Wer sucht, der findet:
Es gibt einen "
Holz-Klopftest"!
Allerdings nicht mit elektrischen Gitarren, sondern mit akustischen Geigen.
Michael Baltrusch und Guter Ziegenhals vom Institut für Musikinstrumentenbau an der TU Dresden führten dieses Projekt zwischen 1999 und 2003 durch, veröffentlicht wurden die Ergebnisse im August 2012.
... Die Beurteilung der Qualität von Resonanzholz erfolgt durch die Handwerksmeister, wobei die Kriterien, die sie dabei anlegen, traditionell weitergegeben wurden oder sich auch empirisch als bedeutend herausgestellt haben. Die Rohlinge werden im Wesentlichen nach optischen Gesichtspunkten bewertet. Besonderer Wert wird auf den Jahrringbau gelegt, der gleichmäßig sein sollte. Die Vorstellungen von optimalen Jahrringbreiten schwanken etwas ...
Die Erfahrungen von Handwerksmeistern zeigen aber auch, dass diese Kriterien noch keine Garantie für hochwertiges Klangholz sind.
Deshalb wird versucht, durch subjektive Klopftests eine weiterführende Einschätzung der Qualität zu gewinnen. Man kann mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass erfahrene Geigenbauer aus dem wahrgenommenen Klopfton und dem gefühlten Gewicht der Deckenrohlinge relativ genaue Vorstellungen zu Dichte, Elastizitätsmodul und Dämpfung des Holzes ableiten können. Andererseits besagen insbesondere bei Reparaturen sehr guter Instrumente gewonnene Erkenntnisse, dass viele Instrumente, auch viele hochwertige Geigen bekannter Meister, aus Hölzern gefertigt wurden, die weit von dem vorgestellten Optimalbereich entfernt sind. Daher stellt sich die Frage: Gibt es objektive Kriterien, die die Qualität von Resonanzholz für Streichinstrumente, insbesondere für Geigen, beschreiben und welche sind dies? ...
In den Untersuchungen wurden verschiedene akustisch relevante Eigenschaften von Hölzern am Rohmaterial bestimmt. Aus den Kanteln wurden Decken und Böden für Geigen gearbeitet und schliesslich Geigen gefertigt. Im Laufe des Herstellungsprozesses wurden die Schwingungseigenschaften der Decken und Böden in unterschiedlichen Verarbeitungsstufen gemessen. Zum Schluss wurde das fertige Instrument akustisch untersucht.
... Wie bereits erwähnt, sollte das subjektive Urteil durch Musiker die Qualität der Instrumente und damit indirekt die Holzqualität bestimmen. Ein umfangreicher subjektiver Spieltest der Instrumente durch professionelle Musiker rundete daher die Untersuchungen ab. Auf die Qualitätseinstufung der verwendeten Hölzer wurde letztendlich von der im Spieltest ermittelten klanglichen subjektiven Bewertung der Instrumente geschlossen.
In den objektiven Untersuchungen und bei subjektiven Spieltests wurden gleiche Saiten verwendet; es wird davon ausgegangen, dass die Herstellungstoleranzen der Saiten für den Spieltest vernachlässigbar sind. ..
... Ausgangspunkt der Untersuchungen bildeten je 50 Boden- und Deckenkantelpaare. ...
Die Hölzer, als Decken- bzw. Bodenplatten, wurden im reflexionsarmen Raum an zwei Punkten hängend befestigt. Die so frei schwingenden Platten wurden mit einem Impulshammer an einer geeigneten Stelle zum Schwingen angeregt, wobei der Kraftimpuls, der beim Aufschlagen des Hammers auf die Platte wirkte, gemessen wurde. ...
Ergebnis?
... Die Ergebnisse der Korrelationsanalyse zwischen subjektiver Beurteilung der Instrumente und den Eigenschaften des Holzes weisen nicht für alle subjektiven Merkmale signifikante Werte auf, die einen Zusammenhang nahe legen würden. Einer der gefundenen Zusammenhänge betrifft die Bewertung der Ansprache und die Dichte der Decke. ...
... lässt sich erkennen, dass Decken mit großer Dichte geringfügig besser bewertet wurden. Dieser Trend ist jedoch so schwach, dass nicht sicher ist, ob er einem umfangreicheren Test standhalten könnte. Wir können jedoch annehmen, dass eine leichtere Decke zu einer eher schlechteren Ansprache führt. ...
... wird die relativ schwache Ausprägung der Zusammenhänge deutlich. Mit geringerer Tendenz werden biegesteifere Böden ein besseres Klangvolumen im Bereich der tieferen Saiten ergeben. ...
... Unklar ist jedoch, welchen Anteil an der Gesamtdämpfung die Abstrahlung der Luft bei einer Geige hat. ...
Eine Anmerkung, die leider immer nötig ist: Es ging um akustische Instrumente - elektrisch verstärkte Instrumente funktionieren nach einem anderen Prinzip. Gerade diese Tatsache legt allerdings nahe, dass bei ihnen deshalb der Einfluss des Holzes auf den Klang noch geringer eingeschätzt werden muss. Wenn nun schon bei akustischen Instrumenten nur sehr geringe oder undeutliche Tendenzen auszumachen sind, die zudem nicht bei allen Merkmalen auftreten, kann man wohl davon ausgehen, dass hier die Bereiche Optik, Akustik, Psychoakustik und Psychologie zusammenspielen. Wie hoch die jeweiligen Anteile sind, wäre eine andere Untersuchung wert.
Instrumentenmacher haben in ihrer
Ausbildung u.a. die Fächer Musikwissenschaften (Musikgeschichte) und Akustik (Technische Mechanik,
Musikalische Akustik, Meßtechnik, Klanggestaltung) auf dem Lehrplan. Man darf also annehmen, dass sie auch in der Lage sind, moderne wissenschaftliche Erkenntnisse
anzuwenden, die über handwerkliche Gepflogenheiten aus den letzten Jahrhunderten hinausgehen. Es fehlt nur noch das Fach Elektrik, dann könnte im Rahmen der Ausbildung dafür gesorgt werden, dass der aktuelle Stand der Technik gelehrt wird.
Die Handwerkskammer Düsseldorf bietet ab Oktober 2013 eine zehnmonatige, staatlich anerkannte(!) Fortbildung zur "
Geprüften Fachkraft für Gitarrenservice HWK" an. Walter Kraushaar hat den Lehrplan dazu erstellt, was hoffen lässt, dass dort Handwerk und nicht Voodoo auf dem Stundenplan steht.
Moderne Geigenbauer sind schon länger so weit:
Martin Schleske, der als einer der wichtigsten Vertreter seines Fachs gilt und international als "Stradivari des 21.Jahrhunderts" gehandelt wird, hat neben seiner Instrumentenmacherlehre ein Physikstudium als Diplomingenieur abgeschlossen. Ein Wissen, das er auch anwendet: "In Vielem kann meine Forschung das jahrhundertealte empirische Wissen der Väter des Geigenbaues nur bestätigen. Doch nur dann, wenn überliefertes Wissen durch eigene Erfahrungen belebt und weitergeführt wird, entsteht etwas Besonderes und Authentisches."
Warum ausgerechnet bei elektrisch verstärkten Instrumenten seit einigen Jahren wissenschaftliche Prinzipien verleugnet und subjektivistische Ansichten bevorzugt werden, die die Aussagekraft der bekannten Bauernregel "Kräht der Hahn auf dem Mist ändert sich's Wetter - oder's bleibt wie es ist." haben, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Wahrscheinlich weil es sonst zu einfach wäre!