"Die Leute, die das Gras wachsen hören, sind meistens dieselben, die es gesät haben."
Peter Frankenfeld
Der Sehsinn liefert dem Menschen bis zu 80 Prozent seiner Umweltinformationen. Rein statistisch liege ich also schon nicht arg daneben, wenn ich im Falle von "Schwingungen" davon ausgehe, dass das Auge auch mit dahintersteckt. Oder wurden diese "Tests" wenigstens im Dunkeln durchgeführt?
Auch Hörerlebnisse sind subjektiv! Die
Hörschwelle ist von Alter und Gesundheitszustand abhängig. Schon ab 25 Jahren verlieren die meisten Menschen die Fähigkeit, bestimmte hohe Frequenzen zu hören. Das macht sich zum Beispiel eine Firma zunutze, die mit einem Ultraschall-Störgeräuschsender namens
Mosquito, der Schallwellen in hohen Frequenzbereichen aussendet,
Jugendliche vertreibt.
Diese wiederum nutzen die gleiche Frequenz als Klingelton, weil die Lehrer sie nicht hören!
Dass angeblich schon jeder vierte junge Mensch zwischen 16 und 24 Jahren
schwerhörig ist, macht ungeprüfte, subjektive Wahrnehmungen für mich auch nicht glaubwürdiger!
Ich weiss, dass ich nichts weiss!
Geflügeltes Wort
Ich bin weder Schreiner, noch Wissenschaftler, aber ich habe schon lange bevor ich eine (A- oder E-) Gitarre in der Hand hatte, mit Holz zu tun gehabt. Ich habe nicht das absolute Gehör, aber hoffentlich noch etwas Verstand und die Fähigkeit ihn zu gebrauchen. Ich habe auch nicht den Anspruch, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, aber ich habe die Erfahrung gemacht/machen müssen, dass man nicht alles glauben kann, was einem erzählt wird. Nennen wir es doch einfach: Gesundes Misstrauen!
"Experten sind Leute, die andere daran hindern, den gesunden Menschenverstand zu gebrauchen."
Hannes Messemer
Wer hier im Forum eine Weile mitliest, weiss - auch als Laie - was für Vorstellungen von Holz da manchmal kursieren! Langjährige
Studien zeigen, wie die Naturentfremdung unter Jugendlichen zugenommen hat. Verbessert sich das fehlende Wissen im Erwachsenenalter plötzlich?
Auch die Tatsache, dass jemand gerne bastelt, macht ihn nicht unbedingt zum guten Ratgeber. Bei der Gitarrenbastelei muss ich immer an den Autospoilerwahn vor einem Vierteljahrhundert denken. (Vorwiegend junge) Autobesitzer veränderten die offenbar verbesserungsbedürftig gebauten Fahrzeuge, teilweise unter beträchtlichem finanziellen Einsatz - am deutlichsten sichtbar an den vielen Spoilern. Verbesserungen der Höchstgeschwindigkeit im untersten Prozentbereich und entsprechende Einsparungen beim Spritverbrauch waren der "Lohn" für diese kreative Tätigkeit. Ein Wunder, dass sie heute fast ausgestorben ist?
Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt!
Pippi Langstrumpf
Bei Schwingungen muss ich immer an Erdstrahlen und Wasseradern denken. Wünschelrutengänger lassen sich vom
Carpenter-Effekt täuschen und falls sie Erfolg haben, ist das kein Wunder: Grundwasser kommt flächig vor und nicht in Flussform! Bei Tests schneiden diese Experten nicht besser ab als es der Zufall erlaubt. Trotzdem glaubt die Hälfte der Bevölkerung an solche Dinge. Soll ich es jetzt auch ?
Was wir möchten, das glauben wir gern.
Demosthenes
Ist der Glaube an das Korpusholz nicht eher der Versuch, die Welt berechenbar zu machen und sie so verständlich und kontrollierbar wie nur möglich erscheinen zu lassen?
Kunst ist, aus Nichts etwas zu machen und es zu verkaufen.
Frank Zappa
Eine Frage lohnt sich bei den meisten Themen: Cui bono?
Jahrelang reichten stinknormale "Fabrikgitarren" aus, um gute Musik zu machen, es kann also nicht schaden, wenn man über ein "
Alleinstellungsmerkmal" verfügt, das traditionelle Industriehersteller nicht bieten können.
Das Auge isst mit.
Bekannte Redensart
Auch Leute, die auf Hölzer klopfen, suchen sich keine Hölzer mit langweiligen Maserungen aus, sondern optisch auffällige! Weil diese besser klingen?
Wäre die Qualität zu hören, müsste man es dann nicht "hören", wenn die Optik eines Holzes von
Wachstumsstörungen herrührt?
Oder würden dann renommierte Gitarrenbauer Holz
verwenden, das krank ist, weil es von einem
Pilz befallen wurde, dessen Sporen durch Einatmen zu erheblichen Gesundheitsschäden, im schlimmsten Fall sogar zum Tode führen können? Eine Krankheit, die auftritt, wenn der Baum - entgegen der Lehre - durch Hitze, Trockenheit und Wassermangel gestresst und das Holz dadurch wirtschaftlich wertlos geworden ist.
Ist das dann auch noch "Tonholz"? In diesem Thread hiess es doch:
"
"Tonholz" ist eigentlich nur der Fachbegriff der Holzbranche für qualitativ hochwertiges Holz der Wuchs-Güteklassen ab AAA aufwärts"
und
"
Und natürlich die Qualität (Jahresringe und fehlerfrei)."
Warum ist dann Tropenholz "Tonholz", das bekanntlich
keine Jahresringe bekommt?
Für mich ist das einer dieser kleinen, aber feinen Widersprüche, die niemand zu bemerken scheint, die aber meinen Unglauben bestärken!
Das einzige Mittel gegen den Aberglauben ist Wissenschaft.
Henry Thomas Buckle
Probieren wir es also mit Wissenschaft!
Für ein wenig Skepsis müsste doch sorgen, dass nicht haufenweise Studien zu diesem Thema vorliegen, wenn es doch so wichtig sein soll!
Wichtig sind Schwingungen beim Holz, wenn dieses auf dem Bau eingesetzt wird - wegen der Tragfähigkeit! Bisher wurden die dafür benötigten Hölzer hauptsächlich visuell sortiert (Gitarristen bezeichnen das gerne als "selektieren"
), maschinell geht es aber schneller.
Ein
EU-Projekt befasst sich mit der Vereinfachung dieser Prozedur. Ich bin so frei, einige der gewonnenen
Erkenntnisse auf den Gitarrenbau zu übertragen:
... Unterschiedliche Holzeigenschaften abhängig vom Wuchsgebiet scheinen den großen Testaufwand für Holz aus anderen europäischen Ländern zu begründen. Zur Beschreibung der Herkunft werden politische Landesgrenzen verwendet, die die tatsächlichen Einflussfaktoren für die Holzqualität nur unzureichend beschreiben ... Die Eigenschaften variieren abhängig von der Herkunft. Beispielsweise ist der Mittelwert des Elastizitätsmoduls bei polnischem Holz ähnlich hoch wie bei schwedischem oder slowenischem, allerdings erreicht Holz aus Polen nicht die Festigkeitswerte wie schwedisches oder slowenisches Holz ... Ist die Sortiermaschine in der Lage, neben dem Elastizitätsmodul auch die Ästigkeit zu bestimmen, kann der geringere Festigkeitswert über hohe Ästigkeitswerte wenigstens teilweise erklärt werden. Momentan ist es allerdings nicht möglich, die unterschiedlichen Festigkeitseigenschaften allein mit den bisher verfügbaren Maschinenparametern zu erklären. Offensichtlich sind Parameter vorhanden, die (noch) nicht ermittelt werden können, aber die Holzeigenschaften beeinflussen ...
Fazit:
... Obwohl Schnittholz maschinell weitaus zuverlässiger und wirtschaftlicher sortiert werden kann als visuell, lassen sich auch hier Festigkeitsunterschiede von verschiedenen Herkünften der gleichen Holzart nicht immer mit den bisher gemessenen Parametern (z. B. Ästigkeit,Dichte) erklären.
und
Der Vergleich der gesammelten Daten sorgte schließlich für eine Überraschung: Nicht alle gefundenen, regionalen Unterschiede in der Festigkeit der Hölzer konnten die Holztechnologen durch die gemessenen Parameter erklären. So haben sich zum Beispiel in der umfangreichen Studie zwar Dichte und Elastizität von Fichtenholz aus Polen und Schweden als gleich erweisen, doch sie haben trotzdem verschiedene Festigkeiten. TUM-Projektleiter Peter Stapel vom Fachgebiet Holztechnologie folgert: "Es gibt noch nicht ermittelte Parameter, die die Holzeigenschaften beeinflussen." Die Suche geht also weiter - als nächstes möchten die Holzforscher zusätzliche messbare Parameter finden, um die Genauigkeit der Vorhersagen von Holzsortiermaschinen weiter zu erhöhen ...
An einem wichtigen Punkt konnten die TUM-Forscher aber schon für Klarheit sorgen: Zusammen mit ihren internationalen Kollegen haben sie nachgewiesen, dass zwar die Holzeigenschaften abhängig von der Herkunft variieren - allerdings weit weniger, als dass eine Herkunftseinteilung nach Ländern sinnvoll wäre. Nach Ansicht der Wissenschaftler würde es reichen, drei große Gebiete einzuteilen, deren Holz jeweils ähnliche Eigenschaften hat: Nord-, Mittel- und Osteuropa. Dies wollen die Forscher im Europäischen Komitee für Normung vorschlagen. Damit würde europaweit die maschinelle Sortierung von Bauholz vereinfacht - und könnte in Zukunft für eine verlässlichere, schnellere und billigere Holzsortierung nach Festigkeit sorgen, für mehr Sicherheit am Bau.
Diesen Unterschied kann man hören?
"Werbung ist der Versuch, das Denkvermögen des Menschen so lange außer Takt zu setzen, bis er genügend Geld ausgegeben hat"
Ambrose Bierce
Sogar "richtige" Gitarrenbauer, also die mit dem Beruf des Zupfinstrumentenbauers, verwenden vom Pilz zerfressene Hölzer zum Bau von Akustikgitarren. Kann das Holz also generell so wahnsinnig wichtig für den Klang sein?
Dipl. Ing. Gunter Ziegenhals (Institut für Musikinstrumentenbau, Zwota) vom 1990 gegründeten Fachausschuss Musikalische Akustik (FAMA) in der Deutschen Gesellschaft für Akustik (DEGA) sagt in seinem
Artikel "Die Resonanzmerkmale von Gitarrendecken" über
akustische Gitarren:
Die Ergebnisse zeigen, dass der Einfluss des Ausgangsmaterials auf die Fertiginstrumente deutlich geringer ausfällt als allgemein angenommen. Weiterhin orientiert man sich offensichtlich zur Beurteilung des Holzes an der Jahrringstruktur, obwohl deren Einfluss auf die Akustik der Fertiginstrumente nicht nachweisbar ist. Genauere Analysen zeigen allerdings, dass eine Auswahl nach Jahrringstruktur (eng und gleichmäßig) mit hoher Sicherheit keine ausgesprochen schlechten Instrumente hervorbringt. Man stünde also auf der sicheren Seite ...
... Darüber hinaus widersprechen unsere Ergebnisse in der Tendenz bisherigen Aussagen ...
... Offensichtlich wurden frühere Untersuchungen an durch die traditionelle Betrachtung in ihrer Variationsbreite hinsichtlich der mechanischen Holzeigenschaften zu stark eingeschränkten Stichproben vorgenommen. Eine Betrachtung einer breiten Qualitätspalette von Resonanzholz, wie sie von uns vorgenommen wurde, scheint jedoch auch aus der Sicht heraus überaus sinnvoll, dass es eine Reihe allgemein anerkannter alter Instrumente gibt, die kein engjähriges, gleichmäßiges Resonanzholz aufweisen. ...
... Es ist eine bekannte Tatsache, dass für asymmetrische Schwingungen einer Platte die akustische Abstrahlung stärker ist. Asymmetrien in den Schwingformen werden aber durch eher unregelmäßige Jahrringstrukturen begünstigt. Modalanalysen zeigen nun, dass gute Meisterinstrumente in der Tat ... meist deutlich mehr Asymmetrien aufweisen. ... Dies ist eine Erklärung dafür, dass aufgrund ihrer ungleichmäßigen Jahrringe schlecht beurteilte Decken doch gute Instrumente hervorbringen. ...
Bei akustischen Gitarren!
Ariel wäscht nicht nur sauber, sondern rein!
Clementine
Helmut Fleischer von der Universität der Bundeswehr München (Institut für Mechanik, Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik) stellte 2006 in seinem, Aufsatz "
Korpusschwingungen einer Elektrogitarre" fest:
... Weitere Experimente haben gezeigt, dass es im Hinblick auf die Rückwirkung des Korpus auf die Saitenschwingungen ausreicht, lediglich den Bereich zwischen dem Steg und dem Sattel zu erfassen. Im Sinne einer Beschränkung auf das Wesentliche könnten zukünftige Messungen demnach zielgerichtet auf denjenigen Bereich der Gitarre begrenzt werden, welchen die Saiten überspannen. ...
...Wie wirken die Schwingungen des Instrumentenkörpers auf die Saiten zurück? Eine akustische Gitarre funktioniert nur dann, wenn die Saite an mindestens einem ihrer beiden Enden beweglich gelagert ist. So kann die Saite Schwingungsenergie auf den Korpus übertragen und das Instrument zum Mitschwingen bringen. Obwohl zu einem gewissen Maße auch der Hals Energie aufnehmen kann (Fleischer 1997, 2001c), ist primär der Steg das bewegliche Ende und damit das "Eingangstor" für Schwingungsenergie in den Schallstrahler. ...
... Das Umgekehrte gilt für die elektrische Gitarre. Schall entsteht hier nicht durch Mitschwingen des Korpus. Vielmehr werden die Schwingungen der Saite über die Tonabnehmer in elektrische Signale umgewandelt, verstärkt und über Lautsprecher abgestrahlt. Eine gut gefertigte E-Gitarre ist am Steg praktisch stets in Ruhe. Ein bewegliches (Admittanz ungleich null) bzw. für Energie aufnahmefähiges (Konduktanz ungleich null) Auflager kann die Saite dagegen am Hals vorfinden. In diesem Fall ist das Griffbrett - oder bei leer gespielter Saite der Steg - das Eingangstor für Schwingungsenergie. Während bei der akustischen Gitarre Schall nur dadurch entstehen kann, dass Schwingungsenergie von der Saite in den Abstrahlkörper fließt, bringt bei der E-Gitarre eine Anregung des Korpus zum Schwingen keinerlei Nutzeffekt. Ein Mitschwingen des Korpus bewirkt lediglich, dass die Saitenschwingung in Folge des zusätzlichen Energieverlustes rascher abklingt, als dies bei einem unbeweglichen Abschluss der Fall wäre. Es ist daher als parasitär anzusehen. ...
Musik wird oft nicht schön empfunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden
Wilhelm Busch
Die Gitarrenbaumeisterin
Angela Waltner schreibt: "Um es gleich vorwegzunehmen: Es zeigt sich bei vergleichenden Gitarrenanspielen, dass es nicht vorrangig die Instrumente sind, die einen Klangunterschied bewirken. Vielmehr sind es diejeweiligen Spieler durch ihre individuelle Tongestaltung."
Wer hätte das gedacht! Und gewiss gilt dies auch für elektrische Gitarren!
Gunter Ziegenhals hat in seiner Doktorarbeit etwas Ähnliches
festgestellt: "Selbst die teuerste Stradivari kann das Üben nicht ersetzen." Der Einfluss der Musikinstrumente sei erstaunlicherweise sehr gering, viel bedeutender seien der spielende Musiker und der Raum, in dem gespielt wird.
Die konkrete Verteilung des Einflusses schwankt je nach Instrumententyp; interessant ist, dass bei Gitarren und Trompeten die Musiker den größten Einfluss ausüben. In jedem Falle ist jedoch der Musikereinfluss größer als der der Instrumente!" erklärt Ziegenhals weiter.
Das ist wahrscheinlich der grösste Unterschied zu gestern: Es gab Zeiten, als man froh war, überhaupt ein Instrument zu besitzen. Durch fleissiges Üben konnte man weiterkommen. Heute ist es oft wichtiger, seine exklusiven Ansprüche vor sich und der Welt zu beweisen zu können. Da tut es kein Instrument von der Stange mehr!
Bescheiden können nur Menschen sein, die genug Selbstbewusstsein haben.
Gabriel Laub
Unwürdige wie ich sollten natürlich die Klappe halten, ich weiss. Aber ich finde, gerade Anfänger sollten wissen, dass es wichtigere Dinge als Holz gibt, auf die es beim Spielen ankommt - das musste gesagt werden!
Ein Schreiner, den ich zum Thema gefragt habe, sagte mir: "Warum sollte ich auf Holz klopfen? - Vielleicht um zu sehn, ob der Wurm drin ist?" Da hat er doch recht!