Mir geht's auch eher wie Foxx.
Vielleicht sind wir deshalb auch beide tendenziell eher in der Lage, zu erkennen, ob jemand einen Fake Belt in der Randstimme macht oder nicht - wir wissen eben von uns selbst, wie krass der Unterschied leider immer noch sein kann. broeschies meinte ja auch schon ein paar mal, zwischen c' und fis' wäre der Unterschied zwischen Vollstimme und Randstimme mit Twang marginal (ich hoffe, ich habe ihn da jetzt richtig wiedergegeben, sonst tut's mir Leid
). Das geht mir leider ganz anders; wenn ich bei einem Power Metal-Song dann auch schonmal bei e' oder fis' in die Randstimme mit Twang wechsele, hört sich das gleich leichter und heller an, geht natürlich auch viel einfacher, ist aber eben auch bei weitem nicht so dramatisch.
Das ist schon ein relativ eindeutiges Zeichen, dass du ins Falsett wechselst und zu wenig TA benutzt. Rob sagt in den Videos nicht umsonst, dass die niedrigen Kopfstimmentöne, also v.a. g', a', h' die schwierigsten sind. Wenn es an dieser Stelle für dich leichter wird anstatt schwerer, dann wechelst du vermutlich ins Falsett. Ich weiß jetzt nicht, welche Version von Pillars du hast. In den früheren Versionen ist die "Übung" zur Aktivierung der TA-Muskulatur das drücken der Zungenspitze gegen die unteren Schneidezähne. In Pillars 2.5 kommt das Appoggio (verstärkt aus dem Rücken singen mit weit vorne liegender Zunge) dazu. In Pillars 3.0 dann das Dampen & Release (die Übung aus obigem Video).
Alle diese Übungen sollen verhindern, dass deine TA-Muskulatur beim Übergang in die Randstimme erschlafft. Und genau durch dieses "nicht-erschlaffen" wird es dann erstmal schwieriger und nicht leichter. Leichter wird es etwa ab e'', weil dort ein Resonanzübergang ist, der die Randstimme besser stabilisiert. Etwa ab a'' (bei manchen Männern erst ab c''') beginnt die "reine Pfeifstimme". Ab da wird es extrem schwierig die TA-Muskulatur nicht aufzugeben. Bei mir klappt es meistens wie gesagt nur bis fis'', von Rob gibt es eine Aufnahme, bei der er in der Pfeifstimme auf a'' mit TA-Aktivität singt. Das ist dann allerdings so laut, dass sein Mikro trotz Kompression und Mikro-Technik übersteuert.
Immherin, den Lautstärkeunterschied zwischen Randstimme und Vollstimme zu überbrücken ist mittlerweile nicht mehr das Problem (habe letztens bei einer meiner Aufnahmen festgestellt, dass ein Part von mir in der Randstimme mit Twang lauter war als der davor gesungene Vollstimmen-Teil
, obwohl auch der schon ziemlich hoch ging - bis a' - und ich dafür auch in der Vollstimme schon entsprechend laut werden musste). Aber den Unterschied in der Klangfarbe merke ich halt trotzdem immer noch, denn wenn ich versuche, einen getwangten Randstimmen-Ton wie einen Vollstimmen-Belt klingen zu lassen, klingt das (wenn es gut läuft) allenfalls mal wie ein Tenor-Belt, hebt sich also immer noch deutlich ab von meiner Stimmfarbe in der Vollstimme (die wohl eher Richtung Bariton geht).
Die Sache mit der Stimmfarbe ist etwas, das du nur bedingt ändern kannst, weil sie von der Form des Ansatzrohres abhängt. Es ist einfach so, dass bei tiefen Stimmen sich die Stimmfarbe um g' ändert. Wenn du ein Bariton bist, wirst du ab etwa a' heller klingen als ein Tenor. Das ist etwas, das du nicht vermeiden kannst. Bei den Klassikern geht es da durch den tiefen Kehlkopf ein wenig weiter, aber auch da klingt ein Bariton normalerweise allerspätestens auf dem hohen c'' heller als ein Tenor (er hat kein "vollstimmiges" hohes c'' im Sinne des Klangbilds).
Die Wahrnehmung des klanglichen Unterschiedes bei mir selbst ist aber sicherlich auch einfach damit verknüpft, dass ich eben bei der eigenen Stimme im Moment des Singens erst recht merke, wann ich in der Randstimme bin und wann nicht (weil die nötige Anstrengung eben so viel geringer ist als in der Vollstimme).
Wie gesagt: Das deutet darauf hin, dass du die Randstimme komplett auf dem Abschlanker singst und den Breitmacher (TA) sausen lässt.
Bei mir ist es zwar mittlerweile so, dass ich, wenn ich in die Randstimme wechsele, tendenziell automatisch zu twangen anfange, weil ich mich halt daran gewöhnt habe (fürs Falsett muss ich den Twang dann absichtlich wieder "abschalten" oder zumindest "herunterfahren, dezimieren"). Dieses Gefühl des "Überlüftens" kenne ich aber auch, nämlich, wenn man von einem hohen Vollstimmenton in die Randstimme wechselt und noch den erhöhten Atemdruck aus der Vollstimme gewohnt ist. Dann muss man sich wirklich aktiv drauf konzentrieren, den Druck noch einmal deutlich zu reduzieren (falls es das ist, was Foxx mit "bewusstem Technikeinsatz" meint).
Das Überlüften passiert meistens, wenn nicht "early" gebridgt wird, d.h. die oberen Modalstimmentöne mit zu viel Masse gesungen werden. Du kannst dir das ganze so vorstellen: Die Tonhöhe kann, ähnlich wie bei einer Gitarre auf zwei verschiedene Arten gebildet werden.
1. Die Spannung wird für höhere Töne erhöht (das entspricht dem Drehen am Stimmwirbel einer Gitarre, höhere Spannung = höherer Ton)
2. Die Masse wird verringert (das entspricht dem Wechsel von einer der dicken Saiten auf eine der dünnen, die dünnen Saiten erklingen höher als die dicken)
Das ganze wird geregelt durch die CT-Muskulatur, die die Stimmlippen "langzieht" und die TA-Muskulatur, die die Stimmlippen "breit zieht". Wenn TA und CT in gleichem Maße wirken, ändert sich die Masse nicht, aber die Spannung wird erhöht. Wenn ein Ungleichgewicht besteht, ändert sich die Masse. Dabei ist natürlich klar, dass es bei beiden Muskeln eine Grenze gibt, wie stark sie angespannt werden können. Die Strategie beim Singen sieht dann so aus.
1. In der Tiefe wird immer CT = TA gehalten und beide werden gleichmäßig erhöht, dadurch erhöht sich die Spannung und somit die Tonhöhe
2. Das "Bridging" ist dadurch gekennzeichnet, dass nur noch CT erhöht wird und TA festgehalten wird, dadurch verringert sich die Masse und die Tonhöhe steigt
3. Irgendwann ist CT aber maximal angespannt, sodass die Tonhöhe nur noch durch Loslassen des TA erhöht werden kann (= Wechsel ins Falsett)
Der Wechsel zwischen Modal- und Randstimme passiert in jedem Fall irgendwo zwischen 2 und 3. Wo genau er passiert hängt von der genauen Höhe von CT und TA ab. Bei 1 schwingen die Stimmlippen im Ganzen, bei 3 nur noch das Epithel.
Was ist jetzt early und late bridging?
early bridging heißt einfach, dass früh in Modus 2 gewecheslt wird (was nicht zwangsläufig heißt früh in die Randstimme), d.h. in einen Zustand CT > TA, late bridging heißt, dass so lange wie möglich im Zustand 1 geblieben wird.
Der Vorgang sieht dann etwa so aus:
early bridging:
- zunächst werden beide erhöht, das geht z.B. bis 75% CT/75% TA (bei TVS wird das bis e' betrieben)
- dann wird erstmal nur noch CT erhöht, wodurch die Spannung weiter steigt, die Masse aber geringer wird (dieser Modus wird etwa bis h' betrieben)
- das geht dann bis 100% CT/75% TA, ab da wird dann TA langsam abgespannt, um die Masse weiter zu verringern, es wird dann zunehmend einfacher, aber nicht schlagartig
- irgendwann ist man dann bei 100% CT/0% TA angekommen, also im Falsett
late bridging:
- hierbei werden die beiden Muskelgruppen voll ausgenutzt, man singt bis 100% CT/100% TA in diesem Modus, das geht dann meist so bis h' und ist das echte "chesty belting"
- Dann wird TA langsam abgespannt
- irgendwann ist man dann auch bei 100% CT/0% TA (= Falsett)
Beim late bridging passiert es sehr leicht, dass die Phonation überlüftet wird, denn es ist extrem schwer das TA kontrolliert und langsam "loszulassen", wenn beide Muskeln unter Vollspannung stehen. Dann passiert es oft, dass TA schlagartig komplett abspannt. Dadurch wird es dann auch wirklich plötzlich und bruchartig leichter.
Diese beiden sind natürlich Extrema. Denn dazwischen gibt es z.B. noch das
"heady belting". Dabei wird ebenfalls "early bridging" gemacht, aber eher so:
- Erhöhung von CT/TA auf 75/75 (bridging bei e')
- Erhöhung von CT bis 90/75
- Erhöhung von CT und TA bis 100/85
- Abspannen von TA bis 100/0
Dieses heady belting ist die absolute Königsdisziplin. Allein die Anzahl der Schritte zeigt schon, dass es komplizierter ist als die anderen beiden. Besonders Schritt 3 ist sehr schwierig. Dieser
Schritt 3 ist der typische Modus, in dem männliche Opernsänger den Bereich zwischen g' und c'' singen.
Die Zahlen sind natürlich ausgedacht, aber es soll das Prinzip veranschaulichen. Man kann sich jetzt auch recht leicht ausrechnen, wie die Masse ist und wie die Spannung sich verhält. Der anstrengendste Modus überhaupt ist das late briding (bei Estill = "Belting"). Dort sind sowohl die Stimmlippenspannung als auch die Masse maximal. Sogar Opernsänger singen mit weniger Masse und weniger Spannung als Belter, weshalb das Belting aus klassischer Sicht auch hin und wieder als schädlich angesehen wird. Klassische Sänger singen sogar schon in Konfiguration 1 mit Tilt (CT > TA), d.h. sie beginnen in der Tiefe z.B. mit 20/10, erhöhen dann gleichmäßig bis 85/75, dann bis 100/90. Dieser Tilt ist auch ein charakteristisches klangliches Merkmal des klassischen Gesangs. Auch klassische Sänger gehen danach meist ins Falsett, was aber mit dem tieferen Kehlkopf und geringeren Twang zu tun hat und nicht mit der TA/CT-Balance.
Falsetto is not your head voice!
Der Wechsel ins Falsett kann mit genügend Trainin nahezu beliebig weit hinausgezögert werden. Trainiert werden muss dabei, die TA-Muskulatur sehr differenziert und genau an- und abspannen zu können. Dann kann man z.B. in einem Modus 100% CT/0,0001% TA singen (übertrieben natürlich), was einen sehr hohen Ton ergibt. Ich habe schon Männerstimmen gehört, die ein c'''' (C7) in Pfeifresonanz in diesem Modus singen. Das ist aber meist eher aus versehen, denn so gut kontrollieren kann kaum ein Mann die TA-Muskulatur.
Hier mal zum Vergleich:
- "Falsetto" (ohne TA) in Pfeifresonanz:
http://www.youtube.com/watch?v=CetS3jJkLZI&feature=plcp
- "head voice" (mit TA) in Pfeifresonanz:
https://www.box.com/s/fowog67bhlt6518xq78u (geht zu 2:54, ein paar Töne später kommt ein c'''' (C7))
Und dann auch noch die Resonanzregister!
Schließlich ist auch noch wichtig, dass die Resonanzregister mit den Virbrationsregistern wechselwirken. Die immer viel zitierte "head resonance" hat bspw. nichts mit dem Tilt (durch CT) zu tun, sondern entsteht aus der Formung des Ansatzrohres. Es ist z.B. möglich mit Abschlanken zu singen, aber gleichzeitig ohne Kopfresonanz. Genauso kann man auch ohne Abschlanken aber mit Kopfresonanz singen.
Es ist aber so, dass die Resonanzregister bestimmte Schwingungsmuster begünstigen. In der Bruststimme (etwa bis c') ist es z.B. nahezu unmöglich eine Schwingung mit CT > TA zu stabilisieren. Man kann darunter zwar randstimmig singen, aber nicht stabil und kraftvoll. In der unteren Kopfstimme (etwa c' bis fis') können sowohl CT = TA (durch starken "Bite") als auch CT > TA (durch "Covering") stabilisert werden. Ab etwa fis' (bei tiefem Kehlkopf etwas höher), kann eine vollstimmige Schwingung nicht mehr stabilisiert werden. Es kann zwar noch höher mit CT = TA gesungen werden, aber die Stimme klingt dann "gepresst" und schwingt nicht frei (kein natürliches Vibrato).