Das wirklich tragische an all diesen Diskussionen und Pseudodiskussionen ist doch, dass es gar nicht mehr um Musik geht!
Vor einem halben Jahrhundert waren ganz normale elektrische Gitarren (=Fabrikgitarren) für einen normalsterblichen Schüler unerschwinglich. Da musste man wirklich "Profi" sein, also in einer Tanzkapelle oder ähnlichem spielen, um sich so ein eigentlich ganz banales Instrument leisten zu können.
Im Internet kursieren viele Berichte, wo ältere Rock 'n' Roller berichten, mit welchen improvisierten Instrumenten sie damals gespielt haben. Da wurde die einfache Wandergitarre mühevoll elektrisiert und das alte Radio zum Verstärker umgebaut. Und damit wurde Musik (=Rock 'n' Roll) gemacht.
Ich habe mir meine erste E-Gitarre mitsamt Verstärker Ende der Siebziger Jahre erst nach sechs Wochen Ferienjob kaufen können. Und das war höchstens Mittelklasse, aber andere hatten noch schlimmeres Equipment.
Trotz der wachsenden Armut ist die heutige Situation dagegen doch luxuriös!
Mir hat zu meinem Glück damals auch niemand erklärt, wie wichtig es ist, dass eine Gitarre haargenau so gebaut werden muss, wie es die Altvorderen vor Jahren erfunden hatten und dass es ungeheuer wichtig sei, das "richtige" Holz für eine elektrische(!) Gitarre zu verwenden.
Und wenn ich mir so anschaue, was die Musiker, die vor meiner Zeit ihre Hits (für jüngere Leser: Das sind Songs, die ganz vielen Leuten gefallen, die sich dann die entsprechenden Tonträger kaufen) hatten, so spielten sie diese meist auf Instrumenten ein, die bei der heutigen (nichtprofessionellen) Musikerschaft als Schrott gelten! Und für Streitereien, ob und ab wann eine Gitarre als "gute" Gitarre zu bezeichnen ist, hatten sie wahrscheinlich gar keine Zeit. Aber wenn sich ihre Platten gut verkauften, dann hatten sie oft auch das Geld, um sich andere, angesagtere, kurz: teurere Instrumente zu kaufen, die auch heute noch als "richtig" gelten.
Der wichtigste Unterschied ist aber: In der guten alten Zeit verkauften sich diese Musik auch noch! Heute ist es den meisten Zuhörern doch egal, was sie sich anhören. Ob da eine Gitarre mitspielt oder nur ein Computer, das ist dem gewöhnlichen Kunden doch völlig egal. Gitarren spielen in ein paar Subgenres noch eine Rolle und das war's dann. Und wenn die Leute einmal gestorben sind, die sich heute ein Instrument kaufen (können), das ihr Jugendidol mal in der Hand hatte, dann interessiert sich vielleicht kein Mensch mehr für solche Gitarren.
Heute fragen Leute, was man für eine Ausrüstung brauche, um Punk zu spielen! - Hä? - Wissen die eigentlich, was Punk ist/war?
Es wird doch keine eigene Musik mehr gemacht, die Zeit scheint stehengeblieben zu sein. Jeder will nur noch einen ominösen Sound aus fernen Tagen, von dem er wahrscheinlich nur über andere Leute gehört hat, nachspielen.
Nachgespielt wurde schon immer, aber meist hat man die Musik verändert, weiterentwickelt, einen eigenen Stil entwickelt. Darf man das heute nicht mehr?
Na, ja, wahrscheinlich ist es wichtiger, über den Preis "richtiger" Gitarren zu reden!