Ich möchte nochmal auf die Ausgangsfrage zurückkommen. Fertigungstechnisch haben wir heute viel mehr Möglichkeiten, als früher. Es kann genau, schnell, reproduzierbar und günstig gefertigt werden. Ungenau geht natürlich auch, wenn man will. Einige Technologien und Materialen sind mittlerweile aus Umweltschutzgründen nicht mehr verfügbar, wurde aber inzwischen sicher technologisch gleich- oder sogar höherwertiger ersetzt.
Ich glaube aber, dass es einen Grund gibt, warum eine 100%ige Reproduktion trotzdem schwierig ist. Ich bin fest überzeugt, dass entgegen anderer Annahmen, der Sound damals oft nicht bewusst in die Geräte oder Instrumente designed wurde. Vielmehr war er Großteils ein zufälliges Produkt der damaligen Möglichkeiten oder auch Zwänge. Leo Fender wollte nur günstige Instrumente für Jedermann bauen. Er hat ein paar Prototypen gebaut, und seitdem hat sich bei Fender nicht viel Grundlegendes mehr geändert. Er hat sein Holz nach Verfügbarkeit und Preis und ggf. noch leichter Bearbeitung ausgewählt, sicher nicht primär nach Klangkriterien. Stradivari ist für mich ein weiteres Beispiel. Angeblich gibt es immer noch keine besser klingenden Geigen. Aber wie hätte er mit den damaligen Möglichkeiten den Klang einer Korpusform (die hat bei Geigen tatsächlich einen riesigen Einfluss) vorherbestimmen sollen. Oder wie mit den damaligen Fertigungszeiten für ein Instrument ausreichend Muster mit unterschiedlicher Form, Holzauswahl, Konstruktion, Klebetechnik, Lackierung, etc. bauen, testen und gegeneinander bewerten sollen, um sein Ideal empirisch zu ermitteln? Ich behaupte ganz ketzerisch, er hat was probiert, ihm hat es gefallen, und den Leuten auch. Irgendwie hat sich dieser Sound aber über die Jahre als Ideal manifestiert, obwohl die heutigen Produkte rein theoretisch und technisch gesehen "besser" klingen. Aber das ist halt Psychoakustik.
Ein weiteres Problem ist, dass ich bei der Analyse auch einfachster elektromechansichakustischer (Sorry) Systeme schon im Vorfeld festlegen muss, welche Parameter ich wie erfasse und bewerte. Vielleicht vernachlässige ich genau den einen relevanten Parameter, und versteife mich auf einen, der nur teilweise relevant ist. Das wiederum ist natürlich auch eine Frage von Aufwand und Nutzen. Bei dem Plattenspielerbeispiel kann das die Luft in irgendwelchen Spulenwicklungen sein, die Lackbeschaffenheit von Draht, der Wandstärkenverlauf der Kunststoffteile in ihrer Gesamtheit, das Anzugsmoment von einer Schraube sein. Gerade letzteres lässt sich zum Beispiel nicht mehr messen, nur noch das Losbrechmoment.
Wäre man damals empirisch vorgegangen, und hätte alle relevanten Produktmerkmale dokumentiert (was im Sinne einer reproduzierbar guten Fertigung auch früher schon Sinn gemacht hätte), wäre es heute ein Leichtes, exakte Kopien herzustellen.
Schließlich darf man die Anzahl an zahlungswilligen Käufern für exakte Repliken aus Sicht großer Firmen nicht überwerten. Gerade im E-Gitarren-Sektor gibt es da zwar einig Kandidaten, aber davon kann ein großes Unternehmen noch lange nicht leben. Kleine Unternehmen wiederum haben vielleicht nicht die Möglichkeiten, den Aufwand für exakte Repliken zu betreiben. Der Großteil der Konsumenten zahlt heute nun mal lieber für mehr, neuere oder bessere Funktionen (Bsp. Smartphone), als für ein Geräte, das eine Sache so richtig gut (störungsfrei telefonieren mit optimaler Klangqualität) oder so richtig authentisch (unsere geliebten Vintage Instrumente/Geräte) kann.
Gruß,
glombi