[...]Daher sucht man nach einem Ankerpunkt. Dies kann ein Lied sein welches man kennt. Die Tabs stehen zur Verfügung und ein Rhythmus hat man zumindest ansatzweise im Ohr. Dadurch wird der Lernerfolg messbar, kann er doch mit der Vorlage verglichen werden. [...]
Alles vollkommen richtig bzw. berechtigt.
Aber: Ich rede hier ja nicht von blutigen Anfängern sondern von Leuten, die mit einer unglaublichen Akribie und Energie an *richtig* heftiges Zeugs gehen - und das dann zum Teil ja schon fast erschreckend gut nachspielen. Da wird dann gesweept, economygepickt und von Sechzehntel-Tempi jenseits der 160 geredet, etc. Mir wird da ganz schwindelig, ich könnte diesen Kram nicht mal ansatzweise spielen.
Und da geht's dann ja auch nicht mehr wirklich um Messbarkeit. Ich mein', wenn ich 'ne Steve Vai Nummer spielen kann, dann muss ich da nicht mehr lange rummessen, dann bin ich schlicht und ergreifend technisch schon ganz schön weit vorne.
Und genau an dieser Stelle sehe ich auch einen Vorteil - Feedback von aussen wird möglich, da es eine Vorlage gibt. Nichts andres sind Fingerübungen/Rhythmusübuungen auch - die Du sicher nicht auch verdammen möchtest. Auftrag ist es eine Vorlage 1:1 umzusetzen und zwar nicht weil es keinen anderen Weg gibt, sondern weil es dadurch messbar wird !!!
Erneut gebe ich dir recht.
Aber wie gesagt, wir reden hier nicht von absoluten Anfängern. Und da sieht, zumindest für mich, die Sache ganz anders aus. Das von dir erwähnte Feedback mutiert da zum Selbstzweck, man will sich in den positiven Bewertungen auf YT und Konsorten sonnen.
Aber selbst das muss ja gar nicht schlimm sein...
Was Du in deiner Betrachtung auch ein wenig ausser acht lässt ist, dass das Ziel von Musik lernen nicht nur sein kann um damit Geld zu verdienen.
Ganz im Gegenteil. Das steht sogar quasi im Zentrum meine Betrachtung.
Für mich ist das Ziel von Musik lernen, Musik zu machen. Wenn ich aber den Großteil meiner Zeit mit dem exakten kopieren irgendwelcher Werke verbringe, dann mache ich keine Musik. Ich spiele dann bestenfalls Musik. Das ist ein für mich nicht zu verachtender Unterschied.
Da ist es zwar schön, wenn man auch was eigenes einstreuen kann, aber die gute Stimmung kommt vom gemeinsamen Liedgut bei dem jeder mitsummen/singen kann. Einen Teil zu einem gelungenen Abend beigetragen zu haben, rechtfertigt für mich auch das Lernen/Nachspielen von Songs. Der künstlerische/kreative Ansatz bleibt da bewusst im Hintergrund.
Erneut gebe ich dir recht. Aber: Es werden am Lagerfeuer selten Dinge 1:1 nachgespielt. Schlagzeuge gibt's da eher nicht so oft, auch an Keyboards, Bässen und dgl. herrscht üblicherweise Mangel.
Wir reden da von Interpretationen, nicht von Mimikry, erneut ein sehr großer Unterschied.
Nö mach ich nich.
Weil ich hab nie gesagt mit ALLEN, wenn du Rock spielen willst hörst du dir eben Rockbands an und guckst was der gitarrist wie spielt.
Na klar. Aber wozu ihn 1:1 kopieren?
Es gibt reichlich Videos jedes x-beliebigen Gitarrenhelden, in denen er Covert. Findet man ein Video aus der Jugendzeit (z.B. Joe Bonamassa) klingt das wie "Nachgespielt" - macht er es heute, klingt er wie Bonamassa. Er hat über die Kombination von Nachspielen, dadurch Lernen und sich selbst weiterentwickeln seine Art definiert. Es war also offensichtlich nicht umsonst !!!!
Martin, ich bitte wirklich zu unterscheiden zwischen Covern a la Interpretation und Mimikry a la 1:1 Nachgespiele.
Gecovert haben die Jungs wirklich alle. Samt und sämtlich.
Dagegen spricht ja auch nicht das kleinste bisschen, man hat eine Vorlage, an der man Geübtes Stück für Stück anwenden kann. Gerade als Nicht-Komponist (wie ich selber mehr oder minder) bin ich darauf angewiesen, auch so zu arbeiten.
Aber wie gesagt, da reden wir von zwei sehr unterschiedlichen Dingen.
Mit deiner Eingangsbemerkung machst du also eine - nach meiner Meinung - unzulässige Unterstellung, denn nur weil jemand etwas Nachspielt, bedeutet dies nicht, dass er das Thema nicht in einem zweiten Schritt weiter entwickelt. Und der kreative Freiraum definiert sich eben nicht nur aus dem "was" gespielt wird, sondern auch wie und mit welchen Nuancen.
Also, unterstellen wollte ich sowieso gar nix. Aber wie ja jetzt schon mehrfach gesagt, ich glaube, was ich mit Nachspielen meinte, war nicht das Nachspielen, das du meintest.
Und wie jemand bei seinem Hobby seinen Spaß findet, weiß jeder wohl selbst am besten. Wenn das Kopieren, Nachspielen, Covern Spaß macht, ist das Ziel erreicht. Wenn es mich lerntechnisch nicht weiterbringt, ich sonst keinen Nutzen habe, ich auf der Stelle trete und nicht vorankomme: Auch wurscht, solange das ganze Spaß macht.
Bevor mich jemand falsch versteht: Ich habe nicht einmal ansatzweise die Absicht, jemandem den Spaß an welchen Formen des Zeitvertreibs auch immer zu vermiesen. Das würde ich mir auch verbitten - kann ja nicht sein, dass irgendso'n Internet-Schmock mir plötzlich sagt, wie kacke mein geliebtes Hobby plötzlich sein soll.
Mir geht es nur darum: Ich verstehe es einfach nicht.
Wenn man irgendwelche dieser vorwiegend (hard-)rockigen Soli, Riffs, Etüden und dgl. einübt, dann erfordert das eine ganz ungeheure Arbeitsleistung und Disziplin.
Ich bin relativ sicher, dass, würde all diese Zeit und Disziplin in andere Dinge gesteckt werden, wir eine erheblich größere Anzahl an vielleicht recht erfrischenden Audiobeiträgen zu hören bekämen.
Und beantworte mir doch bitte folgende Frage. Du gibst Unterricht und ein Schüler von dir erhält den Auftrag eine Übung (Noten oder Tabs ist egal, Kern ist es, dass es eine feste Von dir definierte Vorlage gibt) zu spielen. Ich gehe mal davon aus, dass du an dieser Stelle keine eigene Interpretation duldest - oder?
A) Da geht es dann um eine Übung und seltenst um ein komplettes Stück. B) Ich dulde durchaus gewisse Interpretationen bzw. gebe immer mehrere Übungen mit auf den Weg, zwischen denen man quasi wählen kann.
Gruß
Sascha