichungen ziemlich exakt voraussagen können.
Vorgehensweise
- Für die Berechnungen bin ich von einer Mensurlänge von 628,35 mm ausgegangen (entspricht, glaube ich, Les Paul, ist aber auch nicht so wichtig).
- Durch die sich aufaddierenden Rundungsfehler ist der 12. Bund nicht in der Mitte der Ausgangs-Mensurlänge!
- Nachdem die Position der Bünde nun bestimmt wurde, habe ich deshalb die Saitenläge so gesetzt ("Oktavreinheit" eingestellt), dass Saite durch den 12. Bund genau halbiert wird.
- Alle Längen auf Hundertstel Millimeter genau berechnet, bewusst incl. Rundungsfehler beim Aufaddieren nach traditioneller Vorgehensweise (?)
- Beliebig die A-Saite mit 110 Hz (leer) herausgegriffen - die konkreten Frequenzen dienen nur der Vorstellung und sind eigentlich nicht so interessant.
- Der 12. Bund (Oktave) und die beiden genannten Quinten (7. und 19. Bund) sind jeweils blau hervorgehoben.
- Wichtig: die Abweichungen vom theoretischen Soll in ct.
Ergebnis
Genau wie im Film behauptet, ergeben die theoretischen Berechnungen bei der traditionellen Bundpositionierung, dass die Quinte im 7. Bund minimal zu tief (nur 1 ct) und eine Oktave höher im 19. Bund deutlich zu hoch (5 ct) ist.
Hier ist noch nicht einmal der Effekt, dass die Saiten beim Drücken noch stärker gespannt sind.
Und noch ein bisschen mit dem Finger verrutscht und die Saite gedehnt, halte ich trotzdem 5 ct für relativ lächerlich.
Trotzdem: Unterhalb des 12. Bundes leicht zu tief, praktisch unmerklich, max. 1 ct.
Oberhalb des 12. Bundes wird es aber irgendwann deutlich zu hoch.
Angenommene Mensurlänge zur Berechnung der Bundpositionen: 628,35 mm
Frequenzbeispiele: A-Saite mit 110 Hz (leer).
Bund | Länge | Position | Freq. IST | Freq. SOLL | Abw. |
0 | 0,00 mm | 0,00 mm | 110,00 Hz | 110,00 Hz | 0,0 ct |
1 | 34,91 mm | 34,91 mm | 116,52 Hz | 116,54 Hz | -0,3 ct |
2 | 32,97 mm | 67,88 mm | 123,43 Hz | 123,47 Hz | -0,6 ct |
3 | 31,14 mm | 99,02 mm | 130,76 Hz | 130,81 Hz | -0,8 ct |
4 | 29,41 mm | 128,43 mm | 138,52 Hz | 138,59 Hz | -0,9 ct |
5 | 27,77 mm | 156,20 mm | 146,75 Hz | 146,83 Hz | -1,0 ct |
6 | 26,23 mm | 182,43 mm | 155,47 Hz | 155,56 Hz | -1,1 ct |
7 | 24,77 mm | 207,20 mm | 164,71 Hz | 164,81 Hz | -1,1 ct |
8 | 23,40 mm | 230,60 mm | 174,51 Hz | 174,61 Hz | -1,0 ct |
9 | 22,10 mm | 252,70 mm | 184,90 Hz | 185,00 Hz | -0,9 ct |
10 | 20,87 mm | 273,57 mm | 195,92 Hz | 196,00 Hz | -0,7 ct |
11 | 19,71 mm | 293,28 mm | 207,61 Hz | 207,65 Hz | -0,4 ct |
12 | 18,62 mm | 311,90 mm | 220,00 Hz | 220,00 Hz | 0,0 ct |
13 | 17,58 mm | 329,48 mm | 233,14 Hz | 233,08 Hz | +0,4 ct |
14 | 16,60 mm | 346,08 mm | 247,08 Hz | 246,94 Hz | +0,9 ct |
15 | 15,68 mm | 361,76 mm | 261,86 Hz | 261,63 Hz | +1,6 ct |
16 | 14,81 mm | 376,57 mm | 277,55 Hz | 277,18 Hz | +2,3 ct |
17 | 13,99 mm | 390,56 mm | 294,19 Hz | 293,66 Hz | +3,1 ct |
18 | 13,21 mm | 403,77 mm | 311,86 Hz | 311,13 Hz | +4,1 ct |
19 | 12,48 mm | 416,25 mm | 330,61 Hz | 329,63 Hz | +5,1 ct |
20 | 11,78 mm | 428,03 mm | 350,50 Hz | 349,23 Hz | +6,3 ct |
21 | 11,13 mm | 439,16 mm | 371,63 Hz | 369,99 Hz | +7,6 ct |
22 | 10,51 mm | 449,67 mm | 394,06 Hz | 392,00 Hz | +9,1 ct |
23 | 9,93 mm | 459,60 mm | 417,89 Hz | 415,30 Hz | +10,8 ct |
24 | 9,38 mm | 468,98 mm | 443,21 Hz | 440,00 Hz | +12,6 ct |
[TBODY]
[/TBODY]
Viele Grüße
Torsten