Meinst du mit "diesen Akkorden" Maj7? Warum sollte Bach die gemieden haben? Quintfallsequenzen mit lauter Septakkorden gibt es zuhauf auch bei Vivaldi, aber immer sind sie dort als auflösungsbedürftige Dissonanz aufgefaßt und deswegen die Septen dort immer als Durchgänge behandelt. Zeigst du mir ein Gegenbeispiel, wo sie anders behandelt sind, und erläuterst mir, wie du darauf kommst, daß Bach Septakkorde immer oder vorzugsweise nur als gebrochene Akkorde einsetzte?
Es sind stets Durchgangsakkorde, da hast du recht. Du kennst natürlich die Fugen, und da findest du diverse Beispiele für Maj7-Akkorde. Und hier sind sie nicht auf der Tonika oder Subdominante - ich weiß jetzt, daß du da aufschreist, weil ich eine moderne Harmonielehretechnik verwende, doch sie funktioniert auch hier, wie man hören kann. Wir gehen ja heute auch nicht mit dem geschichtlichen Anspruch an die Physik heran, sondern mit der Erkenntnis, die wir heute haben. Deshalb kann man sehr wohl moderne Instrumente einsetzen, sie verändern ja nicht die Musik durch ein anderes Beobachtungsinstrument. Wobei ich ja auch insbesondere die Harmonik betrachte, weniger die Stimmführung.
Was willst du damit ausdrücken? Daß die temperierte Terz in höherem Maße von der reinen Terz abweicht als die temperierte Quinte von der reinen Quinte? Ja und? Warum Terzen mehr Verstimmung ertragen als Quinten, erklär ich dir, wenn ich groß bin, anhand der Obertonreihe, mir ist das heute zu mühsam. Im übrigen stammt der Begriff "unvollkommene Konsonanz" aus einer zeitlich sehr eingeschränkten Epoche.
Ja was nun? Weiter unten schreibst du, das müsse man historisch betrachten, und wenn man's dann tut, darf man es auch wieder nicht...
Bei einem "historisch" höheren Konsonanzgrad der Quinte gegenüber der Terz müßte sich der Tritonus doch eher in die Quinte auflösen, weil sie deutlich konsonanter ist als die Terz, nicht...?
Das mit dem Dominantseptakkord und der Obertonreihe ist ja auch nochmal so ein Thema... - die Obertonreihe kennt ja auch schon die kleine Septime, nur ist sie dann doch wieder keine, denn sie liegt ja etwas tiefer. Der Dom7 aber hat eine Quint-Septime, demnach orientiert er sich nicht an den Obertönen...
Alles nur durch die Varianz der Töne über der Quintschichtung erklärbar? Ich glaube mal nicht...
Immerhin sind wir uns mal einig, daß es eine Varianz gibt. Was doch eigentlich an sich schon ziemlich esoterisch anmutet, oder...?
Allein wegen dieser Tatsache ist es verwunderlich, daß wir trotzdem Kerntöne wahrnehmen und Bereiche als "gleich" bzw. ähnlich einstufen.
Das klassische Konsonanzdenken mag im Jazz nicht funktionieren, aber ich glaube, du verwechselst Stilfragen mit Fragen, die sich um die Entstehung unseres Tonsystems drehen. Das Tonsystem war entwickelt, lange bevor es den Jazz gab. Und historisch betrachtet, ist es eindeutig falsch, daß seine Entstehung nichts mit der Konsonanz der reinen Quinte zu tun gehabt hätte, sondern aus der reinen Zahl zu erklären sei. Die reine Zahl nämlich ist so rein nicht, weil sie nur die erste Näherungslösung zwischen Quint- und Oktavschichtung ist. Komisch, daß die Quintschichtung uns näherungsweise unser Tonsystem liefert, aber die Konsonanz der Quinte nichts damit zu haben soll. Wenn Konsonanzen nichts damit zu tun hätten, dann täte es auch jede andere beliebige Oktavteilung.
Genau da ist der Denkfehler.
Wir wissen folgendes: Die Oktavidentität kann man heute als bewiesen ansehen, sie funktioniert sogar bei Tieren.
Daraus ergibt sich die Tatsache, daß Oktaven sich
zyklisch wiederholen müssen, sonst könnte man den Oktavraum nicht verlassen, was man sehr gut mit einem Kreis darstellen kann. Machen wir Menschen aber schon seit Urzeiten, da hat der Mensch noch nicht einmal Oktaven unterschieden, beispielsweise, wenn Mann und Frau in verschiedenen Oktavlagen sangen (teilweise bis heute) und eben keine Oktave erkannt wurde. Es ist also einprogrammiert, so tief, daß es dem Menschen schwer fällt, das überhaupt unterscheiden zu können.
Bei einer Quintschichtung hingegen erreichen wir aber keine Oktavidentität, sondern eine Spiralform, die sich vom Oktavkreis entfernt, alles alte, bekannte Tatsachen.
Okay?
Selbst ohne Quintschichtung kommt man zu dem 12-Ton-System.
Wir wissen, daß Symmetrien in Tonleitern zu keinem tonalen Zentrum führen können. Nun überlegen wir, welche Möglichkeiten es gibt, eine Oktave in gleich große Schritte zu unterteilen.
Die 2er-Unterteilung kann zu keinem Akkord führen, weil ja nur zwei Töne existieren.
Die 3er-Unterteilung führt zu einem +-Akkord, der symmetrisch ist und deshalb kein tonales Zentrum etablieren kann.
Die 4er-Unterteilung führt zu einem °7-Akkord, der auch symmetrisch ist.
Die 5er-Unterteilung führt zu einem Tonsystem, das wir nicht nutzen, aber ebenfalls symmetrisch wäre und deshalb kein tonales Zentrum etablierbar wäre.
Die 6er-Unterteilung führt zu einem doppelten symmetrischen System, das aus 2 und 3 gespeist wird, weshalb auch deren Regeln gelten. Die Ganztonleiter offenbart das deutlich, daß kein tonales Zentrum etabliert werden kann. Es gibt auch nur zwei dreistimmige Akkorde, die sich aber nicht verketten lassen. (Ich hoffe, es ist klar, was gemeint ist...)
Für die 7er-Unterteilung gilt dasselbe wie für die 5er-Unterteilung.
Das kann man Fortführen bis zum 12er-System und darüber hinaus.
Beim 12er-System fällt allerdings auf, daß auf dieses System sich erstmalig sowohl ein 5er-System als auch ein 7er-System aufsetzen läßt. Beide sind gleichzeitig miteinander verbunden und ergänzen sich gleichzeitig zum 12-Ton-System, was bei keinem kleineren System der Fall ist, weder beim 11er, 10er, 9er, 8er usw.
Beim Aufsetzen des 7er-Systems auf das 12er-System kommt das dazu, daß ein tonales Zentrum etabliert werden kann. Das funktioniert sogar weitgehend bei der klassischen Quintschichtung, allerdings läßt sich über die Quintschichtung ja keine Oktavreinheit erzeugen, wohl aber durch die Symmetrie der gleichstufigen Unterteilung.
Wenn wir uns dann die Folgen anschauen, die sich aus einem Heptagramm ergeben, wird's interessant:
https://www.musiker-board.de/harmonielehre/377779-warum-denken-wir-eher-dur-8.html#post4553532
Beim
Heptagramm:
1. Folge, Abstand 1: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 => entspricht dem Heptagon
2. Folge, Abstand 2: 1, 3 ,5, 7, 2, 4, 6 => 1. Heptagrammfolge
3. Folge, Abstand 3: 1, 4, 7, 3, 6, 2, 5 => 2. Heptagrammfolge
4. Folge, Abstand 4: 1, 5, 2, 6, 3, 7, 2 => gespiegelte 2. Heptagrammfolge
5. Folge, Abstand 5: 1, 6, 4, 2, 7, 5, 3 => gespiegelte 1. Heptagrammfolge
6. Folge, Abstand 6: 1, 7, 6, 5, 4, 3, 2 => gespiegeltes Heptagon
Schauen wir uns mal die erste Heptagrammfolge an:
1, 3 ,5, 7, 2, 4, 6 => Entspricht unserem Akkordaufbau, kann man auch doppeloktavisch schreiben: 1, 3, 5, 7, 9, 11, 13, (1)
Dann die zweite Heptagrammfolge:
1, 4, 7, 3, 6, 2, 5 => das ist die klassische Barock-Quintfallkadenz, ich schreibe das mal in römischen Ziffern um: I - IV - VII - III - VI - II - V.
Zusammen mit der ersten Heptagrammfolge ergeben sich auch die korrekten Akkorde, ganz automatisch, nur aus der reinen Systematik heraus.
Demnach ist die Barock-Kadenz
keine Folge der Obertöne, sondern eine
Folge der Zahlen. Selbst wenn die Obertöne eine gewisse Rolle spielen mögen, trotzdem greift hier die Systematik, sogar ohne gleichstufige Stimmung. Die Akkorde ändert das nicht, denn die Obertöne ändern nicht den Akkordgrundcharakter, auch wird es schwierig, anhand der Obertöne zu erklären, weshalb diese Akkordfolge als so archaisch harmonisch seit Jahrhunderten empfunden wird, weil selbst die Quintschichtung dieses System verwendet.
Wie geometrisch wir denken, zeigt der folgende Artikel:
http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/248483.html
Allein das Stereo-Hören (wobei das Ohr noch viel komplexer wahrnimmt) zeigt, wie das Gehirn räumlich denkt.
Und das ist nicht nur beim Menschen so, denn selbst Tiere können rechnen, es gehört wohl zur biologischen Grundausstattung höher entwickelter Lebewesen:
http://www.news.de/gesellschaft/855040826/auch-affen-koennen-rechnen/1/
Möglicherweise auch bei Pflanzen, die ja fraktalen Strukturen folgen. Das wäre aber nochmal ein Thema für sich...
Wir wissen aber auch, daß Tiere und Pflanzen naturgemäß keinen Mathematikunterricht bekommen, demnach muß es implementiert sein.
Wie weit das Abstraktionsvermögen zu Zahlen und Geometrie besteht, kann man hier nachlesen:
http://www.sueddeutsche.de/wissen/212/325077/text/
"Drei Punkte und die Ziffer "3" stehen zwar für die gleiche Zahl, sehen aber sehr unterschiedlich aus.Trotzdem ist ein zahlenverarbeitendes Hirnareal für die abstrakten Symbole wie für Punkte gleichermaßen empfänglich, berichten Neurowissenschaftler vom französischen Forschungsinstitut Inserm in der Zeitschrift
Neuron (Bd. 53, S. 293, 2007)."
Das sollte überzeugend genug sein. Ich werde auch nicht bestreiten, daß die Obertonstruktur auch eine Rolle spielen mag, doch nicht die, die man ihr momentan noch zugesteht. Wir werden die nächsten Jahre noch sehen, was alles entdeckt wird.
Und wenn die Konsonanz reiner Intervalle nichts damit zu tun haben soll, warum beharrt man dann auf der reinen Oktave?
Der Qualitätsunterschied zwischen einer Oktave und einer Quinte ist wohl offensichtlich. Verschiedene Naturvölker und -kulturen zeigen ja, daß die Menschen nicht oder kaum Oktavabstände erkennen können. Eine Quinte erkennt aber jeder als anderen Ton...
Einverstanden? Oder hat jemand eine plausiblere Herleitung des Maj7-Akkordes?
Viel kürzer. Er ist eine Folge der 1. Heptagrammfolge 1, 3, 5, 7 und deckt damit die erste Oktave ab.