Ich finde das psychologische Wechselspiel das hier unbewusst stattfindet höchst unterhaltsam.
Einmal werden Aussagen getroffen die meine Annahmen untermauern, dann wieder wechseln die Meinungen zu einer Person über die meine Ansichten gar nicht teilen kann. Kurz vor Schluss sind sich dann alle einig, dass sie sowieso das Selbe meinen und am Ende wird der Diskussionsgegner auch noch ins angebliche Boot geholt in dem wir eh alle sitzen.
So, nun zurück zum Thema:
Nein wir meinen tatsächilch nicht alle das Selbe. Ich bin fest davon überzeugt, dass man Emotionen in die Stimme bekommt in dem man sich eben im Geiste, man könnte auch sagen vor dem Inneren Auge, vorstellt wie die Stimme sich verfärbt, wenn wir bestimmte Emotionen damit verbinden.
Dass das wunderbar funktioniert, könnt ihr ganz einfach feststellen in dem ihr euch eine Situation vorstellt in der ihr euch sehr über einen Menschen geärgert habt und ihm eure Meinung mitgeteilt habt. (Wie klang die Stimme, wie war die Lautstärke, das Tempo, die Betonung bzw. der Tonfall)
Nun versucht diese Stimme die ihr in eurem Geist hört nach zu ahmen und zwar so lange bis ihr ein Ergebnis habt von dem ihr zufrieden sein könnt.
Ihr könnt das anfangs machen in dem ihr die selben Emotionen in euch weckt die ihr in der Situation die ihr euch vorstellt tatsächlich gehabt habt.
Dann versucht folgendes (für euch mags verrückt klingen, für mich ist es ein rationaler Prozess):
Sprecht im selben Tonfall (Tonfarbe, Tonklang, Lautstärke, Betonung und Tempo) und das ohne, dass ihr selber etwas dabei empfindet. Ich bin davon felsenfest überzeugt, dass es funktioniert. Der Zuhörer interpretiert dann in eure Stimme Emotionen rein (die ihr selber in dem Moment nicht empfindet). Das Ziel als Sänger ist es also, dass das Publikum diese Emotionen wahr zu nehmen glaubt, nicht, dass ihr selber diese Emotionen habt.
Freude an der Beschäftigung als Musiker (oder wie ich es sehe: SINNhaftigkeit) hat nichts damit zu tun, dass ihr euch genau so fühlen müsst wie ihr es vor dem Publikum zum Ausdruck bringen möchtet.
Zu der Frage was ich empfinde, wenn ich Musik von Kamelot bzw. die Stimme von Roy Khan höre:
Er schafft es perfekt mit seiner Stimme so zu arbeiten, dass bei mir als Zuhörer die Illusion entsteht, dass Emotion in der Stimme mitklingt. Dass es nur eine Illusion ist, muss mir nicht bewusst sein bzw. sollte mir nicht bewusst sein. Dass es aber natürlich nur eine Illusion ist, wird bei genauerem Überlegen verständlich: Ich kenne diesen Menschen nicht, wir haben keine Beziehung zu einander; Er ist ein perfekter Sänger der den perfekten Umgang mit seiner Stimme beherrscht und dadurch die Zuhörer in seinen Bann zieht.
Konsequenz: Ein Sänger der sich nicht von dem distanzieren kann was er beim Publikum zum Ausdruck bringen möchte und gerne melancholische Lieder singt, wird davon irgendwann selber zum melancholischen Wrack. Wenn ich ständig singe, dass ich die Person verloren habe die ich am meisten geliebt habe und das während des Singens empfinde, schaffe ich es irgendwann nicht mehr. Das ist nur natürlich -> emotionale Überlastung
Genau darum schätze ich das Thema für wichtig ein. Wenn Schülern gesagt wird: Du musst das was du singst auch empfinden, werde ich hellhörig, halte es für die Psyche der Schüler für gefährlich, weil sie mit einer nicht realen Situation Gefühle in Verbindung bringen die sehr real sind. Ein ähnliches Phänomen haben wir bei der klassichen Klaustrophobie: Die Angst gilt nicht den engen Räumen sondern die Angst gilt der Angst vor engen Räumen. Eine surreale Angst die aber die Menschen in ihren Handlungsfreiräumen einschränkt und irgendwann immobil macht.
---------- Post hinzugefügt um 19:43:54 ---------- Letzter Beitrag war um 19:40:23 ----------
Nein. Darüber, dass man sich bewusst für eine bestimmte Technik/ einen bestimmten Stimmklang entscheiden muss, ist man irgendwann nämlich hinweg. Da weiß man, was man transportieren will und kann die Stimme entsprechend modulieren und das geschieht absolut intuitiv, ohne dass man sich denkt "achja, wenn ich traurig klingen will dann senke ich am besten den Kehlkopf möglichst tief, verlagere den Stimmsitz etwas nach hinten und ein bisschen Vibrato kann auch nicht schaden." In dem Moment, in dem du deine Konzentration darauf lenkst, wird das auch ein Außentstehender merken - weil du genaugenommen nicht mehr bei der Sache (dem Lied) bist.
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Mein Problem scheint zu sein, dass mich die Hälfte bzw. der Großteil der Diskussionspartner nicht versteht. Natürlich sollte man nicht auf der Bühne stehen und erstmal überlegen: Wie ging das jetzt nochmal, ach und dann mach ich dies und Jenes
Das ist HÖCHST unprofessionell. Das ALLES lernt man im Lernprozess: Das ist der Weg vom Gesangsschüler hin zum professionellen Sänger. Es geschieht automatisch. Das selbe ist es beim Laufen: Wenn ich jedes mal daran denke welche Muskeln angespannt, bewegt werden müssen und dass ein Fuß vor den anderen gesetzt gehört und dabei das Gewicht verlagert wird, werde ich nicht weit kommen. Aber so etwas geschieht unbewusst.