Also ich geh noch mal auf alles ein:
A) "es sind alles Simulationen" ... ähm ...ja, ABER muss eine Simulation zwingend schlechter als das Original sein? Sicher nicht, da man eben die Sachen die beim Original einfach nicht gut waren durch tweaken ausmerzen kann. (Bestes Beispiel Versuch mal einen alten Plexi leise den vollen Sound rauszukitzeln ...da wird man sich schwer tun ..oder generell bei einem Amp was zu verändern was außerhalb des EQs liegt ...das geht beim Amp nur mit Modding und beim kemper mit zwei oder drei Drehern an einem Regler)
B) ist der Kemper komplizierter als ein "normaler" Amp? Jein ... Wer sich damit begnügt irgendwelche Profile aus dem Rig-Manager zu laden oder welche irgendwo zu kaufen und diese einfach nur der eigenen Gitarre mit dem EQ und dem Volume etwas anpasst, macht auch nicht mehr als jeder Vollröhrenvertreter am EQ seines Amps und das ist gleich einfach. Wenn ich aber wirklich nur ein Amp-Modell als Vorlage verwende und mir ein komplettes Profil mit Effekten, Tweaken, Cabinets usw usw usw erstelle und hinterher auch noch will, dass der Sound dynamisch, plastisch und überzeugend gut wird, dann wird die Bedienung doch komplizierter und man kann dann sogar Stunden an nur einem einzigen Profil verbringen (da rede ich aus Erfahrung).
C) Wer seinen persönlichen Sound für sich gefunden hat, der soll darauf stolz sein und soll verwenden was ihm gefällt. Wer sagt Kemper ist genau mein Ding: super! Und wer sagt ich stehe nach wie vor auf den guten alten Röhrenamp mit Cabinet drunter und dazu einfach ein paar Einzeltretminen dazu: auch super! Heutzutage hat für mich beides seine Daseinsberechtigung und das eine wird ohne das andere nicht können! Der Kemper braucht echte Amps als Vorbilder um diese profilen zu können und die Macher von echten Amps müssen auch wieder mehr Qualität an ihre Produkte legen bzw. neue Sounds kreieren oder alte verbessern. Nicht umsonst schmeißen die Ampschmieden jedes Jahr neue Versionen, Reissues oder ein neues Ampkonzept auf den Markt, da mit den alten Produkten sonst auch irgendwann der Markt übersättigt wäre.
D) Erleichtert der Kemper die Suche nach dem persönlichen "Dreamsound"? Ganz bestimmt! Man kann halt einfach Profile eines Amps laden, der einen interessiert, sich durch unzählige Effekte tasten usw und am ende wird man dann zwangsläufig auch bei bestimmten Amps oder was auch immer hängen bleiben. Wenn ich daran denke wie viel Geld ich rausschmeißen musste (ich fing mit der Gitarre an, als Modelling in der Qualität wie heute nicht gab und Dinge wie der Kemper einfach utopische Phantasie war), um die Sounds zu finden, die mir gefallen. Allerdings merkte ich auch schnell, dass ich nicht der Typ für nur einen Sound bin oder der nur einen bestimmten Sound geil findet. Die Bandbreite an Sounds die ich durch Jahre langes Live spielen und Studioarbeiten richtig gut finde und auch zu mir passen ist so breit, dass ich wahrscheinlich zwei Häuser verkaufen müsste, um mir das ganze Gear in real zu holen (nicht mit eingerechnet was ich schon alles an Geld in Gear investiert habe). Da erlaubt Kemper oder andere Modellinglösungen vor allem auf der Bühne seinen Sound genau so zu gestalten, wie man es will. Ich möchte nicht mit einem HiWatt, Soldano 100, Vox AC30, einem H&K und Fender TwinReverb auf die Bühne müssen, geschweige denn das alles schleppen und dann ein Pedalboard noch mit dazu bauen, was aus mindestens 30 Einzeltretern bestehen müsste.
E) hat der Kemper auch Nachteile? Sicherlich! Außer der Optik die in der Rackversion noch erträglich ist (ja ich bin auch kein Fan von der Toasteroptik und dennoch mag ich den Kemper), fällt und steht vor allem der Sound mit den Profilen. Der eigene Röhrenamp plus Cabinet klingt eigentlich immer "gleich" bzw. je nach örtlichen Gegebenheiten und eigenem Tagesgehör eben minimal anders, aber das lässt sich schnell korrigieren. Aber ein schlechtes Profile live ist eine Katastrophe! Das lässt sich nämlich nicht einfach mal schnell ändern oder anderweitige tweaken, so dass das dann wieder passt. Und wenn die Grundsubstanz unbefriedigend ist (sprich das Amp-Profile), dann wird auch nach noch so viel tweaken kein toller Sound am ende bei rauskommen. (Schon alleine deshalb investiere ich sehr sehr viel Zeit in das erstellen meiner eigenen Profile und verzichte nahezu fast vollständig auf den Rig-Manager und kaufe mir lieber für teuer Geld richtig gute Profile bestimmter Amps in professioneller Studioqualität und bearbeite diese dann)
F) Und letzten Endes: Warum muss das Thema "Kemper vs. Röhrenamps" immer so ausarten??? In JEDEM Thread in dem der Kemper zur Sprache im Vergleich zu Röhrenamps kommt, gibt es immer nur Gebashe und das traurigerweise von beiden Lagern! ...Es ist echt nicht mehr lustig.... Kann man nicht einfach mal akzeptieren, dass unsere Welt sich auch immer weiter dreht und die Technik vor nichts halt macht und sich rasend schnell weiter entwickelt? Vor 10/15 Jahren war an Kemper oder andere Modellinglösungen in der Qualität wie heute einfach nicht zu denken. Heute sind sie ein gleichwertiger Bestandteil zu der Jahrzehnte alten Röhren- und Transistortechnik. Dennoch finde ich es schade, dass manche (nicht alle!!!!) Puristen immer noch auf den modernen Ansätzen zur Tongestaltung drauf herum hacken. Ebenso sollen die Kemper-User doch auch einfach mal akzeptieren, dass das Teil wirklich nicht für jeden etwas ist und nicht versuchen immer irgendwelche "Bekehrungsdiskussionen" zu führen. Wer einen kemper will, kauft sich einen und muss akzeptieren, dass Kemper ohne Röhrentechnik nicht funktioniert, da es sonst einfach keine Amps geben wird, die man profilen könnte oder deren Profile man sich aus dem Rig-Manager laden kann. Auf der anderen Seite sollten auch die Röhrenjünger froh sein, dass es sowas wie den Kemper gibt, der Sounds auch für die nächsten Generationen an Musikern archiviert. Und zwar der Sound "eines bestimmten Amps mit einem bestimmten Cabinet"! Und genau dieser eine Amp könnte eben auch irgendwann mal drauf gehen, so dass eine Reparatur nicht mehr machbar oder einfach unwirtschaftlich teuer wird. Was macht man? Man kauft sich den gleichen Amp wieder (wenn es diesen noch auf dem Markt gibt) und stellt dann später fest, dass der neue Amp einfach irgendwie anders klingt, als der vorherige.
Und jetzt: BIER!