Wie gesagt: ich beziehe mich auf die ganz grossen, und es geht hier um Rockmusik und E-Gitarre.
Ich weiss ja nicht, an wen du jetzt denkst,
ich beschreibe Hendrix, Clapton, Page, Richards, Van Halen, Frusciante, ...
Bei Hendrix ist die Ausgangslage unklar. Vermutlich ist er eines der seltenen Naturtalente. Ob er /wegen/ oder /trotz/ fehlendem Unterricht gut wurde und wie gut er geworden wäre, wenn er welchen bekommen hätte, ist Spekulation.
Eric Clapton hat zunächst Kunststudiert. Es is davon auszugehen, daß er dort auf Leute stieß, die ihm zumindest anfänglich vieles gezeigt haben. Ob das regelmäßiger Unterricht war, ist m.W. nicht überliefert.
Jimmy Page begann mit 12 Jahren relativ spät und wurde früh Studiomusiker, wo er dann unter Profis war und sicher viel mitgenommen hat. Allerdings waren das auch noch ganz andere Zeiten in den Studios. Heute ist es nahezu unmöglich, so einen Job ohne abgeschlossenes Studium oder lange Profikarriere im Hintergrund zu kriegen. Außer wenn Dir das Studio gehört.
Eddie Van Halen war Sohn eines Saxophonisten und Jazzklarinettisten und hatte mit Sicherheit Zugang zu Lehrern auf verschiedenen Instrumenten.
John Frusciante hat in seiner Kindheit 15 Stunden täglich geübt. Ob dabei ein Lehrer beteiligt war ist Wikipedia nicht zu entnehmen, aber da er von seinem Stiefvater unterstützt wurde, muß man eigentlich zumindest von sporadischem Unterricht ausgehen.
Alle diese Leute vereint aber mit Ausname von van Halen vielleicht, daß sie musikalisch nicht sehr breit aufgestellt sind. Die machen alle ausschließlich Rockmusik in einem jeweils sehr persönlichen Stil. Keiner davon wurde jemals etwa mit einer Jazz-Band oder beim Covern von Popsongs gesichtet. Zumindest van Halen würde ich technisch auch klassisches Fingerpicking durchaus zutrauen, aber selbst von ihm habe ich nichts dergleichen gehört. Von Hendrix gibts ein paar Stunts mit klassischen Motiven, aber die haben mit den zitierten Werken nur sehr am Rande zu tun.
Und man sollte nicht vergessen, daß die Karrieren dieser Leute in der Nachkriegszeit begann, in der vieles noch sehr viel anders lief als heute. Die Meisten davon hätten heutzutage viel schlechtere Chancen.
Als Studiomusiker kriegst Du heute ganz grob gesagt ohne Musikstudium oder lange Karriere im Hintergrund einfach keinen Job, schon gar nicht als "One Product Firma". Wenn Du da arbeiten willst, mußt Du von Klassik bis Trash Metal vom Blatt spielen können und lernst wenns dumm läuft um 9 die Leute kennen, mit denen Du um 10 ein paar Lead Sheets durchkaust und um 11 ne Platte einspielst. Passiert nicht jeden Tag, kommt aber vor. Und im professionellen Bigband- und Orchesterbetrieb gehts nicht viel anders zu, als Profi kriegst Du da selten mehr als einen Probentag für einen Auftritt. Daß jemand wie Jimmy Page mit 18 nen Studiomusiker-Job kriegt, gibts praktisch nicht mehr.
Und natürlich sind die genannten Leute absolute Einzelfälle. Die hunderttausende, die es nicht nach oben schaffen, kennt halt kein Mensch. Nimmst Du z.B. die Listen auf
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_100_größten_Gitarristen_aller_Zeiten, dann sieht die "Autodidakten-Fraktion" übrigens schon gar nicht mehr so groß aus. Öffnest Du Deinen Horizont mal aus der Rock- und Bluesfraktion raus z.B. Richtung Jazz oder Fusion, siehts schnell dünn aus. Und es gibt haufenweise Leute, die da querbeet durch alle Haine gut unterwegs sind.
Und bei anderen Instrumenten ist es natürlich noch ausgeprägter. Wenn Du die Top 100 Popsongs oder Top 100 Schlager aus dem Jahr 2015 nimmst, würde es mich z.B. wundern, wenn Du da mehr als 10 autodidaktische Keyboarder drauf findest. Und das, obwohl dieses Instrument aufgrund seiner schnellen Entwicklung noch viel mehr Autodidaktentum fördert als jedes andere und vermutlich fast keiner dieser Titel ohne einen solchen auskommt.
Aber das ist für einen Spät-Anfänger ohnehin alles der falsche Focus. Daß jemand, der als Erwachsener mit einem Instrument beginnt, noch eine Profi-Karriere hinlegt, ist mehr als unwahrscheinlich. Hier geht es darum, Spaß am Instrument zu haben - und den hat man auf Dauer nur, wenn man einen gewissen Lernfortschritt erzielt. Gerade damit tun sich Erwachsene schwerer als Kinder und gerade deshalb ist ein solider Lehrer da wirklich eine gute Idee. Problematisch ist allerdings, daß bei allen Instrumenten zu viele "gelernte Staubsaugervertreter mit 3-Tage-VHS-Seminar" versuchen, sich mit Instrumentalunterricht was dazuzuverdienen. Bei denen lernt man leider meist nichts außer wie man es besser nicht macht.
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Das Thema war ja nicht Autodidakt vs. mit Lehrer, sondern die naive Annahme, mit zwölf Jahren und ohne klassische Ausbildung könnte man nicht mehr anfangen zu rocken.
Rocken kannst Du in jedem Alter, auch mit 80, das ist kein Problem. Mit guter Anleitung gehts in der Regel schneller.
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ch glaube sich auf einen Lehrer einzulassen ist für mich genau so schwierig, wie die Bereitschaft mich zeitlich an bestimmten Terminen zu binden und mich im hohen Gitarrenalter (man kann ja nur Gitarre lernen, wenn man nicht älter als 3 ist...) noch auf den Lernerfolg und die Lerngeschwindigkeit überprüfen zu lassen...
Erstens kann man jedes Instrument in jedem Alter lernen. Wirklich. Ist nur eine Frage von Willen, sachkundiger Anleitung und realistischen Zielen. Ob Du wenn Du mit 75 am Klavier anfängst noch erleben wirst, selbst ein Beethoven-Klavierkonzert aufzuführen, ist eine andere Frage.
Zweitens muß Unterricht (auch wenn das am Anfang ratsam ist) nicht zwingend jede Woche Dienstag um 4 stattfinden. Abgesehen von Musikschulen, die eine relativ straffe Organisation haben, weil sie ihre großteils minderjährigen Schüler um den Schulunterricht rum betreuen müssen, kannst Du Unterrichtstermine mit den meisten Privatlehrern sehr individuell vereinbaren. Notfalls auch von Woche zu Woche neu. Eine gewisse Regelmäßigkeit ist der Sache allerdings grundsätzlich dienlich. Auch beim Üben. Täglich 5 Minuten bringt weit mehr als alle 14 Tage 8 Stunden. Von da her ist eine gewisse zeitliche Struktur absolut empfehlenswert.
Der Lehrer "überprüft" auch nicht Lerngeschwindigkeit oder Lernerfolg, sondern er beobachtet Dein Lernverhalten und Deinen Lernfortschritt und hilft Dir dann gezielt dabei, diese zu verbessern. Du kriegst da keine Noten oder mußt nen Abschluß bestehen oder sowas. Es zwingt Dich auch keiner, alles so zu machen wie der sagt. Allerdings ist es zumindest am Anfang meistens so, daß er einfach nur Recht hat und man schneller und besser voran kommt, wenn man auf ihn hört. Was einfach daran liegt, daß der das im Idealfall schon seit Jahrzehnten macht und Du erst seit ein paar wochen.