LoboMix
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Bitte gerne hier weiter machen, so eine schöne Exhumierung eines uralten Threads habe ich noch nicht erlebt .Wir driften jetzt mächtig ab. Vielleicht sollte man solche Diskussionen in ein anderes Forum verweisen ... ?
So viele neue Beiträge, ich will mal bei der Studie anfangen:
In der verlinkten Studie werden genau zwei Stimmtonfrequenzen als Bezug betrachtet: 440 Hz und 432 Hz. Und was kommt dabei heraus:
Dass ein und dasselbe Stück eine ganz geringfügig signifikante unterschiedliche Wirkung auf den Zuhörer hat, wenn sie einmal in der (weitgehend) gängigen Tonhöhe vorgespielt werden und einmal ca. einen Viertelton tiefer (das Gis unter dem A=440 Hz hat in der gleichstufigen Stimmung 415,13 Hz, 432 Hz liegt also ungefähr dazwischen). Ca. ein Viertelton Unterschied ist für halbwegs trainierte Ohren sehr viel, und wenn die Stücke direkt hintereinander abgespielt werden (wobei der Versuchsaufbau in dem Skript nicht näher beschrieben wird), dann sollte es mich sehr wundern, wenn das ohne Wirkung bliebe. Für (echte) Absoluthörer könnte das sogar schier unerträglich sein, wenn sie ein Stück abweichend von ihrer gewohnten Stimmung hören.
Ich kenne das ganz gut, wenn ich ein Stück erst auf meinem Klavier spiele (gestimmt A=442 Hz) und kurz danach auf dem Spinett (A=430 Hz). Das Absinken des Klangs, respektive Aufsteigen wenn ich vom Spinett komme, erzeugt für einen Moment ein komisches Gefühl. Da ich kein Absolut-Hörer bin (und zudem vom Unterricht her oft mit zum Teil recht starken Intonationsunterschieden konfrontiert werde - Anfänger intonieren auf Klarinette und Saxophon meistens eine Zeit lang zu tief), gewöhne ich mich an diesen Unterschied aber recht schnell und insofern ist er mir dann auch egal.
Aber aus anderen Zusammenhängen und Studien ist bekannt, dass ein erster Eindruck das Denken und Fühlen schnell in eine Richtung lenken kann. Wurde dann erst mal eine bestimmte Richtung (z.B. positives oder negatives Gefühl, Zuneigung oder Abneigung) angestoßen, bleibt diese oft auch im Weiteren in den betreffenden Situationen erhalten oder mindestens vorherrschend.
Da das Setting der Studie in dem Skript nicht näher beschrieben ist, weiß ich natürlich nicht, inwieweit dieser manipulative Effekt methodisch ausgeschlossen oder mindestens heraus gerechnet wurde. Fakt ist aber, dass Versuchsanordnungen, die manipulative Effekte ausschließen wollen, meist sehr aufwändig sind, sollen sie das auch gewährleisten (Stichwort "Doppel-Blindtest").
Die Bemerkung von @Murenius: "Zu viel gegessen? Nicht aufs Klo gekonnt? Morgens vom Partner getrennt?" muss in diesem Zusammenhang sehr ernst genommen werden, geht es doch hier um ausgesprochen subtile Effekte. So gibt es Erkenntnisse, dass Richter härtere Urteile fällen, wenn sie auf ungepolsterten Stühlen sitzen (informative und unterhaltsame Lektüre dazu: "Ich denke, also irre ich", David McRaney, Mvg-Verlag).
Immerhin wurde die Umstimmung der Musikstücke digital per Software berechnet. Hätte man z.B. einen Flügel umgestimmt und Klavierstücke einmal hoch und einmal tief eingespielt, wäre das Ergebnis sowohl banal als auch erwartbar: tiefer Stimmen setzt die Saitenspannung herab wodurch der Klang obertonärmer und matter wird, eventuell auch etwas grundtöniger. Das alleine muss einen Unterschied darauf machen, wie die Stücke rezipiert werden. Inwieweit das digitale Downtuning in die Klangstruktur nicht vergleichbar eingreift, müsste bei der Versuchsanordnung selbstverständlich nachgewiesen werden.
Was bleibt also unter dem Strich? Nicht vielmehr, als dass in einem geringen und nur unsicher konsistenten Umfang ein und dieselbe Musik etwas anders empfunden wird, wenn sie in einer tieferen Stimmtonhöhe dargeboten wird als die normale Stimmung mit A=440 Hz.
Was hat das mit den mysteriösen 432 Hz als Bezugs-Stimmfrequenz für A1 zu tun?
Im Grunde kann diese Studie nichts dazu aussagen. Es ist einfach einmal normal hoch und einmal deutlich tiefer klingend, mehr nicht.
Wenn, ja wenn es mit den 432 Hz die Besonderheit hätte, dass genau diese Bezugsfrequenz das natürliche und menschliche Maß an sich sei, dann sollten Studien dieser Art eine signifikantere Korrelation z.b. von emotionalen Wirkungen im Ergebnis zeigen. Dann sollten auch mehr Bezugsfrequenzen dargeboten werden, etwa 428 Hz, 432 Hz, 438 Hz, 440 Hz, 445 Hz. Dann müsste sich bei 423 Hz in einer Art Gaußscher Glockenkurve eine signifikante Häufung bestimmter konkreter Wahrnehmungsmuster zeigen. Alleine diese Idee einer umfangreicheren Set-Kombination lässt schon erahnen, wie müßig dieser Versuch im Grunde ist, denn mehr als zufällige Verteilungsmuster sind da realistisch nicht zu erwarten.
Die im Zusammenhang mit Pytagoras und weiteren antiken Denkern und Philosophen erwähnte "Sphärenmusik", die auch im mittelalterlichen "Quadrivium" wieder auflebte, ist ein eher mystisches Gedankengebäude, eine Art umfassender ´Weltgedanke´, der Mathematik, Astronomie und zum Teil aus Astrologie in einen großen und eben ´harmonischen´ Zusammenhang setzten will.
Mit der praktischen Ausübung von Musik, mit dem Musizieren hatte und hat das alles rein gar nichts zu tun.
Anders aber die 432Hz-Jünger, denn es geht ihnen ja konkret um 432 Hz als Bezugs-Stimmfrequenz, die die klingenden Tonhöhen auf eine "natürliche", Natur-gegebene und sogar "All"-umfassende ("Sonnenton") Basis stellen will. Und nur diese Basis sei dem menschlichen Maß entsprechend und würde positive Energie ausströmen.
Wenn mir das jemand als seine private Meinung, sein persönliches Empfinden darstellt, und mir erzählt, dass es ihm damit besser geht, er sich damit wohl fühlt, dann würde ich diesem Menschen niemals darin widersprechen (aber wohl auch nicht mit ihm weiter darüber diskutieren).
Diese Subjektivität muss jedem zugestanden sein, das muss ganz einfach toleriert werden.
Aber wenn mir jemand das Ganze als ein System ´verkaufen´ will, das auch für mich gelten soll, und mich überzeugen will, dass nur dieses System mir gut tun würde., dann muss dieser mir das im Detail und in der Tiefe beweisen können! Kann er das nicht, dann muss er meine Kritik ertragen und möge mich auch besser nicht weiter damit belästigen. Die Latte der wissenschaftlichen Beweisführung mag hoch hängen, aber wer systematisch forschen und Beweise vorlegen kann, der überspringt diese Latte. Wer es nicht kann, wird die Latte reißen. So geht Wissenschaft.
Den antiken und mittelalterlichen Denkern kann dabei kein Vorwurf gemacht werden. Die Zeiten waren vor-wissenschaftlich (wenngleich auch damals schon einige Fundamente zum wissenschaftlichen Denken gelegt und Erkenntnisse aufgrund systematischer Vorgehensweisen gewonnen wurden).
Aber heute gelten etablierte Maßstäbe in der seriösen Wissenschaft - wobei wir ja in schlimmer Weise gerade erleben, dass viele Menschen von seriösen Erkenntnissen nichts wissen wollen und sich lieber ein dickes Brett quer vor den Kopf schlagen, womit sie dann folgerichtig auch "Quer-denkend" werden. Übel das ganze!
Das wir uns alle nichtsdestotrotz mit unserer Musik auf einem zutiefst spirituellen Feld bewegen, ist mir abschließend wichtig zu betonen. Ich finde schon auch, dass es in der Tiefe des Musizierens und des Musikhörens, im Empfinden von Musik gleich welchen Genres über die Welt der "Schulweisheiten" irgendwie hinaus geht - wie auch immer.
Aber das ging und geht offensichtlich in der großen und weiten Spannbreite aller historisch verbürgten Stimmtonfrequenzen wie sie weiter oben verlinkt bzw. erwähnt wurden. 432 Hz als ´alleine selig machende´ Frequenz ist und bleibt schlicht Quatsch.
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