PVaults, ich habe nicht im mindesten etwas gegen sachliche Polemik, die dann auch gerne scharf und gegensätzlich formuliert werden darf. Nichts ist langweiliger, als wenn Diskutierenden es allzu ungemütlich wird, nur weil verschiedene Meinungen aufeinanderprallen. Aber nett wäre, wenn man sich dabei aufs Sachliche beschränkte. Erstens bin ich nicht verpflichtet, hier erst einmal etwas vorzuspielen. Zweitens ist die Unterstellung, ich könne nix Gescheites spielen, eine Unterstellung, für die du nicht den mindesten Anlaß hast. Was soll das? Und drittens überschreitet das Attribut "Laberbacke" die Grenze dessen, was man noch sachliche Auseinandersetzung nennen könnte. Bleib gerne scharf in der Sache, die du nach Belieben auf kluge Weise angreifen darfst, denn das Recht nehme ich auch für mich in Anspruch. Und ich fahre fort darin, es in Anspruch zu nehmen:
Kein Problem, wie ich sehe, bist du nicht uneitler als ich...
Bei "den Leuten" handelt es sich um Generationen professioneller Musiker. Vielleicht genügt als Beleg die mitteltönige Stimmung, die möglichst viele reine Terzen auf Tasteninstrumenten retten wollte. Warum hätte man je mitteltönig stimmen wollen (und man stimmte so und tat das bis in Bachs Zeit hinein und länger), wenn nicht wegen der Reinheit der Terz?
Die Evolution der verschiedenen Stimmungen zeigt gerade, daß alle diese Ansätze ihre Probleme haben, die eben aus der Unreinheit der Obertonstruktur entstehen. Es zeigt sich auch, daß sich die Stimmungen immer mehr in Richtung der gleichstufigen Stimmung bewegten, was ein
mathematisches Konstrukt ist, was allein die zahlreichen Abweichungen von der Obertonstruktur belegen.
Daß dem Mensch das Zählen in die Wiege gelegt ist, dürfte heute wohl auch wenig zu bezweifeln sein. Selbt Tiere zählen, was das Verhalten des Kuckucks zeigt, indem er ein Ei aus dem Nest wirft, um dann sein eigenes reinzulegen... - ich habe dazu ja auch einige Links schon gepostet.
Mir ist schon klar, warum Generationen an Musikern sich an der Naturtonreihe orientiert haben - der
Klang ist ja der Ausgangspunkt des Musikers
, Harmonik aber nochmal eine andere Sache, denn hierfür ist eine Systematik die Ursache, die über den Klang allein nicht ausreichend erklärbar ist, insbesondere die komplexere Harmonik, die sich aber gut über die gleichstufige 12er-Unterteilung der Oktave erklären läßt, weil sie eine eigene Systematik bereitstellt.
Interessant ist aber auch, daß jedes Stimmungssystem eine andere Charakteristik hat, und natürlich noch mehr Auswirkungen, wenn nicht die Ausgangstonart verwendet wird. Dieser Effekt geht bei der gleichstufigen Stimmung verloren. Minimal kann man noch einen Effekt ausmachen, der sich aber nur auf die Lage der Akkorde beschränkt - ich hoffe, du verstehst, was ich meine - nicht jeder Akkord klingt in jeder Tonart gleich gut, gerade, wenn man den Aufbau beibehält.
Die Charakteristik bei den nicht gleichstufigen Stimmungen zeigt aber, daß das Ohr Abweichungen von einer Ideallinie wahrnimmt - d.h. im Kopf muß also eine Ideallinie vorhanden sein, die nicht auf Stimmungssysteme zurückzuführen ist, sondern auf eine andere Art der Rasterung.
Für mich ist es klar, daß es 12 Schubladen sind, die man verschieden beladen kann - mal etwas tiefer, mal etwas höher, im Endeffekt bleibt es im gleichen Raster.
Faszinierend ist, daß die Abweichungen von der Ideallinie - die du in der Obertonstruktur siehst und ich in der gleichstufigen Unterteilung -
Wirkungen erzeugen.
Ich verstehe schon wieder kein Wort. Die Quintkonsonanz läßt sich aus der Naturtonreihe ebenso ableiten wie die Terzkonsonanz. Inwiefern wird da die Quintkonsonanz höher gewertet als die Naturtonreihe? Das Dilemma ist, wenn man so will, daß Terz und Quinte WEGEN der Naturtonreihe nicht ineinander passen wollen.
Natürlich läßt sich alles ableiten. Nur stellt sich immer wieder die Frage, weshalb der Mensch diese Abweichungen denn überhaupt ertragen kann. Hier ist auch wieder die Systematik der gleichstufigen Unterteilung der Oktave in meinen Augen der bessere Ansatz, allein schon deshalb, weil er unabhängig von der Obertonstruktur ist.
Andere Kulturen hatten damit kein Problem. Da gibt es keine Quintkonsonanz, höchstens eine Richtung. Terzen werden ebenfalls sehr, sehr variabel ausgelegt - was ja die Eigenarten solcher Tonsysteme so faszinierend macht. Ob dahinter nur der Zufall bei der Auswahl der Stimmung der einzelnen Töne steckt, mag ich bezweifeln. Viele Stimmungen sind auch durch religiöse Weltanschauungen geprägt, das darf man nicht vergessen. Hier gibt es also nicht einen physikalischen Zusammenhang mit der Obertonstruktur, sondern eine eigene Systematik, die nicht (nur) nach musikalischen Gesichtspunkten funktioniert.
Trotzdem gibt es die Grundrasterung, wie die indischen Shrutis zeigen, wo die Stimmung durchaus variieren kann. Dazu kommt, daß die Tonleitern mit ihren Haupttönen eine 7er-Unterteilung vornehmen, die mit den zusätzlichen Tönen verziert werden. Möglicherweise ist auch diese Sichtweise auf die Weltanschauung zurückzuführen, allerdings ist auch auffällig, daß viele afrikanische Kulturen ebenfalls Tonleitern mit 7 Tönen nutz(t)en, aber auch 5-Ton-Tonleitern.
Diese weltweite
Präferenz der 5er- und 7er-Unterteilung kann ich nicht in der Obertonstruktur finden, sondern muß demnach eine andere Ursache haben.
Wieweit ein 5er-/7er-System mit einem 12-er System zusammenhängt, habe ich ja schon weiter oben gezeigt.
Das, nehme ich an, war nur ein Vertipper.
Sic. Natürlich nicht die
Quinte, klar.
Was man üblicherweise markiert, sind diejenigen Töne, die sich in Notenschrift nur annähernd darstellen lassen und die von den Tönen einer diatonischen Tonleiter auffällig abweichen, und zwar völlig egal in welcher Stimmung. Es sind die Primzahlen oberhalb des sechsten Teiltons. Wollte man alle Töne markieren, die von gleichstufiger Stimmung abweichen, müßte man außer dem Grundton und seinen Oktaven ALLE markieren.
Eben.
Sogar alle westlichen Stimmungssysteme weichen mehr oder weniger sowohl von der Obertonreihe als auch von der gleichstufigen Stimmung ab.
Trotzdem bleibt die Rasterung gleich, d.h. trotz verschiedener Abweichungen werden die verschieden gestimmten Töne als
gleich oder zumindest
ähnlich wahrgenommen.
Mit Quintschichtungsterz meinst du sicherlich die pythagoräische. 40 Cent wären auch für unsere heutigen Ohren unerträglich, die an gleichstufige Terzen gewöhnt sind. Die Unterschiede betragen bei der großen Terz: temperiert ca. 14 Cent größer als rein, bei der kleinen: temperiert ca. 16 Cent kleiner als rein; bei der großen Terz ist eine pythagoräische ca. 22 Cent größer als rein und eine kleine Terz ca. 22 Cent kleiner als rein.
Sic. 40 Cent sind fast ein Viertelton. Das ist auch vom Laien nicht zu überhören. Damit kann man auch keine echte Harmonik aufbauen...
Die Toleranz, mit der unsere Ohren zum Glück die gleichstufige Stimmung hinnehmen, spricht für die gleichstufige Stimmung, für sonst nichts. Denn sie ist der bestmögliche Kompromiß aus allen, schon von den Griechen ermittelten Kommas: dem pythagoräischen Komma, dem syntonischen oder didymischen Komma, der großen Diesis und der kleinen, und was es sonst noch an historischen Bezeichnungen gibt.
So.
Oder sie ist die Ursache dafür und zeigt, daß im Hirn ein mathematisches Grundmuster existiert, das alle Menschen besitzen, weshalb selbst nicht westlich geprägte Musikkulturen dieses System verstehen.
Das Lustige dabei ist ja, daß jede Kultur andere Dinge assoziert, wenn sie "westliche" (hier: gleichstufig gestimmte) Musik hören, und das, obwohl die Menschen weltweit Emotionen gleich empfinden bzw. deuten, wenn ihnen Musik vorgespielt wird.
Das heißt ja, daß es ein universales Grundmuster geben muß, sonst käme ja keine Übereinstimmung zustande, was die Gefühle angeht, die unabhängig von der Kultur und der Prägung sind.
Daß selbst Musik mit z.T. sehr verstimmten Instrumenten wiedererkannt wird, läßt vermuten, daß hier eine grundlegendere Struktur vorhanden sein muß, die eben nicht maßgeblich auf der Obertonstruktur basiert.
Allein schon komplexere Harmonik zeigt, daß das Konsonanzempfinden vornehmlich ein mathematisches ist und nicht ein auf Konsonanz ausgerichtetes Obertonhören. Das zeigt sich auch daran, daß trotz gezielter Abweichungen, z.B. dem Vibrato, der Mensch einen zentralen Ton erkennen kann, und das, obwohl hier jedes Stimmungssytem verlassen wird, und dabei die musikalische Ausdrucksmöglichkeiten erhöht werden kann.
Hübsches Wort für ein physikalisches Faktum. Aus der "Obertonphantasterei" kann man übrigens nichts beweisen, die liefert nur die Frequenzverhältnisse stehender Wellen. Erst anhand des Zusammentreffens zweier Obertonreihen wird klar, warum eine Quinte mit 2:3 besser klingt als eine andere, wie daraus ebenso klar wird, daß eine Oktave mit 1:2 besser klingt als eine andere. Anhand von Schwebungen und Differenztönen kann man dann wenigstens plausibel machen, warum das so ist. Dazu muß man ein wenig rechnen. Kann man sich aber auch sparen, man hört's ja.
Schau mal, wir haben hier mindestens drei unterschiedliche Ansätze, das Dur-Phänomen zu erklären.
- Du vertrittst die klassische Konsonanztheorie.
- Meine Wenigkeit geht von einem mathematischen Denkmuster im Kopf aus, das auf einem symmetrischen 12-Ton-System basiert, weshalb darauf aufbauende Systeme eine Unsymmetrie besitzen müssen. Das diatonische System ist also nur eine Folge, die sich zwangläufig daraus ergibt.
- GBonsai die Theorie über Oberton und Wirkung, die zugegebenermaßen etwas esoterisch anmutet und nicht wirklich greifbar ist
Aber im Prinzip beschreiben wir alle die
Wirkungen. Physikalisch allein können wir die Wirkung der verschiedenen Stimmungen nicht erläutern, denn Physik allein erklärt ja noch lange keine Musik.