Schon die Prämisse, ein Gitarrenkorpus schwinge nicht, sondern dämpfe nur, ist physikalisch unhaltbar.
Jedes Teil einer Gitarre tut beides,
sowohl selbst schwingen
als auch dämpfen. Berührt man keine Saite, sondern klopft auf den Korpus, versetzt natürlich zuerst diesen, und dann über die Ankoppelung an Hardware und Holz auch die Saite in Schwingung. Umgekehrt regt natürlich auch die Saite (und, nicht zu vergessen, die ebenfalls schwingende Luftsäule) den Korpus an.
Tatsächlich ist das eine vom anderen nicht zu trennen, denn um eine Schwingung zu dämpfen, muss ein Körper selbst schwingen. Die Dämpfung bezeichnet nämlich nichts anderes als das Maß der Schwingungsenergie, die er
beim Schwingen verzehrt (bzw. durch innere Reibung in Wärmeenergie umsetzt, um dem Energieerhaltungssatz die Ehre zu geben).
Ein Gitarrenteil, das nicht schwingen würde, könnte gar nichts dämpfen.
Es handelt sich bei einer Gitarre um ein komplexes schwingendes System, das aus verschiedenen Teilen und Materialien mit unterschiedlichen Verbindungstechniken zusammengesetzt ist. Unter den verschiedenen Materialien ist das Holz dann auch noch das am wenigsten homogene, da es nicht wie Metall eine geshlossene Struktur hat, sondern aus lauter kleinen Zellen besteht, die wiederum festere und weichere Zonen sowie Zwischenräume aufweisen und mit Resten der früher darin vorhandenen Pflanzensäften gefüllt sind.
Akustikgitarre und Solidbody unterscheiden sich dabei nicht im physikalischen Prinzip, sondern nur graduell. Sowohl die "Swinger"
als auch die vermeintlich nüchternen "ich pfeif aufs Holz"-Jünger werfen allerdings oft etwas ganz anderes mit in den Topf, wenns ums Schwingen geht, nämlich die akustische Lautstärke. Das ist wieder eine andere Baustelle, denn die akustische Lautstärke bzw. Effektivität bei der (unverstärkten) Erzeugung von Schall fußt wiederum auf anderen Materialeigenschaften als das Maß der Dämpfung.
Zurück zum Thema im engeren Sinne: Wie erwähnt ist Holz in sich recht inhomogen. Das macht seine innere Struktur aber auch veränderlich bzw. beeinflussbar. In welchem Maß, ist auch wieder individuell verschieden, abhängig davon, wie hart es ist, wie großporig, wie harzig, welche Stoffe in welchem Verhältnis im Pflanzensaft enthalten waren, als er noch floß (die sind ja nicht einfach weg) usw. Und an dieser Stelle kommt die Chladnische Platte wieder ins Spiel: von der inneren Zusammensetzung ist es eben auch abhängig, wie anfällig die Strukuren für das Sich-Ordnen durch Schwingungen sind und wie stabil diese Neuordnung dann ist. Und das wird eben
doch Einfluss nehmen auf das Klangergebnis, denn sind diese Strukturen erstmal da, erfordert ein erneuter Schwingungsvorgang gleicher oder ähnlicher Art weniger Aufwand bzw. das Material setzt diesem weniger Widerstand (=Dämpfung) entgegen.
Es ist schon klar, dass wir uns hier nicht im Bereich fundamentaler Unterschiede bewegen, aber eben doch in den Feinheiten, die den Unterschied zwischen einer als in der Tonbildung widerspenstig empfundenen und einer leichtgängigen Gitarre ausmachen können. Das gilt durchaus auch innerhalb desselben Instruments, und so werden die viel gebrauchten Register mit der Zeit auch besser, während wenig bespielte Regionen oft etwas tot klingen, wenn sie mal ausnahmsweise besucht. Auch klar ist allerdings, dass nicht jeder für solche Subtilitäten empfänglich ist. Es gibt Spieler, die können einfach auf allem spielen und nehmen solche Unterschiede nicht wahr, geschweige denn als störend. Und dann gibt es wider Leute, die kaufen eine viel gespielte Gitarre, deren Klang sie toll finden, und nach ein paar Monaten klingt sie irgendwie gar nicht mehr so wie am Anfang. Einbildung? Ich fände es ziemlich hochmütig, so eine Diagnose zu stellen, nur weil man selber keinen Unterschied wahrnimmt.
Ich denke halt, dass man nicht auf die jeweils andere Fraktion herab schauen sollte. Das wäre mMn ähnlich dämlich wie ein Heuschnupfenpatient, der Gesunde für stumpf und unsensibel erklärt oder umgekehrt, wenn die ihn auslachen, weil er wegen ein paar Pollen heult, die man nicht mal sehen kann. Jeder Jeck ist anders.
Gruß, bagotrix