HëllRÆZØR;4642034 schrieb:
...wobei anzumerken wäre, dass die kleine Terz der mitteltönigen Stimmung immer noch wesentlich näher an der reinstimmigen kleinen Terz 6:5 liegt als die gleichstufige kleine Terz; die Ansprüche von jemandem, der sich mit der gleichstufigen Stimmung zufrieden gibt würde die mitteltönige kleine Terz also locker erfüllen.
Vollkommen richtig. Das Es in der mitteltönigen Stimmung liegt bei 310,26 ct, die reine Terz (5:6) wäre bei 315,64 ct, die temperierte bei 300 ct.
In der mitteltönigen Stimmung war für das Es aber entscheidend, daß das Intervall Es-G rein (4:5) gestimmt ist. Die Quint C-G war aber deutlich verengt auf 696,58 ct (von rein 701,96 ct; temperiert 700 ct).
Die Vorgehensweise zeigt, daß man auf die Moll-Terz viel weniger Wert legte als auf die Dur-Terz. Man war praktisch "verliebt" in die reine Dur-Terz und das wird wohl ein wichtiger Grund für die Picard'sche Terz gewesen sein.
HëllRÆZØR;4642034 schrieb:
Es gibt gewisse Bezüge zur Obertonreihe, aber wenn man sich nur an der Obertonstruktur orientierte würde es mehr Sinn machen, z.B. den 15. Partialton (große Septime) durch den 7. (Naturseptime) zu ersetzen.
Ich wollte den Konsonanzgrad des Cmaj7/9 erklären, da hilft die Naturseptime nicht, denn sie ist zu weit von der großen Septime entfernt.
Es geht ja um einen Chor und in der obertonreichen menschlichen Stimme ist selbst der 15. Partialton noch deutlich vorhanden (eher bei Männern in der tieferen Lage). Alle Töne in Cmaj7/9 können als Partialtonverstärkung aufgefaßt werden. Das finde ich bemerkenswert, sollte aber auch nicht überbewertet werden. Insofern stimme ich der Aussage von CUDO zu:
Nur weil die Töne eines MA9 Akkordtyps Bestandteile der Obertonreihe sind, ist die primäre Auflösungstendenz jedweder Spannungsakkord doch nicht nach dorthin.
HëllRÆZØR;4642034 schrieb:
Man hat hier eine besonders konsonante Struktur, aber Konsonanz lässt sich zumindest direkt nicht immer bloß auf die Obertonreihe zurückführen. Ich denke die Konsonanz hängt hier vor allem auch damit zusammen, dass sich der Akkord als Verschachtelung von konsonanten Dreiklängen darstellen lässt...
Richtig, das ist ein weiterer Faktor für Konsonanz. Ich habe mich neulich gefragt, was eigentlich der konsonanteste Fünfklang innerhalb einer Oktave ist. Für mich eindeutig der Zusammenklang der Töne der Pentatonik. Jetzt könnte man da auch die Obertonbeziehungen analysieren, doch eine einfachere Erklärung liegt wohl in der Tatsache, daß es ich um vier aufeinander geschichtete Quinten (zurück oktaviert) handelt.
EDIT: Die plausibelste Erklärung für den Moll-Akkord liegt für mich in der Übereinanderschichtung zweier konsonanter Intervalle, der kleinen und großen Terz, die sich zur Quint ergänzen. Die "Trübung" im Vergleich zum Dur-Akkord läßt sich dadurch erklären, daß sie umgekehrt gestapelt sind. Die Moll-Terz, passend zum Grundton, findet in der Obertonreihe keinerlei Unterstützung, im Gegensatz zur Dur-Terz. Die Moll-Terz kann, in reiner Form, aus mathematischen Gründen nicht in der Obertonreihe auftreten, denn die Moll-Terz ist mit dem Verhältnis 6:5 verknüpft. Eine Multiplikaton von 6:5 mit einer Zweier-Potenz (2,4,8,16.., entspr. Oktaven) kann niemals eine ganze Zahl ergeben. Alle harmonischen Obertöne entsprechen aber ganzen Zahlen, denn sie sind die ganzzahligen Vielfachen des Grundtons.
Wenn man T9 und T13 eines V7 mit Tb9 und Tb13 eines V7 vergleicht, wird man leicht feststellen, dass das Zweite viel mehr nach Moll tendiert, da Tb9 der Dominante der bVI Stufe in Moll, und Tb13 der Dominante der Mollterz in Moll gleichkommt. Mir ging es um das tonale Umfeld und den daraus resultierenden natürlichen Auflösungsdrang.
Klar kann man einen molltypischen II-7b5 V7b9/b13 Pattern nach Dur auflösen. Dies ist aber eher ein Überraschungseffekt, der allgemein typisch ist für MI Chords.
Dv ist ein Derivat von HM und nicht von Dur!
Ein wirklich deutlicher Überraschungseffekt wäre gegeben, wenn man T9 und T13 eines V7 nach Moll auflösen wollte. Beim Tb9 und Tb13 ist nach meinem Empfinden beides möglich. Doch das hängt wohl sehr stark mit den Hörgewohnheiten zusammen. (Deshalb würde ich lieber nicht wetten.) Wenn man viel Harmonisch Moll gehört hat erwartet man wohl eher Moll. Hat man viel Harmonisch Dur gehört (eher unwahrscheinlich) oder hat ein stärkeres Konsonanzbedürfnis, insbes. beim Schlussakkord, würde man lieber nach Dur auflösen.
Viele Grüße
Klaus