Woher kommt der Schlankheitswahn bei Gitarren ?

  • Ersteller Gast252951
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Du nennst die Bünde, des Weiteren Sattel und den Steg als maßgeblich. Um jetzt den Bogen zur Tradition zu schlagen, denn dort wird als Haupttonfaktor immer wieder der Hals herangezogen, stelle ich fest: Hals ... Bünde ... Sattel .... könnte ja einen Zusammenhang geben

Richtig.. aber die Rolle des Halses wird auch überbewertet, aber dazu später..

Wenn ich also einen bestimmten Ton haben will - auf was soll ich achten ?

Welches Bundmaterial ist für welchen Sound vorteilhaft ?

Solche Tests fehlen mWn völlig, was aber auch damit zu tun hat, dass schon eine andere umwickelte Saite, des gleichen Herstellers, schon deshalb auf der gleichen Gitarre deutlich anders klingen kann, weil die Umwickelung bezogen auf die Länge nicht an der gleichen Stelle sein muss.

Ungeachtet des Spielgefühls: Welche Auswirkung auf den Sound hat die Bundform ?

Das Crowning, die Abrundung bzw. auch evtl. Kerben, haben enormen Einluss, weil dort die Saite kaum wahrnehmbar mehr oder weniger gegen den Bund schlägt, verstärkt hört man das. Das ist zwar weniger als eine falsche Halseinstellung an Bundscheppern bewirkt, aber es geht (wie bei den umwickelten Saiten) um Nuancen, die am Amp hörbar sind.

Was macht mehr Sinn ? Knochen- oder Graphitsattel ?
Klingen die Materialien unterschiedlich ?

Alte Les Pauls hatten Nylonsattel, die man heute so gut wie nirgendwo mehr bekommt, heute gibt's auch noch Metallsattel. Was da besser klingt? Gute Frage, auch dazu fehlen Tests: Gleiche Gitarre mit unterschiedlichen Sattelmaterialien. Ich vermute, dass die Auswirkungen noch nicht einmal so stark sind, wie z.B. bei einer anderen Brückenkonstruktion.

Das klingt vielleicht provokativ - ist so aber nicht gemeint. Es ist die eine Sache die These zu vertreten dass durch genannte Faktoren der Sound entsteht ... dann müsste es aber auch Tendenzen und nähere Erkenntnisse geben.

Sound bei einer E-Gitarre ist ausschließlich die Saitenschwingung. Wenn du dir bildlich vorstellst, wie die Saite, die an zwei Seiten zwei Lager hat, nach dem Anschlag schwingt und was dabei die Saitenschwingung beeinflusst, müsstest du eigentlich rasch zum Schluß kommen, dass man zu wenig auf die Dinge wie Brücke/Bünde/Sattel schaut und zuviel auf Form/Holz/Lackierung.

Wie wenig man die Saitenschwingung über das Holz beeinflussen kann, kann jeder selber testen: Ohne die Saiten anzuschlagen, einfach über den Amp lauschen, während man auf den Body (oder Hals) klopft. Jetzt muss man sich nur klar machen, dass dieser hörbare Sound, mit deutlich weniger Energie, gegen den wirklichen Saitenanschlag (den kann man gerne auch noch als Vergleich sofort danach durchführen ;) ) beim spielen ankommen und ihn auch noch hörbar ändern soll.


Dann würden die Fragen in der Modellberatung zukünftig nicht mehr lauten: welches Modell ist zu empfehlen sondern:
Suche Metallgitarre mit aggressivem Attack und vollem Ton... welche Bünde soll ich nehmen ? ;-)

Das wäre die ehrlichste Variante, gemischt mit der Frage nach der passenden gut gebauten Brücke, denn im Prinzip ist auch noch die Bodyform einer E-Gitarre völlig egal. Da reicht der Klotz am Hals, der nicht einmal breiter wie der Hals sein muss, für die volle Funktionalität.
Richtig wichtig, bei allen Gitarren, ist natürlich die handwerkliche Arbeit selber.. Wenn es bei der Bundreinheit Schwankungen gibt, weil die Bünde mit relevanten Abweichungen gesetzt wurden, hört man das schließlich auch.


Will ja nicht der Spielverderber sein - aber du hast schon gesehen, dass beide Gitarren einen ganz normalen Gitarrenhals aus Holz haben?

Die Frage finde ich völlig berechtigt. Aber es ist nun einmal so, dass die meisten Hobbyschrauber oder auch Firmen lieber gleich zum Fertighals greifen, weil dessen Bau dann doch die schwierigste Disziplin ist. Bei Stein wird's dann richtig schwierig mit der Saitenlage.
Ich halte den Hals u.a. auch deswegen für richtig fragwürdig, wenn es um Schwingung geht, weil man ihn in der Hand hält, das reduziert die Schwingung, außerdem kommt da noch der Trussrod ins Spiel.
Dass die Halseinstellung/Saitenhöhe einen Klangeinfluss hat, würde ich nicht bestreiten, mit dem Holz des Halses hat das aber nichts zu tun.

Der Hals bzw. das Material des Halses ist meiner Meinung nach noch wichtiger als der Korpus.

Vielleicht überzeugt dich dieses Video, dass der Hals auch überbewertet ist. Die Stratocaster aus Karton, Hals inklusive.. und die Meinung von Fender-Mitarbeitern dazu:
 
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Vielleicht überzeugt dich dieses Video

Du wirst lachen - aber ich habe mit mir schon darum gewettet, dass jetzt jemand dieses Video postet.
Und ich finde es nicht besonders überzeugend - also den Klang der Gitarre. Natürlich erkennt man, dass es irgendwo nach Gitarre klingt, aber würde jemand eine 3000 Euro Custom Shop Strat kaufen, die so einen Sound hat? Ok, vielleicht ja doch... ich jedenfalls nicht. ^^
Aber immerhin ist der Hals hier auch aus einem "organischen" Material.
 
Falls du diese "Fischgrätengitarre" meinst, die klingt doch mal richtig schlecht... - aber gut, da sind wir wieder bei "Geschmackssache".
Nee, ich meinte die Travis Bean (Kramer ?)
 
Ich bin gespannt. Ich habe bei einer Gitarre kürzlich Korpus, Elektronik und Brücke getauscht - auf den neuen Hals warte ich noch. Aktuell ist der alte Hals verbaut. Die Gitarre klingt schon anders als vorher, aber nicht eklatant anders.

Ich habe eine andere Gitarre, bei der ist die gleiche Brücke verbaut und dort ist schon der Hals montiert, den ich jetzt nochmal geliefert bekomme. Abgesehen davon, dass das Holz natürlich von einem anderen Baum stammen wird, sollte das Bundmaterial und der Sattel 1:1 gleich sein.

Ich hätte dann Steg, Bünde und Sattel auf beiden Gitarren in identischer Ausführung.
Auch die Elektronik ist von der Schaltung und den Bauteilen gleich.


Unterschiede: PUs ( beides Fender CS - 1 x Texas Specials, 1 x 57 / 62 Set ) und Korpus ( Erle und Sumpfesche ).

Jetzt bin ich gespannt, wie ähnlich sich beide im Sound werden. Mir wäre es ganz recht, denn die "Referenz Strat", die jetzt schon den "richtigen" Hals montiert hat, klingt genau so wie für mich eine Strat klingen sollte... naja, bis auf den Steg, da muss ich noch mal schauen ob ich da mit einem anderen PU noch etwas ändern kann.
 
Sound bei einer E-Gitarre ist ausschließlich die Saitenschwingung.

Nein, der Pickup ist am Korpus befestigt. Würde theoretisch nur der Korpus schwingen und nicht die Saite, würdest Du auch einen Klang hören. Schlägst Du die Saite an schwingt sowohl die Saite als auch der Korpus. Das ganze ist also ein recht komplexes Zusammenspiel.

Wenn man mal einen Tonabnehmer an zwei Saiten befestigen würde, diesen in die Nähe von anderen Saiten bringen und die beiden Saiten mit dem Tonabnehmer in Schwingung versetzten würde, welche Saitenschwingung würde man dann hören?
 
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Nein, der Pickup ist am Korpus befestigt. Würde theoretisch nur der Korpus schwingen und nicht die Saite, würdest Du auch einen Klang hören. Schlägst Du die Saite an schwingt sowohl die Saite als auch der Korpus. Das ganze ist also ein recht komplexes Zusammenspiel.

Auch für dich wiederhole ich es noch einmal gerne: Les Paul selber wollte genau das nicht: Body und Pickups die so stark schwingen, dass sie die Saitenschwingung beeinflussen, beides führt zu unerwünschten Rückkopplungen. Wenn er es gewollt hätte, hätte er sich die Erfindung der Solidbody-Guitar sparen können, solche Gitarren (Akustikmodelle mit Tonabnehmer) gab es nämlich schon auf dem Markt.

Wenn du mir nicht glaubst, lausche ihm doch selber:

Der dazu relevante Teil beginnt etwa bei 4:10, ab etwa 5:10 erwähnt er das mit der Decke und den schwingenden Pickups.
 
Auch für dich wiederhole ich es noch einmal gerne: Les Paul selber wollte genau das nicht

Ich will auch so manches nicht, aber trotzdem passiert es. Gegen die Physik ist auch Les Paul machtlos. Um die Schwingungen des Korpus und des Halses völlig auszuklammern müsste man ein härteres Material nehmen als Holz. ab einer gewissen Härte würde dann tatsächlich alles gleich klingen. Aber Pappel und Esche z.B. sind nicht so hart, dass es keinen Unterschied machen würde.
 
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Gegen die Physik ist auch Les Paul machtlos. Um die Schwingungen des Korpus und des Halses völlig auszuklammern müsste man ein härteres Material nehmen als Holz.

Er nahm ein Stück einer Eisenbahnschiene... (!) Ziel war die maximal mögliche Schwingungsdauer (Sustain) und die Vermeidung von Rückkopplungen. Davon wollte aber kein Gitarrenhersteller etwas wissen, der Mann brauchte letztlich über 10 Jahre um einen Hersteller überhaupt davon zu überzeugen, eine Solidbody auf den Markt zu bringen. Gibson machte das aber auch nur, weil Leo Fender mit der Broadcaster schon damit angefangen hatte und praktisch zeigte, dass die Idee auch mit billigstem (Nicht-Klang-)Holz als Bodymaterial gut funktionierte.

ab einer gewissen Härte würde dann tatsächlich alles gleich klingen. Aber Pappel und Esche z.B. sind nicht so hart, dass es keinen Unterschied machen würde.

Passt wunderbar zur Logik, dass alte Gitarren besonders trockenes Holz hätten und daher so toll klingen, findest du nicht?

Die Frage ist immer noch, wie kann man eine stark schwingende Saite, die an zwei Seiten mehr schlecht als gut gelagert ist, mit einem von ihr in Schwingung versetztem
(aber weniger stark schwingendem!) Hals/Body so beeinflussen, dass dies durch eine Änderung der Saitenschwingung hörbar wird, ohne Feedbacks zu erzeugen und gleichzeitig der Saitenschwingung so wenig Energie entzieht, dass das Sustain der Saiten möglichst von langer Dauer ist.
In der Forumlierung stecken praktisch drei Unmöglichkeiten.
 
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Passt wunderbar zur Logik, dass alte Gitarren besonders trockenes Holz hätten und daher so toll klingen, findest du nicht?
Nee.. gar keine Logik... pseudophysikalisches Geschwurbel.
- bedeutet hart gleich trocken?
- wenn etwas hart ist kann es trotzdem super zum Schwingen angeregt werden. Mann kann super Xylophone und Metallophone aus harten Materialien bauen
- Schön.. Du kennst den Energieerhaltungssatz. Nur weil die Energie die der Saite entzogen ist, kann trotzdem noch ein Ton erzeugt werden (elektrisch), wenn das ganze System schwingt
 
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Er nahm ein Stück einer Eisenbahnschiene... (!)
Zur Serienreife ist das aber nicht gekommen, oder?
Passt wunderbar zur Logik, dass alte Gitarren besonders trockenes Holz hätten und daher so toll klingen, findest du nicht?
Ich würde nicht behaupten, dass alte Gitarren alle per se toll klingen. Es ist auch nicht nur das Holz, das der Klang macht. Es sind ja noch andere Teile an der Gitarre. Vor allem der Spieler.
 
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Auch für dich wiederhole ich es noch einmal gerne: Les Paul selber wollte genau das nicht: Body und Pickups die so stark schwingen, dass sie die Saitenschwingung beeinflussen, beides führt zu unerwünschten Rückkopplungen. Wenn er es gewollt hätte, hätte er sich die Erfindung der Solidbody-Guitar sparen können, solche Gitarren (Akustikmodelle mit Tonabnehmer) gab es nämlich schon auf dem Markt.

Wenn du mir nicht glaubst, lausche ihm doch selber:

Der dazu relevante Teil beginnt etwa bei 4:10, ab etwa 5:10 erwähnt er das mit der Decke und den schwingenden Pickups.


Was Du aber völlig außer acht lässt, dass der gute alte Les Paul mit der Entfernung des Resonanzkörpers bewirken wollte, dass der Gitarre Energie von außen zugeführt wird, in dem durch den Resonanzkörper Schwingungen des Amps aufgenommen werden. Wenn der Korpus durch die Saiten angeregt wird gibt's mitnichten Rückkopplungen. Auch der war kein Physiker... was der da so erzählt muss physikalisch nicht 100% richtig sein.
 
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Zur Serienreife ist das aber nicht gekommen, oder?

Ohne es genau zu wissen, ich glaube er hat selber eingesehen, dass das Teil nicht gut in der handhabung war und schwenkte daraufhin auf einen Holzklotz um. Es gab aber noch zwei Vorläufer seiner Solidbody, das eine war ein Bass aus Holz (Audiovox electric bass), ebenso wichtig war das Rickenbacker Model B- die stellten vorher nur Lapsteels aus Aluminium her und boten damals erstmals ein solches Teil mit Gitarrenhals komplett aus Bakelit an.

Was Du aber völlig außer acht lässt, dass der gute alte Les Paul mit der Entfernung des Resonanzkörpers bewirken wollte, dass der Gitarre Energie von außen zugeführt wird, in dem durch den Resonanzkörper Schwingungen des Amps aufgenommen werden.

Wie laut spielte man damals? Immerhin war clean angesagt, auch bei ihm.


Wenn der Korpus durch die Saiten angeregt wird gibt's mitnichten Rückkopplungen.

Das kannst du bei Akustiks mit Tonabnehmer bei hohen Lautstärken sehen, was dann geschieht.

Auch der war kein Physiker... was der da so erzählt muss physikalisch nicht 100% richtig sein.

Völlig richtig, aber er war auch einer der experimentierfreudigsten Gitarristen, die es je gab. Dass er bei all seinen Tüfteleien (Solidbody, Multitracking, Flanger/Vibrato-Effekte), keinen wissenschaftlichen Hintergrund mitbrachte und Highschoolabbrecher war.. nun ja.
Ich denke schon, dass er genau wusste was er tat.
 
Das kannst du bei Akustiks mit Tonabnehmer bei hohen Lautstärken sehen, was dann geschieht.

Gar nix... wenn der Amp aus ist. Keine Rückkopplung. Bei Rückkopplungen wird der Korpus überwiegend durch den Schall des Amps und nicht durch die Saiten angeregt. Ob Clean oder verzerrt ist bei Halb- oder ganzen Akustikgitarren ziemlich wurscht. Durch den Resonanzkörper sind sie halt ziemlich anfällig.

Die Lautstärke unterschätzt du wahrscheinlich.... die mussten sich damals immerhin in einer Big Band mit Bläsern durchsetzen. Das war ja mit der Hauptgrund warum man als Mitglied einer Big Band Tonabnehmer und Amps benutzte. Und auf die Idee zu kommen, das Feedback durch einen soliden Korpus zu vermindern... da muss man kein Nobelpreisträger sein. Die Zeit war einfach reif dafür. Hätte LP, Fender das nicht gemacht, wär irgendjemand anderes darauf gekommen,
 
Gar nix... wenn der Amp aus ist. Keine Rückkopplung. Bei Rückkopplungen wird der Korpus überwiegend durch den Schall des Amps und nicht durch die Saiten angeregt. Ob Clean oder verzerrt ist bei Halb- oder ganzen Akustikgitarren ziemlich wurscht. Durch den Resonanzkörper sind sie halt ziemlich anfällig.

Bei Solidbodys hast du Rückkopplungen durch die Einwirkung des Schalls auf die Saiten..

Die Lautstärke unterschätzt du wahrscheinlich.... die mussten sich damals immerhin in einer Big Band mit Bläsern durchsetzen.

Ich unterschätze die Lautstärke gewiss nicht, weil ich damalige Bands mit späteren Rockbands verglichen habe, den Rest erklärt die Leistungsfähigkeit damaliger (Gitarren)Amps. Trotzdem scheint das Feedback ein Problem gewesen zu sein, sonst hätten wir heute keine Solidbodys.

Und auf die Idee zu kommen, das Feedback durch einen soliden Korpus zu vermindern... da muss man kein Nobelpreisträger sein. Die Zeit war einfach reif dafür.,

Die "Zeit war einfach reif dafür" klingt reichlich banal. Im Prinzip war die Solidbody schon erfunden, als Aluminium und später Bakelit-Lapsteel oder als dieser frühe E-Bass aus Holz. Die Leistung von Les Paul war es, aus beiden Konzepten einen gut klingende Gitarre zu machen.. Er fand heraus, dass sie Leute auch optisch eine Gitarre sehen wollten, obwohl diese Gitarreform des Body technisch völlig unnötig war.
Auch n


Weil immer wieder manche argumentieren, dass der Klang vom Hals käme.. Ich habe heute beim spielen zum Spass mein Edelstahl-Bottleneck gezückt und gemerkt, dass sich der Klang der Gitarre praktisch nicht hörbar verändert, wenn man den Hals per Bottleneck aus der direkten Saitenschwingung nimmt. Als Vergleich diente ein beliebiger Bund: Bund greifen, Saiteanschlagen, Sound anhören, Bottleneck direkt über dem Bund ansetzen, Saite anschlangen.. Sound anhören.
Kann jeder gerne selber testen, vor allem im Bezug auf trockene, hölzerne Klänge ;)
 
Bei Solidbodys hast du Rückkopplungen durch die Einwirkung des Schalls auf die Saiten..

Sorry, aber das ist nun wirklich Unfug. Würde das zustimmen, müsste die Empfänglichkeit für Feedback bei allen gleich konstruierten Gitarren mit den gleichen Saiten gleich sein. Ist aber nicht so. Saiten haben schon mal viel zu wenig Luftwiderstand, um von der schwingenden Luftsäule umfassend angeregt zu werden, das sind absolute Grundlagen der Mechanik. Man braucht den mechischen Hebel des Korpus, der aufgrund seiner tausendfach größeren Fläche wesentlich mehr Energie aus der schwingenden Luft aufnehmen kann.

Eine Solidbody, die akustisch schon recht laut ist, ist umgekehrt auch leichter vom Luftschall zum Mitschwingen anzuregen. Du scheinst offensichtlich zur "Holzeigenschaften sind sowieso Voodoo"-Fraktion zu gehören, aber auch die kann die Gesetze der Physik nicht einfach ignorieren. Mal zum Mitschreiben: eine hölzerne Solidbody unterschiedet sich in ihren ganzen physikalischen Prinzipien nicht ein Jota von einer Hollowbody. Ihre Eigenschaften unterscheiden sich ausschließlich in den Maßen, nicht aber in den Wirkmechanismen.

So ist ein Stück Holz ja schon in sich gar kein homogener Körper. Er besteht aus Zellen mit Wänden und Hohlräumen, die entweder leer oder mit Restfeuchte und nichtwässrigen Rückständen aus dem früheren Pflanzensaft (Mineralien, Zucker etc.) gefüllt sind. Kurz gesagt: eine Solidbody besteht aus Millionen winziger, aneinander geklebter HOHLKÖRPER. Akustisch schon laute Solidbodies lassen sich umgekehrt auch leichter durch äußeren Schall zum Mitschwingen anregen.

Weil immer wieder manche argumentieren, dass der Klang vom Hals käme.. Ich habe heute beim spielen zum Spass mein Edelstahl-Bottleneck gezückt und gemerkt, dass sich der Klang der Gitarre praktisch nicht hörbar verändert, wenn man den Hals per Bottleneck aus der direkten Saitenschwingung nimmt. Als Vergleich diente ein beliebiger Bund: Bund greifen, Saiteanschlagen, Sound anhören, Bottleneck direkt über dem Bund ansetzen, Saite anschlangen.. Sound anhören.

Und wieder zu kurz gedacht. Der Hals wird so natürlich nicht "aus der direkten Saitenschwingung genommen". Du fixirst Dich dabei auf die seitliche Schwingung der Saite. Um Deine Theorien aufrecht zu erhalten, klammerst Du jedoch einen anderen, mechanisch wesentlichen Teil aus: die Longitudinalschwingungen. Bei jedem Schwingungsbauch erhöht sich die Spannung der Saite, beim Nulldurchgang sinkt die Spannung wieder. Sie zieht also an beiden Enden ihrer Aufhängung (auch hinter dem gegriffenen Bund bzw sogar hinter dem Sattel, wenn es denn kein FR-Klemmsattel ist). Die Saite komprimiert also durch ihren Zug mechanisch den Hals und den Korpus in rhythmischer Abfolge. Ja, dieses Zusammenpressen geschieht in einem für das bloße Auge nicht sichtbarem Maß, aber so ist das halt bei Schwingungen mit niedriger Amplitude und hoher Frequenz, sprich Schallwellen.

Bitte verabschiede Dich endlich von den simplifizierten Modellen aus dem Physikunterricht. Da war die Saite an zwei mathematisch starren Punkten mmit unveränderlichem Abstand aufgehängt. Das dient aber doch nur dazu, das Prinzip zu verdeutlichen. In der Realität gibt es kein vollkommen starres Material, und genau deshalb schwingt alles mit, aus dem Du eine Gitarre bauen kannst.

Und ja, eine Solidbody ist schon wesentlich starrer als eine Hollowbody, deshalb klingt sie ja auch anders. Dennoch ist sie in Bezug auf alle in ihr wirkenden physikalischen Prinzipien ebenfalls ein akustisches Instrument. Der Unterschied zu rein akustisch gespielten Gitarren beschränkt sich auf folgendes: dass das dort hörbare Ergebnis entsteht dadurch, dass sich das gesamte schwingende Instrument direkt an die Luft ankoppelt. Bei der Solidbody wird zwar nur ein relativ winziger Teil des Instruments (nämlich kurze Teilbereiche der Saiten) vom PU abgenommen, aber schwingen tut auch hier erstmal das ganze Instrument, mit Saiten, Hardware, Hals und Korpus. Und ändert man irgendein Teil, schwingt das ganze System anders. Alle gegenteiligen Vorstellungen sind physikalisch gesehen schlicht falsch.

Zu guter Letzt noch ein eigentlich allgemein bekanntes Produkt, dass wirklich jedem anschaulich machen sollte, dass Body und Hals einer Solidbody schwingen:


Und alles, was mitschwingt, tritt nunmal zwangsläufig in Wechselwirkung mit den Saiten und beeinflusst wieder deren Schwingung.

Gruß, bagotrix
 
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