Musik oder Schulmusik?

  • Ersteller Klangbutter
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Physiker ist ein richtiger Beruf, damit arbeitet man in der Industrie oder in der Forschung.
Musiker oder Sportler sind wahrscheinlich durch andere Ursachen verhindert, als ein Physiker ?
Äh, wie viele Physiker kennst Du?
Mir fallen auf Anhieb sechs in meinem Bekanntenkreis ein, mehr als die Hälfte davon mit Doktortitel. Davon hat genau einer nach dem Studium in der Forschung gearbeitet, alle anderen sind in der IT gelandet und machen etwas im Bereich Softwarentwicklung, also das gleiche wie viele Informatiker, Ingenieure und Mathematiker, die ich kenne. Mit Physik haben die alle nichts mehr zu tun.
 
Mit Physik haben die alle nichts mehr zu tun.
Dann hat sich das Berufsbild verlagert -
das Einstiegsniveau wird aber ein anderes sein,
als wenn ein verhinderter Musiker oder Sportler auf diese Laufbahn einschwenken möchte.

Aber genug Physik,
wir kommen vom Thema ab...

wie viele Physiker kennst Du
Meinen Bruder zum Beispiel :
Studienrat für Physik und Musik ,
womit wir wieder in der Spur wären.
Direkt auf Lehramt studiert , seit Jahrzehnten beamtet , nebenbei noch Vertrauenslehrer , Kirchenmusiker und in der Politik.

Hat sich als Kind mit 4 Jahren selbst das Klavierspielen beigebracht,
da mit dem Gehör gesegntet. War leider immer eher faul und hat seine Begabung
nicht übermäßig durch das notwendige Üben ausgebaut .

Hat aber einen recht guten Musikgeschmack und kann diesen auch vermitteln .
Unterrichtet an einem großen Gymnasium in Norddeutschland , eigentlich seit Jahren ausschließlich Musik
und da zumindest alle Leistungskurse . Er hat wahrscheinlich seine Berufswahl nicht einen Tag bedauert ,
die Vergütung ist göttlich und er hat sich prima mit seiner eher entspannten Arbeitshaltung darauf eingerichtet.
Ich glaube nicht , daß dieses bei Berufseinsteigern in den Lehrbetrieb heute noch so geht.
 
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Es gibt auch Lehrer, die mehrere Methoden draufhaben.
Eine Methode für alle Schüler ist eigentlich schon einige Jahre überholt.
Und dass es verschiedene Lern- und Motivationstypen gibt, weiß jeder Lehrer heutzutage.
Schon, nur ist das nicht umsetzbar, wenn man keinen Einzelunterricht hat. Der Lehrer kann ja nicht jedes Thema 3x behandeln, mit unterschiedlichen Methoden.
Ich kann mich auch noch an Lehrer erinnern, deren Unterricht ich echt gehasst habe, aber fairer Weise muss man sagen, dass es keinen Lehrer gab, der von allen gehasst wurde. Manche Dinge wie Sympathie kann man ja auch gar nicht beeinflussen. Und als Schüler ist man auch nicht umbedingt immer in der Lage zu unterscheiden, ob man den Lehrer einfach umsypathisch findet oder er wirklichen schlechten Unterricht macht.
 
Das Titelthema der aktuellen Ausgabe der „DIE ZEIT“ vom 8.Februar 2024 ist „Höllenjob Lehrer?“ Meiner Meinung nach lesenswert und eine gute Ergänzung zu @Klangbutter‘s Videoclip, da ein besonderes Augenmerk auf den Seiteneinsteigern in den Lehrerjob liegt.
 
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Auch wenn mir das wahrscheinlich (bei der Headline) nicht gerade in die Karten spielt, würde mich der Artikel natürlich interessieren. Leider ist eine Paywall davor.
 
Das ist schade. :( Ich melde mich bei dir. LG
 
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finde ich auch sehr spannend.
Die Artikel in der ZEIT sind meistens gut.
Dass für guten Journalismus Geld verlangt wird, finde ich persönlich in Ordnung. Werde mir die Zeitung wahrscheinlich mal kaufen.
EDIT: ... und falls ich sie mir kaufe, natürlich hier berichten ;)
 
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Ich bin ausgebildete Realschullehrerin für Musik und unterrichte in diesem Schuljahr genau 0 Stunden Musik. Wir sind tatsächlich mit vielen Musiklehrkräften gesegnet, haben aber wenige Stunden Musik, da sich hier die Fächer Kunst, Musik, darstellendes Spiel und Spirt die begehrten Stunden teilen müssen! Liegt bei uns nicht am Lehrermangel, dass so wenig Musik unterrichtet wird.
 
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Ich bin Musiklehrer! Ich war an einer Musikschule und wurde vor 7 Jahren quasi abgeworben und bin bis heute an einer Grundschule tätig.
Das macht mir richtig viel Spaß und ist vielseitiger als an der Musikschule (was ich auch gerne gemacht habe).
Ich bin auch für die Events und Programme an der Schule verantwortlich. Mal habe ich als AG einen Chor, mal eine Musicalgruppe.
Mein Musikraum ist zudem super ausgestattet. Mit Klavier, Anlage und Mischpult, sehr viele Instrumente (Orff, Percussions, Boomwhackers). Gitarre und Keyboard habe ich noch mitgebracht.

Ich mache wechselnde Songs (moderne und alte Lieder) und mit der 6. Klasse mache ich jedes Jahr ein Hip-Hop-Projekt….nur als Beispiel.
Insgesamt bin ich ziemlich frei, habe allerdings auch einen Rahmenlehrplan.
Also auch die eher unbeliebten Sachen, wie Opern und Notenlehre gehören dazu.

Musikunterricht ist zum Teil Persönlichskeitsentwicklung. Es geht z.B. nicht unbedingt darum besonders schön zu singen, sondern sich zu trauen und mutig zu sein oder zu werden. Das gilt auch für Tänze und Bewegung. Dazu gehört dann natürlich Fingerspitzengefühl.
Musikunterricht soll Spaß machen und nicht dissen.
Natürlich kommt es auch vor, dass sich einzelne Schüler überhaupt nicht begeistern lassen. Damit muss man leben.
Credo ist aber (wie im Leben): Jede/r kann was!
 
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Dass ihr ein Ungleichgewicht in Richtung Musik habt, ist verständlich geworden. Aber wieso wird wenig Musik unterrichtet?
Weil sich in Klasse 5 und 6 z.B. pro Jahrgang 5 Wochenstunden auf die Fächer Kunst, Musik, Sport und darstellendes Spiel verteilen. Das bedeutet, dass die Klassen entweder Kunst oder Musik und Sport haben. Es gibt also in Klasse 5 Musik, in 6 Kunst, in 7 Kunst, in 8 kommen dann Technik und Textillehre dran (weder Kunst noch Musik) und in 9 und 10 wählen sie entweder Kunst oder Musik, beides geht nicht. Man könnte es also schaffen nur in Klasse 5 ein Jahr Musikunterricht zu haben. Natürlich geht bei Interesse an Musik deutlich mehr, wir haben auch ab Klasse 7 das Wahlfach Musik mit 4 Wochenstunden, der Kurs kommt aber nicht immer zustande, weil die anderen Angebote auch interessant sind und von 6 Angeboten höchstens 5 laufen können.
 
Dass ihr ein Ungleichgewicht in Richtung Musik habt, ist verständlich geworden. Aber wieso wird wenig Musik unterrichtet?
hatte ich ja schon mal weiter oben erwähnt, durch diese unsehlige Verquickung von verschiedenen Fächern/Fächerkombinationen, entstehen Freiräume, die der "Chef" nutzen kann zur Festlegung der Schwerpunkte.
Wenn der Chef ein unmusischer Sportler ist, läuft das anders, als wenn der Chef ein kulturell engagierten Mensch ist.

Alternativ kann man "Chef" auch durch "durchsetzungsfreudige Kollegen" ersetzen, die den Stundenplan in ihre Richtung ziehen - in der Regel sind das eher nicht die Musiklehrer...
 
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OK, aber @musicalfever4 schrieb, dass es viele Musiklehrer gibt. Dass die dann neben ihrem Zweitfach unbedingt etwas anderes machen und ihr eigentliches Fach unter den Tisch fällt ist schon etwas dumm.

@Urknall toll!!! Solche Statements bekomme ich auch meistens von meinen Absolventen.
 
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Nein, wir wollen nicht unbedingt etwas anderes machen, ich habe einfach keine Musikstunden bekommen dieses Jahr, obwohl ich das schon gerne gehabt hätte. Es sind so wenige Musikstunden zu verteilen, dass ich nichts abbekommen habe und andere Kolleginnen und Kollegen eine oder 2 Musikklassen haben.
 
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Ich meinte natürlich nicht Dich, sondern das Prinzip.
Kann man nichts machen ...
 
Es sind so wenige Musikstunden zu verteilen
Das ist eben das Problem ...
aber es sind auch zu wenig Sportstunden, zuwenig Kunststunden ... was machen wir da?
Mathe und Co sind doch auch wichtig ...
Mehr Wahlmöglichkeiten für die Schüler?
 
Mehr Musik -ganz einfach :biggrinB:
 
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Wenn der Chef ein unmusischer Sportler ist, läuft das anders, als wenn der Chef ein kulturell engagierten Mensch ist.

Alternativ kann man "Chef" auch durch "durchsetzungsfreudige Kollegen" ersetzen, die den Stundenplan in ihre Richtung ziehen - in der Regel sind das eher nicht die Musiklehrer...

Das ist schade! Meiner Schulleitung ist der Musikunterricht sehr wichtig. Es fällt nie eine Musikstunde einer anderen Stunde zum Opfer.

Bei meinen Kolleginnen undcKollegen ist das Fach allerdings nicht so beliebt. D.h. wenn ich ausfalle, fällt auch der Musikunterricht aus.
Hier im Land Brandenburg werden an vielen Schulen Musiklehrerinnen und Musiklehrer gesucht.
 
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OK, aber @musicalfever4 schrieb, dass es viele Musiklehrer gibt.
Ich glaube, dass das ein Einzelfall ist.
Natürlich gibt es Schulen, die mit Musiklehrern gesegnet sind, aber zumindest in NRW herrscht absoluter Mangel an Musiklehrern (ebenso Kunst und MINT).
Ich habe während meines Studiums schon Angebote bekommen an Schulen zu unterrichten und als ich mit meinem Referendariat fertig war und einen Job gesucht habe, habe ich (wie auch viele andere) teilweise absurde Sachen erlebt.
Mal als lustige Geschichten: Ich hab meine Bewerbung an einer Schule im Sekretariat abgegeben (ja, man kann die per Post schicken, aber so kann man sich mal einen Eindruck von der Schule machen) und die Sekretärin hat, nachdem sie erfahren hat, dass ich mich auf die Musikstelle bewerbe, ohne Witz die Schulleiterin aus einer Konferenz rausgeholt (!), die mir dann mit allen Mitteln versuchte die Stelle schmackhaft zu machen, mit so Worten wie "Sie können hier alles machen was sie wollen, ich rechne AGs auf ihre normalen Stunden an, wenn sie irgendwas an Ausstattung brauchen, kaufen wir das sofort"... etc..
Auf die Stelle, die ich haben wollte, war ich der einzige Bewerber (mitten im Ruhrgebiet). (Mal so im Vergleich, auf interessante Stellen mit Deutsch/Geschichte gibt es problemlos mehrere hundert Bewerber, aber das sind eine Handvoll allerwelts-Fachkombinationen, bei denen das so ist. Und selbst die würden quasi allesamt eine Stelle an einer Gesamtschule bekommen. Will halt keiner.)
Eine Musik-Referendarin, die nach mir ihr Ref absolviert hat, hat sich ins Listenverfahren eingetragen und wurde dann von einem halben Dutzend Schulleiter angerufen, dass sie sich doch bitte an deren Schule bewerben soll.
JEDER der hier in NRW sein Ref in Musik absolviert bekommt sofort eine Stelle. Man kann sich aussuchen, wo man hin möchte. Grund- und Gesamtschulen sowieso und bei vielen Gymnasien auch.
Viele Schulen schreiben die Musikstellen schon gar nicht mehr aus, weil sich niemand bewirbt.
Ich bin aktuell an einem Gymnasium angestellt, aber zur Hälfte an eine Gesamtschule in der Nähe abgeordnet. Dort gab es gar keine Musiklehrkraft. Die schreiben seit über 5 Jahren Musik als Stelle aus und hatten noch nie eine Bewerbung. (liegt nicht zwangsläufig an der Schule, das ist nichtmal ein Brennpunkt)
Die Zahlen an Leuten, die ihr Referendariat in Musik zur Zeit in NRW absolvieren sind minimal: Kleve, aktuell 6 Leute, Oberhausen, aktuell 3, Essen auch nur ne Handvoll (gut, da will auch keiner hin, aus Gründen ;-) ..), Aachen ebenso.
Und das sind die Leute, die in den nächsten 1,5 Jahren fertig werden. Ich wäre erstaunt, wenn das über 100 sind. In ganz NRW.

Studienanfänger gibt es auch nur wenige: Die Volkwang in Essen, eine der größten Musikuniversitäten im Ruhrgebiet hat letztes Jahr quasi alle Bewerber für Musik Lehramt aufgenommen, weil es so wenige waren. Die haben nur die totalen Nulpen aussortiert, Plätze waren genug.
Ein Grund dafür, dass es relativ viele Leute gibt, die im Quereinstieg rüberkommen, ist, dass überhaupt erst einmal die Möglichkeit geschaffen wurde, wegen dem Lehrermangel.
Gäbe es genügend vollausgebildete Musiklehrkräfte, die Studium und Ref durchlaufen haben, bräuchte man keine Quereinsteiger. Das ist ja der normale Weg. Aber da gibt es eben nicht genügend Lehrkräfte, also woher nehmen?
Nun wird teilweise aktiv versucht Lehrer zu finden, die wenigstens eine minimale Qualifikation in Form von Instrumentalspiel haben und die irgendwie nachzuqualifizieren, was die pädagogische Seite angeht.

Was hier im Thema teilweise schon mitschwang: Die Realität kann von Schule zu Schule komplett anders aussehen.
Die Dame im Video hat da in ihrer kleinen zweizügigen Schule auf dem Lande eine eher behagliche Situation. Da kennt man dann schnell alle Schüler und auch fix deren Eltern, wenn es Probleme geben sollte, die Organisation ist klein und schnell. Das Kollegium hat vmtl 30-40 Leute, so dass man da auch schnell alle kennt, die Wege sind kurz etc.
Das sieht woanders anders aus: Meine Realität: ich bin an zwei Schulen mit insgesamt über 250 Kollegen, von denen ich vermutlich die Hälfte überhaupt nicht kenne, weil sie an anderen Standorten arbeiten.
Ich habe in diesem Halbjahr über 400 Schüler (es waren auch schonmal 480), deren Namen ich mir merken muss. Alles halbe Jahr werden 200 davon ausgetauscht und ich bekomme 200 neue.
Eine meiner Schulen bietet Musik im Abitur an, d.h. ich habe da meine festen Themen, die ich unterrichten muss und ich kann euch sagen, dass weder ich, noch die Kids es sonderlich spannend fanden sich mit mehreren Opern zum Thema Orpheus und Eurydike auf wissenschaftlichem Niveau auseinanderzusetzen. Zum Glück war das ein super Kurs, und alle haben mitgezogen, aber die Themenauswahl, die der Lehrplan vorgibt orientiert sich halt nicht an deinem Musikgeschmack oder am Musikgeschmack der Kinder.
Wenn man das halbwegs unterhaltsam gestalten will, steckt da eine Menge an Arbeit drin um so Themenblöcke wie "Kontrast und Entwicklung als Prinzip - Ein Medienprodukt über den ersten Satz einer Sinfonie der Wiener Klassik" oder "Auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten - Musik und Malerei zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Wien" an die Schüler zu bringen, die (zum Teil) in ihrer Realität Deutschrap hören, alles mit Beleidigungen besonders cool finden und Musik ohne fetten Beat eigentlich sofort wegschalten wollen. Romantik ist auch ein großer Brenner. Also musikalisch ;-)
Natürlich kann ich es mir total einfach machen und irgendwelchen Kram aus irgendwelchen Büchern kopieren und schwupp hab ich in 10 Minuten meine Unterrichtsvorbereitung fertig, aber das ist irgendwie nicht mein Anspruch.
Die Realität sieht aber in vielen Fällen so aus. (weiß ich aus Praktika, meinem eigenen Ref, durch Kollegen, ehemalige Studienkollegen und lustige WhatsApp-Gruppen in denen Material getauscht wird, wo ich mich oftmals frage, ob die Leute kein eigenes Gehirn besitzen oder ob es wirklich so schwierig ist "Mozart Unterrichtsmaterial 5. Klasse" bei Google einzugeben und sich ein Dutzend der tausenden Arbeitsblätter rauszusuchen und daraus eine Reihe zu stricken.)

Weiter oben im Thema wurde die Angst vor problematischen Schülern angesprochen: Jep. Was machst du, wenn ein Schüler anfängt mitten im Unterricht vor der ganzen Klasse seine Arbeitsblätter zu zerreißen und aufzuessen. Konsequenzen.. natürlich.. aber nun ist der junge Mann nachgewiesen ein ESE-Schüler, also jemand, der eine emotional-soziale Störung hat und für den das völlig normal ist, sich gelegentlich seltsam zu verhalten. Der aber clever genug ist das auch zu wissen und das schamlos ausnutzt, weil man ja quasi keine Konsequenzen verhängen kann, denn dann hat man die Eltern vor der Tür, die sich dann beschweren, wieso das arme Kind, das ja eine nachgewiesene Störung hat so unfair behandelt wird.
Und bei über 400 Schülern hab ich nicht nur einen davon ;-)

Dazu kommen dann noch unzählige Konferenzen, Dienstbesprechungen, Elterngespräche, Emails, Feiern und und und.
Ich habe im Januar zusätzlich zu meiner regulären Unterrichtszeit (in NRW sind das 25,5h pro Woche) mehr als 30 Stunden in der Schule zugebracht für obengenannte Dinge. Diese Stunden tauchen nirgendwo auf und werden auch nicht bezahlt. Vorbereitungszeit hatte ich übrigens auch.

Das klingt jetzt vielleicht alles etwas negativ: Ist es aber nicht. Das ist die Realität (zumindest eine davon), die für viele Lehrer der Normalfall ist. Und als Musiklehrer hat man es da noch gut: Wenige Korrekturen (wenn überhaupt), die Schulleitung ist einem meist wohlgesonnen, weil man viel für die Außenwirkung der Schule tut, wenn man Konzerte, Musicals etc mit den Kids macht und wie im Video durchaus richtig erzählt: Viele Kids sind total dankbar, leben im Musikunterricht auf und man hat immer wieder Erlebnisse wo man sich wirklich freut, wenn man sieht, wie kreativ unsere Kids so sein können.
Aber Musik ist auch eines der - wenn nicht sogar DAS - vorbereitungsintensivste Fach. Der Lehrplan gibt nur eine grobe Orientierung vor, die Ausgestaltung ist eine ganz andere Geschichte. Wenn man da einen roten Faden durch die Unterrichtsreihe haben möchte (haben die meisten Lehrer nicht..), abwechslungsreich unterrichten möchte, was Methodik, Arbeitsform, Medieneinsatz etc angeht (machen die meisten Lehrer nicht..), dann hat man da sehr viel zu tun.
Letztes Jahr hab ich mit den Kids ein größeres Projekt gemacht und die Vorbereitung in der ich über Ideen nachgedacht habe, über Auswertung, über Vermeidung von Langeweile etc hat über drei Monate gedauert und insgesamt bestimmt 25-30 Stunden in Anspruch genommen. Sowas können die Kollegen in den Hauptfächern gar nicht leisten, weil die die Zeit in Korrekturen stecken müssen.
Es ist absolut nicht unüblich als Lehrer mehr als 50h in der Woche zu arbeiten, wenn man mal alles zusammenzählt, was man noch so nebenher tut. (und natürlich gibt es auch hier Ausnahmen)

Als ich in der Musikschule gearbeitet habe, war das deutlich entspannter. Unterrichtsvorbereitung war ein Klacks: Da sucht man mal ein neues Stück heraus oder Übungen, aber meist hat man die schnell irgendwo parat liegen, weil man sie immer wieder braucht und dann ist der Schüler für die nächsten 3-4 Wochen versorgt. Elterngespräche sind eigentlich immer angenehm (im schlimmsten Fall sowas wie "ihr Kind muss mehr Üben".. und die Organisation ist minimal bis nicht vorhanden. Vielleicht mal alle halbe Jahr ein Musikschulkonzert.

Schule ist deutlich (!) mehr Stress und es wird in Zukunft eher mehr werden, als weniger. Der Lehrermangel macht sich im Vergleich zu vor 5 Jahren schon deutlich mehr bemerkbar. Viele Kolleginnen und Kollegen sind häufiger krank, es muss mehr vertreten werden, teilweise muss fachfremd unterrichtet werden (die Schulleitungen sind angehalten die Stundentafel einzuhalten, wenn irgend möglich. Deswegen kann es z.B. sein, dass Kollegen die Musik und Bio haben nur noch in Bio eingesetzt sind, weil Musik durch Kunst ersetzt werden kann (künstlerische Fächer - Kombination), aber Bio eben nicht.) und viele Schulen arbeiten unterhalb ihrer normalen Kapazitätsgrenze.
An der Gesamtschule an der ich arbeite sind wir mit knapp über 80% besetzt. Sprich: Wenn alle Leute gesund und anwesend sind, findet 80% des regulären Unterrichts statt (ich glaube es gibt 5% Überbesetzung, also lass es 85% sein). Das bedeutet 15-20% des Unterrichts, der eigentlich stattfinden sollte ist gekürzt. Bei mir zum Beispiel Musik: Es gibt Musikunterricht nur jeweils ein Halbjahr in der 5. bis zur 7. Klasse. Danach nicht mehr. Ich bin der einzige ausgebildete Musiklehrer, abgesehen vom Schulleiter, der aber logischerweise nicht viel unterrichten kann. Er macht die 7er, ich mache einen Großteil der 5er und 6er, den Rest machen zwei Kolleginnen fachfremd. Der Rest des Musikunterrichts ist gekürzt.
Und wir wissen jetzt schon, dass es schlechter wird, denn wir wissen ja, wie viele Kinder in der Grundschule sind und wie viele Lehrer in Rente gehen und wie viele neu anfangen. Das ist ja kein Rätselraten, sondern die Zahlen sind ja da. Das Land NRW begegnet dem Ganzen jetzt so, dass Lehrer, die vorher nur in Teilzeit gearbeitet haben und dafür keinen triftigen Grund wie Kinder oder pflegedürftige Angehörige haben, dazu gezwungen werden in Vollzeit zu arbeiten. (Stress, Überarbeitung, ein Leben neben dem Job haben wollen oder einfach mal Work-Life-Balance etwas mehr Richtung Life verschieben und dafür auf Geld verzichten zählen nicht als Gründe (man könnte ja mal Burnout und Lehrer googlen..))
Und ja, ich schreibe hier wirklich "zwingen". Man muss einen Antrag stellen. Sämtliche Anträge auf bedingungslose Teilzeit wurden für das kommende Halbjahr abgelehnt. In ganz NRW. Als Beamter bist du verpflichtet Vollzeit zu arbeiten, auch wenn du aus persönlichen Gründen die letzten 30 Jahre nur Teilzeit gemacht hast. Pech halt. (man munkelt es gab vereinzelt erfolgreiche Klagen dagegen, ich kenne aber niemanden persönlich)
Kann sich jetzt jeder ausmalen, wie das die Attraktivität des Lehrberufs steigert.

Im Video wurde gesagt, dass man für das Musikerleben brennen muss und idealistisch sein muss um seinen Traum durchzuziehen und Musiker zu werden.
Ich glaube, dass das für Lehrer mindestens, wenn nicht sogar noch mehr gilt. Ich kenne niemanden, der Lehrer ist, weil das so ein entspannter, cooler Job ist, in dem man viel Wertschätzung erfährt, man sich irgendwie noch selbst verwirklichen kann und am Ende das Publikum klatscht.
Man muss für die Arbeit mit Kids brennen und für sein Fach und dann bereit sein viel dumme Organisation und Umstände in Kauf zu nehmen, die das System nach einem wirft.
Ich mach es trotzdem gerne ;-) (sehe mich aber auch selbst mehr als Lehrer, als als Musiker)
 
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Vielen Dank für diese wertvollen Einblicke. Allein die Textmenge ist der Wahnsinn.

Dass man brennen muss, um diese Aufgaben gut zu machen ist vollkommen klar. Der Unterschied ist aber trotzdem, dass man als Lehrer gesucht und anständig bezahlt wird, während auf Dich als Musiker keiner wartet und vergleichsweise schlecht oder am liebsten überhaupt nicht gezahlt wird. Die Schere geht in beide Richtungen auseinander.
Das kann man doch so sagen oder?

Eine Verbesserung der Situation für Schullehrer brächte meiner Meinung nach eine Erhöhung der Anzahl. Deshalb sehe ich die Wahl eines solchen Studiums als gesellschaftlich relevant und wichtig an, während ein Musikstudium irgendwie als perspektivloser Luxus erscheint.

Das ist der Kern der Aussage und es soll ohne Diskreditierung nicht nur für lebenserfahrene Menschen, sondern auch für Jugendliche verständlich und eindringlich sein.

Ich hätte Dich auch gern dabei gehabt, in der nächsten Folge wird aber schon eine ehemalige Studentin berichten.

Danke nochmal! Ich finde es klasse, wie Du trotz widriger Umstände positiv bleibst. 🤗
 
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