Warum denken wir eher in Dur?

- Musik besteht aus Folgen von Klängen und Geräuschen, ggf. nicht voneinander abzugrenzen, letztendlich einfach Schallwellen.
- Musik kann durch verschiedenste Prozesse entstehen - dabei können auch bei sehr verschiedenen Prozessen ähnliche Ergebnisse entstehen.
- Das Hören von Musik wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst... es geht dabei um Rezeption, subjektiven Geschmack, Wirkung.
- Die Konditionierung des Hörers spielt eine Rolle.
- Beim Hören von Musik spielt es jedoch keine Rolle, wie die Musik entstanden ist.


Ich denke lieber erstmal, wenn es um derartige Grundsatz-Diskussionen wie hier geht, naturwissenschaftlich. (In diesem Sinne werden Töne auch als Klänge bezeichnet. Ganz genau genommen kann man es auch so sehen, dass reine Töne durchaus in Musik enthalten sind, aber derart kontrollierte Bedingungen, unter denen ein Ton wirklich ein reiner Ton ist, als solcher zu erkennen oder zu messen, sind selten oder besser gesagt nur annähernd zu erreichen.)

Ich möchte das hier zunächst nicht weiter ausführen, ich denke diese knappe Auflistung hier besagt alles. Es interessiert an dieser Stelle nicht, was ein Hindemith, der ja eine ganz eigene Musik-Theorie hatte, mal sagte. Es interressiert an dieser Stelle auch nicht, welch polemische Aussage ein Lachenmann mal von sich gab. Es interessiert vielmehr, was man tatsächlich hören kann, wenn die Musik erklingt. Ich führe an dieser Stelle noch ein Beispiel an. Die Funeral Music for Strings von Witold Lutosławski, eine Trauermusik für Béla Bartók. Diese Komposition basiert auf einer Zwölftonreihe. Ich denke es kann niemand ernsthaft behaupten, dass in diesem Werk kein Gefühl zum Ausdruck gebracht wird.
 
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"Psychologische Experimente haben gezeigt, dass nur sehr erfahrene Fans dieses Musikgenres, die sich jahrelang damit beschäftigt haben, dazu in der Lage sind. Das Kurzzeitgedächtnis der meisten Menschen ist schlicht überfordert.", s.o.

Ich kenne die anordnung dieser versuche nicht, vermute aber, dass man selbst für die "fans" reihen schlicht hat ablaufen lassen, während sie in der praxis der komposition durch alle stimmen und instrumente wandern, etwa ton 1 in der piccoloflöte, ton 2 in der basstuba, ton 3 in der solo-viola. Eine partitur von Webern gleicht einem mosaik, das nicht nur gut aussieht, sondern auch gut klingt, nix Orientierungslosigkeit, Schmerz, Verzweiflung, Tod. . Man denkt an Hesses "Glasperlenspiel".
Warum beschränkten sich die erfinder Hauer u.Co. auf 12 töne? Die sind in der musikalischen praxis jedem musiker geläufig und lassen sich in traditioneller notenschrift darstellen, es war genug des neuen! Ob man sich mit dem asketischen verbot jeder wiederholung einen gefallen tat, bezweifele ich, das erschwert jedes wiedererkennen, das beim hörerlebnis eine wichtige rolle spielt.

Dodekaphonie ist wie die fuge ein regelwerk, mit dem jeder gelehrte esel stücke von einiger länge machen kann, er muss die regeln kennen und befolgen, aber unter hand eines meisters wird daraus musik. Und nach gewisser zeit ist das verfahren ausgereizt.

Weder "Das musikalische opfer" noch "Die kunst der fuge" sind "zugstücke", ich habe dabei oft langeweile auf den gesichtern der hörer gesehen, denn auch da fällt es verständlicherweise schwer, den strukturen bei sprödem klang zu folgen, die liste ließe sich verlängern. Nur wird sich niemand die blöße geben, gegen Bach oder op.130 zu felde zu ziehen.
Hugo Wolf (siehe "Österreich-Lexikon") äußerte sich noch im Jahre 1884: "Die große Fuge ist mir ein unverständliches Tonstück."

Ich bekenne mich unverhohlen zum banausentum: Beethovens op. 106 habe ich nie hintereinander weg gespielt, den dimensionen und verästelungen, um nicht zu sagen, dem "gestrüpp" der schlussfuge war ich nicht gewachsen.
 
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@klaus111

Wie Musik in "erster Linie gehört wird" ist wohl von Hörer zu Hörer unterschiedlich. Ein rein emotionelles Hören kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Musik löst bei mir aber natürlich Gefühle aus (ob sie nun tonal, atonal, zwölftönig, aleatorisch usw. usf.) ist, und natürlich ist immer auch der Verstand dabei. Und das Verfolgen von Motiven kann auch Spaß machen, wenn man z.B. in Beethovens 5. das Anfangsmotiv in den folgenden Takten wiedererkennt, oder in Schönbergs op. 31 das Thema (=die "Reihe").

Du schreibst: "Wir erkennen die Strukturen, ohne daß uns diese verstandesmäßig unbedingt bewußt sein müssen."
Aber Du hast nicht verstanden, das Du das nur kannst, weil Du diese Strukturen schon kennst. Du hast sie tausendmal gehört und verinnerlicht. Deswegen musst Du Verstandesmässig nicht mehr dabei sein.

Aber wenn man etwas hört, das andere Strukturen hat, dann muss man das auch erst wieder "lernen".

Ich glaube aber nicht, dass das heraushören von "Krebs" usw. dazu gehört, ich persönlich achte da auch nicht drauf und geniesse diese Musik trotzdem sehr. Man höre mal das op. 133 von Beethoven. Da ist es auch nicht möglich, alles einfach so zu verstehen. Trotzdem klingt es grossartig, genauso wie erwähntes op. 31 von Schönberg.

Eine Kompositionstechnik ist einfach nur eine Technik. Sie sagt über den emotionellen Inhalt einer Musik nichts aus.
 
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Und nun zu dem Beispiel Bergs und den Tonanagrammen. Berg hat diese Anagramme in seinem Kammerkonzert verwendet (nicht in der Lyrischen Suite). Ich glaube, das ist ein gutes Beispiel. Man kann nämlich diese Musik als verschiedene Ebenen verstehen, und ich löse mal drei heraus.

1. Tonanagramme wie Anton Webern = AEBE als Material usw., was Du dazu schriebst.

2. Wie mit diesem Material verfahren wird bei der Exposition. Es ist nämlich so, das die Töne so verwendet werden, das sich auch "musikalisch" ein Portrait der Personen ergibt.
Zum Beispiel werden die Töne Bergs ABA BEG von dem Instrument der Romantiker, dem Horn gespielt, und zwar auch mit unmissverständlich romantischem Adagio-Ton - und Berg war ja der "unverbesserliche Romantiker"!
Darauf folgen die Töne Weberns, A EBE, sehr kurz, staccato von der Geige gespielt (und Webern schrieb ja sehr kurze stücke, und man wird auch an seine Musik gleich erinnert)!

3. Wenn man nun obige Ebenen nicht kennt, hat man immer noch drei unterschiedliche Themen, wie die kontrastierenden Themen eines Sonatensatzes.

Bei Schumann ist es ja auch nicht wichtig, ob man weiss, das im "Carnaval", die Stadt ASCH als Anagramm auftaucht (einmal als A eS C H und einmal als As C H). Wenigstens wird man bei Schumanns ABEGG-Variationen mit dem Titel darauf gebracht.

Und bei einem Sonatenhauptsatz weiss man ebenfalls nicht, warum nun das eine Thema vielleicht hart und kantig klingt, und das zweite weich und lyrisch. Vielleicht ist dem Komponisten das Brot mit der Marmeladenseite auf den Boden gefallen, und dann hat er das erste Thema geschrieben? Oder er folgte einer Konvention?

Und wo wir nun schon den Sonatensatz erwähnten, spanne ich den Bogen zu meinem vorigen Post:


Mögen viele nicht hören, welche Reihenform wo und wie verkomponiert wurde, so hören viele auch nicht, wo das 1. und das 2. Thema anfängt und wie sie in der Durchführung verarbeitet werden. Da könnte man ja auch sagen, man könne das fortlassen, da man es nicht hört. Aber dann bleibt leider nichts mehr übrig. Vielleicht eine einstimmige Melodie, die man wiederholen könnte.
 
Im übrigen: Das Zitat Schönbergs im Post #92 wurde hier grundsätzlich missverstanden. Er sprach nicht davon, irgendwelche Reihenformen herauszuhören, sondern vielmehr, den musikalischen/emotionellen/... Inhalt (den Ausdruck!) zu verstehen.

Was Schönberg selbst davon hielt, irgendwelche Reihen herauszu-hören oder -finden, hat er selbst in einem Brief an Rudolf Kolisch gesagt:

Arnold Schönberg schrieb:
Die Reihe meines Streichquartetts hast du richtig herausgefunden. Das muß eine sehr große Mühe gewesen sein und ich glaube nicht, daß ich die Geduld dazu aufbrächte. Glaubst du denn, daß man einen Nutzen davon hat, wenn man das weiß? Ich kann es mir nicht recht vorstellen.
 
Klaus, ich glaube du verstehst nicht, oder willst nicht verstehen, was ich hier eigentlich sage.
Ich denke lieber erstmal, wenn es um derartige Grundsatz-Diskussionen wie hier geht, naturwissenschaftlich.

Das Problem bei dieser Sichtweise ist, daß das Wesen von Musik nicht rein naturwissenschaftlich begriffen werden kann. Die Physik ist nur das Mittel und Medium.
Bis auf Deinen dritten Punkt scheinen mir das physikalische Trivialitäten zu sein.
Der dritten Punkt spricht die Wahrnehmung an und stellt auch nur Selbstverständlichkeiten fest, wobei Du die Tendenz hast, den subjektiven Faktor zu betonen. Vielleicht existieren ja auch bei Dir größere individuelle Abweichungen, doch wir wollen hier ja eher über die Gemeinsamkeiten sprechen.

Das Wesen der Musik ist in dem kunstvollen Werk des Komponisten zu suchen, in der spezifischen Formgebung seiner Botschaft. Je nach Rezipient kann diese Botschaft von manchen sehr gut erfasst werden, von anderen weniger gut. Eine wichtige Voraussetzung ist dabei, daß die wahrnehmungpsychologischen Grenzen nicht überschritten werden. Es wäre z.B. sinnlos, für ein Instrument pp zu notieren, während andere ff spielen. Es wäre sinnlos, Gedächtnisleistungen zur Erkennung von Strukturen vorauszusetzen, die nicht erbracht werden können usw.

Es interessiert an dieser Stelle nicht, was ein Hindemith, der ja eine ganz eigene Musik-Theorie hatte, mal sagte.

Es geht hier nicht um die eigene Musik-Theorie Hindemiths, die habe ich nie erwähnt. Er hat nur das sehr passende Bild "Gravitation" für die tonale Wirkung gefunden. Andere sagen "Magnetismus". Es geht vielmehr um die Tatsache, daß das Hören von Intervallen, das hohe Differenzierungsvermögen in der Nähe von konsonanten Intervallen, das tonale Hören, im Menschen eingeprägt ist. Er kann sich davon praktisch nicht lösen, obwohl das Gehirn eigentlich sehr flexibel ist. Die Geschichte des ehemaligen Zwölftonkomponisten Pärt ist ein Beispiel dafür, daß man diese Prägung durch jahrelange Konditionierung fast verlieren kann, allerdings empfand er es schließlich als großes, existenzbedrohende Defizit und er brauchte fast ein Jahrzehnt lang, dieses zu überwinden. Er fing bei "Adam und Eva" an (u.a. Gregorianik) und mußte wieder vollkommen neu hören, was überhaupt Intervalle und Tonarten sind. Das erinnert an einen Hirnverletzten oder Schlaganfall-Patienten, der viele Funktionen nochmals erlernen muß.
Der Grund für die Einprägung des tonalen Hörens könnte plausibel in dem frühkindlichen Erlernen der Sprache liegen, wie neueste Arbeiten von Neurologen zeigen, die in diesem Thread zitiert wurden. Denn in der Sprache werden die wichtigen ersten beiden Formanten so gewählt, daß die konsonanten Intervalle deutlich bevorzugt werden. Das könnte für die entsprechende Prägung verantwortlich sein, die zur Folge hat, daß atonale Musik die meisten nicht dazu anreizt, sie häufiger zu hören, wie einer der führenden Forscher auf dem Gebiet der Neurophysiologie und Neuropsychologie von Musikern sagt (Eckart Altenmüller).

Das sind Befunde, vor denen man nicht die Augen schließen kann. Und hier sprechen Naturwissenschaftler, die Messungen durchführen und keine spekulativen Musiktheoretiker, die sich lediglich etwas zusammendenken!

Ich führe an dieser Stelle noch ein Beispiel an. Die Funeral Music for Strings von Witold Lutosławski, geschrieben für das Begräbnis Gustav Mahlers. Diese Komposition basiert auf einer Reihe und es werden alle 12 Töne des Tonsystems verwendet. Ich denke es kann niemand ernsthaft behaupten, dass in diesem Werk kein Gefühl zum Ausdruck gebracht wird.

Daß "atonale" Musik oder "Zwölftontechnik" Gefühle zum Ausdruck bringen kann habe immer wieder betont. Es geht um die Gefühlsqualität. Daß Du jetzt als Bespiel eine "Funeral Music" anführst, welche mit Tod und Trauer, mit die negativsten Gefühel ausdrückt, bestätigt ja nur meine Ausführungen, ebenso wie die das Schönberg-Beispiel von Günter Sch "Ein Überlebender aus Warschau", welches auf die Judenvernichtung und das Warschauer Ghetto anspielt.
Zitat aus dem Werk: "In einer Minute will ich wissen, wieviele ich zur Gaskammer abliefere! Abzählen!"

Ich lese gerade, daß neuere Methoden der Gehirnforschung (PET) interessante Ergebnisse zeigten. Manfred Spitzer referiert in seinem Buch "Musik im Kopf" (S. 395) die Arbeiten von Blood et al. (1999) folgendermaßen:
...konnte gezeigt werden, daß die Hirnaktivierung (durch Dissonanz und Konsonanz) nicht durch einen fröhlichen oder traurigen Affekt, sondern durch den Grad der Angenehmheit beeinflusst wurde.
...
...konnte im Fall der Patientin I.K. klar gezeigt werden, daß ... Emotionalität und Wohlkang zumindest neurobiologisch klar getrennt sind.
In diesem Sinne ist wohl der Satz im Zeit-Artikel
(Christoph Drösser in: Neue Musik - Zu schräg für unser Gehirn)
zu verstehen:
»Wir können Neue Musik besser verstehen, wenn wir sie häufiger hören - sie ist aber so komponiert, dass sie die meisten Menschen nicht dazu anreizt, sie häufiger zu hören.«
Günter Sch.;4551679 schrieb:
Ich kenne die anordnung dieser versuche nicht...

Mir ist sie ebenfalls unbekannt, doch man darf davon ausgehen, daß wissenschaftliche Ausagen erst dann getroffen werden, wenn die Ergebnisse statistisch signifikant sind.
In diesem Fall vermute ich, daß die beiden Gruppen "erfahrene Fans dieses Musikgenres" und "Unerfahrene" direkt miteinander verglichen wurden im Bezug auf Wiedererkennung von Reihen und die davon abgeleiteten Strukturen. Die Feststellung dieser Unterschiede ist die wesentliche Aussage, wie immer auch die Hörbeispiele gestaltet waren.

Günter Sch.;4551679 schrieb:
Warum beschränkten sich die erfinder Hauer u.Co. auf 12 töne? Die sind in der musikalischen praxis jedem musiker geläufig...

Das bestätigt meine Vermutungen, wäre aber eine Unzulänglichkeit der Konzeption, Harmonien bzw. tonale Bezüge vermeiden zu wollen.

Günter Sch.;4551679 schrieb:
Ob man sich mit dem asketischen verbot jeder wiederholung einen gefallen tat, bezweifele ich, das erschwert jedes wiedererkennen, das beim hörerlebnis eine wichtige rolle spielt.

So ist es! Ich hebe ja gerade darauf ab, daß bei verschiedenen Spielarten Neuer Musik die Wahrnehmungsfähigkeiten des Menschen vielfach nicht beachtet werden.

Günter Sch.;4551679 schrieb:
Dodekaphonie ist wie die fuge ein regelwerk, mit dem jeder gelehrte esel stücke von einiger länge machen kann, er muss die regeln kennen und befolgen, aber unter hand eines meisters wird daraus musik. Und nach gewisser zeit ist das verfahren ausgereizt.

Primär für ein Kunstwerk ist, daß der Künstler etwas zu sagen hat. Für die Aussage wird dann die passende Form gewählt. Durch das "eselsartige" Befolgen eines Regelwerkes kann kaum ein Kunstwerk entstehen, es sein denn, in der Art der Regelsetzung selbst liegt eine bedeutende künstlerische Leistung.

Die Regeln der Zwölftontechnik sind nicht plausibel, wenn der Hörer nicht bemerkt, ob sieim Stück gelten oder nicht gelten.
Das Prinzip der Fuge hingegen zeigt, daß es bis heute nicht ausgereizt ist. Sogar für den Kanon werden neue und überraschende Möglichkeiten gefunden. Das erwähnte Beispiel von Pärt ist nämlich einer! Es dominiert ein einfaches melodisches Motiv und wird zu einem komplexen wirkungsvollen Geflecht von Linien entwickelt. Bis alles wieder in Harmonie und Ruhe endet.

Wenn Du du die eher vergeistigten Stücke des späten Bach oder Beethoven ansprichst, so stimme ich zu, daß die Strukturen manchmal recht komplex sind, insbesondere beim bereits völlig ertaubten Beethoven. Doch die Musik ist immerhin rhythmisch klar strukturiert, auch wird dem Prinzip von Konsonanz und Dissonanz gefolgt.

Ein wichtiger Grund für Dein "unverhohlenes Bekenntnis zum Banausentum" liegt m.E. darin, daß auch der taube Beethoven wichtige wahrnehmungspsychologische Grundsätze
verletzte, z.B. durch

* die permanenten großen Intervallsprünge einzelnder Instrumente,
* durch bizarre Rhythmen,
* durch die konsequente Polyphonie,
* durch krasse dynamische Angaben - meist nur fortissimo oder pianissimo.

wie die Quelle: http://www.aeiou.at/bt133.htm (Autor nicht ersichtlich), vermutlich Deine, beschreibt.

Wie Musik in "erster Linie gehört wird" ist wohl von Hörer zu Hörer unterschiedlich. Ein rein emotionelles Hören kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

So wie ich es meine, ist es eher die Regel. Es ist bekannt, daß es große Unterschiede gibt, zwischen musikalisch Vorgebildeten und Nicht-Vorgebildeten. Bei ersteren findet beim Musikhören eine deutliche Aktivierung der linken Hirnhälfte statt, bei letzteren nicht, sie hören hauptsächlich über die rechte Hemisphäre. Die linke Hemisphäre ist eher auf zergliederndes Denken, analytische, serielle Informationsverarbeitung spezialisiert. Die rechte eher auf ganzheitliches Denken.

Spitzer geht in diesem Video etwas auf die Thematik ein.

Nicht-Vorgebildete hören Musik in erster Linie ganzheitlich, jedenfalls eben kaum analytisch. Diese Beschreibung trifft eher zu auf das, was ich meine als der Begriff "rein emotionelles Hören".

Deine Selbstbeobachtung bestätigt, daß Du musikalisch vorgebildet bist und der "Verstand" beim Musikhören viel mehr beteiligt ist als bei Nicht-Vorgebildeten.

Und das Verfolgen von Motiven kann auch Spaß machen...

Sicher, aber eher wie das Lösen einer Denksportaufgabe als etwa eine ganzheitliche Erfassung, die wohl auch viel eher mit Emotionen zu tun hat.

Du schreibst: "Wir erkennen die Strukturen, ohne daß uns diese verstandesmäßig unbedingt bewußt sein müssen."
Aber Du hast nicht verstanden, das Du das nur kannst, weil Du diese Strukturen schon kennst.

Nein, das meine ich nicht. Mein Gedanke war, daß wir im Laufe unseres Lebens die unterscheidlichsten Muster von emotionellem Erleben kennengelernt haben. Ich meine das reale Leben, nicht die Musik. In der Musik wiederum können genau diese erfahrenen emotionellen Muster wieder (ganzheitlich) zur Resonanz gebracht werden. Wir erkennen sie in abstrahierter ganzheitlicher Form, aber nicht bewußt, analytisch, lokalisierbar.

Eine Kompositionstechnik ist einfach nur eine Technik. Sie sagt über den emotionellen Inhalt einer Musik nichts aus.

Es gibt Kompositionstechniken, die kommen den genetisch und frühkindlich bedingten Strukturen mehr entgegen als andere. Deshalb gibt es auch Unterschiede darin, welche mehr und welche weniger geeignet sind, ganzheitliche Erlebnisse, unbewußte Mustererkennung und auch Emotionen auszulösen.

Und nun zu dem Beispiel Bergs und den Tonanagrammen. Berg hat diese Anagramme in seinem Kammerkonzert verwendet (nicht in der Lyrischen Suite).

Danke für die Korrektur! Sie weist Dich als Kenner aus. :)

In meiner Quelle waren beide Musikstücke in einem Satz erwähnt und ich zitierte das falsche. :mad: Entschuldigung!

Tonanagramme ...das sich auch "musikalisch" ein Portrait der Personen ergibt.

Danke für die Erläuterungen zu den verschiedenen Funktionsebenen der Tonanagramme.
Sie zeigen andererseits, daß Berg, obwohl noch der "verständlichste" der Neuen Wiener Schule, bei der Melodie aus 19! Tönen schon sehr an einen spezialisierten Kreis gedacht hat. Die Beispiele für Tonanagramme anderer Komponisten sind ja recht kurz und hatten vielleicht einen geringeren Einfluss auf das jeweilige Werk. Im Prinzip ist so etwas ja eine Spielerei, unter der die Gestaltungsfreiheit und Aussagekraft der Komposition nicht leiden sollte. Doch wer könnte beurteilen, ob die Komponisten hier manchmal übertrieben haben? Die Gefahr besteht jedenfalls prinzipiell.

Und bei einem Sonatenhauptsatz weiss man ebenfalls nicht, warum nun das eine Thema vielleicht hart und kantig klingt, und das zweite weich und lyrisch. Vielleicht ist dem Komponisten das Brot mit der Marmeladenseite auf den Boden gefallen, und dann hat er das erste Thema geschrieben?

Bei einem Kompositionsansatz, der sich von solchen Zufälligkeiten abhängig macht, ist es eher unwahrscheinlich, daß dies mit der nach außen drängenden künsterlischen Aussage zu tun hat. Diese ist ja zu einem gewissen Zeitpunkt im Künstler mit einer erstaunlichen Klarheit vorhanden. Er weiß oft recht genau, was zu dem enstehenden Werk passt und was eben nicht.
Und wir mögen ja gerade an Kunstwerken, wenn sich in ihnen Dinge verdichten, die wir selbst bisher nur erahnt haben und die im Werk dann in erstaunlicher Klarheit zum Ausdruck gebracht werden.
Das Ganze dürften eher ganzheitlich-emotionelle Vorgänge sein, die wohl noch kaum verstanden sind, wenn wir uns ihnen überhaupt auf der Erklärungsebene wesentlich nähern können.

Mögen viele nicht hören, welche Reihenform wo und wie verkomponiert wurde, so hören viele auch nicht, wo das 1. und das 2. Thema anfängt und wie sie in der Durchführung verarbeitet werden.

Hier spielen meiner Ansicht nach die o.g. unbewußten Wahrnehmungsprozesse eine Rolle, das intuitive Erfassen von Gestalten, Mustern usw., die mit Emotionen gekoppelt sind. Und denen können Kompositionstechniken besser entsprechen, die auf die Wahrnehmungsmöglichkeiten der Menschen Rücksicht nehmen. Eine Musik, die das nicht tut, wird insgesamt weniger Gültigkeit haben oder eben nur für Leute, die über spezialisierte Wahrnehnmungsmöglichkeiten verfügen.

M.E. ist es aber möglich, Musik so zu gestalten, daß sowohl vorgebildete und nicht vorgebildete Hörer Gefallen daran finden. Das könnte z.B. der Fall sein, wenn komplexere Strukturen in einfachere aber dennoch aussagekräftige Strukturen eingebettet sind.
Passt hier vielleicht das Prinzip "omnia in omnibus" (Alles ist in allem)?

Viele Grüße
Klaus

EDIT: Wenn das Schönberg-Zitat mißverstanden wurde, ist das wohl hauptsächlich der Tatsache zu verdanken, daß aus ihm der Zusammenhang in dem es steht, nicht ersichtlich ist.
 
Das sind Befunde, vor denen man nicht die Augen schließen kann. Und hier sprechen Naturwissenschaftler, die Messungen durchführen und keine spekulativen Musiktheoretiker, die sich lediglich etwas zusammendenken!

Der Grund liegt bei den Zahlen und möglicherweise am Mangel an musikmathematischen Grundlagen der Psychologen, Naturwissenschaftler und der meisten Musiker.


Fangen wir also mal an:
Wir teilen in der Musik eine Oktave ja in verschiedene Teile auf, die sich oktavweise wiederholen.

Nun kann man das als Band vorstellen, oder eben als Kreis. Die einzelnen Töne sind somit Eckpunkte eines regelmäßigen Polygons (Vieleck), die auf der Kreislinie gesetzt werden.

http://de.wikipedia.org/wiki/Polygon
(speziell regelmäßige Polygone anschauen!)

Polygone lassen nur eine Art der Wegstreckenführung zwischen den einzelnen Eckpunkten zu, andere finden sich über die Polygrammdarstellung.

Schaut euch das an:
1. http://de.wikipedia.org/wiki/Pentagramm
2. http://de.wikipedia.org/wiki/Heptagramm

Als Überblick nochmal:
http://de.wikipedia.org/wiki/Stern_%28Geometrie%29

Zu 1: "In einem Pentagramm lässt sich zu jeder Strecke und Teilstrecke ein Partner finden, der mit ihr im Verhältnis des Goldenen Schnitts steht."

Dazu lesen wir noch folgendes:
http://de.wikipedia.org/wiki/Goldenes_Dreieck_(Mathematik)#Goldenes_Rechteck_und_Dreieck
http://de.wikipedia.org/wiki/Fibonacci-Folge
http://de.wikipedia.org/wiki/Primzahlen (essentiell!)

Und wir schauen uns hier um, dabei sollten wir uns die 1, 2, 3, 5, 7, 12 anschauen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_besonderer_Zahlen

Das sollte schon mal ein Grundverständnis vermitteln.

Da Pentagramm und Co. Wegstrecken darstellen, sollten wir nun die Möglichkeiten der Wegstreckenführung ausloten. Dazu nummerieren wir im Uhrzeigersinn die wichtigsten n-gramme durch.

Beim Pentagramm ergeben sich folgende Folgen:
1. Folge, Abstand 1: 1, 2, 3, 4, 5 => entspricht dem Pentagon
2. Folge, Abstand 2: 1, 3 ,5, 2, 4 => Pentagrammfolge
3. Folge, Abstand 3: 1, 4, 2, 5, 3 => gespiegelte Pentagrammfolge
4. Folge, Abstand 4: 1, 5, 4, 3, 2 => gespiegeltes Pentagon

Beim Heptagramm:
1. Folge, Abstand 1: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 => entspricht dem Heptagon
2. Folge, Abstand 2: 1, 3 ,5, 7, 2, 4, 6 => 1. Heptagrammfolge
3. Folge, Abstand 3: 1, 4, 7, 3, 6, 2, 5 => 2. Heptagrammfolge
4. Folge, Abstand 4: 1, 5, 2, 6, 3, 7, 2 => gespiegelte 2. Heptagrammfolge
5. Folge, Abstand 5: 1, 6, 4, 2, 7, 5, 3 => gespiegelte 1. Heptagrammfolge
6. Folge, Abstand 6: 1, 7, 6, 5, 4, 3, 2 => gespiegeltes Heptagon


Wie man sieht, bleibt der Ausgangspunkt die 1, die sich nicht verändert (sonst würde das ja auch nicht funktionieren).

Na? Fällt da irgendetwas auf?!???

(Das Duokedagramm habe ich nun schon unzählige Male vorgestellt, da erwarte ich nun von euch die Folgen...)
 
Zuletzt bearbeitet:
Es wäre z.B. sinnlos, für ein Instrument pp zu notieren, während andere ff spielen. Es wäre sinnlos, Gedächtnisleistungen zur Erkennung von Strukturen vorauszusetzen, die nicht erbracht werden können usw. [...] Ich hebe ja gerade darauf ab, daß bei verschiedenen Spielarten Neuer Musik die Wahrnehmungsfähigkeiten des Menschen vielfach nicht beachtet werden.

Wieso wäre das sinnlos? Angeblich wirken doch auch die Obertöne, die um ein vielfaches leiser sind als der Grundton. Wieso sollte ein Beispiel nicht wirken und Sinn haben können?
Und wie wir ja schon dargelegt haben, reichen die üblichen Gedächtnisleistungen weder für die eine, noch für die andere Musik. Und ebenfalls dargelegt wurde, das dies auch nicht nötig ist, da ja immer eine Wirkung erfolgt. Egal was an Tönen erklingt, es erklingt ja etwas und wirkt - da kommst Du nicht drum herum!

Und natürlich gibt es auch in der älteren Literatur Musik, die den Hörer völlig überfordert, aber trotzdem eine Wirkung hat. z.B.: der Hummelflug von Korsakov: http://www.youtube.com/watch?v=ZgqUVHKZ1qA


Es geht um die Gefühlsqualität. Daß Du jetzt als Bespiel eine "Funeral Music" anführst, welche mit Tod und Trauer, mit die negativsten Gefühel ausdrückt, bestätigt ja nur meine Ausführungen

Es gibt genug Beispiele für heitere oder lustige atonale/zwölftönige Musik.

Primär für ein Kunstwerk ist, daß der Künstler etwas zu sagen hat. Für die Aussage wird dann die passende Form gewählt.

Gut! Genau das sind die Hauptprämissen von Schönberg, die dieser immer wieder doziert hat. In dem Zusammenhang auch der Ausspruch Schönbergs "Kunst kommt nicht vom Können, sondern vom Müssen!", was ja eine klare Absage ist an Musik als blosses Handwerk, und das sich-ausdrücken-müssen hervorhebt.


Die Regeln der Zwölftontechnik sind nicht plausibel, wenn der Hörer nicht bemerkt, ob sie im Stück gelten oder nicht gelten.

Wie schon zuletzt dargelegt, bemerken die Hörer ja auch nicht das Einhalten von Regeln in einer Fugenkomposition, womit diese ja auch nicht "plausibel" sind. Aber welche Regeln der Zwölftontechnik meinst Du denn genau, welche nicht plausibel wären?


Es ist bekannt, daß es große Unterschiede gibt, zwischen musikalisch Vorgebildeten und Nicht-Vorgebildeten. Bei ersteren findet beim Musikhören eine deutliche Aktivierung der linken Hirnhälfte statt, bei letzteren nicht, sie hören hauptsächlich über die rechte Hemisphäre. Die linke Hemisphäre ist eher auf zergliederndes Denken, analytische, serielle Informationsverarbeitung spezialisiert. Die rechte eher auf ganzheitliches Denken.

Okay, und Du möchtest jetzt, das es keine Musik mehr für den Vorgebildeten gibt, und nur noch für den Nicht-Vorgebildeten?


Sie zeigen andererseits, daß Berg, obwohl noch der "verständlichste" der Neuen Wiener Schule, bei der Melodie aus 19! Tönen schon sehr an einen spezialisierten Kreis gedacht hat.

Es ist mitnichten eine Melodie aus 19 Tönen, da es ja drei Melodien/Motive sind. Einmal 9 Töne (Klavier), einmal 6 Töne (Horn), einmal 4 Töne (Violine), klar voneinander abgesetzt.

Die Melodie aus dem Finalsatz der 9. Beethovens besteht aus - unmittelbare Tonrepetitionen nicht eingerechnet - 10 Tönen, und geht dann noch munter weiter: diese Töne werden varriert zu 11 weiteren, dann kommen nochmal 11 Töne. Abschliessend eine 3. Variation der ersten 10 Töne. Damit kommen wir auf 43 Töne.

Viele Grüsse!
 
Zuletzt bearbeitet:
Kann hier eigentlich jemand ein einfaches Beispiel geben von tonaler Harmonielehre-basierter Musik, welches von der Wirkung her sehr angenehm klingt und gleichzeitig künstlerisch anspruchsvoll ist?

Es wird solche Beispiele geben. Jedoch: Ich bin mir sicher, dass die allermeisten solcher Beispiele, analysiert auf Basis der Harmonielehre, zu komplizierten Kombinationen und Ausprägungen von Elementen der Harmonielehre führen. Nicht umsonst sind einfache Regeln der Harmonielehre, die es früher in der Musik der Kirche gab, um minimale, einlullende Musik zu schreiben, mittlerweile veraltet und über die Zeit x-fach erweitert und verbogen worden.

These: Harmonielehre-basierte Musik muss sehr kompliziert sein in Bezug auf die Regeln der Harmonielehre, damit die Musik künstlerisch anspruchsvoll ist und zugleich angenehm klingt. Dies spricht grundsätzlich eher gegen die Harmonielehre.
 
Es gibt musik, die sich in die ohren einschmeichelt, ohne harmonisch kompliziert zu sein, aber über "künstlerische ansprüche" möchte ich lieber nicht reden. Da hat sich tonal in letzter zeit nicht viel abgespielt.
Sensuell und intellektuell müssen sich nicht ausschließen, gehen aber auch nicht unbedingt eine ehe ein.
Man lese das "Kreislerianum", in dem der kapellmeister in gesellschaft um variatiönchen gebeten wird à la "Ah je vous-dirais, maman!", und der teufel reitet ihn, die Goldberg-variationen zu spielen. Was geschieht bis nr.30 ?

Ich kenne ein paar stellen, die (mich) süchtig machen können: so der mittelteil des Nocturne in Fis-Dur von Chopin mit seinem schwebenden rhythmus , die polyrhythmische stelle in Liszts Dante-sonate oder jene in seiner Rigoletto-paraphrase, wenn die läufe perlen und in einem übermäßigen akkord enden.
Musik hat das recht, sinnlich zu sein, sie kann aber mehr.
 
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Ich lese gerade, daß neuere Methoden der Gehirnforschung (PET) interessante Ergebnisse zeigten. Manfred Spitzer referiert in seinem Buch "Musik im Kopf" (S. 395) die Arbeiten von Blood et al. (1999) folgendermaßen:

n diesem Sinne ist wohl der Satz im Zeit-Artikel zu verstehen:

»Wir können Neue Musik besser verstehen, wenn wir sie häufiger hören – sie ist aber so komponiert, dass sie die meisten Menschen nicht dazu anreizt, sie häufiger zu hören.«



Ich kenne die anordnung dieser versuche nicht...



Mir ist sie ebenfalls unbekannt, doch man darf davon ausgehen, daß wissenschaftliche Ausagen erst dann getroffen werden, wenn die Ergebnisse statistisch signifikant sind.
Das Zitat zeigt, wie wissenschaftlich da vorgegangen wurde - zumindest dem Anschein nach...

Da geht man einerseits davon aus, daß der Komponist so komponieren würde, daß er seine Zuhörer vergrault, andererseits zeigt das ein Musik-Weltbild, daß der Komponist gefälligst solche Musik schreiben soll, die dem Hörer gefällt.

Da hat man offensichtlich vergessen, den Hörerkreis ausreichend zu analysieren. Ebenso hat man vergessen, daß Musik heute weitgehend als Droge funktioniert - eben weil sie auch Gefühle weckt. So jemand kann natürlich solche Musik nicht hören, weil sie nicht diese Funktion erfüllt, die ihren sonstigen Hörgewohnheiten entspricht.

Oder der Autor des Artikels hat die Daten falsch interpretiert. Oder du das Zitat falsch interpretiert oder aus dem Zusammenhang gerissen...

Jedenfalls kann man so nicht argumentieren.

GünterSch hat's deutlich gesagt. Musik kann eigentlich alles, sie sollte nur nicht vergessen, welche Gefühle sie auslösen kann. Ob Lull-Musik, Plastik-Pop, Möchtegern-Intelligent-Avantgarde oder Pseudo-Free-Jazz, alles kann man beim Hören erkennen, und wenn die musikalische Grundbildung stimmt, sollte das auch beim armen Volk dementsprechend erkennbare Reaktionen auslösen.
Sprich: Wenn die Kiddies eine entsprechend gute Ausbildung bekommen, die nicht nur das klassisch musikalische, sondern viel mehr die künstlerische Wertigkeit beachtet, würde das sich bemerkbar machen.
 
Hallo -

ich (als langjähriger Hobbymusiker und Songwriter und Sänger sowohl von Dur- als auch Moll-lastigen Stücken und Liedern) erlaube mir hier mal, einfach nochmal an die Ursprungsfrage sozusagen psychosozial heranzugehen:

meiner Meinung nach hängt ein Dur-Denken mit einer in userer Kultur gepflegten sozusagen postiven und "tüchtigen", also sich möglichst effizient in das Erwerbsleben integrieren-wollenden Denke zusammen. Dur = heiter.
Ich persönlich habe auch Phasen, wo ich überwiegend in Moll denke. Das meine ich auch musikalisch. In Zeiten von Liebes- oder anderem Kummer habe ich Moll-lastige Songs komponiert. Es gibt auch Künstler, die mehr in Moll denken, z.B. nenne ich mal Neil Young. Bei Klassik kenn ich mich nicht so aus. Alte Musik ist aber auch oft sehr "mollig". Buxtehude hat doch viel Moll, oder? Ich liebe das "Mollige" bei Purcell.
Moll ist verträumt, melancholisch, kontemplativ. Dafür ist vielleicht in bestimmten Musikepochen, oder der Jetztzeit nicht mehr der Platz?
Aber so richtig musikwissenschaftlich gebildet bin ich ja nicht, um hier mitreden zu können - sind nur so paar Gedanken, die ich mir zum Wechselspiel zwischen Gesellschaft und Musik gemacht habe.
Denken wir also wirklich eher in Dur, oder sind wir, hier und jetzt, nur so konditioniert?
Michael
 
P.S.: und was den Ausgangs-Thread betrifft - Auflösung immer in Dur-Akkorde: das ist vielleicht der Wunsch nach dem Happy-End?
 
Aber so richtig musikwissenschaftlich gebildet bin ich ja nicht, um hier mitreden zu können - sind nur so paar Gedanken, die ich mir zum Wechselspiel zwischen Gesellschaft und Musik gemacht habe.
Denken wir also wirklich eher in Dur, oder sind wir, hier und jetzt, nur so konditioniert?
Michael

Immerhin gibt es (nicht nur auf musiker-board.de) einige Threads, in denen auf endlosen Seiten nach "melancholischer", "düsterer" und "trauriger" Musik gesucht wird ;) Und dann gibt es ja noch die recht grosse Goth- und Emo-Szene ;) Und dann die ebenfalls recht grosse Metal-Szene, bei der sehr viele Musik eher in Moll zuhause ist oder auch atonal.
 
Nicht zu vergessen die wiederauferstehung der kirchentonarten in der rockmusik, weil man die ewige durerei satt hat. Die überlässt man dem musikantenstadl und all der "heile-welt-mentalität".
Wie ibkoeppen sagt: happy end. Don't worry!
Die harmonisch reichste musik, die ich kennengelernt habe, war der Big-band-sound der 40er und ff. jahre, der ging wie balsam in die ohren, die allerdings auf durchzug gestellt waren, und so hinterließ er keine bedeutenden spuren. Das waren die "stardust-" und "in the mood-zeiten" mit ihren 5stimmigen sätzen und "special-choruses". 5 saxe, 3 trompeten, 2 posaunen, rhyrthmusgruppe, das brummte im karton!

Man kann quasi nichts zur bunten seifenblase aufblasen mit bekannten folgen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Zitat zeigt, wie wissenschaftlich da vorgegangen wurde - zumindest dem Anschein nach...

Es ist interessant sich die Kommentare zu diesem Artikel anzusehen. Auf mehreren Seiten wird da grösstenteils mit dem Autor hart ins Gericht gegangen. Zum Beispiel: "Was mich – ZEIT-Abonnent seit vielen Jahren – nach Lektüre des Artikels außerdem beschäftigt: Wieso hat niemand aus der Redaktion den sonst geschätzten Autor vor dieser Peinlichkeit bewahrt?" :D
 
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Wieso wäre das sinnlos? Angeblich wirken doch auch die Obertöne, die um ein vielfaches leiser sind als der Grundton.

Ich finde Du machst es Dir etwas zu leicht, wenn Du auf Details herumreitest, ohne den Kern meiner Aussage zu berücksichtigen.

Hätte ich ffff und pppp schreiben sollen,wie z.B. hier:
Günter Sch.;4533861 schrieb:
...während einige instrumente ffff bliesen, säuselten gleichzeitig andere im pppp, offenkundig schreibtischarbeit ohne jeden praktischen bezug. "Wer soll sowas spielen?" "Und wer soll es sich anhören?

Es ist doch ganz einfach zu verstehen, was ich meine: Es ist sinnlos, Dinge zu komponieren, die nicht wahrgenommen können. Obertöne können natürlich auch nicht mehr wahrgenomemn werden, wenn sie die Wahrnehmungsschwelle unterschritten haben. Obertöne werden allerdings auch nicht vom Komponisten notiert.

Egal was an Tönen erklingt, es erklingt ja etwas und wirkt - da kommst Du nicht drum herum!

Das ist ja was ich meine! Man soll Dinge notieren, die wirken. Dabei ist auch eine geringe Wirkung eine Wirkung, aber sie sollte vorhanden sein.

Warum sollte der Hummelflug von Korsakov den Hörer überfordern? Der durchschnittliche Hörer wäre überfordert, wenn er ihn spielen müßte. Und es ist ja auch nicht seine Aufgabe, die Noten so zu erkennen, so daß er die Partitur schreiben könnte.

Es gibt genug Beispiele für heitere oder lustige atonale/zwölftönige Musik.

Du hast Dich ja als Kenner ausgewiesen. Die Beispiele würden mich daher interessieren.
Ich möchte das im Einzelfall gar nicht unbedingt ausschließen und hatte es auch nicht getan. Mir ist allerdings aufgefallen, daß atonale/reihentechnische Musik eher geeignet ist, negative Gefühle auszudrücken. Das wurde ungewollt sogar von Teilnehmern in diesem Thread bestätigt. Für mich erklärt sich diese Tatsache ganz zwanglos (siehe z.B. Zitate von Hindemith und Furtwängeler). Auch die Themenwahl der Komponisten geht ja klar in die Richtung negativer Stimmungen.

Gut! Genau das sind die Hauptprämissen von Schönberg, die dieser immer wieder doziert hat. In dem Zusammenhang auch der Ausspruch Schönbergs "Kunst kommt nicht vom Können, sondern vom Müssen!", was ja eine klare Absage ist an Musik als blosses Handwerk, und das sich-ausdrücken-müssen hervorhebt.

Freut mich, daß Du mir zustimmst! Auch der Aussage von Schönberg ist zuzustimmen. Eine bestimmte andere Auffassung wirkt auf mich im wesentlichen so:

tonale Musik:

1. Man nehme eine Harmonielehre
2. Man konstruiere daraus "Harmonielehre-basierte Musik"

Folge: Im Prinzip immer dasselbe.

atonale Musik:

1. Hauptsache die Musik ist atonal, denn die tonale kenne ich ja schon
2. Die Botschaft des Künstlers ist unnötig, denn Musik ist Musik
3. Es ist egal, wie die Musik entstanden ist

Folge: Mein Gehirn ist beschäftigt. Ich kann auch meine Gefühle mit dieser Musik verbinden.

Wie schon zuletzt dargelegt, bemerken die Hörer ja auch nicht das Einhalten von Regeln in einer Fugenkomposition, womit diese ja auch nicht "plausibel" sind.

Doch, die bemerken sie. Natürlich nicht jeder und auch nicht immer und nicht bei jedem Werk gleich gut.. Doch die Regeln sind genau aus dem Grund entstanden, weil man es gehört hat
(z.B. Parallelverbot). Man wollte eigenständige Stimmen. Dies wird aber durch Oktav- und Quintparallelen unterminiert. Bekannterweise haben die konsonantesten Intervalle den höchsten Verschmelzungsgrad.

Okay, und Du möchtest jetzt, das es keine Musik mehr für den Vorgebildeten gibt, und nur noch für den Nicht-Vorgebildeten?

Nein, das möchte ich nicht! Jeder soll die Musik schreiben können, die er schreiben "muß".
Er kann sie auch für einen kleinen Kreis schreiben. Wird dann eben schwierig, wenn der Komponist einen allgemeinen Anspruch erheben möchte oder vom Komponieren leben möchte. Wenn er genügend "Freunde" findet, kann er sie auch aufführen oder gar aufnehmen.

Es ist mitnichten eine Melodie aus 19 Tönen, da es ja drei Melodien/Motive sind. Einmal 9 Töne (Klavier), einmal 6 Töne (Horn), einmal 4 Töne (Violine), klar voneinander abgesetzt.

Na immerhin stimmt die 19! ;)
Im Ernst: Nenne es dann eben "melodisches Geschehen", denn:

Nachdem das Klavier "AD SCH BG" gespielt hat, schlägt es keinen Ton mehr an.
Die Violine übernimmt sogleich das melodisch Geschehen, spielt "AEBE". Das letzte e' wird fp gespielt und 15 Viertel lang ausgehalten, während das melodische Geschehen an das Horn weitergereicht wird, nämlich zwei Viertel nach erklingen des e'. Es spielt dann "ABA BEG" und zu Ende sind die fünf 6/4-Takte.

Die Melodie aus dem Finalsatz der 9. Beethovens... Damit kommen wir auf 43 Töne.

Sehr interessant! Und wie lauten jetzt die 43 Buchstaben des Tonanagramms von Beethoven?

Nicht umsonst sind einfache Regeln der Harmonielehre, die es früher in der Musik der Kirche gab, um minimale, einlullende Musik zu schreiben, mittlerweile veraltet..

Dieser lithurgische Gesang müsste doch das Paradestück "einlullender Musik" der Kirche sein:

In den 1630er Jahren komponiert und bis 1870 in der Karwoche in der Sixtinischen Kapelle aufgeführt.

Natürlich entspricht die Musik nicht unserer Zeit, doch konnten sieben Kinder aus England (Dirigent 16 Jahre alt) im japanischen Fernsehen heute noch damit beeindrucken.

Die Musik ist ja so einfach, daß sie ein 14jähriger aus dem Gedächtnis aufschreiben konnte und an einen Verleger weitergab.
Das war zwar bei Strafe der Exkommunikation verboten, doch der Papst gratulierte Mozart zu seinen Fähigkeiten.

So einfache Musik kann Dich natürlich nicht befriedigen, eher diese mit viel Bedacht gewählte Harmonisierung eines Kinderliedes.

Man kann sie sich hier anhören.

Na? Fällt da irgendetwas auf?!???
Was ist los Leute? Keiner der zum 12er eckchen was sagen kann?

Auch Du meinst das Dodekagramm? Dann wäre ja ein Rätsel des "Duokedagramms" schon einmal gelöst! ;)

Aber haben wir jetzt Rätselstunde?
Mir scheint, ihr wolltet doch eine Aussage treffen. Warum tut ihr das dann nicht? :confused:
Vielleicht möchten die Leute lieber Infos oder Fakten lesen als Rätselraten?

Viele Grüße
Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch Du meinst das Dodekagramm? Dann wäre ja ein Rätsel des "Duokedagramms" schon einmal gelöst! ;)
Naja, wenn das das einzige Hindernis war, dann hast du es ja erfolgreich gelöst...

Aber haben wir jetzt Rätselstunde?
Mir scheint, ihr wolltet doch eine Aussage treffen. Warum tut ihr das dann nicht? :confused:
Vielleicht möchten die Leute lieber Infos oder Fakten lesen als Rätselraten?
Vielleicht bekommt der ein oder andere mal die Lust, selbst etwas herauszufinden, besonders, wenn man das schon auf dem Tablett serviert bekommt, und ich's schon dreißigmal gezeigt habe.
Dann könnte es auch sein, daß man die ein oder andere Aussage besser versteht.

Die Aussage, die ich treffen wollte, steht schon da, man muß sie nur ablesen. Vielleicht liest du einfach das obige Posting dir nochmal laut vor...

Es ist immer leicht, Vorgekautes wiederzukäuen. Nur gezeigt zu bekommen, wo man ernten kann, ist anscheinend immer noch zuviel. Und dann kommt man mit Thesen von 500 anderen Leuten, die man oft mißversteht oder oft selbst falsch gedacht haben. So was nervt - ich reiße mir den Arsch auf, um etwas klar zu machen, und du schwätzt es einfach platt. Unglaublich, hier hättest du richtig was über Musik lernen können, du hättest auch etwas über das Verhältnis der Zahlen und dem Dur-Akkord gelernt und möglicherweise selbst feststellen können, was von der Theorie der Hörgewohnheiten zu halten ist. Auch, weshalb sich die gleichstufige Stimmung genau so entwickeln mußte.

Auch, warum dein Möbius-Band so ein praktisch musikalisch unbrauchbares Werkzeug ist, weil es nicht alle Bereiche so abdecken kann.

Aber ne, da sucht man nach lieber zwei Stunden, ob PVaults nicht irgendwo einen Fehler gemacht hat. Das nervt mich richtig, wirklich...!

Vor allem: Ich zeige hier Dinge aus der (bildenden) Kunst, die man auch als Musiker wissen sollte, und du laberst die ganze Zeit über Technik und Wissenschaft, Psychologie und nutzlosem Kram... - unglaublich....Mann...

Manches ist wirklich nicht wert bzw. zu wertvoll, es allen zu zeigen. Ich verstehe langsam auch, warum manche Künstler nichts mehr preisgeben, weil sie genau solche Aktionen erlebt haben. Du zeigst einen Schatz, und da wird glatt drüber- und draufgeschissen, echt...
 
Ich kann PVaults nur recht geben in allen Punkten! Meine Meinung zu Thema Hörgewohnheiten beleibt zwar nach wie vor (Ich schrieb ja bereits das mir diese Dinge bewusst sind, von daher), aber dennoch, er trifft den Nagel auf den Kopf. Und es ist imho von Wert diese Zusammenhänge zu kennen.

Ich muss aber auch sagen das mir nicht alle Zusammenhängen (Liste besonderer Zahlen, kann ich erstmals so nichts mit anfangen, hab aber atm auch keine Zeit mich mit zu beschäftigen) bekannt sind und PVaultrs scheint da noch sehr viel weiter zu sein als ich. Aber das Beispiel mit den n-grammen und dann die Weiterführung mit einem 12-gramm (zur Bildung der Wegstrecken steht ja selbst im Beitrag wie das zu machen ist, um die vielen "falschen" Möglichkeiten auszuschließen) sind Elementarwissen und sollte jeder mal drauf kommen!

Aber wenn ich mir anschaue das von 100% Musikern die den Quintenzirkel kennen, ca. 90% NICHT im Stande sind Zusammenhänge zu sehen, dann wundert es mich ehrlich gesagt nicht. Und ich meine damit wirklich nur trivial Dingen und nicht die "fortgeschrittene" Nutzung/Strukturenerkennung eines Quintenzirkels :rolleyes:

Manches ist wirklich nicht wert bzw. zu wertvoll, es allen zu zeigen. Ich verstehe langsam auch, warum manche Künstler nichts mehr preisgeben, weil sie genau solche Aktionen erlebt haben. Du zeigst einen Schatz, und da wird glatt drüber- und draufgeschissen, echt...
So ist es!!

Vielleicht bekommt der ein oder andere mal die Lust, selbst etwas herauszufinden, besonders, wenn man das schon auf dem Tablett serviert bekommt, und ich's schon dreißigmal gezeigt habe.
Selber entdecken (und denken) ist anscheinend heute out, auch wenn man den Weg ebnet um es leichter zu haben. Zeitgeist? Ich weiß es nicht... schade, schade.

gz
offminor
 
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