Aber auch da hab ich dann zum "2-Poti-Amp" nichts mehr gesagt, obwohl es natürlich Humbug ist so einen als generelles Ideal darzustellen, dafür hat er einfach zu deutliche Nachteile.
Ich hatte es nicht so aufgefasst, dass irgendjemand einen puristischen Einkanaler als generelles Ideal dargestellt hat. Ich dachte, das wäre lediglich ein Beispiel, um zu zeigen, wie wenig komplex ein Amp sein kann. Und das ist ja auch okay.
Ich fand dagegen den Verweis auf das Handbuch eher etwas unglücklich, weil ein dickes Handbuch nicht unbedingt auf mehr Komplexität verweisen muss. Beispiel: Hersteller A hat ein zehnseitiges Handbuch, aber in der Praxis gestaltet sich der Umgang mit seinem Produkt schwierig. Hersteller B hat ein dickes Handbuch, weil sein Gerät jede Menge schlauer Zusatzfunktionen hat, die den Umgang im Alltag erheblich erleichtern, aber halt auch irgendwo beschrieben werden müssen, was Platz kostet und das Handbuch dicker macht. Was uns deutlich zeigt: Komplexität im Sinne von "viele Wege führen nach Rom" ist nicht notwendigerweise von Übel. Der Hersteller hat halt an alle möglichen Szenarien gedacht, was ich als sehr positiv bewerten würde. Ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen: RTFM und erspare dir sehr viel Müh- und Trübsal.
Generell habe ich bei diesen Vergleichen allerdings immer so ein bisschen das Apfel-Birnen-Problem. Es stimmt, dass man mit einen Kemper oder einem Axe-FX (da ist es vielleicht sogar noch offensichtlicher) sehr simpel umgehen kann. Und wenn jemand das Teil z.B. mit ein, zwei Profilen spielt und sein altes Pedalboard davor knallt, weil es genau das ist, was er möchte, ist das total in Ordnung. Aber: Seien wir mal ehrlich. Eigentlich sind die Dinger dafür nicht gedacht. Diese Arten von Modellern wollen All-In-One-Lösungen sein (oder sich dem zumindest annähern) und im Idealfall ein komplettes Setup inklusive eines fetten Pedalboards ersetzen können. Sie ersetzen ebenfalls die Mikrophonierung und bieten sich damit als ultimative Übungs-, Gig- und Recording-Amps mit den Möglichkeiten an, jede Einstellung komplett speichern und blitzschnell wieder laden zu können.
Das muss nicht heißen, dass jeder Käufer die Teile so verwenden muss, aber für mich ist das der Knackpunkt der Apfel-Birne-Sache und vielleicht sollte ich es so formulieren, dass ein immanentes Merkmal dieser Geräte ihre Vielseitigkeit und ihr Potential ist (egal, ob es genutzt wird oder nicht): Ein Kemper ist nicht für
ich-hab-meinen-Sound-schon-gefunden-und-bin-glücklich-damit- oder
alles-was-mehr-als-3-Bedienelemente-hat-ist-zu-schwierig- oder
ich-dreh-alles-auf-10-und-hab-meinen-Sound-Typen da. Deswegen macht es a) keinen Sinn, diese Leute davon überzeugen zu wollen, dass der Kemper das Knie der Biene ist, und b) auf der anderen Seite aber alles total irrelevant, was diese Leute sagen, wenn
du halt der Kemper-Typ bist und ganz andere Anforderungen hast. Man wird da im Regelfall einfach aneinander vorbeireden.
Also das sehe ich schon anders. Wie ich oben schon schrieb, ich finde nicht, dass man den Kemper auf "klingt 100% wie der profilierte Amp" reduzieren sollte. Mir ist das ziemlich schnuppe, ich sehe ihn einfach selbst als hochwertigen Amp. Aus diesem Grund finde ich den direkten Vergleich mit den Vorbildern auch gar nicht mal sooo interessant, wenn dann eher unter dem Aspekt, ob die "Spielqualität" gleich ist, also vor allem das Spielgefühl. Ob da im Klang minimale Unterschiede sind oder nicht finde ich zweitrangig.
Ich bin da ganz deiner Meinung. Ich habe zum Beispiel zu Hause immer noch einen ganz billigen Modeller von Zoom (hatte ich auf ebay vor 2 Jahren oder so für 20 € gekauft), der so einen geilen, schmatzigen Chorus und ein paar andere abgefahrene Effekte hat, dass es mir völlig egal ist, woher der Sound kommt oder ob er irgendein Original genau abbilden kann. Wahrscheinlich finden viele andere diese Sounds fürchterlich digital und was weiß ich noch alles, aber mir gefallen sie und das ist es, was für mich zählt.
Aber: Die Frage, wie gut das Profil eines KPA das Original abbildet, ist für viele Leute schon so etwas wie eine grundsätzliche und völlig legitime Messlatte. Der Hersteller tritt ja mit dem Anspruch auf, sein Produkt könne eine perfekte klangliche Kopie eines Setups liefern. Da ist es also absolut gerechtfertigt, dass die Leute das Gerät auch daraufhin kritisch abklopfen - ganz besonders dann, wenn der Kemper eine Investition darstellt, die sich für den Käufer auszahlen muss.
Aber ich empfinde es schon, dass einem mit der Meinung, dass der Kemper auch guten Röhrenamps in Spieldynamik und Klang in nichts nachsteht, gehörig Gegenwind ins Gesicht weht.
Mag sein, aber da kann ich dir nur den Tipp geben: Kurz kontern, dann ist gut. Weißt du, alleine die Dynamik verschiedener Röhren-Amps ist derart unterschiedlich und du kannst Profile mit dem Kemper derart fein abstimmen, dass jede
Pauschalbehauptung, nach der der Kemper das
generell nicht kann, einfach Bullshit ist. Vielleicht klappt es nicht in jedem Fall, aber angesichts seiner wachsenden Beliebtheit auch unter anspruchsvollen Käufern drängt sich der Verdacht auf, dass er es in sehr vielen Fällen offensichtlich gut genug macht.