Ja genau, das war die Zeit wo musikalisch am meisten experimentiert wurde und das Publikum es auch gerne annahm.
Synthies, Drumcomputer, Gitarreneffekte, Samples...alles war neu und wurde ausgiebig eingesetzt.
Gerade der elektronische Bereich explodierte in den 80ern ja regelrecht.
Alles wurde besser, einfacher und auch schnell billiger.
1.: Drummachines
Stand Neujahr 1980 sah es mit Drummachines noch nicht so prickelnd aus. Die meisten waren Rhythmusgeräte für Alleinunterhalter und daher nicht programmierbar. Die Rhythmen waren für sich genommen für moderne Popmusik annähernd unbenutzbar. Noch dazu klangen die meisten nicht besonders gut. Wer richtig schwere Kohle hatte, hatte sie in eine Roland CR-78 versenkt, die programmierbar war, wenngleich auch nicht sonderlich einfach. CR-68 und CR-78 klangen auch nicht ganz so scheiße wie die anderen Maschinen.
Damals hatte aber auch das, was sich schon Synthpop schimpfte, immer noch einen echten Drummer mit einer echten akustischen Schießbude, die auch mal parallel zu einem Analogklopfgeist gespielt wurde. E-Drums und damit einen vollelektronischen Sound hatten eigentlich nur Kraftwerk, weil die sich ihre E-Drums selber gestrickt hatten, und inzwischen wurden auch die von einem Sequencer angesteuert.
1980 dann der Quantensprung: Roger Linn brachte die LM-1 raus. Mit Samples! Die erste Drummachine, die wirklich wie ein Schlagzeug klang! Okay, das Teilchen kostete nur knapp weniger als 6000 Dollallallalla, folglich wurden nur etwas mehr als 500 verkauft. Aber die Lawine rollte. Ein Jahr später lancierte Tom Oberheim die DMX, die nur gut die Hälfte kostete, fetter klang und gerade im gerade erst erstarkenden Hip Hop mit Begeisterung angenommen wurde. Da fand auch die nochmals viel billigere, weil vollanaloge Roland TR-808 ihr erstes Zuhause. Die klang überhaupt nicht wie eine echte Schießbude, aber nochmals fetter, und jeder zweite hat darauf Kraftwerk-Beats nachgebaut.
Bis Mitte der 80er waren etliche samplebasierte Drummies rausgekommen, so daß Roger Linn nur noch die Flucht nach vorne antreten konnte mit seinem MIDI-bestückten, featurestrotzenden Alleskönner Linn 9000, der nicht einfach nur eine programmierbare Drummachine sein wollte, sondern eine Studioschaltzentrale. Und wer wollte, bekam sogar Sample-RAM, um nicht mehr Roger Linn um Custom-ROMs anbetteln zu müssen. Danach kamen eigentlich so ziemlich nur noch japanische Drummachines, vor allem von Yamaha, derweil die meisten "ernsthafteren" Musiker auf Sampler umschwenkten.
2.: Polysynths und ihre digitalen Mörder
1981 startete das große Polysynth-Wettrüsten. Bis dahin gab es nicht viel, eigentlich nur den gigantischen Yamaha CS-80, den himmelschreiend tuning-instabilen Oberheim OB-X und den etwas zu fragilen Sequential Circuits Prophet-5. Oberheim Four Voice und Eight Voice und Yamaha GX-1 laß ich mal nicht gelten, den Roland Jupiter-4 vielleicht.
Aber dann ging's los mit den Dickschiffen. Roland Jupiter-8, Oberheim OB-Xa, Elka Synthex (stand eine Alleinunterhalterorgel-Marke drauf, steckten aber fortschrittliche DCOs drin), Yamaha CS-70m, Rhodes Chroma, Memorymoog und so weiter. Wahnsinnsinstrumente zu Wahnsinnspreisen.
Korg spielte da nicht mit. Daß sie Über-Polysynths konnten, hatten sie schon mit der PS-Reihe bewiesen, die bis heute alle Rekorde im analogen Bereich hält. Gleichzeitig halfen sie mit spottbilligen Kisten (von Preset-Synths bis hin zu den MS-Synths alias ARP 2600 für Arme) mit, die elektronische Musik zu demokratisieren. 1981 machten sie damit weiter und legten mal eben den Polysix vor. Der hatte zwar nicht die Features der Schlachtschiffe und pro Stimme nur einen Oszillator (zum Anfetten gab es den berühmten Ensemble-Effekt), spielte aber in einer Preisklasse, die sich auch z. B. Aufsteiger vom Multikeyboard oder ambitionierte Einsteiger leisten konnten. Roland konnte gar nicht anders, als mit den Junos zu reagieren. Die Demokratisierung der elektronischen Musik hatte den Polysynth erfaßt.
Okay, die Sache hatte einen Nebeneffekt. Bis auf den Juno-6 hatten die Kisten alle Presets, auch wenn die bei den meisten Maschinen überschreibbar waren. Und die Presets waren durchaus brauchbar. Damit ging die Soundschrauberei dramatisch zurück, weil man ja nicht mehr schrauben mußte.
Ende 1983 war dann der Anfang vom Ende der ganzen Herrlichkeit: Yamaha brachte den volldigitalen DX7. Volldigital hieß nicht nur fortschrittlicher als alle anderen Synths auf dem Markt (aber auch unfähig, deren Sounds zu imitieren), sondern irre viel bang for the buck. 16 Stimmen, 32 interne Speicherplätze + nochmal 32 auf Cartridge, MIDI, absolut stimmstabil und ein Sound, wie man ihn so fast noch nie gehört hatte (außer man hatte mal einen GS-1 oder GS-2 unter den Händen und häufig selbst dann nicht). Zugegeben, die fast reglerlose Folientaster-Oberfläche à la Moog Source oder Rhodes Chroma lud nicht zum Schrauben ein, aber der DX7 wurde am ehesten für seine Presets berühmt. Woher die Millionen (!) User-Patches für das Ding kommen, konnte bis heute keiner schlüssig erklären.
Was machte die Konkurrenz? Roland hatte nichts Digitales auf der Hand und machte analog weiter, und zwar mit einer ziemlichen Bandbreite von den billigen Alpha Junos (Flächen! Hoover!) bis zum zwölfstimmigen JX-10. Korg kaufte einerseits Yamaha-Chips und baute andererseits Hybridsynths wie den DW-8000 mit digitalen Tongeneratoren, aber Analogfiltern. Oberheim und Sequential Circuits waren die letzten Amis am Start. Während Sequential alles machte, was irgendwie technisch möglich war, von nochmals beachtlichen Analogsynths über Vektorsynthese bis zu Samplern, ließ Oberheim es als Trotzreaktion im analogen Sektor noch einmal richtig krachen mit fast schon virtuell-modularen Geräten von der Rackmount-Presetschleuder Matrix-1000 bis zum zwölfstimmigen Ungeheuer Matrix-12.
Der DX7 und seine Kollegen haben den Analogsynth nicht gekillt. Das hat 1987 der Roland D-50 gemacht. Das war nämlich der erste digitale Synthesizer mit annehmbaren, resonanzfähigen Digitalfiltern, quasi der allererste virtuell-analoge Synthesizer. Und dann kamen noch Attack-Sampleschnipsel für noch originalgetreuere Natursounds dazu.
Aber ab 1988 war subtraktiv insgesamt out, und in war alles, was Samples abspielte. Zum einen kam mit der Korg M1 die offiziell erste Workstation überhaupt raus. Fünf Mille für ein Keyboard mit quasi komplettem Studio drin. Zum anderen war E-mu mal wieder zur richtigen Zeit am richtigen Ort und brachte mit dem Proteus einen 1HE-Rackexpander, der mit der M1 gleich wieder den Boden aufwischte. Da ging dann das Pimmelfechten mit ROM-Größe los, und sogar der D-50 war wieder veraltet.
3.: Überhaupt Sampling und die großen Musikcomputer
Es deutete sich ja schon an: 1979 kam das erste Fairlight CMI raus. Interessant wurde die Kiste mit dem Lichtgriffel-"Touchscreen" aber erst in Form des CMI II, das Sampling gelernt hatte. Leute wie Peter Gabriel, Jean-Michel Jarre und Kate Bush freuten sich Löcher in die Bäuche, auch wenn der Preis locker ins Sechsstellige ging.
Um die gleiche Zeit herum brachte New England Digital das Synclavier raus, das in annehmbarer Ausbaustufe auch nicht viel billiger war. Während das Fairlight aber in Stagnation überging, wuchs das Synclavier, das übrigens tatsächlich military-grade war und vom US-Militär für nichtmusikalische Zwecke verwendet wurde, zu einem Monster heran, auf dem Trevor Horn mal eben ganze Alben produzierte. Beim Sampling wurden gerade mono Frequenzen möglich, als näherte man sich der Nydqvist-Frequenz von Fledermäusen an. Und das VPK mit seiner Holztastatur mit polyphonem Aftertouch und seinen roten Tastern aus dem B-52-Bomber war eins der geilsten je gebauten Controller-Keyboards. (Wieso hat das nie einer geklont?)
Derweil war das Fairlight sein Geld schnell nicht mehr wert. 1981 tat Dave Rossums ehemalige Modularschmiede E-mu den vernünftigen Schritt und fing mit Samplern an. Mit 10.000 Dollars war der Emulator fast schon ein Volkssampler. Der 1983er Emulator II
war ein Volkssampler, kostete nur noch acht Riesen und war nicht nur besser als ein Fairlight, sondern es wurden sogar populäre Fairlight-Presets auf dem Emulator II abgesamplet, so daß man selbst für die Sounds kein Fairlight mehr brauchte. 1984 kam der Ensoniq Mirage. Das war jetzt aber wirklich der Volkssampler. Für vier große Zettel bekam man einen Sampler, der noch besser war als der Emulator II. Hurra für den rapiden Preisverfall bei digitalen Komponenten, vor allem RAM-Chips.
Wie gesagt, '84 baute Roger Linn in die Linn 9000 auf Kundenwunsch auch ein bißchen Sample-RAM ein nebst Aufzeichnungs- und Bearbeitungsfunktionen. Danach machte er seinen Laden dicht und ging zu Akai, die gerade ihrerseits mit Sampling anfingen. In der Zwischenzeit legte der ehemalige Erzrivale E-mu nach: Erst kam die SP-12, die neben ROM-Samples auch ein bißchen RAM hatte, im Gegensatz zur Linn 9000 nur eine Drummachine und keine eierlegende Wollmilchsau war, aber auch weniger kostete. Die Hip-Hop-Szene freute sich.
Dann kam die SP-1200, die den eigentlich überflüssigen Sample-ROM gleich wegließ. Die Hip-Hop-Szene freute sich jetzt erst recht, samplete ganze Takte von alten Funk-LPs ab, die sie auf 45/min abspielten, pitchten das dann in der SP-1200 wieder auf Normaltempo runter und bekamen glasige Augen vom daraus resultierenden räudigen LoFi-Sound. Geslicet wurde da nix, der ganze Takt wurde tutto kompletto geloopt. Der Breakbeat war erfunden. Und die SP-1200 wurde bis ins 21. Jahrhundert immer wieder neu aufgelegt, bis gewisse Teile nicht mehr verfügbar waren.
Um diesen Punkt abzuschließen: Ende der 80er legte dann Akai richtig los. 1988, ein Jahr nach der SP-1200, kam das von Roger Linn entwickelte erste MPC raus, das MPC60. Im Prinzip war das das Konzept der Linn 9000 weitergedacht, ohne Sample-ROM und mit besserer Bedienung. Das war aber noch ein 12-Bit-Sampler.
Im selben Jahr kam aber auch die Mutter aller Sampler, der Goldstandard in Klinikbeige™, der S1000. Der konnte schon 16 Bit/44,1 kHz, also CD-Qualität, und war aufrüstbar bis zum Gehtnichtmehr. SCSI-Laufwerke, 32 MB RAM, Einzelausgänge und hastenichgesehn. Dabei hatte die Rackkiste ein so unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis, daß so manch ein Producer ganze Rackschränke mit S1000 füllte und die in Verbindung mit einem MIDI-Sequencer als "DAW in Hardware" verwendete. Das Ganze hatte eine bessere Qualität als analoge Tonbänder, war aber viel billiger als jedes digitale Recording-System. Weniger professionelle Anwender freuten sich über die schnell zahlreicher werdenden Sample-Bibliotheken; für die gab's den billigeren S1000PB, der nicht selber samplen konnte, aber das brauchte die Zielgruppe ja nicht. Und für die, die sowas brauchten, gab es den S1000KB als ausuferndes 61-Tasten-Keyboard mit einer kaum kleineren Grundfläche als ein Yamaha CS-80.
Martman