Ich habe nie behauptet, dass es keine Klangunterschiede von E-Gitarren (egal ob Solid Body oder Hollow) gibt, die gibt es selbst beim gleichen Typ. Die liegen nur nicht am Holz sondern an der Brücke, dem Sattel, den Bünden, der Mensur, den Saiten, der Schaltung und mit Einschränkungen auch noch am Pickup und den Potis.
Dieser Glaubenssatz wird von seinen Verfechtern immer wieder mit geradezu religiösem Eifer vorgetragen.
Das Ironische daran ist, dass sie sich dabei für die Vertreter der absoluten Rationalität halten, gleichzeitig aber jederzeit sind, völlig gesicherte Erkenntnisse der Physik einfach abzustreiten oder totzuschweigen, wenn sie ihre These nicht stützen.
Es darf einfach nicht sein - auch das kleinste Teil darf einen Unterschied machen nur nie, nie, nie das Holz!
Nicht ganz unschuldig daran sind Videos von selbsternannten Truthern, die die vermeintlichen Lügen in YT-Videos sensationsheischend "entlarven", während man doch nur in einen Laden gehen und jeweils ein paar Strats der gleichen Serie mit One Piece Maple- bzw. RW-Neck mit offenen Ohren an einem guten, cleanen Amp vergleichen muss. Klar, klingt alles nach Strat. Aber ist das echt alles, was Du dabei wahrnimmst..? Und dann natürlich die Arbeit des Herrn Professor Zollner. Ich will dessen fachliche Qualifikation gar nicht in Zweifel ziehen, aber er spitzt halt gerne zu - und wird auch mal polemisch, was ich in einer wissenschaftlichen Arbeit jetzt nicht unbedingt schätze. Im heutigen Wissenschaftsbetrieb wird das allerdings auch gefördert, denn dann wird umso heißer diskutiert, und an der Zahl der Zitierungen wird gerne die Bedeutung gemessen... So stürzen sich denn auch viele Musiker genau auf diese leichter verständlichen Teile der Arbeit und missionieren andere mit diesen als "letztgültige Wahrheiten". (Ich glaube allerdings nicht, dass ein seriöser Wissenschaftler wie Prof. Zollner ernsthaft behaupten würde, dass eine Hollowbody genauso klingt wie eine Solidbody. Der Mann spielt schließlich Gitarre.)
Eine echte Auseinandersetzung mit den Erfahrungswerten buchstäblich tausender Gitarrenbauer und Gitarristen findet in den Beiträgen der Gläubigen dann selbstverständlich auch nicht mehr statt, denn die sind ja
ausnahmslos alle entweder von kommerziellen Interessen geleitet oder naive Opfer der dunklen Machenschaften der Industrie. Ich spiele seit über 35 Jahren und modifiziere meine Instrumente (und die von Freunden und Bekannten) fast ebenso lange. Ich habe Bodies und Hälse ausgetauscht, Gitarren neu bundieren lassen, Knochensättel aus dem Rohling gefertigt und eine endlose Reihe von Schaltungen und PUs ausprobiert. Ja, die Hardware spielt eine wichtige Rolle, und die Neubundierung meiner LP hat diese viel stabiler im Ton werden lassen. Und doch hat nichts auch nur annähernd den Charakter einer Gitarre so grundlegend verändert wie der Austausch von Holzteilen an meiner Rockinger-Strat. Mal wars der Hals, mal der Body, jeweils mit komplett gleich gebliebenen Teilen. Und wenn jetzt wieder kommt, dass ein paar anders angezogenen Schrauben den Unterschied machen sollen: Nein, der alte Charakter war durch einen Rücktausch wieder ganz klar herstellbar.
Lustig auch die Einschätzung "mit Einschränkungen auch noch am Pickup". Was denn für Einschränkungen? Da gibts ja nun wirklich kein Vertun, dass ein JB wirklich komplett anders klingt als ein Custom 5, obwohl der Output gar nicht weit auseinander liegt.
Wenn du hier etwas rückwärts gelesen hättest, könntest du das alles besser nachvollziehen, wir waren schließlich schon beim Steinkorpus, der angeblich beim spielen unkontrollierbare Saitenschwingungen erzeugen würde...
Habe ich durchaus gelesen, aber weder behauptet noch verteidigt. Steht natürlich ebenso in offensichtlichem Widerspruch zur Physik und jeglichen Erfahrungswerten.
Aber das interessierte dich überhaupt nicht, genauso wenig wie zu begreifen, dass eine elektrische Solid Body Gitarre eben kein akustisches Instrument ist.
Dazu müsste ich natürlich auch erstmal ein paar unbequeme physikalische Tatsachen ignorieren, auf die Du wohlweislich noch mit keinem sachlichen Argument eingegangen bist. Um den Begriff bzw. mein Verständnis davon etwas zu konkretisieren: exakter wäre wohl die Bezeichnung "Instrument mit mechanischer Klangerzeugung" im Gegensatz zu solchen mit elektronischer Klangerzeugung, die mechanisch nur noch getriggert wird. Bei der E-Gitarre (und zB einem Rhodes-Piano oder einer Hammondorgel) wird der Ton nicht unmittelbar elektronisch erzeugt und danach erst in ein akustisches Ereignis umgewandelt, sondern zunächst in mechanischer Form durch sich bewegende Teile, weshalb er auch ohne Verstärkung hörbar ist. Die mechanische Schwingung steht hier am Anfang und wird dann erst elektrisch abgenommen, und zwar im im eigentlichen Wortsinne "analog".
Jede Veränderung der mechanischen Schwingung findet sich daher auch im elektrischen Signal wieder.
Ich würde mir zum Thema mal ein bisschen weniger Polemik und mehr Deduktion und Argumentation wünschen. Also meine Thesen nochmal zum Mitlesen - und wenn Du willst, kannst Du gerne versuchen, die einzelnen Thesen mal ganz konkret zu entkräften bzw. Fehler zu benennen:
1. Ein Gitarrenkorpus samt Hals schwingt
immer mit, wenn eine Saite angeschlagen wird. Denn man kann diese Schwingung auch an einer Solidbody abnehmen, mittels PiezoPU oder Stimmgerät zum Anklemmen, am Korpus oder an der Kopfplatte (wohlgemerkt also auch hinter dem Sattel). Würden die Holzteile
nicht schwingen, könnten solche Stimmgeräte nicht den gespielten Ton anzeigen.
2. Wenn ein Gegenstand mitschwingt, tritt er zwangsläufig auch in Wechselwirkung zu allen anderen mit ihm verbundenen Stoffen, auch wiederum mit der Saite. Denn jede Schwingungswelle, die in einen Körper oder sonstigen Stoff hineingeht, hat eine Ausbreitungszeitr, in der sie bis zum Ende des Mediums gelangt, dort das angrenzende Medium in matreialabhängigem Maß anregt, teils in Wärme durch innere Reibung umgesetzt wird, teils aber auch am Rand des Mediums zurückgeworfen wird. Sie endet nicht einfach am Ende des Körpers, den das widerspräche dem Energieerhaltungssatz.
3. Jedes Medium, also auch der Korpus bzw. Hals, hat bestimmte physikalische Parameter wie die Biegesteifigkeit, die Masse, die innere Reibung usw., die von Material und Struktur abhängen. Sie bestimmen zB die Ausbreitungszeit der Welle, das frequenzabhängige Maß der Dämpfung und auch die Ankopplung an die Luft, also den Anteil der Schwingung, der direkt in Schall umgesetzt wird. Keiner dieser Parameter steht in einem unmittelbaren, festen Zusammenhang zu anderen; es kann also ein massereicher Körper weicher oder steifer sein, oder ein leichter und doch akustisch lauter Korpus kann zugleich ein langes Sustain begünstigen, weil er zB große Hohlräume besitzt, aber besonders steif ist. Auch Dicke und Form verändern jeweils die Schwingungsausbreitung innerhalb des Bodies, wie man an einer großen oder kleinen Stimmgabel oder einer länglichen oder kurzen, dicken Glocke leicht nachvollziehen kann.
4. Hölzer besitzen diverse physikalische Parameter, die sich von Stück zu Stück unterscheiden. Wuchsgeschwindigkeit, Faser-/Schnittrichtung, aufgenommene Mineralien und beim Wachsen erzeugte oder eingelagerte Stoffe, der Trocknungsgrad usw. sorgen dafür. Dabei weisen die einzelnen Holzarten Parameter auf, die jeweils in einer gewissen Bandbreite innerartlich variieren und sich von Art zu Art durchaus auch überschneiden.
5. All das lässt die Saite nicht unberührt, da ihre Aufhängungspunkte sich nicht an mathematisch starren exakten Punkten befinden. In der Realität existieren immer nur Näherungen, jedoch keine absolut starren Materialien. Denn selbst äußerlich homogene Materialien bestehen immer aus Strukturen, die leeren Raum umgeben, bis hin zur atomaren Ebene. Diese haben eine Elestizität die immer >0 ist. Der einmal in Schwingung versetzte Korpus verändert also permanent seine Dimensionierung, sodass jede schwingende Saite an zwei ihrerseits bereits in Bewegung befindlichen Punkten aufgehängt ist. Es ist wohl nicht zu bestreiten, dass die Schwingungsmuster einer Saite davon beeinflusst werden, wenn sich die beiden Punkte permanent bewegen, an denn sie aufgehängt ist.
Hieraus ergibt sich zwingend, dass sich die Eigenschaften des Korpus- und Halsmaterials (die Trennung ist physikalisch ohnehin künstlich, wenn man zB einen durchgehenden Hals betrachtet) in den Schwingsmustern der angeschlagenen Saite niederschlagen.
Man kann nun gerne sagen, dass dieser Unterschied sehr klein sei, für einen selber nicht als hörbar oder auch als unbedeutend erlebt wird, sodass er einem selbst als irrelevant erscheint. Aber es gibt ihn objektiv, und die Unmöglichkeit, mit Ohren und Gehirn eines anderen zu hören, verbietet es eigentlich, alle als Unwissende und Voodoo-Gläubige hinzustellen, die ihn für sich persönlich als durchaus bedeutend wahrnehmen.
Gruß, bagotrix