Disgracer
A-Gitarren-Mod
Ja, das ist durchaus so. Aber es sind auch einfach zwei sehr verschiedene Berufe.Der Unterschied ist aber trotzdem, dass man als Lehrer gesucht und anständig bezahlt wird, während auf Dich als Musiker keiner wartet und vergleichsweise schlecht oder am liebsten überhaupt nicht gezahlt wird. Die Schere geht in beide Richtungen auseinander.
Das kann man doch so sagen oder?
In der Schule mache ich nicht viel Musik selbst. Klar musiziert man mal ab und zu mit den Kids, oder singt mal was mit der Klasse, aber eigentlich ist man als Lehrer mehr Organisator und die Kinder sind die, die die Arbeit machen sollen.
Musik in der Schule ist tatsächlich auch in vielen Teilen Geschichtsunterricht (Wann wurde was erfunden, wie haben die Menschen damals gelebt?), Politik (Protestsongs, politische Voraussetzungen während der Entstehungszeit berühmter Werke, Nationalhymnen), Englisch (alles was mit englischsprachiger populärer Musik zu tun hat), Deutsch (Adjektive zum Beschreiben, Musik die auf literarischen Vorlagen beruht, wie z.B. die Winterreise etc, generell Texte), Mathe (Zählzeiten, Taktarten, musikalische Abschnitte, Intervalle) und und und..
Selbst Komponieren und selbst Musizieren als Lehrer, spielt in der Schule eine extrem untergeordnete Rolle. Sowas passiert mehr in AGs.
Wer musikalisch interessiert ist, weil er gerne auf seinem Instrument spielt, ist in der Schule NICHT gut aufgehoben. Das kommt MAL vor, aber 90% der Stunden sehen anders aus. Da analysiert man mit den Kindern irgendwelche Hip Hop Texte hinsichtlich der politischen Aussagen, zerhackt die Sonatenhauptsatzform in schülergerechte Häppchen oder schaut sich an, wie Musik für Filme oder Werbung gemacht wird oder warum der Elefant im Karneval der Tiere wie ein Tier klingt.
Ein Lehrer sollte vor allem die Fähigkeit haben solche Ideen, Prinzipien und anderen Inhalte so aufzubereiten, dass Schüler sich das merken, auch wenn sie nicht intrinsisch dazu motiviert sind. Wenn mich da ein 8. Klässler, der kein Instrument spielt, fragt wozu er Intervallbestimmung lernen muss, komme ich mir mit der Antwort "gehört zum Allgemeinwissen" selbst blöde vor. Der hat keinerlei Anwendungszweck dafür in seinem Leben.
Aber ich krieg ihn vielleicht hintenrum, wenn ich mit ihm mit GarageBand Stücke komponiere und ihm sage "mach mal ein fröhliches Stück".. und schwupp, haben wir auf einmal gemerkt, dass es sich zumindest lohnt zu wissen was ne Terz ist und vielleicht hat er auch zu Hause ein iPad und fängt vielleicht an ein bisschen zu experimentieren, wenn er merkt, dass ihm das Spaß macht.
Anderes Beispiel: Im Lehrplan bei uns steht, dass wir in der 9. Klasse mit den Kindern einen Podcast über eine Sinfonie der Wiener Klassik machen. Also quasi Sonatensatzform + geschichtlicher Background, Entstehungsgeschichte etc. Ich hatte letztes Jahr parallel drei 9. Klassen. Wenn jetzt 2-3 Leute einen Podcast machen, hab ich 10-15 Podcasts pro Klasse, also bei drei Klassen 30-45 Podcasts.
Die sollen ja hinterher auch gehört und ausgewertet werden. Jetzt kann ich ne Aufgabe machen, dass alle dasselbe machen, aber ich kann dir sagen, dass spätestens nach dem fünften Podcast die halbe Klasse im Koma liegt und auch ich möchte mich vermutlich nach dem 40. Podcast vor Langeweile erhängen gehen, weil man ja immer dasselbe hört.. Also hab ich überlegt, wie ich das Problem umschiffen kann. Es könnte z.B. jede Gruppe eine andere Sinfonie machen. Dann müsste ich aber entsprechend viele Sinfonien raussuchen, gucken, ob sie die Form auch halbwegs ordentlich umsetzen (tun die wenigsten wirklich) und mich da über 40 Hintergründe informieren.. nun.. hab ich logischerweise nicht gemacht (wann auch bitte.?).. stattdessen kam mir irgendwann die Idee, dass ich das Zielpublikum ändere, bzw. bestimmte andere Vorgaben gebe. Da hat dann eine Gruppe das Ganze für Grundschulkinder aufbereitet. Erklär mal nem Grundschulkind die Sonatensatzform.. muss man mal drüber nachdenken, wie man das macht, gell? Welche Wörter man dann benutzt etc.. (da mussten die sich dann mal wirklich mit der Form auseinandersetzen.. hehe..) Eine andere Gruppe hat das als Vor-Ort-Berichterstattung gemacht, eine Gruppe als Quizshow, eine Gruppe hat eine Bibi Blocksberg Folge gemacht. Und die hatten da mega Spaß dran und es war hinterher nicht langweilig, da 15 Podcasts in der Klasse zu hören. Die Grundschulgruppe ist sogar wirklich in eine Grundschule gegangen und hat den Kids da Beethovens 1. Sinfonie vorgespielt und Reaktionen mitgeschrieben, die hatten also wirklich Lust darauf. (und es ist ja eigentlich ein ödes theoretisches Thema..)
Aber solche Ideen bekommst du halt gar nicht aus Schulbüchern. Das muss man sich selbst ausdenken.
Und das ist der Lehrerjob: " Wie krieg ich Kinder, die wenig Interesse haben dazu sich ernsthaft (und am besten mit ein bisschen Spaß) mit einem Thema auseinanderzusetzen".
Wenn du darauf Bock hast: Werde Lehrer.
Wenn du ein Instrument spielen möchtest: Werde nicht Lehrer.
Das ist kein Geheimnis, aber die Politik schießt sich halt selbst in den Fuß indem sie den Beruf immer unattraktiver macht.Eine Verbesserung der Situation für Schullehrer brächte meiner Meinung nach eine Erhöhung der Anzahl.
Man hat keine Flexibilität, weil man an seinen Stundenplan gebunden ist. Man kann nicht im Homeoffice arbeiten. Es gibt keinerlei Vergünstigungen etc.
Lehrmaterialien müssen selbst angeschafft werden. Ja, kann man von der Steuer absetzen, aber wenn ich mir für 45€ ein Musikbuch kaufe, wieviel bekomme ich dann zurück? Vielleicht 5€..
Die Ausstattung an den meisten Schulen ist eher mies, so langsam kommen wir dahin, dass wir nicht mehr unsere privaten Hotspots nutzen müssen, weil die Schulen doch so langsam mal nach und nach WLAN bekommen.
Wenn was kaputt geht, dauert es ewig bis Ersatz kommt. (Wir hatten einen kaputten Beamer. Also.. das ist das Gerät, was wir jede Stunde brauchen, um da Zeug zu zeigen... der Wurde irgendwann von der zuständigen Forma abgeholt, dann zum Hersteller geschickt, dann wieder zurück.. war 4 Monate (!!) weg und es stellte sich raus... war gar nicht der Beamer, sondern das Kabel in der Wand. Also hätte man in zwei Minuten checken können, wenn die Leute, die den abgebaut haben mal einmal kurz getestet hätten.. aber die sind ja nicht zuständig... muss ja den regulären Weg gehen..)
Jetzt Abschaffung der Teilzeit oder meine Abordnung (das ist im Grunde die Idee Lehrkräfte von Schulen, die noch nicht so sehr vom Mangel betroffen sind an Schulen zu verschieben, wo Lücken sind. Aber dadurch werden ja wieder andere Lücken gerissen. Man stopft die Löcher, aber dadurch sinkt das Schiff nicht weniger).
Ich kann dir sagen, wieso wir so wenig Leute haben, die die MINT-Fächer unterrichten. Unsere Mathematiklehrer haben in großen Teilen ein nahezu vollständiges Mathe Studium hinter sich..
Wenn die in die Wirtschaft gehen, verdienen sie das Doppelte, bekommen nen Dienstwagen, Kinderbetreuung, Weihnachtsgeld, können Flexzeit arbeiten und haben nicht ansatzweise den Stress.
Das Gehalt im Lehrerberuf ist gar nicht mehr so wahnsinnig spannend im Vergleich. Woanders wird durchaus mehr bezahlt. Interessanter ist die ganze gesundheitliche Absicherung, die man bekommt, weil die Beihilfe noch Geld dazu schießt, wenn man krank ist.
Aber wenn die Politiker nicht bald anfangen den Beruf deutlich attraktiver zu machen, fliegt ihnen das System um die Ohren. Irgendwann sind alle dummen Optionen ausgelutscht, aber es gibt dann doch nicht mehr Lehrer.
Ich bin nicht überrascht, wenn demnächst flächendeckend wieder teilweiser Fernunterricht für die Oberstufe eingeführt wird oder "eigenverantwortliches Arbeiten" ohne Lehrperson anwesend.
Quasi sowas wie "Du hast zwei Stunden Musik die Woche, aber eine findet im "freien Arbeiten" statt."
Ja. Gesellschaftlich relevant sind Lehrer auf jeden Fall. Wir bilden die Arbeiter von morgen aus. Ich durfte heute einer Klasse 7.Klässler beim Kopfrechnen zusehen.. 90% konnten nicht sagen, was ein Viertel von 40 ist..Deshalb sehe ich die Wahl eines solchen Studiums als gesellschaftlich relevant und wichtig an, während ein Musikstudium irgendwie als perspektivloser Luxus erscheint.
Und klar: Kultur ist Luxus. Aber unsere Gesellschaft ist mittlerweile relativ weit weg von der Arbeitsmoral unserer Vorfahren, wo es einfach normal war 40h die Woche zu schuften.
Heutzutage ist man am besten Influenzer, postet coole Bilder auf Instagram und arbeitet am besten nicht mehr als 3h am Tag.
Meine 5er haben heute gestöhnt, als sie zehn Adjektive abschreiben mussten.. "DAS ALLES?"... Zu meiner Zeit hätten wir das nichtmal für erwähnenswert gehalten.
Es ist wahrlich eine "Konsum"gesellschaft. Selbst was machen ist nicht mehr "In".. (Ausnahmen bestätigen die Regel)
Ich hab tatsächlich eine ganz gute Nische gefunden, in der ich mich sehr wohl fühle.Danke nochmal! Ich finde es klasse, wie Du trotz widriger Umstände positiv bleibst.
Meine Kollegen sind fantastisch, Absprachen sind einfach, alle sind super flexibel, keine *zieht sich raus, sondern alle arbeiten zusammen.
Ansonsten schaue ich immer mit großen Augen auf das Ende meiner Abordnung: In nicht ganz 2,5 Jahren hab ich dann einen super entspannten Job.
Dann bin ich nur noch an meiner Schule, die ganze doppelte Organisation fällt weg, die Schüler sind dort deutlich entspannter. Ist ein Gymnasium in einer guten Lage.
Ich bin Musik Einzelfächler, also nur ein Unterrichtsfach, also wenig Korrekturen und wenn wir den neuen Lehrplan erstmal ein paarmal durchlaufen haben, hab ich quasi keinerlei Vorbereitung mehr, wenn ich nicht will.
Aber das ist eher die Ausnahme und eine absolute Luxussituation. Bei vielen Kollegen sieht das anders aus.
Wäre ich an der Gesamtschule angestellt an die ich abgeordnet bin, hätte ich schon gekündigt. Dann lieber wieder zurück in die Musikschule, sich selbstständig machen mit nem guten Konzept und dort über die Runden kommen, ganz ohne Stress. Ja, man hat weniger Geld. Aber Seelenfrieden ist auch ne tolle Sache ;-)