Warum denken wir eher in Dur?

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HëllRÆZØR;4586017 schrieb:
Zitat von klaus111
Wird das o.g. Raster (Heptatonik), das durch die Naturtöne entstanden ist, verschoben (transponiert), so kommt man unmittelbar auf unser heutiges Zwölftonsystem.
Nicht ganz; man würde eher auf eine 53-Stufige Stimmung kommen. Das Zwölftonsystem hat sich ganz einfach historisch entwickelt.

Die Frage ist, warum sich gerade das Zwölftonsystem historisch entwickelt und durchgesetzt hat und nicht z.B. das 53-Ton-System.

Das Zwölftonsystem ist eine erste und ausreichend gute Näherung an das Raster, welches durch die reinen konsonanten Intervalle entsteht. Das 53-Ton-System mag eine bessere Näherung sein, doch man versuche, die entsprechende Tonleiter zu singen. Das packt unser Gedächtnis nicht mehr, abgesehen von den unpraktikablen Instrumenten, die entstehen würden.

Hier sieht man das Raster welches sich unter Heranziehung der Naturtonreihe ergibt:

Je konsonanter zwei Töne empfunden werden, desto tiefer geht die Kurve nach unten, mit ausgeprägten Minima bei:

- 1:1 Prim
- 6:5 Moll-Terz
- 5:4 Dur-Terz
- 4:3 Quart
- 3:2 Quint
- 5:3 Sext
- 2:1 Oktav
(Man beachte auch den Konsonanzgrad im Bereich kleine Septim/Naturseptim, der in der Kurve wohl noch ausgeprägter wäre, wenn man in die Berechnung mehr als die ersten fünf Obertöne einbeziehen würde, vgl. unten)

Wie man auf der oberen Abszisse erkennen kann, liegt das gleichstufige Zwölftonsystem in der Nähe dieser Minima. Dabei ist die Abweichung zwischen "rein" und "gleichstufig" so günstig, daß die höheren (unwichtigeren) Obertöne eine größere Abweichung haben, als die tieferen:

Oktav: 0 Cent
Quint: -1,96 Cent
Dur-Terz: 13,69 Cent
(Moll-Terz: -15,64 Cent)

Man muß lediglich zwei Transpositionen des Rasters durchführen, das sich durch die reinen Intervalle ergibt, um auf alle Töne des Zwölftonsystems zu kommen: Zwei Verschiebungen um je eine kleine Sekunde nach unten reichen bereits aus.
Die Abweichungen des gleichstufigen Systems gegenüber der reinen Stimmung sind günstig verteilt und die Zahl der Töne ist noch praktikabel (Gedächtnis, Instrumentenbau).

Der Konsonanzgrad zweier Töne läßt sich durch die Anzahl der Obertöne berechnen, die innerhalb der kritischen Bandbreite liegen.

Eine detailliertere Erklärung findet sich bei Spitzer: "Musik im Kopf", ab S. 99, aus dem auch die Grafik zitiert wurde. Hier eine online-Quelle.

Die o.g. Kurve läßt sich aus folgenden Gegebenheiten herleiten:

1. Zwei Töne klingen unangenehm, wenn sie sich innerhalb der kritischen Bandbreite (rauhe Zone) befinden.
(Schwebungen sind dagegen angenehm (z.B. Akkordeon, bestimmte Kichenorgel-Register) und die Empfindung als zwei Töne ist angenehmer als die Empfindung eines rauhen Tones innerhalb der kritischen Bandbreite.)

2. Die Naturtöne werden leiser, je höher sie sind.

3. Um eine Berechnung zu ermöglichen, wird die prinzipiell unendliche Zahl der Obertöne auf ein vernünftiges Maß begrenzt (die ersten fünf in obiger Kurve).

Fazit: Man kommt erstaunlich weit, wenn man die Natur heranzieht, um Konsonanz, Tonleitern und Stimmungen zu erklären!

@HëllRÆZØR
Zitat von klaus111
Die Tonleiter mit der geringsten Abweichung gegenüber den reinen Intervallen - die Prioritäten gibt die Naturtonreihe vor - ist die gleichstufige temperierte Stimmung, möchte man in die andere Tonarten transponieren.
Diese Aussage bezog sich auf eine Stimmung einer zwölftönigen Tonleiter, also im Vergleich zu der Unmenge an Möglichkeiten (mitteltönig, verschiedene Werckmeister, Kirnberger usw.)

Viele Grüße
Klaus
 
Nein. Beispiel:
Man stimmt in Durdreiklängen, indem man f-a-c'-e'-g'-h'-d'' rein einstimmt. Die so entstehenden Terzen f-a, a-c' usw. sind alle rein, ebenso die Quinten f-c', a-e' usw. Aber der letzte Ton d'' ergibt die unreinen Zusammenklänge f-d'' und a-d''. Es gibt beweisbar keine Tonleiter, in der ausnahmslos ALLE Intervalle rein sein könnten.
Du sprachst von "nicht vereinbar", und setzt das jetzt scheinbar mit der Aussage "alle Intervalle sind rein" gleich, womit du anscheinend (?) "rein" im Sinne von "konsonant" oder "einfaches Verhältnis" meinst. Was übrigens nicht das Gleiche ist, da sich z.B. in Zigeuner Moll scheinbar dissonante Intervalle mit komplizierteren Intervallverhältnissen bilden, die aber gute Annäherungen an einfache septimale Intervalle darstellen und somit relativ konsonant sind. Relativ konsonant deswegen, weil Konsonanz/Dissonanz nichts absolutes ist, und es einen stufenlosen Übergang von Konsonanz zu Dissonanz gibt, von daher ist die Frage nach Konsonanz keine, die man mit ja oder nein beantworten kann. Weiterhin ist interessant, dass du dich an der kleinen pythagoreischen Terz störst, während du die (wegen kritischer Bandbreite) dissonantere kleine Sekunde nicht einmal erwähnst (diese ist in 12et sogar noch dissonanter), auch den dissonanteren Tritonus lässt du weg - hat das einen tieferen Grund, oder ist das nur Zufall? Auch wäre interessant, welche Anforderungen du an eine Tonleiter stellst (Anzahl Töne / sonstiges), einen zerlegten Dur-Dreiklang schließt du wahrscheinlich aus.

Wie gesagt, du solltest etwas genauer spezifizieren was du meinst, ansonsten bleibt deine Aussage schwammig, und weder beweisbar noch widerlegbar.

Das Zwölftonsystem ist eine erste und ausreichend gute Näherung an das Raster, welches durch die reinen konsonanten Intervalle entsteht. Das 53-Ton-System mag eine bessere Näherung sein, doch man versuche, die entsprechende Tonleiter zu singen. Das packt unser Gedächtnis nicht mehr, abgesehen von den unpraktikablen Instrumenten, die entstehen würden.
Dem ersten Satz kann ich nur zustimmen - es handelt sich zumindest um eine akzeptable Annäherung der wichtigsten Konsonanzen, die sich aus den Faktoren 2, 3 und 5 ergeben, die insbesondere in Anbetracht der geringen Tonzahl (12) und Komplexität sehr gut ist.

Zum Singen braucht man 53et nicht, aber mit in 53et gestimmten Instrumenten kann man sehr gut rein intonierende Musiker (Chor, Streicher) begleiten. Es schadet allerdings auch Sängern oder Streichern, die sich mit der reinen Stimmung befassen nicht, sich mit 53et zu beschäftigen, da man so leicht die ungefähre logarithmische Größe der reinen Intervalle vergleichen kann: Z.B. lässt sich die große Terz (17 Schritte) in den gewöhnlichen Ganzton (9) und in den kleinen Ganzton (8) zerlegen, der 9er Ganzton wiederum in eine kleine Sekunde (5) und eine übermäßige Prime (4). Eine kleinere übermäßige Prime (3) ergibt sich zwischen kleiner Terz (14) und großer Terz (17). Ein einzelner Schritt in 53et liegt dabei mit 22.6 Cent sehr genau zwischen dem syntonischen (21.5 Cent) und dem pythagoreischen Komma (23.5 Cent), und kann stellvertretend für diese eingesetzt werden. Das Instrumentendesign in 53et stellt tatsächlich eine Herausforderung dar. Eine Gitarre mit 53-Bünden ist machbar, auch wenn die Bünde ziehmlich eng beieinander liegen, ein Bild sieht man z.B. hier. Ich habe auch schon Aufnahmen gehört, vom Klangergebnis her lohnt sich das auf jeden Fall. Ich würde allerdings eher auf eine bundlose Gitarre zurückgreifen, und mir die Bünde einzeichnen (wichtige Bünde farblich hervorheben!), was man sicher auch bei Streichinstrumenten (insbesondere Cello) gut machen kann, wenn man sich auf seine Intonationsfähigkeiten nicht verlassen will :D. Bei Tasteninstrumenten habe ich noch keine Lösung gefunden, die mich wirklich überzeugt hat, allerdings ein paar interessante Ansätze, die man vielleicht weiter ausbauen könnte. Für den Musiker selbst handelt es natürlich auch um eine Herausforderung, aber es ist ja seine freie Entscheidung, ob er sich darauf einlässt oder nicht (zumindest sollte das so sein ^^).

Man muß lediglich zwei Transpositionen des Rasters durchführen, das sich durch die reinen Intervalle ergibt, um auf alle Töne des Zwölftonsystems zu kommen: Zwei Verschiebungen um je eine kleine Sekunde nach unten reichen bereits aus.
Die Abweichungen des gleichstufigen Systems gegenüber der reinen Stimmung sind günstig verteilt und die Zahl der Töne ist noch praktikabel (Gedächtnis, Instrumentenbau).
Wenn man in der reinen Stimmung in verwandte Tonarten moduliert, erhält man sehr schnell viele Töne, die sich um ein (übrigens deutlich hörbares!) syntonisches Komma verschieben. Schon allein bei der Modulation von C-Dur zur Paralleltonart A\-Moll wird aus dem D ein D\ (\ = Erniedrigung um ein syntonisches Komma). Bewegt man sich z.B. im Quintenzirkel von C-Dur nach Eb-Dur und anschließend in die Paralleltonart C\-Moll, so haben sich bereits 4 Töne* ergeben, die sich um ein syntonisches Komma unterscheiden. Wechselt man dagegen von C-Dur direkt nach C-Moll (-> 3 Töne erniedrigt), so hat man sogar zwei Tonarten, die komplett um ein syntonisches Komma verschoben sind: C-Moll und C\-Moll. Es zeichnet sich also schon bei Modulation in recht nahe Tonarten ein Raster ab, welches dem der 53-Stufigen Stimmung (gute Näherung von Quinte, Terzen und syntonischem Komma) recht ähnlich ist, aber nur mit sehr viel gutem Willen etwas mit der 12-Stufigen Stimmung zu tun hat. Auf 12et kommt man (trivialer Weise), wenn man erst die reine Stimmung an ein 12et-Raster anpasst und dann (innerhalb von 12et) moduliert / verschiebt, aber keinesfalls durch Modulation / Verschiebung der reinen Stimmung und anschließender Rasteranalyse.

* Edit: Ich hatte fälschlicherweise zuerst 5 geschrieben, hab's korrigiert.

@HëllRÆZØR
Diese Aussage bezog sich auf eine Stimmung einer zwölftönigen Tonleiter, also im Vergleich zu der Unmenge an Möglichkeiten (mitteltönig, verschiedene Werckmeister, Kirnberger usw.)
Wenn du von einer 12-tönigen Leiter ausgehst, kann ich deine Aussage durchaus nachvollziehen. Die Prämisse selbst ist aber alles andere als trivial, und insbesondere die mitteltönige Stimmung entfaltet wie gesagt nur sehr wenig von ihrem Potential, wenn man sie auf 12 Töne reduziert. Man kommt schon mit 19 oder 21 Tönen sehr weit, und Cembalos ("Cembali"?) mit 19 Tasten waren durchaus nicht unüblich. 19 Töne reichen bei der 1/3-Komma-mitteltönigen Stimmung auch schon für unbegrenzte Modulierbarkeit, die Konsonanzqualität ist etwa mit der von 12et vergleichbar (je nachdem wie man die Terzen im Verhältnis zur Quinte gewichtet). Für die konsonantere 1/4-Komma-mitteltönige Stimmung müsste man zur unbeschränkten Modulierbarkeit tatsächlich ein gutes Stück weitergehen, nämlich bis 31 Töne.
 
Zuletzt bearbeitet:
HëllRÆZØR;4587412 schrieb:
... du solltest etwas genauer spezifizieren, was du meinst, ansonsten bleibt deine Aussage schwammig ...
Ich hatte geschrieben: "Reine Oktaven, reine Quinten und reine Terzen sind nicht in einer einzigen Tonleiter vereinbar." Was ist daran schwammig? Wenn man allerdings über die Definition des Wortes "rein" nicht einig ist, dann müßte man über Wort-Definitionen streiten, was ziemlich müßig ist. Jedenfalls gilt als "reine Oktave, Quinte und Terz", was ein Frequenzverhältnis von 1:2, 2:3, und 4:5 (oder 5:6) hat. So wird das Wort jedenfalls landläufig verwendet.

Tritonus und Sekunde muß man kaum in Betracht ziehen, weil sie eh dissonant sind, auch in "reiner" Stimmung, was immer bei ihnen "rein" bedeuten mag. Ist der Ganztonschritt 8:9 "rein", 9:10, 7:8? Und welcher Halbtonschritt ist "rein"? 14:15, 15:16? Die Größe von Ganz-, Halbtonschritt und Tritonus ergibt sich in diatonisch "reiner" Stimmung zwanglos durch Terzen und Quinten, nicht durch das Stimmen in "reinen" Sekunden, Septimen oder Tritoni.

Die Idee, Instrumente mit 53 Tönen pro Oktave zu bauen, ist ja ganz nett. Aber selbst die Cembali mit 19 Tönen (12 plus ein paar zusätzlichen enharmonischen) sind nie, wie du schreibst, "üblich" gewesen, sondern waren Insellösungen, die wenig Akzeptanz fanden. Das ist alles schlicht nicht praktikabel. Mit 12 Tasten kann man recht virtuos Musik machen, mit 53 Tasten wäre man wie ein Tausendfüßler, der nicht weiß, welchen Fuß er vor welchen wann setzen soll.
 
Wieso? Man kann Software verwenden, die automatisch die entsprechenden Töne auf die Tastatur legt.

Von daher kann man heute auch 23450987 verschiedene Töne pro Oktave äußerst praktikabel verwenden. Das sind immer noch einige Tausend weniger als einem Geiger zur Verfügung stehen. Klar, der Trompeter mag das seine Probleme bekommen, ein guter Bläser gleicht aber sowieso die Töne an.

Gut, bei den Pauken mag sich das problematischer gestalten, ist aber nur eine Frage der Zeit, dies auch elektromechanisch in Verbindung mit einer Software zu lösen.

Irgendwie habe ich das Gefühl, daß da jemand immer noch im Mittelalter verweilt, wo es all diese Möglichkeiten nicht gegeben hat.

Vielleicht ist aber auch das Konsonanzdenken ein falscher Weg. Denn musikalisch haben wir uns auch weiterentwickelt.

Was ich auch nicht verstehen kann:
Auf der einen Seite nimmt man ein Teilstück der Obertonreihe (warum eigentlich nicht alle Töne...? Aha, weil es kein Ende nimmt...Aua... ach, da gibt es dann auch noch Klänge, bei denen diverse Obertöne fehlen...) und berechnet den Konsonanzgrad über Abweichungen von der reinen Quinte, weshalb man eine Varianz zugestehen muß, weil sie ja offensichtlich ist, wie die verschiedenen Stimmungen deutlichst aufzeigen.

Auf der anderen Seite will man nicht zugestehen, daß dieselbe Varianz auch für eine mathematische Grundstruktur des Denkens verantwortlich ist, wo diese doch eine unglaublichen Aufbau im (gleichstufigen, idealisierten) 12-Ton-System zeigt und sogar den Akkordaufbau und die Harmonisierung vorgibt.

Wo ist da der Unterschied? Hör- oder Denkgewohnheiten?:gruebel:

Im Jazz und der modernen Musik kann man die Fehler der Denkweise deutlich hören. Ganz deutlich sogar. Eine Sekunde pauschal als dissonant zu bezeichnen, ist hörbar falsch. Ebenso sieht das mit dem Tritonus aus, ohne den es keinen Jazz gäbe. Auch keine neue Musik. Nicht einmal Blasmusik, denn auch die folgt der grundlegenden harmonischen Systematik der 12er-Unterteilung, auch wenn sie nicht ganz der gleichstufigen Stimmung entspricht, aber die Varianz sehr klein ist.

Wo ist das Problem, das zu erkennen? Tradition der Lehre?
 
Ich hatte geschrieben: "Reine Oktaven, reine Quinten und reine Terzen sind nicht in einer einzigen Tonleiter vereinbar." Was ist daran schwammig? Wenn man allerdings über die Definition des Wortes "rein" nicht einig ist, dann müßte man über Wort-Definitionen streiten, was ziemlich müßig ist. Jedenfalls gilt als "reine Oktave, Quinte und Terz", was ein Frequenzverhältnis von 1:2, 2:3, und 4:5 (oder 5:6) hat. So wird das Wort jedenfalls landläufig verwendet.

Tritonus und Sekunde muß man kaum in Betracht ziehen, weil sie eh dissonant sind, auch in "reiner" Stimmung, was immer bei ihnen "rein" bedeuten mag. Ist der Ganztonschritt 8:9 "rein", 9:10, 7:8? Und welcher Halbtonschritt ist "rein"? 14:15, 15:16? Die Größe von Ganz-, Halbtonschritt und Tritonus ergibt sich in diatonisch "reiner" Stimmung zwanglos durch Terzen und Quinten, nicht durch das Stimmen in "reinen" Sekunden, Septimen oder Tritoni.
Der Satz allein ist nicht schwammig sondern einfach falsch. Ich kann besagte Intervalle durchaus in einer Tonleiter vereinen, z.B. die reine Dur-Tonleiter: F - A\ - C - E\ - G - B\ - D. Wieso du das als Gegenbeispiel anführen wolltest ist mir schleierhaft. Dass sich so die pyth. kl. Terz F - D und die Wolfsquinte D - A\ bilden ist mir klar, ändert aber nichts an der Tatsache dass das Ergebnis eine Tonleiter ist, zu der man die Intervalle (Quint, Terz, Oktave) vereint hat.

Du scheinst aber etwas anderes zu meinen, denn du schließt später ab mit: "Es gibt beweisbar keine Tonleiter, in der ausnahmslos ALLE Intervalle rein sein könnten.". Und spätestens ab hier kann ich dir nicht mehr folgen, was du genau meinst.

...ach ja, ich schrieb dass der Tritonus der reinen Dur-Stimmung dissonanter sei, hatte da aber wohl irgendwie den verminderten Dreiklang B\ - D - F im Kopf, der tatsächlich nicht sonderlich konsonant sein dürfte. Die Tritoni der reinen Dur-Stimmung selbst dagegen liegen recht nah am Verhältnis 7:5 bzw. 10:7, und sind längst nicht so dissonant wie oft behauptet.

Die Idee, Instrumente mit 53 Tönen pro Oktave zu bauen, ist ja ganz nett. Aber selbst die Cembali mit 19 Tönen (12 plus ein paar zusätzlichen enharmonischen) sind nie, wie du schreibst, "üblich" gewesen, sondern waren Insellösungen, die wenig Akzeptanz fanden. Das ist alles schlicht nicht praktikabel. Mit 12 Tasten kann man recht virtuos Musik machen, mit 53 Tasten wäre man wie ein Tausendfüßler, der nicht weiß, welchen Fuß er vor welchen wann setzen soll.
"19-stufige Cembali waren im 16. Jahrhundert offenbar recht häufig."
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Neunzehnstufige_Stimmung

Eine 19-Stufige Stimmung halte ich für durchaus praktikabel, insbesondere bei Tasteninstrumenten. Man hat wie gewohnt 7 weiße Tasten für die Stammtöne, jede schwarze Taste wird durch zwei schmalere ersetzt: #-chen links, b-chen rechts (insbesondere für Streicher recht intuitiv, da sie wissen dass bei harmonischer Intonation eine kleine Sekunde C - Db etwas größer ist als eine übermäßige Prime C - C#). Zusätzlich liegt zwischen E und F noch eine schwarze Taste für E# / Fb, entsprechend zwischen B und C eine für B# / Cb. Ist man sich einmal nicht sicher wo ein bestimmter Ton liegt braucht man sich nur zu merken, dass # und b (genau wie in 12et) eine Verschiebung um eine Stufe bedeuten, womit man sich jeden Ton schnell herleiten kann. Es sind bloß nicht mehr die gleichen enharmonischen Verwechslungmöglichkeiten wie in 12et gegeben, ansonsten ist alles m.M.n. sehr intuitiv und übersichtlich.

Dass ich bei Tasteninstrumenten in 53et noch keine optimale Lösung für ein Tastenlayout gefunden habe schrieb ich ja, wie praktikabel 53et für Tasteninstrumente ohne elektronische Hilfsmittel sein könnte weiß ich nicht. Bei einem Saiten- oder Streichinstrument dürfte eine Einteilung in 53 Bünde kaum zu langsamerem Spiel führen als bei einem frei intonierenden Streicher, der diese Orientierungshilfe nicht hat, und trotzdem zu virtuosen Leistungen fähig ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
HëllRÆZØR;4588473 schrieb:
Der Satz allein ist nicht schwammig sondern einfach falsch. Ich kann besagte Intervalle durchaus in einer Tonleiter vereinen, z.B. die reine Dur-Tonleiter: F - A\ - C - E\ - G - B\ - D. Wieso du das als Gegenbeispiel anführen wolltest ist mir schleierhaft. Dass sich so die pyth. kl. Terz F - D und die Wolfsquinte D - A\ bilden ist mir klar ...
... kann ich dir nicht mehr folgen, was du genau meinst.
Erst ist der Satz schwammig, dann ist er nicht schwammig, sondern falsch, dann kannst du ihm nicht mehr folgen, obwohl du weißt, daß er falsch ist, und obwohl du genau dassselbe sagst, nämlich daß sich eine pythagoräische Terz und eine Wolfsquint ergeben. Nichts anderes habe ich sinngemäß gesagt, außer daß ich noch hinzugefügt habe: für jede Stimmung gilt, daß nicht ausnahmslos alle Intervalle rein sein können.
Ist dein Einwand Lust an Rabulistik? Dann laß uns drüber diskutieren, ob in einem Siebeneck alle Winkel rechte sein können ...

HëllRÆZØR;4588473 schrieb:
Eine 19-Stufige Stimmung halte ich für durchaus praktikabel, insbesondere bei Tasteninstrumenten.
Darf ich fragen, ob hier der erfahrene Pianist spricht, der virtuoses Repertoire spielt, oder nur der Tüftler, der partout das Rad neu erfinden will? Warum wohl hat sich diese Tastatur nie durchgesetzt?
 
Warum wohl hat sich diese Tastatur nie durchgesetzt?
Weil Musiker gemerkt haben, daß man mit 12 Tönen sehr gut musizieren kann, wenn nicht sogar nahezu perfekt, zumindest was die Harmonik angeht.

Warum spielt der Geiger ein Vibrato? Weil es schöner klingt, obwohl sich das Vibrato mit dem Konsonanzdenken beißt.

Weshalb klingen Streicher so gut, obwohl viele Musiker mit Vibrato spielen und immer etwas unterschiedlich intonieren? Konsonanz?

Weshalb klingt ein Tremoloregister beim Akkordeon? Konsonanz?

Warum verzieht der Blues-Musiker seine Töne teilweise sogar sehr weit weg von der Obertonreihe oder irgendeinen "idealen" Stimmung?

Weil im Kopf ein Raster sein muß, das sich nicht an einer Oberton-Konsonanz orientientiert, sondern die "Konsonanz" im 12-Ton-System erkennt...
 
Erst ist der Satz schwammig, dann ist er nicht schwammig, sondern falsch, dann kannst du ihm nicht mehr folgen, obwohl du weißt, daß er falsch ist, und obwohl du genau dassselbe sagst, nämlich daß sich eine pythagoräische Terz und eine Wolfsquint ergeben. Nichts anderes habe ich sinngemäß gesagt, außer daß ich noch hinzugefügt habe: für jede Stimmung gilt, daß nicht ausnahmslos alle Intervalle rein sein können.
Ist dein Einwand Lust an Rabulistik? Dann laß uns drüber diskutieren, ob in einem Siebeneck alle Winkel rechte sein können ...
Mit "falsch" bezog ich mich auf den Satz an sich, mit "schwammig" auf den Zusatz, den du erst später genannt hast, und mit "nicht mehr folgen können" darauf, dass wir anscheinend aus irgend einem Grund stark aneinander vorbeizureden scheinen. U.A. ist mir auch nicht ganz klar, ob du dich auf Tonleitern im Allgemeinen beziehst, oder speziell auf die reinstimmige Dur-Tonleiter C D E\ F G A\ B\ C. Auch ob du mit "rein" nun ein einfaches Intervallverhältnis oder eine Konsonanz meinst, hast du noch nicht geschrieben (die übermäßige Sexte der reinen Stimmung ist z.B. als Näherung der Naturseptime 7:4 eher konsonant, besitzt aber kein einfaches Verhältnis).

Wenn du willst können wir versuchen, weiter darüber zu diskutieren, oder es einfach sein lassen, das überlasse ich jetzt einfach mal dir. ;)

Darf ich fragen, ob hier der erfahrene Pianist spricht, der virtuoses Repertoire spielt, oder nur der Tüftler, der partout das Rad neu erfinden will? Warum wohl hat sich diese Tastatur nie durchgesetzt?
Meine Behauptung war lediglich, dass 19et durchaus praktikabel ist. Wer Virtuosität um jeden Preis will, der soll bloß bei 12et bleiben und sich von Mikrotonalität fernhalten, da es einen Effizienzverlust in der Spielgeschwindigkeit bedeuten würde. Wer zusätzliche Ausdrucksmöglichkeiten sucht, für den kann Mikrotonalität eine große Bereicherung sein.

Als viruosen Pianisten würde ich mich nicht bezeichnen, ich habe mal eine Weile Klavier gespielt, bin aber eher Gitarrist. Ich habe mich mit besagter Stimmung aber durchaus schon in scala beschäftigt, und habe auch keine Schwierigkeiten damit, gewünschte Tonfolgen darin über die PC-Tastatur zu spielen (gut, Oktavverschiebungen sind ein Problem, aber das liegt an der Hardware). Ich habe mich auch schon mal mit jemandem in einem anderen Forum unterhalten, der ein solches Cembalo besitzt, es gibt also tatsächlich noch Leute, die so Musik machen. Besonders fasziniert war er übrigens von der septimalen Kleinterz (7:6), die sich annäherungsweise eine Stufe unter der kleinen Terz ergibt. Die Abweichung entspricht übrigens ziehmlich genau der Abweichung der großen Terz in 12et und ist damit zwar nicht so gut wie z.B. in 31et, aber durchaus akzeptabel (so wie die große Terz in 12et durchaus akzeptabel ist).

Warum sie sich nicht durchgesetzt hat? Weil man anscheinend ein Tonsystem wollte, und nicht mehrere (recht analog zur Religion übrigens, da war man auch nicht so tolerant, mehrere parallel zu akzeptieren). Und natürlich hat sich da die massentauglichste Stimmung durchgesetzt, die am einfachsten zu handhaben ist (Instrumentenbau / Einfachheit für den Spieler). Da, wo rein intoniert wird hat sich 12et aber dann doch nicht durchgesetzt, da man über Obertonvergleich / Differenztöne bei anderen Intervallen herauskommt...
 
HëllRÆZØR;4589455 schrieb:
... die übermäßige Sexte der reinen Stimmung ...
Nun müßtest du mir mal erklären, was du unter "reiner" Stimmung verstehst, wo es in einer rein gestimmten Tonleiter eine übermäßige Sexte gibt, und wie man deren Frequenz berechnet.
 
>>>Verstehe ich dich richtig dass es dir darum geht, dass sich wegen der arithmetischen Konstruktion (-> Obertonreihenausschnitt) ein einzelnes tonales Zentrum bildet, und alle anderen Töne als bloße Obertöne dieses Zentrums ihre Individualität verlieren?

Diese Naturscalen sind arithmetisch konstruiert, dass heißt mit jedem Schritt erhöht sich die Frequenz um den gleichen Teil. Empfindungsmäßig werden die Abstände nach oben geringer. Geometrische Leitern wie die pythagoräische haben stets 9/8 Abstände zwischen den aufeinanderfolgenden Ganztönen. Man kann so eine geometrische Leiter auch mit 10/9 Ganztönen konstruieren, die sind viel lieblicher als die „strengen“ 9/8 Ganztöne.
Bei den geometrischen Tonleitern ist zwar die Proportion (9/8) gleich aber nicht die heweilige Frequenzzunahme.
Die Durakkorde beruhen auf arithmetisch strukturierten Dreiklängen, die sich zunächst wie Naturskalen verhalten. Außerdem zum Glück aber noch auf einem Quintenturm von 4 Quinten. F – C – G - D. Wenigstens diese beinhalten geometrische Strukturen sonst wären wir längst unterhalb der Affen kulturell angelangt.

Wenn Du die Akkorde untersuchst kannst du eventuell bemerken, dass Akkorde zu etwas relativ starrem Zusammenfließen. Wie beim Maj 7 ist das auch unterschiedlich erlebbar,
Du hörst einen Mischakkord, kannst Dich innerlich lenken, eher das Eine oder das Andere zu hören. Man kann auch das Verbackende Zusammenfließende Verschmelzende spüren, obwohl
Der Akkord nur noch relativ geringe Konsonanz aufweist.

Umsomehr ist das erlebbar wenn man mit einer ganzen Naturtonreihe musiziert.
Man kann auch eine zwischen 9 und 18 bilden. Zwischen 10 und 20, usw. usw.
Man muß dann so spielen dass die Bezüge zum Grundton herauskommen, dann ergeben sich
Naturtonskalen die sehr unterschiedlich wirken, die auch unterschiedlich dissonant insgesamt sind. Trotz wesentlicher Unterschied haben sie alle diese „verschmelzende Volksgemeinschaftstendez“, die einzelnen Töne sind mehr fest funktional in eine Gruppenstruktur eingebaut mit wenig indivueller Erscheinung. Die Individualität scheint bei
Solchen Gruppentönen wenig entfaltungsfähig. Man muß das einfach hören und versuchen zu spüren was das in einem anspricht. Vielleicht ist das was für Massenstrukturen, Tierstrukturen, jedenfalls nicht ausreichend um den freien Menschen zu realisieren.
Nun ist das Probelm dass die Durakkorde eben auch von dieser Verschmelzungstendez betroffen sind. Akkorde haben etwas starres, vernebelndes, aus ihrer gerichteten Struktur erfolgen dann Berwegungsgesetze, welche man als Freiheitsbegrenzung vielleicht doch nicht nur gut finden muß.

In geometrischen Tonleitern wie der pythagoräischen gibt es das Problem gar nicht, weil hier die einzelnen Töne gar nicht sich verkuppeln und verschmelzen sondern als freie Indivdualitäten in einer Ambivalenz verbleiben die man dann freier gestalten kann.

Möglicherweise haben wir deshalb mit dem Aufkommen des Dur auch unsere Freiheit der Illusionen des Notwendigen verkauft. Damit kann man uns ja zu jeder Unmoralität ködern.
Wir sind triebhaft geworden, wir wollen besitzen, kennen aber das Sein nicht mehr. Wir empfinden Fortschritt der aber nur eine Illsuion ist der aus der Gerichtetheit der Akkorde die Psyche manipuliert. Wir halten uns ja heute für Tiere und bilden uns ein, damit hätten wir den Menschen erst richtig entdeckt. Ich sage, wir sind heute nur Idioten, Kretins die den Menschen vergessen haben, ebenso wie Gott, den man mit Musik aber ebensoleicht wieder
Entdecken kann.

Die Triebhaftigkeit und die Emotionalität stellt eine gravierende moderne Suchtform dar,
dieser Punkt wäre schlimmer wenn wir nicht die Unreinheit der gleichschwebenden Temperatur hätten. Unreine Durakkorde verschmelzen weit weniger als reine, halten eine gewisse Reibung, sind also ein wenig dissonanter als ganz reine Akkorde. Ein reiner Akkord ist doch was wie eine Sonne, wo einem gleich das Herz aufgeht. Die gleichschwebenden sind etwas neblig trüb. Jedenfalls ist die gleichschwebende Temperatur ja eine reine geometrische
Struktur mit lauter gleich empfundenen Abständen. Sowas ist für die Tonindivdualität besser als reines Dur. Dagegen ergibt sich aber ein anderes Problem die unscharfen bezüge der gleichschwebenden Temperatur verwässern das Tonikaerleben, jeder Schluß geht immer haarscharf daneben, widerstreitet einer gesicherten Grundfestung in der Identität des Grundtones. Aus dieser mikrotonalen Problematik ergibt sich zwangsläufig ein Suchen dass in die unbefriedigende atonale Musik hineinführt. Heute gehen die Rückbezüge der Menschen weitgehend verloren.

Angesichts dieser Probleme steht man mit der Musik zwischen Skylla und Skarybdis.
[FONT=&quot]Das wird nicht besser wenn altgediente Musiker diese Probleme nicht erkennen.

mfg gbonsai
[/FONT]
 
Die Triebhaftigkeit und die Emotionalität stellt eine gravierende moderne Suchtform dar,
dieser Punkt wäre schlimmer wenn wir nicht die Unreinheit der gleichschwebenden Temperatur hätten.
Man kann ja meinetwegen gerne der etwas verschrobenen Ansicht sein, daß Trieb und Emotion eine "moderne" Form der Sucht sind. Aber wenn man einen Zusammenhang erfindet zwischen Moral und temperierten Stimmungen, dann ist das nicht mehr nur verschroben, dann ist das einfach nur noch närrisch.
 
Man kann ja meinetwegen gerne der etwas verschrobenen Ansicht sein, daß Trieb und Emotion eine "moderne" Form der Sucht sind. Aber wenn man einen Zusammenhang erfindet zwischen Moral und temperierten Stimmungen, dann ist das nicht mehr nur verschroben, dann ist das einfach nur noch närrisch.
Nein, das stimmt nicht. Es ist eine künstlerische Form der Annäherung an die Musik, die deshalb erlaubt sein muß, auch wenn sie nicht für jeden nachvollziehbar ist und auch nicht sein muß.
Musik braucht eine Aussage, Gehalt, Wert. Wie der zustande kommt, ist mir völlig wurscht, Hauptsache vorhanden.

Ich finde es gut, daß es noch Leute gibt, die sich trauen, Dinge beim Namen zu nennen. Musik kann man nicht ohne eine gewisse Grundhaltung machen, denn sonst wird sie statisch und belanglos.

HëllRÆZØR;4589455 schrieb:
Meine Behauptung war lediglich, dass 19et durchaus praktikabel ist. Wer Virtuosität um jeden Preis will, der soll bloß bei 12et bleiben und sich von Mikrotonalität fernhalten, da es einen Effizienzverlust in der Spielgeschwindigkeit bedeuten würde. Wer zusätzliche Ausdrucksmöglichkeiten sucht, für den kann Mikrotonalität eine große Bereicherung sein.
Kann, aber muß nicht. Wenn jemand spielen kann, kann er sich sehr gut mit der gleichstufigen Stimmung ausdrücken. Der Pianist gleicht das Defizit der verschiedenen Färbungen der verschiedenen Stimmungen damit aus, indem er anders harmonisiert und Verzierungen einsetzt, was bei verschiedenen Stimmungen gar nicht so möglich ist, es fehlt also dann ein bedeutendes Stück Ausdrucksmöglichkeit.

Bei diversen anderen Instrumenten stellt sich die Frage oft gar nicht. du spielst ja selbst Gitarre, weshalb du wissen mußt, daß du dir den Ton dahin ziehen kannst, wo du ihn brauchst. Deshalb sind die Möglichkeiten nicht eingeschränkter als mit irgendwelchen anderen Stimmungen, es liegt einzig und allein an der Spielkunst, das herauszuholen.

HëllRÆZØR;4589455 schrieb:
Warum sie sich nicht durchgesetzt hat? Weil man anscheinend ein Tonsystem wollte, und nicht mehrere (recht analog zur Religion übrigens, da war man auch nicht so tolerant, mehrere parallel zu akzeptieren). Und natürlich hat sich da die massentauglichste Stimmung durchgesetzt, die am einfachsten zu handhaben ist (Instrumentenbau / Einfachheit für den Spieler). Da, wo rein intoniert wird hat sich 12et aber dann doch nicht durchgesetzt, da man über Obertonvergleich / Differenztöne bei anderen Intervallen herauskommt...
Oder der verrückte PVaults hat doch recht - daß Musik nämlich von allen Menschen als 12er-Rasterung wahrgenommen wird, weshalb sich die 12et sich so rasend verbreitete. Weshalb auch andere Stimmungen überhaupt möglich sind, aber eben nicht den gleichmäßigen Charakter der 12et besitzen, ja nicht einmal müssen oder dürfen, weil sie ja sonst ihren Charakter verlieren würden.

Musik wird nicht mit Stimmungen gemacht, sondern stets von Musikern. Mir reicht auch eine Blechtrommel, die ungestimmt ist, und ich mache Musik damit. Dazu braucht es nicht einmal reine Töne oder Harmonien...

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Was mich generell noch interessieren würde:

Warum klingt eigentlich der Maj7 nicht so harmonisch wie der Maj7/9, der doch die Dissonante Sekunde enthält???
 
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Nun müßtest du mir mal erklären, was du unter "reiner" Stimmung verstehst, wo es in einer rein gestimmten Tonleiter eine übermäßige Sexte gibt, und wie man deren Frequenz berechnet.
Klar, das sollte ich zum besseren Verständnis tun: Reine Stimmung meine ich allgemein, also auf Intervalle bezogen die sich als Bruch darstellen lassen. Eine übermäßige Sexte gibt es z.B. in Zigeuner-Moll, sie liegt zwischen einer kleinen Sekunde 16:15 und einer großen Septime 15:8 und besitzt somit das Verhältnis 225:128 (977 Cent), was nur 7.7 Cent größer ist als die Naturseptime 7:4. Man kann die übermäßige Sexte auch als Intervall beschreiben, das aus dem Ganzton 9:8 und der übermäßigen Quinte 25:16 besteht, oder aus der Quinte 3:2 und einer übermäßigen Sekunde 75:64, wie sie z.B. auch in harmonisch Moll vorkommt. Der Punkt war der, dass man bei 2 Schritten in Großterzrichtung im Tonnetz bei guten Annäherungen septimaler Intervalle herauskommt, weswegen Distanzen im Tonnetz nicht unbedingt zu mehr Dissonanz führen müssen. Ein weiteres Beispiel für scheinbar dissonante, aber tatsächlich konsonante Intervalle wäre die pythagoreische verminderte Quarte (8 Schritte in Quartrichtung), die nur 2 Cent unter der großen Terz 5:4 liegt, und somit praktisch gesehen genau so konsonant wie letztere ist.

Was ich noch sagen sollte: Wenn ich Intervallnamen im Bezug auf die reine Stimmung nicht weiter spezifiziere, dann meine ich die üblichste Interpretation in der 5-Limit reinen Stimmung (z.B. große Terz = 5:4), im Zweifelsfall am Besten nachfragen. 3-Limit Intervalle kennzeichne ich mit "pythagoreisch" (z.B. pyth. kleine Terz = 32:27), falls nötig, 7-Limit Intervalle mit "septimal" (z.B. sept. kleine Terz = 7:6).


@gbonsai: Ich denke ich verstehe deinen Punkt, auch wenn ich beiden Arten der Struktur viel abgewinnen kann, statt sie als Wahl zwischen zwei Übeln zu betrachten. Was hälst du denn von mitteltönigen Stimmungen (19et / 31et)? Alle Ganztöne der Dur-Leiter sind gleich groß, genauso die Halbtöne, und die große Terz wird durch den Mittelton geometrisch geteilt, nicht arithmetisch durch 2 ungleiche Ganztöne. Die Mitteltöne liegen zwischen 10:9 und 9:8, und ich empfinde sie als eher weich, evtl. ist das ähnlich zu dem was du meinst, wenn du den 10:9-Ganzton als "lieblich" bezeichnest. Insbesondere in 31et ergeben sich sehr gute (und viele) Konsonanzen. Natürlich ergeben sich bei Harmonien automatisch arithmetische Strukturen, das lässt sich nicht vermeiden, aber ich habe das Gefühl die mitteltönigen Stimmungen könnten für dich möglicher Weise einen guten Kompromiss darstellen.


Kann, aber muß nicht. Wenn jemand spielen kann, kann er sich sehr gut mit der gleichstufigen Stimmung ausdrücken. Der Pianist gleicht das Defizit der verschiedenen Färbungen der verschiedenen Stimmungen damit aus, indem er anders harmonisiert und Verzierungen einsetzt, was bei verschiedenen Stimmungen gar nicht so möglich ist, es fehlt also dann ein bedeutendes Stück Ausdrucksmöglichkeit.
Völlig richtig, genau aus diesem Grund habe ich bewusst "kann" geschrieben. Mein Ziel ist nicht, 12et schlecht zu reden (verzeiht wenn es manchmal so rüber kommt), mein Standpunkt ist lediglich der, dass 12et nicht vor anderen Stimmungssystemen ausgezeichnet ist, und andere mikrotonale Skalen ebenso ihre Berechtigung haben. Die Popularität dieser Stimmung kann ich durchaus nachvollziehen, da 12et für ihre Einfachheit erstaunlich gut klingt. Was ich ablehne ist die m.M.n. arrogante (oder zumindest naive) Haltung, 12et wäre vor anderen Skalensystemen objektiv ausgezeichnet. Dass 12et Ausdrucksmöglichkeiten bietet, die andere Stimmungen nicht besitzen ist klar, aber diese Ausdrucksmöglichkeiten sind nicht bedeutender, als die die in anderen Stimmungssystemen verfügbar sind (wie z.B. 5 kleine Terzen, die übereinandergestapelt eine große Terz ergeben).

Bei diversen anderen Instrumenten stellt sich die Frage oft gar nicht. du spielst ja selbst Gitarre, weshalb du wissen mußt, daß du dir den Ton dahin ziehen kannst, wo du ihn brauchst. Deshalb sind die Möglichkeiten nicht eingeschränkter als mit irgendwelchen anderen Stimmungen, es liegt einzig und allein an der Spielkunst, das herauszuholen.
Genau, ich stelle mich hin und realisiere jeden zweiten Ton durch ein Bending ... äh ... nein.

Musik wird nicht mit Stimmungen gemacht, sondern stets von Musikern. Mir reicht auch eine Blechtrommel, die ungestimmt ist, und ich mache Musik damit. Dazu braucht es nicht einmal reine Töne oder Harmonien...
Sicher, aber Stimmungen prägen stark unsere Vorstellung von Musik. Einen symmetrischen °7 empfindest du wahrscheinlich als stimmig, einen mittel- oder reinstufigen °7 dagegen als schief, während das bei den Menschen im Mittelalter genau umgekehrt gewesen sein dürfte. Reine Gewöhnungssache...

Was mich generell noch interessieren würde:

Warum klingt eigentlich der Maj7 nicht so harmonisch wie der Maj7/9, der doch die Dissonante Sekunde enthält???
Eine große None (9:4) ist konsonanter als eine maj7 (15:8), auch ist so (je nach Oktavlage der Töne) leichter eine Obertonstruktur erkennbar.
 
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HëllRÆZØR;4590556 schrieb:
Genau, ich stelle mich hin und realisiere jeden zweiten Ton durch ein Bending ... äh ... nein.
Was eher eine Frage der Spieltechnik und des Instrumentes, z.B. eine fretless guitar, ist, meinst du nicht?

HëllRÆZØR;4590556 schrieb:
Sicher, aber Stimmungen prägen stark unsere Vorstellung von Musik. Einen symmetrischen °7 empfindest du wahrscheinlich als stimmig, einen mittel- oder reinstufigen °7 dagegen als schief, während das bei den Menschen im Mittelalter genau umgekehrt gewesen sein dürfte. Reine Gewöhnungssache...
Ich hoffe, dir fällt auf, daß das ein ziemlich zweischneidiges Argument ist - wenn man sich einhört, kann man sich an jede Stimmung gewöhnen, das zeigen ja schon die verschiedenen Stimmungen, und allein die Tatsache, daß du mit solchen Dingen experimentierst - was ich ja generell sehr interessant finde, damit du mich nicht falsch verstehst - zeigt ja, daß du dich auch an neue Stimmungen gewöhnst.

Also das Argument ist offensichtlich kein Beweis für die klassische Ansicht, spricht dagegen eher für meine Sicht. Zumal genau das Argument sich selbst in den Schwanz beißt.

HëllRÆZØR;4590556 schrieb:
Eine große None (9:4) ist konsonanter als eine maj7 (15:8), auch ist so (je nach Oktavlage der Töne) leichter eine Obertonstruktur erkennbar.
Aber Hallo! Der Sound ändert sich nicht, wenn man ganz andere Lagen nimmt.

Ob 2 oder 9, ist harmonisch eigentlich völlig egal, im Prinzip ist das eher eine Frage der Stimmführung.

Und daß 9/8 bzw. 10:9 für die große Sekunde nicht 9/4 ist, brauchen wir nicht zu diskutieren.

Trotzdem lassen sich beide beliebig vertauschen, und es klingt wirklich nicht verstimmt in der gleichstufigen Stimmung. Hörgewohnheiten?

Glaube ich nicht, denn die Oktavidentität stimmt hier nicht mehr. Und die ist wohl mittlerweile zweifelsfrei nachgewiesen, weshalb man nämlich auch diese Töne beliebig austauschen kann. Beispiele erübrigen sich.

Wenn die Oktavidentität gegeben ist, muß man Oktavierungen gleich behandeln, sonst klingt es ja falsch.

Es sei denn, man besitzt ein Instrument, bei dem jeder Ton gesondert gestimmt ist. Das geht natürlich mit diversen Blasinstrumenten recht gut, was aber harmonisch nicht sonderlich was ändert und der Ton in der Praxis sowieso vom Musiker angeglichen wird.

Sekunde und None weiterhin unterschiedlich zu behandeln, kann man nur, wenn man konsequent die Oktavidentität ignoriert. Weswegen ich mehrfach darauf hingewiesen habe...

Nichtsdestotrotz finde ich es einerseits interessant, andererseits auch amüsant, wie man versucht, das harmonische Konzept, das im Kopf des Menschen vorgegeben ist, mit den Tatsachen der Naturtonreihe in Einklang zu bringen.
 
Nichtsdestotrotz finde ich es einerseits interessant, andererseits auch amüsant, wie man versucht, das harmonische Konzept, das im Kopf des Menschen vorgegeben ist, mit den Tatsachen der Naturtonreihe in Einklang zu bringen.
Wie soll denn das "harmonischen Konzept" (welches genau?) natürlich vorgegeben sein?
Zwar wurde die Rolle der Genetik oftmals unterschätzt, doch an dieser Stelle mag ich nicht an eine genetische Verankerung glauben.

Viel eher wäre da an einen Lernvorgang zu denken. Und was lernt das Kind, ja sogar der Foetus? Normalerweise die harmonischen (Ober-)Töne, nämlich über die Stimme der Mutter. (Sogar die Herztöne enthalten harmonische Obertöne, deren Rolle würde ich aber eher als gering einschätzen.)
Da ist zunächst nichts mit temperiert. Das kommt allerdings, wenn ständig temperierte Musik läuft. Dann wird auch dieses System gelernt. Ist aber keine Universalie, denn in Gebirgsdörfern Indonesiens, wo vielleicht nur Gamelan Pelog gehört wird, haben die mit temperiert nichts am Hut. Wenn schon, dann entspräche deren System offenbar eher einem 9et.

Bei der Oktavidentität ist anzumerken, daß natürlich nicht die Töne selbst identisch sind (unterschiedliche Höhe), sondern deren Tonigkeit.
Wie früher schon erwähnt, zeigt das Studium der Alt-Griechen, bestimmter heutiger Kulturen und der primitiven Musik (*), daß die Rolle der Oktavidentität auch ihre Grenzen hat. Die Griechen dachten bekanntlich in Quinten. Die Quinte wurde mit demselben Notenamen bezeichnet und diese Tradition hielt sich bis in das Mittelalter (Musica enchiriadis).

Die persischen, arabischen und türkischen Tonleitern erreichen zwar die exakte Oktave, doch die Töne im Oktavabstand werden als selbständige Stufen behandelt, sie sind nicht tonisch und tragen dementsprechend auch unterschiedliche Namen (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Tonigkeit).

Da Tiere normalerweise nur Naturtöne hören, denke ich, daß sich wohl aus diesem Grund eine Oktavidentität in den neuronalen Strukturen abbildet.

Ich denke, besonders Musiker, die sich sehr viel mit temperierter Musik auseinandersetzen, entwickeln "zwölf Schubladen" für die Tonbeziehungen des temperierten Systems. Das ist aber ein Lernvorgang, der durch unsere Kultur des temperierten Systems ermöglicht wird. Woanders (z.B. Indonesien) wird etwas anderes gelernt. Die Naturtonreihe ist über die menschliche Stimme und die allermeisten Musikinstrumente jedoch überall und immer dabei.

Das tut der Entdeckung geometrischer Beziehungen im temperierten System aber keinen Abbruch. Wenn sie hilfreich sind, um so besser!

(*) "Octave equivalency is a part of most "advanced musical cultures", but is far from universal in "primitive" and "early music". In: Sachs, C. and Kunst, J. (1962). In The wellsprings of music, ed. Kunst, J. The Hague: Marinus Nijhoff. (Quelle)

Viele Grüße
Klaus
 
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Man kann ja meinetwegen gerne der etwas verschrobenen Ansicht sein, daß Trieb und Emotion eine "moderne" Form der Sucht sind. Aber wenn man einen Zusammenhang erfindet zwischen Moral und temperierten Stimmungen, dann ist das nicht mehr nur verschroben, dann ist das einfach nur noch närrisch.

Das mag einem Fleischesser wie Dir der gerne streitet, gleichzeitig aber Angst hat hier seine Musik vorzustellen, einer der also sich in einem Graben verkriecht um nicht angreifbar zu sein, so vorkommen. Hoffentlich merkst Du jetzt dass nur einer würdig zum Streiten ist der auch etwas riskiert von sich.

"Trieb und Emotion" in der heutigen Form haben sicher Suchtcharakter, das ist nicht nur durch die Verdurung der Musik erzeugt sondern auch durch entsprechende Ernährungsgewohnheiten. Jemanden wie Dich wird das nicht überzeugen, sondern Du wirst Dich eher in Deinen Angewohnheiten angegriffen fühlen.

Das ändert aber nichts daran, dass man sich die Erfahrungen, wenn auch mühsam, alle erarbeiten kann. Musik und Tempoerierung, auch Rhythmus und andere Elemente haben sicher einen großen Einfluß auch auf die Fähigkeit zur Moral, und ob Du die Wirklichkeit für verschroben hältst oder närrisch, ist wohl eher Dein Problem. Ich zähle Dich da eher aufgrund bisheriger Äußerungen zu den selbstverschuldeten Unmündigen (Kant)

Mal ein Beispiel. Musik verkoppelt sich auf sehr verschiedene Weise mit psychischen Strukturen. Die Meldoie stellt dabei so einen Schlüssel dar, wo und mit welchen Inhalten sich musikalische strukturen verbinden. Ändert man nun eine etablierte Harmonik, oder den Rhythmus oder sonst was, kann man oft unmittelbar erleben, dass sich neue Einsichten einstellen, neue Gedankenmöglichkeiten freiwerden.

Musik strukturiert das Denken, lies es bei Nietzsche nach. Musik struktriert noch viel mehr.

Mal ein imposantes Beispiel. Frauen monieren doch immer, "Männer hätten das Hirn zwischen den Beinen!". Nun ich habe unter anderem "Hey Jude!" von den Beatels, so verändert, dass ich hier und dort (mehr oder weniger ästhetisch unpassend) Tonikaseptimen eingefügr habe. Diese Tonikaseptimen mit kleiner Septime, leisten großartige Wirkungen,
da sie Irritationen in eine etablierte Musikstruktur bringen, die dazu führen dass ungünstige Fixierungen in der Psyche sich lösen.

Ich hatte das kaum gemacht, als mir plötzlich bewusst wurde: "Donnerwetter, mein Gehirn ist ja wirklich zwischen den Beinen. Ich konnte erkennen, wie die Seele hinter dem Trieb herläuft, quasi in ihren Dienst gestellt ist, dann wie der Verstand hinter der Seele herläuft und somit auch in den Dienst des Triebes gestellt ist und wie schließlich das ICH als oberste Instanz auch hier in den Dienst gestellt ist.

Unschwer zu erkennen, dass hiermit der heutige Mann skizziert ist. Der Mann in der vaterlosen Gesellschaft dem die Frauen langsam aber sicher das Wasser abgraben.
Vermutlich macht Dich das jetzt agressiv, aber das ist mir gleichgültig.
[FONT=&quot]Wenn es Dich irgendwann interessiert das ist alles durch entsprechende Erfahrung verifzierbar, ich meine wie das mit Musikstrukturen zusammenhängt. Musik ist Politik.[/FONT]
 
Oder der verrückte PVaults hat doch recht - daß Musik nämlich von allen Menschen als 12er-Rasterung wahrgenommen wird, weshalb sich die 12et sich so rasend verbreitete. Weshalb auch andere Stimmungen überhaupt möglich sind, aber eben nicht den gleichmäßigen Charakter der 12et besitzen, ja nicht einmal müssen oder dürfen, weil sie ja sonst ihren Charakter verlieren würden.

Die Oktave hat im wesentlichen 12 Tonorte, mithin 12 Intervalle die man in ihren Wirkungen gut unterscheiden kann. Im Quintenzirkel sind diese Töne so angeordnet wie im Jahreskreis.
Quintenzirkel und Goethesche Farbenlehre stimmen wiederum überein. Das alte Sonnenrad hat 12 Speichen. Man kann aus diesen Zusammenhängen sogar gewisse verbotene Symbole ableiten, auch der Davidstern und die Sephirot der jüdischen Geheimlehre, ergeben sich aus der musikalischen Struktur. Es bringt natürlich nichts so was nachzuplappern, sondern man muß da irgendwie musikalisch rankommen.

Mir hat da ein Buch von Heiner Ruland „Ein Weg zur Erweiterung des Tonerlebens“ die Wege geebnet. Aufgrund dieser erlebbaren Zusammenhänge gibt es natürlich die Zwölferrasterung. Die unterscheidbaren Intervalle sind einerseits in einer nicht kleinen Breite sehr ähnlich, tatsächlich hat aber jedes cent Abweichung auch eine etwas veränderte Wirkung.

Aber sicher ist diese 12 er Unterscheidung im Menschen angelegt. Sie entspricht sogar seiner
geistig-seelischen Organisation. Mittels Musik kann man die sich sogar bewusst machen.
Durchs Zurechthören kann man auch sehr verstimmte Musik als schön empfinden.
Aber Zurechthören und Wirkung auf die menschliche Organsisation (Körper-Psyche)
Sind zwei verschiedene Dinge. Das Zurechthören ist eben eine Gewohnheit die man für neue Erfahrungen erst mal umerziehen muß, was zurechtgehört wird, wird eben umgehört.
Dadurch entgeht einem vieles was in der Musik auch noch drinnen ist.


[FONT=&quot]mfg[/FONT]
 
Was eher eine Frage der Spieltechnik und des Instrumentes, z.B. eine fretless guitar, ist, meinst du nicht?
Bei einer fretless guitar ziehe ich mir die Töne nicht zurecht, ich spiele sie einfach. Von daher verstehe ich gerade nicht, worauf du hinaus willst.

Ich hoffe, dir fällt auf, daß das ein ziemlich zweischneidiges Argument ist - wenn man sich einhört, kann man sich an jede Stimmung gewöhnen, das zeigen ja schon die verschiedenen Stimmungen, und allein die Tatsache, daß du mit solchen Dingen experimentierst - was ich ja generell sehr interessant finde, damit du mich nicht falsch verstehst - zeigt ja, daß du dich auch an neue Stimmungen gewöhnst.

Also das Argument ist offensichtlich kein Beweis für die klassische Ansicht, spricht dagegen eher für meine Sicht. Zumal genau das Argument sich selbst in den Schwanz beißt.
Entschuldige, ich hätte genauer beschreiben sollen worauf ich hinaus wollte: Es ging mir nicht darum, dass der °7 in einer mitteltönigen Stimmung besonders rein sei (meine Angabe "Mittelalter" war natürlich falsch - ich bezog mich auf die Epochen danach). Es handelt sich bei diesem Klang generell um keinen besonderen Wohlklang, egal ob in 12et oder in sonstigen Stimmungen. Was ich zeigen wollte ist, dass man sich an die eine Variante gewöhnen kann und die andere dann als schief empfindet, je nach Kultur in der man aufgewachsen ist, man ist also stark vorgeprägt. Mein Punkt war einfach der, dass es für einen Musiker relativ schwer ist, seine Hörgewohnheiten abzuwerfen, da diese allgegenwärtig sind, und nicht zu unterschätzen. Wie Klaus allerdings schon geschrieben hat hat auch die menschliche Stimme, die wir schon vor der Geburt wahrnehmen (die Stimme der Mutter) Einfluss auf unsere Hörgewohnheiten, die Obertöne sind uns also sehr vertraut, weswegen wir besonders harmonische Klänge auch direkt annehmen können, ohne uns an sie gewöhnen zu müssen, egal in welcher Kultur wir aufgewachsen sind.

Deine Position ist mir immer noch nicht ganz klar, und vielleicht haben wir gar nicht so unterschiedliche Ansichten wie es vielleicht scheinen mag, wenn du das teilweise als Argument für deinen Standpunkt gesehen hast.

Aber Hallo! Der Sound ändert sich nicht, wenn man ganz andere Lagen nimmt.
Du sprachst von "harmonisch", weswegen ich annahm dass es dir um die Konsonanz ging. Oktavgleichheit (besser wäre "Oktaväquivalenz") ist keine Gleichheit im eigentlichen Sinne; der resultierende Klangcharakter ist oft ähnlich, aber die Konsonanz kann sich mit der Oktavlage stark ändern, insbesondere was die kritische Bandbreite anbelangt. Spiel doch mal das Intervall einer großen Sekunde, und anschließend eine große None, dann siehst du den Konsonanzunterschied (am Besten auf einem Instrument, bei dem die Töne nicht direkt abklingen, sondern länger gehalten werden).

Bei Akkorden ist außerdem noch zu bemerken, dass Dissonanzen durch ein harmonisches Umfeld abgeschwächt werden können; ein maj7-Akkord ist z.B. konsonanter als die große Septime selbst, da diese im Akkord sehr konsonante Verhältnisse zu den anderen Tönen bildet. Auch die Obertonreihe selbst enthält Einzelintervalle, die für sich nicht sonderlich konsonant klingen, und dennoch machen sich die Dissonanzen nicht im Gesamtklang bemerkbar. Konsonanz / Dissonanz von Intervallen kann man vergleichbar "leicht" bestimmen, allgemeine Regeln für Zusammenklänge aus mehr als 2 Tönen aufzustellen ist da schon nicht mehr so trivial.
 
@gbonsai: Schön gesagt, deine Sicht mit den 12 "Tonorten", so kann ich das voll und ganz unterschreiben. Präzise und genau. So ist es. 12et ist wohl die Mittelung, gegen andere Stimmungen habe ich natürlich nichts, wenn das Ergebnis stimmt, und gleich zweimal nichts, weil die Charakteristik, die dadurch entsteht, sehr interessant ist.
Einen Glaubenskrieg würde ich deswegen nicht anfangen wollen, welche Stimmung denn am besten ist.

Es wäre besser, die Stimmungen nach der Wirkung hin zu unterscheiden, anstelle auf Konsonanz und Dissonanz zu beharren, denn so bekommt der ein oder andere möglicherweise ein Handwerkszeug, mit dem er in der Praxis umgehen kann. Mit Theorie allein kann man nämlich keinen Ton aus einem Instrument bekommen.

Auch, was deinen Hinweis angeht, die eigene Musik vorzustellen oder nicht, mein Dankeschön an dich, denn auch da teile ich deine Meinung. Wer was zu sagen hat, kann ruhig was vorspielen, damit man sich ein Bild machen kann.

Kaum jemand, der hier über diese Dinge diskutiert, hat Beispiele gebracht. Meine habe ich sowohl in Notenform als auch als Einspielung vorgestellt, so daß man sich mit den Ohren ein Bild machen kann, was ich meine und wie das klingt.

Musik ist eben nicht Physik, sondern läuft auf ganz anderer Ebene ab. Weshalb da durchaus andere Regeln Berücksichtigung finden können und dürfen, nein - sogar müssen, will man eine gewisse Art der Vollkommenheit in der Musik erreichen.

Ich habe auch kein Problem damit, vermeintlich verrückte oder esoterisch anmutende Gedankengänge mir anzuschauen, schaden kann es wohl kaum, im Gegenteil, man kann sich das herausziehen, was man für die eigene Musikpraxis braucht.

Auch, was deine generellen Ansichten über den Menschen angeht, kann ich gut nachvollziehen, du wirst sicher verstehen, daß ich nicht alles teile, aber die Grundtendenz ist sicherlich richtig.

Was heute an musikalischem Müll fabriziert wird, ist eine Folge der Hemmungslosigkeit, und die äußert sich auch darin, daß es Leute gibt, die glauben, mit Talent allein könne man Musik machen. So ist das natürlich nicht, es ist eine fast übermenschliche Arbeit, will man ein gewisses Level erreichen und die wahre Freiheit in der Musik erreichen.

Schlechte Musik verdirbt allein deshalb die Gesellschaft, weil sie dem Menschen die Gelegenheit nimmt, gute Musik zu erkennen. Dazu stumpft sie den Menschen ab, was sich dann darin äußert, daß sich alles nur noch um ihn dreht und die Befriedigung seiner Bedürfnisse und Gelüste, die bei einer Verarmung des Geistigen darüber hinaus zu einer völligen Enthemmung führt, die die Droge Musik dann noch verstärkt, die dann unablässig und maßlos zugeführt wird.

Jede Form der Gesellschaft hatte ihre eigene Musik, mit der sie sich auch abgegrenzt hat. Mit dem Ohrhörer grenzt sich der Mensch auch in akkustischer Weise von seine Außenwelt ab - da bekommt man ein Gefühl dafür, wie so etwas in der Praxis aussieht.

Es mußte vielleicht auch mal in so einen Thread hier herein, wenn wir schon sowieso am Philosophieren sind...

Die Wirkung macht den Unterschied aus. Und da kann man destruktiv arbeiten, oder konstruktiv, wobei ich Ersteres nur dann einsetze, wenn es notwendig ist, um mich auszudrücken, aber niemals als Grundkonstruktion, weil das dem Wesen der Musik widerspricht.

Das erkennt man allein daran, daß Menschen, die versammelt sind, sich auf einen Dur-Akkord einigen, spontan, rein nach dem Gefühl.

Dabei entwickeln sie eine gemeinsame Sprache, eine Sprache der Harmonie, nicht die der Zerstörung, ansonsten würde so ein gemeinsam entwickelter Klang nicht möglich sein. Das allein zeigt, daß hier keine Willkür oder ein Chaos herrscht, sondern eine Ordnung, die jeder Musiker auch spüren kann, wenn er ehrlich zu sich selbst ist.

Wer allerdings nur die Quanten zählt um der reinen Quantenzählerei Willen, dem wird dies alles verborgen bleiben und führt zu nutzlosem Wissen.
 
HëllRÆZØR;4591588 schrieb:
Bei einer fretless guitar ziehe ich mir die Töne nicht zurecht, ich spiele sie einfach. Von daher verstehe ich gerade nicht, worauf du hinaus willst.
Daß es Instrumente bereits gibt, mit denen du dein Klangideal real umsetzen kannst. :)

HëllRÆZØR;4591588 schrieb:
Wie Klaus allerdings schon geschrieben hat hat auch die menschliche Stimme, die wir schon vor der Geburt wahrnehmen (die Stimme der Mutter) Einfluss auf unsere Hörgewohnheiten, die Obertöne sind uns also sehr vertraut, weswegen wir besonders harmonische Klänge auch direkt annehmen können, ohne uns an sie gewöhnen zu müssen, egal in welcher Kultur wir aufgewachsen sind.
Da wird's dann schon etwas schwieriger, die unterschiedlichen Stimmungen der unterschiedlichen Kulturen zu erklären - alle haben ja die gleichen Vorraussetzungen, was das Hören der Obertöne angeht.
Deshalb müssen die Unterschiede in den Stimmungen in der Wirkung bestehen. Hier gilt es zu forschen. Mich würde interessieren, welche Wirkung welche Stimmung auslöst, weil das sich ja auch auf das Denken auswirkt.

Es hat sich auch gezeigt, daß alle Kulturen unsere perfektionierte 12-Ton-Ordnung verstehen, und das Bild der 12 Tonorte ist unschlagbar gut, dieses Phänomen zu erklären. Dazu kommt ja noch, daß jede Kultur unsere 12et-Musik und wohl auch unsere anderen Stimmungssysteme versteht, allerdings andere Dinge damit assoziiert.

HëllRÆZØR;4591588 schrieb:
Deine Position ist mir immer noch nicht ganz klar, und vielleicht haben wir gar nicht so unterschiedliche Ansichten wie es vielleicht scheinen mag, wenn du das teilweise als Argument für deinen Standpunkt gesehen hast.
Jetzt dürfte es klarer sein. Du merkst aber vermutlich, daß ich erst Worte finden mußte für etwas, das ich zwar geometrisch halbwegs beschreiben konnte, aber eben nicht in Worte fassen konnte, tut mir Leid dafür, ich bin nicht vollkommen.

Die Positionen sind viel näher als geglaubt. Wir spüren es ja auch, und Musik macht man eben mit dem Herzen, nicht mit den Fingern oder dem Kopf.

HëllRÆZØR;4591588 schrieb:
Spiel doch mal das Intervall einer großen Sekunde, und anschließend eine große None, dann siehst du den Konsonanzunterschied (am Besten auf einem Instrument, bei dem die Töne nicht direkt abklingen, sondern länger gehalten werden).
Ich weiß nicht, ob du gehört hast, wie ich spiele. Ich nutze die gesamte Tastatur, ich unterscheide nicht mehr sehr zwischen Sekunden und Nonen, höchstens, was die Melodie noch angeht. Harmonisch gibt es da keine Trennung der Oktaven, ich trenne nach der Wirkung und dem, was ich fühle. Das ist kein mechanistischer Ansatz, auch wenn man den Eindruck bei einigen anderen Threads hier bekommen hat, daß ich nur eine Mechanik abspule. Dem ist natürlich nicht so, weil so keine Musik möglich ist. :)

HëllRÆZØR;4591588 schrieb:
Bei Akkorden ist außerdem noch zu bemerken, dass Dissonanzen durch ein harmonisches Umfeld abgeschwächt werden können; ein maj7-Akkord ist z.B. konsonanter als die große Septime selbst, da diese im Akkord sehr konsonante Verhältnisse zu den anderen Tönen bildet. Auch die Obertonreihe selbst enthält Einzelintervalle, die für sich nicht sonderlich konsonant klingen, und dennoch machen sich die Dissonanzen nicht im Gesamtklang bemerkbar. Konsonanz / Dissonanz von Intervallen kann man vergleichbar "leicht" bestimmen, allgemeine Regeln für Zusammenklänge aus mehr als 2 Tönen aufzustellen ist da schon nicht mehr so trivial.
Siehst du. So ist es. Weshalb ich ja postuliere, daß da eine andere Systematik gegeben sein muß. Bei mehreren Tönen fängst du an, flächig zu denken. Und zwar auch, wenn du die Musik nicht kennst und nie vorher gehört hast, wie ich schon mehrfach anführte.

Sind wir aber doch froh, daß die Naturtonreihe sehr gut mit unserem 12-Tonorten-Empfinden übereinstimmt, welch ein Glück für die Musik, die sonst vermutlich nicht so gut klingen würde... :)

Wir kommen uns langsam wirklich näher, das freut mich.
 

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