Es gibt da durchaus andere Sichtweisen, und vor allem decken sich die "philosophischen" Sichten auf den Blues auch nicht immer mit den "musikalischen".
Man muss auch immer schauen, auf welche Variante/Version des Blues man blickt. Ich bewege mich mit meinem Text ganz klar in die Richtung "geht nicht immer vom modernen Blues/Bluesrock aus, sondern beschäftigt euch auch ein bisschen mit dem, was "eigentlich" mal Blues war". Genauso wie es sinnvoll ist, wenn man "modernen" R&B toll findet, eben auch etwas über die Wurzeln von Rhythm&Blues zu wissen.
Ich sehe das mit dem Blues also ein bisschen "ernsthafter", wie der Kollege hier ... auch dessen Aussage sind nicht "die Wahrheit", auch das sehe ich mit einem Augenzwinkern (im Gegensatz zu Son House, für den das alles recht ernst ist):
Es ist natürlich viel lustiger, mit "Knaller-Aussagen" wie "alles ist Blues" oder so Gimmicks wie "spielen wir mal ein Volkslied und stellen eine Verbindung her da" zu punkten, und das ist auch total legitim. Es ist sogar total interessant, die Parallelen und Verbindungen und gegenseitigen Beeinflussungen zu finden. Man kann da auch mal einen klaren Punkt machen, Dinge auf die Spitze treiben, provozieren. Das alles bringt aber nix, wenn "alles Blues ist" - dann ist halt alles Blues und das ist nicht der Beginn, sondern das Ende der Diskussion.
Aus diesem Grund halte ich es eben für sinnvoll, mit etwas Struktur über Blues zu reden, um auch diese Musik in ihre Vielfalt genießen und auch diskutieren zu können. Es ist eben NICHT jedes Hard Rock Stück mit Pentatonik "Blues", genauso wie nicht jedes Stück mit "Blues" im Namen Blues ist. Und paradoxerweise rechnen wir auch Songs dem Blues zu, die keine Sind - Blind Willie Johnson ist Gospel, der ist thematisch/inhaltlich ganz weit weg vom Blues... Mississippi John Hurt und Lead Belly haben ganz wenig klassischen Blues gespielt, trotzdem sind sie im Wesentlichen dem Blues zugeschlagen, weil's halt irgendwie passt.
Bei allem Auseinanderfieseln: Es ist toll, wenn Dinge zusammenkommen, und gerade beim Blues ist es ja auch immer machbar, mit ganz verschiedenen Leuten zusammenzukommen und sogar gemeinsam Musik zu machen. Es gibt da ein ganz starkes verbindendes Element, und das ist toll! Aber eben auch: "They Call It Stormy Monday" ist kein 12-Bar-Shuffle in E.
Es gibt da keine "Killerargumente", mit denen man die Diskussion beenden sollte, und verschiedene Sichtweisen sind gut. Allerdings seihe ich den "irgendwie ist alles Blues" Standpunkt dabei nicht hilfreich - man muss schon manchmal benennen, was Blues ist und was vielleicht nicht (und warum).