angemessene Theorie für Popularmusik

  • Ersteller gitwork
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Mann Hagenwil... das hat gut getan!!

Das ist ja ein richtiges Dilemma in welchem du dich befindest. Aber wenn ich darüber nachdenke sehe ich keine Lösung dafür wenn man solche Anfänger unterrichtet, ausser das es wahrscheinlich mindestens ein Jahrzehnt dauern würde bis der Hobbyist das alles kennt was ein Berufsschüler in drei Jahren rein büffelt.

So siehts nämlich aus!!

Das Dlemma ist universeller Natur und betrifft die Vermittlung von Musiktheorie in allgemeinbildenden Schulen und Musikschulen.

Ein Beispiel:
Ich hab mich neulich mal in den Harmonielehreunterricht der "Modern Guitar School" an der ich unterrichte gesetzt und mußte mir von einem furztrockenen Theorielehrer, der gerade leitereigene Akkorde an die Tafel gemalt und mit Funktionen versehen hatte, (die in Italien noch mal ganz anders bezeichnet werden als in Deutschland) anhören, das 90% der Popularmusik auf Dominant-Tonikaverbindungen zurückgeführt werden können.
Mann, wenn mein Italienisch nicht so mies wäre, wäre ich da vor versammelter Mannschaft aber ausfällig geworden.

Klassisch ausgebildete Lehrer, die behaupten "allgemeingültige Wahrheiten" über die Strukturen der Musik zu vermitteln, kennen die Musik die ihre Schüler hören überhaupt nicht, weil sie sie nicht ernst nehmen.

... und das ist nicht nur in Italien so.

Ich habe 20 Jahre in einer deutschen Musikschule unterrichtet und mir Tag für Tag die hängengebliebenen Rudimente an Musiktheorie aus dem Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen anhören müssen ... da geht einem das Messer in der Tasche auf... die kapieren nichts und was sie auswendig gelernt haben um bei der Klausur keine 5 zu schreiben, haben sie nach drei Tagen wieder vergessen.

Ich glaube nicht, dass das daran liegt, das junge Menschen zu faul oder zu blöd dazu sind, sondern weil unser theoretisches Gebäude der Harmonielehre nicht geeignet ist die Musik zu beschreiben die junge Menschen heute hören und lieben.

Deshalb, ja!!! :
Wahscheinlich solltest du davon absehen deinen Schülern sowas zu erklären

und nicht nur ich!

Dennoch, was machst du denn, wenn die dich fragen: "Wie spiele ich da jetzt ein cooles Solo drüber?"

Oder:

"In unserer Band spielen wir gerade ein Stück von mir, den A-Teil haben wir schon, wie schreibe ich nen coolen Refrain dazu?"

Wir brauchen ein Erklärungsmuster, das auf die Bedürfnisse der musizierenden Menschen eingeht, und motiviert voranzuschreiten!

Auf ein Erklärungsmuster, das demotiviert und in vielen Fällen traumatische Auswirkungen - das hab ich noch nie kapiert - hat, kann 98% der Menschheit getrost verzichten.

viele Grüsse
gw
 
noch mal zum Nirvana Titel:

Die gehörte Tonart ist Eb, das liegt an der runtergestimmten Klampfe, ein Gitarrist denkt aber in diesem Fall immer in E.

Intro:

Auftakt: Lick: G# A B E Takt1: E-Dur / Lick: G# A B E
Takt2 Dsus2 / Lick: G#A B E
Takt3 D C D /
Takt4 E / Einsatz Gesang auf 3+ in Sechzehnteln EEEEEE

A Teil

Takt1 Melodie G# punktierte Halbe dann EEEEEE / über EDur
Takt2 Melodie E(Achtel) D(Halbe) D E E E / über Dsus2
Takt3 Melodie F#(Halbe) über Dsus2/ E über CDur / Fis über Dsus2
Takt4 E über E-Dur

soweit mal

Ich versuche mal eine praxisnahe Analyse, die ein Schüler verstehen könnte:
Tonales Zentrum ist E-Dur. Auffällig ist die Durfärbung, die sowohl im Introlick, als auch beim Gesang durch die Betonung der Durterz entsteht.

Wie kommt das jetzt, dass dieses Stück dennoch nicht nach Musikantenstadel klingt? Die Mehrzahl der Akkorde ist aus der parallelen e-Molltonart entlehnt! Dadurch wird ein schwebender, melancholischer Unterton erzeugt.

Ein harmonischer Rhythmus entsteht im Gesangsteil durch den Wechsel von eindeutigen Durakkorden mit dem schwebenden Dsus Akkord.

T1 G#/EDur
T2 E/Dsus2
T3 F#/DDur dann über die bVI bVII entlehnt aus Emoll zurück nach
T4 E/EDur

als Improskala eignet sich am besten E-moll/E-penta

Fazit:

ein fast schon süsslich-kitschig klingendes Durakkord-betontes Stück, verwendet hauptsächlich Harmonien aus der gleichnamigen Molltonart. Obwohl die Tonika als eindeutiger Durakkord befestigt wird, eignet sich als Improskala am besten die parallele Molltonleiter. Selbst ein zum E-Dur Akkord gespieltes G klingt nicht störend, sondern fordert klanglich nur zum bluesmässigen benden heraus.

ein klassisches Kadenzmuster ist nicht erkennbar, und wenn, dann nur sehr kompliziert darstellbar - also ohne praktischen Nutzen.

... hatten wir das nicht gerade schon bei Hey Joe beobachtet?
ich hatte dort schon auf die gleichzeitige Präsenz der Dur/moll Tonalität hingewiesen.

kann man daraus vielleicht eine erste typische Besonderheit eines musikalischen Genres ablesen?

Arbeitshypothesen

- eine Durtonart wird mit einer Molltonart verschmolzen.
- Die Tonika erscheint in Dur, hinzu treten aber weder die "Hauptfunktionen" noch die Mollparallelen der Ausgangstonart, sondern die Durakkorde der parallelen Molltonart.
- klassische Kadenzmuster werden bewußt vermieden, könnten sogar in den "avoid Changes" Topf wandern.
- Obwohl die Begleitakkorde ausschliesslich Durakkorde sind, entsteht auf diese Weise eine bitter-süsse Dur/moll Verschmelzung.

Als Improskala eignet sich am besten die Skala der parallelen Molltonart

was haltet ihr davon?

gruß
gw
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke, solche Kochrezepte fürhren letztendlich immer dazu, daß sich der Schüler, wenn er eine Idee hat fragen muß: "Darf ich das eigentlich?"

Allein bei dem Begriff "avoid Changes" läuft es mir kalt den Rücken runter.;)

Wäre auch schade, wenn dann plötzlich z.B. sowas wegen zu simpler Harmonik verboten wäre: http://www.youtube.com/watch?v=VYTnlT_KqYQ
 
:D nettes video

... avoid changes... :twisted: nee nee, da hab ich ich wohl nicht klar genug ausgedrückt.

Ich will hier keineswegs etwa behaupten: In der Popularmusik darf es keine Kadenzen geben...

das wäre natürlich völliger Quatsch! Der gesammte Coutrybereich würde auf einmal komplett rausfallen, denn da ist sie nun mal allgegenwärtig. In der Volksmusik natürlich auch ...

Andere Genres meiden die Kadenz aber wie der Teufel das Weihwasser, natürlich gibt es auch dort ohne Ende Ausnahmen...

aber angenommen du findest Nirvana nicht komplett scheisse, was würdest du deinen Bandkumpels oder Schülern erzählen, um die Besonderheiten des Songs aus harmonischer Sicht darzustellen?

gruß
gw
 
Hi Gitwork,
wie gesagt, ohne sich auf seinen Hosenboden zu setzen und zu lernen, geht nix.
Das Rad wollen wir doch nicht neu erfinden, oder doch?

Hier meine Analysevorschläge Deiner gelisteten Songs.
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4 non Blondes: Whats Up
G / Am / C / G

Der Song hat die gleichen Changes wie "Don't Worry be happy".

Kadenziert wird 2x plagal. Von A- nach C und dann von C nach G. G ist Tonika. Besonderheit ist eventuell die weibliche Auflösung der Tonika, d.h. G als Tonika befindet sich auf relativ instabilerem Takt als seine vorangehende Unterdominante C.

______________________________________________________________

Iggy Pop: Passenger of Love
Am / F / C / G

Tonart = A Moll. C ist Tonikastellvertreter. C wird plagal ankadenziert von F (F = SDM Akkord). A- wird ankadenziert von G ( G = ebenfalls SDM Akkord).
In Tonalität A Moll sind die SDM Akkoorde Folgende:
Bbma7, B-7b5, D-7, D-6, F6, Fma7 und G7.
All diese Akkorde können untereinander ausgetauscht werden.

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Bob Dylan & Co: Knocking on Heavens Door
G / D / Am / Am

Eine Stück im Modus A Dorisch! Kadenzierende Akkorde sind jeweils solche, die die dorische Sexte als Akkordton beinnhalten.
Wir sind NICHT in G Dur! Die Akkorde G und D beinnhalten beiden die dorische Sexte von A Dorisch, als den Ton B, und sind somit kadenzierend. D ist nicht D7! Das tonale Zentrum A Moll wird durch den Harmonischen Rhythmus und auch durch die Länge des Akkordes befestigt und bestätigt.

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Tracy Chapman: Crossroads
F C / G Am

siehe -> Iggy Pop: Passenger of Love
Am / F / C / G

Die Akkorde sind im Harmonischen Rhythmus verschoben. Ansonsten bleibt oben gesagtes bestehen.

_________________________________________________________________


Nirvana: Oh me
E / D / D C D / E

| C | D | E ist eine typisch Aeolische Akkordfortschreitung mit verdurter Tonika.


Es handelt sich bei diesen Beispielen auf keinen Fall um sogenannte AVOID CHANGES :) :) :)


Wieso sollten Rockbands sich an | S D | T Schemen halten wenn es tausend andere interessante Kadenzen gibt.
Ein Rocker braucht die Analyse nicht zu verstehen. Er probiert aus, sondiert was ihm gefällt und fertig. Das ist gut so. Ich habe früher auch so operiert bis ich drauf kam dass es einfacher und schneller geht mit ein bisschen know-how. Aber das ist ja in gewissen Kreisen verpönt.

Wer AVOID CHANGES findet, bitte sofort melden. :great:
 
Ich könnte sagen, daß Kurt Cobain sich einen Dreck um Kadenzen geschert hat und daß er nicht einmal Noten lesen konnte - und damit hätte ich wahrscheinlich recht.
Wären ihm vorher die Stufenakkorde eingetrichtert worden, hätte er bei "Oh Me" vielleicht E-moll antatt Dur gespielt.

Ist natürlich Blödsinn.;)

Jemanden, dem ich's erklären müßte, würde ich die Akkordfolge einfach mal mit E-Dur und mal mit Em vorspielen bzw. spielen lassen, damit der Unterschied deutlich wird.
Wichtig ist, daß der Unterschied gehört wird.
Mit Em als Tonika klingt's plötzlich eher glatt, eben weil nur Stufendreiklänge von Em gespielt werden.

Wenn dem Schüler schon die Grundfunktionen Tonika, Dominante und Subdominante klar sind, würde ich darauf hinweisen, daß man die Akkorde D und C auch als modale Austauschakkorde, also Stellvertreter von B(H) und A ansehen könnte.

Nebenbei würde ich aber immer wieder darauf hinweisen, daß Kurt sowas mit Sicherheit ziemlich egal war.
 
Bob Dylan & Co: Knocking on Heavens Door
G / D / Am / Am

Eine Stück im Modus A Dorisch! Kadenzierende Akkorde sind jeweils solche, die die dorische Sexte als Akkordton beinnhalten.
Wir sind NICHT in G Dur! Die Akkorde G und D beinnhalten beiden die dorische Sexte von A Dorisch, als den Ton B, und sind somit kadenzierend. D ist nicht D7! Das tonale Zentrum A Moll wird durch den Harmonischen Rhythmus und auch durch die Länge des Akkordes befestigt und bestätigt.

Hä???

Die dorische Sexte ist doch der Ton F#, oder etwa nicht?
Da versagt sowohl meine Logik als auch mein Gehör.;)

Für mich ist das Stück EINDEUTIG in G-Dur.
Übrigens: bei jedem 2. Durchgang endet die Akkordfolge auf C also: G / D / C / C

Vielleicht ist das Stück ja auch in C-Lydisch...;)
 
Hi Cudo,
schön dass du dich einschaltest

Dann wolln wir mal...

Es handelt sich bei diesen Beispielen auf keinen Fall um sogenannte AVOID CHANGES

Nö, mit "avoid changes" habe ich T-S-D-T oder II V I und ihre Erweiterungen gemeint. Denn das gemeinsame Kennzeichen aller genannten Akkordfolgen ist doch, dass sie nicht dem gewohnten D-T Auflösungsmuster folgen.

Das bedeutet doch: wer einen ähnlichen Sound erzielen will, sollte auf D-T Verbindungen tunlichst verzichten!

Ich kann dir auf Anhieb mindestens 20 Songs nennen, in denen das ganz genauso gilt.

Wenn jetzt ein Gitarrenschüler im Musikunterricht seiner Schule die Kadenz als grundlegenden, allgemeingültigen harmonischen Baustein erlernt, und dann die ersten 10 Lieder die er auf der Gitarre gelernt hat durchgeht, muß er mit ziemlich grosser Wahrscheinlichkeit feststellen, das er keine grundlegende Regel die er für die Arbeit lernen mußte in seiner Musik wiederfindet.

Denn er steht ja ganz am Anfang der Harmonielehre und die wird von der klassischen Kadenz vollkommen beherrscht, und sein Lehrer kreidet es ihm an, wenn er die Subdominante der Dominante folgen lässt und nicht die Tonika. - dabei kommt es in seinen Lieblingsliedern genau so vor.

Ich kann sehr gut verstehen, wenn er in dieser Situation den Eindruck gewinnt, dass der Theorieunterricht für den Arsch ist.

Mit Aussagen wie:

ohne sich auf seinen Hosenboden zu setzen und zu lernen, geht nix.

kommen wir da keinen Schritt voran.

In diesem Sinne:

Das Rad wollen wir doch nicht neu erfinden, oder doch?

Ja! Und das ist doch nix neues. Warum gibt es denn eine Jazzharmonielehre? - doch weil das Regelwerk der klassischen Harmonielehre den Jazzmusikern nicht mehr ausgereicht hat, um ihre Musik zu beschreiben.

Für die Pop und Rockmusik gilt das gleiche, nur das das Harmonielehrebuch deutlich dünner sein könnte, und das Problem eher darin besteht, dass sowohl die klassische, als auch die Jazz Harmonielehre die Sache unnötig verkomplizieren wie mir scheint.

Ich wiederhole mich mal:

Ich meine damit vorallem, dass die elementaren Grundbausteine moderner Popularmusik oft nicht den elementaren Grundbausteinen der herkömmlichen Harmonielehre entsprechen und deswegen die Rocker und Folks von Vornherein keine Lust drauf haben.

Z.B. habe ich den Eindruck, dass plagale Folgen in der Rockmusik deutlich häufiger anzutreffen sind als authentische.
genau wie du sagst bei Whats up:

Besonderheit ist eventuell die weibliche Auflösung der Tonika, d.h. G als Tonika befindet sich auf relativ instabilerem Takt als seine vorangehende Unterdominante C.

Eine Folge G-Am-D7-G
wie der Schüler es im Unterricht gelernt hat, würde den Song komplett töten, probierts mal aus!

Gleiches gilt für Passenger of Love:

So ein Loop verträgt keine Dominante, deswegen wird E-Dur vermieden, statt dessen werden die Parallelen Durakkorde im Quintenzirkel rechts herum geführt - wie bei Hey Joe - fertig.

glaubst Du wirklich das ich dass hier:

Tonart = A Moll. C ist Tonikastellvertreter. C wird plagal ankadenziert von F (F = SDM Akkord). A- wird ankadenziert von G ( G = ebenfalls SDM Akkord).

einem Gitarrenanfänger erzählen soll? - oder dachtest du ich brauche eine theoretische Erklärung dieser Akkordfolge?

Bob Dylan & Co: Knocking on Heavens Door

sehe gerade dass Funkeybrother schon eingegriffenen hat, danke für die Ergänzung! ... ich bin seiner Ansicht - A-Dorisch ist voll daneben - Ich hab 7 Versionen in den I-tunes - alle von Dylan, über Clapton Guns & Roses etc. sind sich einig - das Ding steht in G-Dur und man spielt mit der e-moll Penta drüber - das ist nämlich unsere Lieblingstonleiter!


Tracy Chapman: Crossroads F C / G Am -
Passenger of Love: Am F / C G

ganz egal welcher Akkord anfängt - hauptsache rechts herum im Quintenzirkel.
Die entscheidende Elemente bei den Songs ist der Groove und der Gesang. Die Akkorde sind nichts als Klangfarben, keine klassischen Akkordfortschreitungen. Es sollen sich keine Leittöne irgendwohin auflösen, sonst funktionieren die Dinger nicht.

Zu dem Nirvana Titel habe ich meine Einschätzung geschrieben, ich möchte aber in diesem Zusammenhang Funkeybrother zustimmen:
Wären ihm vorher die Stufenakkorde eingetrichtert worden, hätte er bei "Oh Me" vielleicht E-moll antatt Dur gespielt.

so siehts nämlich aus! - nur wir wüssten nichts davon, denn es wäre kein Hit geworden.

Ein Rocker braucht die Analyse nicht zu verstehen.

könnte man also sagen?

darauf möchte ich antworten:
brauchte denn Charlie Parker verstehen was er da spielt??
wohl kaum...
Willst du deswegen die Jazzharmonielehre in die Tonne kloppen?
Geniale Musiker - ob Curt Cobain, oder Charlie Parker - brauchen keine Harmonielehre! Für uns Normalsterbliche kann sie hingegen nützlich sein - aber auch ein Fluch.

saluti
gw
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Terminologie sowohl der klassischen- als auch der Jazz-Harmonielehre geht vielen Hobbymusikern aber deutlich über die Hutschnur.

Volle Zustimmung. Speziell die alten Kirchentonleitern im neuen Berkley-Gewand haben der Didaktik der Harmonielehre einen Bärendienst erwiesen. Die Benennung von musiktheoretischen Erkentnissen war und ist tendenziell zu kompliziert.

Die Analyse von moderner Popularmusik lässt mich überdies vermuten, dass die harmonischen Grundbausteine auch der simpelsten Lieder selten dem klassischen Kadenzmuster folgen, man fängt quasi schon im ersten Musikbeispiel mit den "Ausnahmen" von der "Regel" an.

Das liegt daran, daß attraktive Kunstwerke im Regelfall eine hohe Komplexität haben. Was sehr schnell zu durchschauen ist, fesselt nicht genügend, um dauerhaft interessant zu sein - Paradebeispiel: Deutscher Schlager. Das gilt aber ebenso für große Teile der Popmusik. Daher muß man beim Vermitteln von Musiktheorie die Beispiele gut wählen: wer vornehmlich bekannte oder von den Lernenden gewünschte Musik als Beispiele nimmt, läuft Gefahr, zu komplexe Beispiele auszuwählen.

Deshalb bin ich auf der Suche nach einfachen, für Laien verständlichen Erklärungsmustern, die der Musik wirklich nahe kommen.

Hörer und musizierende Laien gehen ganzheitlich mit Musik um und trennen nicht von vorneherein Text, Melodie, Harmonik etc. . Wenn man Popularmusik analysiert sollte man ebenso vorgehen und zunächst ganzheitlich hören. Bei mehrfachem Hören werden bestimmte Aspekte und Parameter in den Vordergrund treten - und hier passiert eine Wertung und Gewichtung, die bei jedem Hörer anders aussehen wird, bei der aber gemeinsame Schwerpunkte gebildet werden. Text, Melodie, Harmonik, Sound etc. verweben sich zu einem (hoffentlich...:rolleyes:) stimmig ausgewogenen Ganzen, bei dem man dann fragen kann:
  • warum ist diese Stelle besonders wirkungsvoll?
  • warum reißt dieser Groove mit?
  • warum singt der Sänger so und nicht anders - welche Beziehung hat er zum Text?
  • welche Parameter beteiligen sich an der Textverstärkung?
etc.

Da ist die Harmonik ein Parameter unter vielen, und wenn man - um auf deine Frage zurückzukommen - für Laien verständliche Erklärungsmuster finden will, muß man die Harmonik als Teil des Gesamten betrachten. Wenn z.B. eine Akkordverbindung C - Ab den Text ...goin' down the hill... unterlegen würde, halte ich es für wesentlich wichtiger, die Abbildung des Textinhalts in der Analyse zu nennen, als den Ab-Dur-Akkord funktional zu bestimmen.

Eine funktionale Bestimmung des Ab-Dur-Akkordes kann ergänzend hilfreich sein, aber sie ist nicht so grundlegend bestimmend für die Stelle wie die Textabbildung. Eine Analyse müßte den Weg eines Hörers nachvollziehen, der zunächst ganzheitlich hört und dann nach und nach tiefer in den Song eindringt - aber dabei immer den Blick auf den ganzen Song beibehält.

Harald
 
Hey Harald, schön dass du dich einschaltest, dein Beitrag hat mich sehr gefreut. Während du schriebst, hatte ich meinen letzten editiert - lies ihn nochmal, vielleicht wird dir dann noch deutlicher worum es mir geht.

Nun aber zu deinen Argumenten: Speziell diese Aussage:

Eine Analyse müßte den Weg eines Hörers nachvollziehen, der zunächst ganzheitlich hört und dann nach und nach tiefer in den Song eindringt - aber dabei immer den Blick auf den ganzen Song beibehält.

halte ich für sehr wichtig und ich würde ihr voll und ganz zustimmen.

Auch diese Liste werde ich in meinem Workshop nächste Woche im Hinterkopf haben:

* warum ist diese Stelle besonders wirkungsvoll?
* warum reißt dieser Groove mit?
* warum singt der Sänger so und nicht anders - welche Beziehung hat er zum Text?
* welche Parameter beteiligen sich an der Textverstärkung?

denn gerade Gitarristen sind ja oft nicht so konzentrierte Textanalytiker...
ich hab einen Kumpel, der mit seiner Band eine CD mit eigenen Songs aufgenommen hatte - erst beim gemütlichen Anhören des Endmix ist dem aufgefallen was seine Sängerin für ein Zeug zusammengedichtet hatte... :screwy:

Auch hierzu ein klares ja:
Speziell die alten Kirchentonleitern im neuen Berkley-Gewand haben der Didaktik der Harmonielehre einen Bärendienst erwiesen.

Wobei ich im neuen Berkley-Gewand hervorheben möchte. Ich habe nie kapiert wie Menschen es schaffen sollen in einem musikalischen Verlauf bei jeder Harmonie eine komplette Skala zu memorisieren, und dabei trotzdem Musik zu machen...

Ich kann das jedenfalls nicht - und meine Schüler schon gar nicht.

Die Kirchentonleitern an sich finde ich allerdings nach wie vor interessant und hilfreich, wenn es darum geht einen bestimmten Sound über einen gewissen Zeitraum hin zu kreieren.

... und so hatte das auch Miles Davis gemeint, oder?

Wenn z.B die Metal-Fraktion lydisch und phrygisch benutzt um gefährlicher zu klingen, erscheint mir das musikalisch sehr sinnvoll.

Auch über Dorisch stolpere ich auf Schritt und Tritt - und zwar in allen Popularmusik-Genres. - entweder weil ein alter Folksong tatsächlich im alten Sinne in Dorisch komponiert wurde - vgl. "Scarborough Fair", oder weil eine jazzmässige Färbung erwünscht ist - wie in unzähligen Pop- und Rocksongs.
Dabei ist für mich ein dorischer Akkord einfach ein Mollakkord + grSext, der hilft mir diesen Effekt zu erzielen und die Hirnwindungen melden keinerlei Übertragungsprobleme.
Ein weiteres Beispiel sind die unzähligen Dur-Subdominanten in moll. Mir scheint, die treten viel häufiger auf als die "normalen", schulmässigen.
Erstes Beispiel wieder im Gitarreneinsteigerbereich - "House of the Rising Sun" - mir scheint, der Grund liegt hier wieder darin, dass die Pop- und Rockmusik jede Gelegenheit nützt um sich auch in sehr einfachen Changes von der Folksmusik zu unterscheiden, und deshalb die klassische Kadenz soundmässig verändert.

Eine Herleitung der Dursubdominante aus Dorisch erscheint mir dabei viel sinnvoller, als aus melodisch moll. Ich habe den Verdacht, dass das Ausharmonisieren der melodischen Molltonleiter eine Spezialität des Jazz ist. In der Rock- und Popmusik braucht man sich damit kaum zu belasten was meint ihr?

Dass in der Popularmusik
attraktive Kunstwerke im Regelfall eine hohe Komplexität haben.
glaube ich hingegen nicht. Zumindest nicht zwingend, dafür gibt es viel zu viele hervorragende Werke die harmonisch aus den "Einsteiger 4-Takt-Loops" bestehen.

Den Grund, warum die eben trotzdem nicht nach deutschem Schlager klingen, hatte ich in meinem letzten Beitrag schon genannt.

viele Grüße
gw
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hab hier ein Gitarrenbuch von einem Studiomusiker der sein Leben lang Popsongs recorded hat, und das Buch ist nicht dünner als ein klassisches Harmonielehrbuch.

Die musikalische Analyse mit Riemannschen Funktionssymbolen ist die Sprache der Musikologen; ich weiss gar nicht wie jemand darauf kommen kann, dass sowas für Popmusik geeignet sein soll, diese Theorie ist ja nicht mal geeignet für Komponisten ernster Musik.

Charlie Parker wusste haargenau was er komponierte, spielte und und improvisierte, er war mitten drin in seinem Leben; man kann nicht so intensiv sein wie er es war wenn man es nicht voll drauf hat.



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Zuletzt bearbeitet:
Und eine Analyse geht nicht den Weg des Hörers, das wäre ja noch schöner, sondern analysiert die Musik bis in jedes Detail wie sie wirklich ist in der Sprache des jeweiligen Analyseformats, und wichtig, eine Analyse in der Riemanschen/Malerschen Funktionstheorie kommt zum genau selben Resultat wie ein Jazz Analyse à la Berklee. Und es gibt per Musikstück nur eine richtige Analyse, identische Zweideutigkeiten gibt es nicht.



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Zuletzt bearbeitet:
ah, sehr interessant, danke dass du diesem Thread weiterhin deine Aufmerksamkeit schenkst, Hagenwil.
Ich hab hier ein Gitarrenbuch von einem Studiomusiker der sein Leben lang Popsongs recorded hat, und das Buch ist nicht dünner als ein klassisches Harmonielehrbuch.

darauf hatte ich schon gewartet, ist dieses Buch käuflich zu erwerben? - würde mich sehr interessieren!

Die musikalische Analyse mit Riemannschen Funktionssymbolen ist die Sprache der Musikologen; ich weiss gar nicht wie jemand darauf kommen kann, dass sowas für Popmusik geeignet sein soll, diese Theorie ist ja nicht mal geeignet für Komponisten ernster Musik.

Ich halte das inzwischen auch für ausgemachten Blödsinn, hättest du eine Alternative?
Welcher Ansatz wird in dem von dir genannten Buch gewählt?

gruß
gw
 
ah, sehr interessant, danke dass du diesem Thread weiterhin deine Aufmerksamkeit schenkst, Hagenwil.

darauf hatte ich schon gewartet, ist dieses Buch käuflich zu erwerben? - würde mich sehr interessieren!

Ich halte das inzwischen auch für ausgemachten Blödsinn, hättest du eine Alternative?
Welcher Ansatz wird in dem von dir genannten Buch gewählt?

gruß
gw

Ich weiss nicht ob es käuflich zu erwerben ist, und er ist schon nach Hause gegangen weil wir heute nur einen tv commercial gemacht haben, ich werde ihn aber Fragen ob es im Handel ist, ich hab nur eine Kopie die er mir mal geschenkt hat.

Ich muss zuerst nachschauen wie er diese grosse standard chords und Riffsammlung über die Popgeschichte der Gitarre präsentiert, es kam aber sicher mit einer Kassette auf der alle Beispiel mit voller rhythm section drauf sind, die Notation war Standardnotation für alle Instrumente plus Tabulatur mit Rhythmik für die Gitarre, muss mal schauen wo das Ding ist, meine Bibliothek ist riesig

Die "Alternative" ist das was wir alle machen für small bands, wir schreiben ein Lead Sheet, das ist dann auch schon alles was Musik braucht wenn es später von anderen Musikern gespielt werden muss.
 
diese grosse standard chords und Riffsammlung über die Popgeschichte der Gitarre

mannomann... jetzt machst du mir aber den Mund wässrig....

Die "Alternative" ist das was wir alle machen für small bands, wir schreiben ein Lead Sheet, das ist dann auch schon alles was Musik braucht wenn es später von anderen Musikern gespielt werden muss.

Das habe ich auch immer so gehandhabt, in letzter Zeit war mir das für den Unterricht zu wenig. Es ist einfach spannend den Leuten auftischen zu können "No women no cry" und "Let it be" verwenden genau die gleichen Changes ...usw. Im Elementarbereich, bei den alten Volksliedern funktioniert das auch in Verbindung mit der Grundkadenz hervorragend das schult ungemein das Gehör und macht den Leuten einen Heidenspass. Der nächste Schritt - das auf die Popmusik zu übertragen - führt allerdings in Teufels Küche... Ich bin dir sehr dankbar, dass du mir in dieser Hinsicht die Augen geöffnet hast - das erspart mir ne Menge Ärger. Es geht mir einfach darum Gemeinsamkeiten und Prinzipien zu erkennen, z.B. die Sache mit diesen Zwei oder Viertaktern, die den ganzen Song durchgespielt werden und die alle samt V-I Verbindungen meiden... da würde ich gern tiefer einsteigen - warum funktioniert diese Akkordfolge - und jene nicht usw.

gruß
gw
 
Hä???

Die dorische Sexte ist doch der Ton F#, oder etwa nicht?
Da versagt sowohl meine Logik als auch mein Gehör.;)

Für mich ist das Stück EINDEUTIG in G-Dur.
Übrigens: bei jedem 2. Durchgang endet die Akkordfolge auf C also: G / D / C / C

Vielleicht ist das Stück ja auch in C-Lydisch...;)

Hi,

f# als Dorische Sexte in A Dorisch kommt sowohl auf der bVII Stufe (= Gma7) als M7, als auch auf der IV Stufe (=D) als M3 vor. Somit sind beide Akkorde Kadenzierende.
Für mein Hörempfinden kann als tonales Zentrum bei diesem Song sowohl G als auch A- empfunden werden. G ist wohl etwas gängiger.
Versuche mal in diesem Song 2 Takte D (oder auch G) und danach 2 Takte A- zu spielen. Nach einer Zeit stellt sich ein A- Tonika-Gefühl ein.
Der gemeine Tonkünstler endet natürlich auf G. ;)

Wenn bei jedem 2. Durchgang C anstatt A- gespielt wird, hat C natürlich Stellvertreterfunktion.
 
Nö, mit "avoid changes" habe ich T-S-D-T oder II V I und ihre Erweiterungen gemeint.
Aha, dachte schon das wäre ein Schreibfehler.:D
Denn das gemeinsame Kennzeichen aller genannten Akkordfolgen ist doch, dass sie nicht dem gewohnten D-T Auflösungsmuster folgen.
Es gibt für mich kein "gewohnt". Ich habe gezeigt dass all die von Dir zitierten Songs ohne große Probleme einem Tonraum zugeordnet werden können.

Das bedeutet doch: wer einen ähnlichen Sound erzielen will, sollte auf D-T Verbindungen tunlichst verzichten!
Ja, dann soll er das tun. Ist doch kein Kunststück! Das meiste liegt doch im diatonischen Bereich mit eventuell 1 - 2 MI Chords.
Wichtig werden bei diesen Songs die Modis. Dann sollte man wissen was eine Phrygische, Mixolydische oder Dorische Kadenz ausmacht.
Ich glaube in Deinem letzten Post ein Missverständnis herausgehört zu haben. Wenn HaraldS von Kirchentonleitern im Berklee-Gewand spricht, handelt es sich dabei um sogenannte Chordscales. Das hat absolut nichts mit Modal-Playing (Stichwort. Miles Davis) zu tun.
Modale Kadenzen gehören zum Wortschatz sowohl der klassischen als auch der Jazz Analyse. Und wie Hagenwil bereits sagte, es gibt keinen Unterschied zwischen einer klassischen und einer Jazz-Analyse. Die Gewichtungen von Auflösungen und Spannungen sind gleich.


Wenn jetzt ein Gitarrenschüler im Musikunterricht seiner Schule die Kadenz als grundlegenden, allgemeingültigen harmonischen Baustein erlernt, und dann die ersten 10 Lieder die er auf der Gitarre gelernt hat durchgeht, muß er mit ziemlich grosser Wahrscheinlichkeit feststellen, das er keine grundlegende Regel die er für die Arbeit lernen mußte in seiner Musik wiederfindet.
Wenn ich Türkisch lerne und erst einen Wortschatz von 100 Wörtern habe, kann ich auch noch keine grossen sprachlichen Sprünge machen.:D Ich kann zwar den Spielfilm anschauen, werde aber nur die Hälfte oder weniger verstehen. Das wird aber kein Grund sein meinen Türkisch Lehrer zum Teufel zu jagen und das Lernen aufzugeben.
Wenn Deine Schüler schon im diatonischen Bereich "schlapp" machen :D, sollte man sich wirklich etwas überlegen, um sie zu animieren.

Denn er steht ja ganz am Anfang der Harmonielehre und die wird von der klassischen Kadenz vollkommen beherrscht, und sein Lehrer kreidet es ihm an, wenn er die Subdominante der Dominante folgen lässt und nicht die Tonika. - dabei kommt es in seinen Lieblingsliedern genau so vor.
Die Subdominante kann sehr wohl der Dominante folgen. Steht dabei die Dominante nur als Dreiklang, ist es sowieso kein Problem. Steht sie als Septakkord, handelt es sich um eine harmonische Regresion.
Ich glaube Du siehst die klassische Methode viel zu eng. Es ist wirklich nicht nur V I.



Ja! Und das ist doch nix neues. Warum gibt es denn eine Jazzharmonielehre? - doch weil das Regelwerk der klassischen Harmonielehre den Jazzmusikern nicht mehr ausgereicht hat, um ihre Musik zu beschreiben.
Da hast Du sicher Recht.

Für die Pop und Rockmusik gilt das gleiche, nur das das Harmonielehrebuch deutlich dünner sein könnte, und das Problem eher darin besteht, dass sowohl die klassische, als auch die Jazz Harmonielehre die Sache unnötig verkomplizieren wie mir scheint.
Das sehe ich anders. Wo willst Du denn anfangen zu kürzen? Das wäre mal interessant zu wissen.


Ich meine damit vorallem, dass die elementaren Grundbausteine moderner Popularmusik oft nicht den elementaren Grundbausteinen der herkömmlichen Harmonielehre entsprechen und deswegen die Rocker und Folks von Vornherein keine Lust drauf haben.
Die elementaren Grundbausteine sind in beiden Fällen die selben. Über Häufigkeit muss nicht diskutiert werden, da stilabhängig.

IZ.B. habe ich den Eindruck, dass plagale Folgen in der Rockmusik deutlich häufiger anzutreffen sind als authentische.
Und was ist Dein Schluss daraus? Dass authentische Bewegungen in der Rock-Theorie nicht zu unterrichtet werden brauchen? Nein, sicher nicht, das weißt Du genauso gut wie ich. :D

Eine Folge G-Am-D7-G
wie der Schüler es im Unterricht gelernt hat, würde den Song komplett töten, probierts mal aus!
Keine Frage, aber der Schüler sollte eben nicht nur II-7 V7 Ima7 lernen.


glaubst Du wirklich das ich dass hier:
einem Gitarrenanfänger erzählen soll? - oder dachtest du ich brauche eine theoretische Erklärung dieser Akkordfolge?
Ja, dachte ich, denn es handelt sich um 2 einfache plagale Kadenzen. Einfacher geht's wirklich nicht.
Dass Dir das klar ist, ist mir auch klar!;)

Bob Dylan & Co: Knocking on Heavens Door

sehe gerade dass Funkeybrother schon eingegriffenen hat, danke für die Ergänzung! ... ich bin seiner Ansicht - A-Dorisch ist voll daneben - Ich hab 7 Versionen in den I-tunes - alle von Dylan, über Clapton Guns & Roses etc. sind sich einig - das Ding steht in G-Dur und man spielt mit der e-moll Penta drüber - das ist nämlich unsere Lieblingstonleiter!
Ob man mit der G Pentatonik im 5. Modus darüber spielt, sagt nichts über das tonale Zentrum aus. Über die Thematik habe ich schon funkybrother geantwortet.




brauchte denn Charlie Parker verstehen was er da spielt??
wohl kaum...
Der wußte was er spielte!

Willst du deswegen die Jazzharmonielehre in die Tonne kloppen?
?? wie?? Verstehe ich nicht.

Geniale Musiker - ob Curt Cobain, oder Charlie Parker - brauchen keine Harmonielehre!
Und dann?

CIAO
CUDO
 
... es gibt keinen Unterschied zwischen einer klassischen und einer Jazz-Analyse. Die Gewichtungen von Auflösungen und Spannungen sind gleich.

... nur das Feeling ist leicht anders.
 
Hi Cudo

... scheinbar drücke ich mich immer noch nicht klar genug aus....

Zunächst mal zu Knocking on Heavens Door:

Versuche mal in diesem Song 2 Takte D (oder auch G) und danach 2 Takte A- zu spielen. Nach einer Zeit stellt sich ein A- Tonika-Gefühl ein.

Wärs dann noch dieser Song? - wohl nicht

Der gemeine Tonkünstler endet natürlich auf G

Ich hab mal nachgehört, so siehts aus:

Bob Dylan: fade out
Clapton Version1 - fade out
Clapton Version2 - G
Guns & Roses - G
Randy Crawford - fade out
Greatful Dead - fade out (in der liveversion!)
Harlem Voices - fade out

Tonleitermaterial für alle Soli - e-moll Pentatonik

Was folgt daraus:

Offensichtlich ist es für alle diese gemeinen Tonkünstler wichtig, dass der Hörer bei diesem Song keine Kadenz empfindet!

Der Anfangsakkord G-Dur ist zwar scheinbar das Tonale Zentrum, er ist aber zu kurz um als soches empfunden zu werden, eine Ghost-Tonika sozusagen. Der Schlussakkord des Akkordloops wird zwar gehalten und könnte eine Tonika sein, wobei man sich dann schon fragen müsste Am oder C ? da die Schlussakkorde des 4Takters sich ständig abwechseln.
Zudem müsste man eine Genreuntypische dorische oder lydische Tonart annehmen, die auch kein Mensch hört.
Überdies wird sogar allermeistens ein Schlussakkord als Songende durch das fade out komplett vermieden.

Das ist ein typisches Kennzeichen für die Umgangsweise mit Akkordfolgen in der Pop und Rockmusik - vor allem wenn solche Akkordloops im Einsatz sind, Akkordloops und nicht Kadenzen. Denn diesen Loops ist das Konzept einer Akkordfortschreitung im klassischen Sinne komplett fremd - jeder Akkord ist harmonisch gleichwertig es gibt keine Spannung und keine Auflösung es gibt nur Klangfarben. (wie schon Hagenwil dankenswerterweise betonte)

Deswegen
ist es in diesem Falle nutzlos und lächerlich irgendwelche Stufen oder Funktionen herbeizutheoretisieren!
Zitat Hagenwil: Die musikalische Analyse mit Riemannschen Funktionssymbolen ist die Sprache der Musikologen; ich weiss gar nicht wie jemand darauf kommen kann, dass sowas für Popmusik geeignet sein soll, diese Theorie ist ja nicht mal geeignet für Komponisten ernster Musik

so siehts aus!

Es gibt für mich kein "gewohnt"
das scheint mir aber doch, sonst würdest du nicht so an deinen Kadenzen und Stufen kleben! Als ob es Debussy oder Steve Reich nie gegeben hätte...
Ich habe gezeigt dass all die von Dir zitierten Songs ohne große Probleme einem Tonraum zugeordnet werden können.

Nur weil "Knocking on Heavens Door" einfache Akkorde benutzt, heisst das nicht, dass der Komponist ein Simpel war. Mir scheint, da wurde ganz bewusst mit subtilen Mitteln eine Akkordfolge geschmiedet, die zwar jeder der Hänschenklein begleiten kann spielen kann, die aber dennoch ganz anders klingt, nämlich wie ein

frei im Raum schwebendes Gebilde.

Was könnte indes geeigneter sein eine Textzeile zu begleiten die

Knocking on Heavens Door

heisst?

...Ist doch kein Kunststück!

Meinst Du?

Das ist eine Akkordfolge, die geeignet war mit ihr einen Hit zu komponieren, der Generationen bewegt hat! ist Dir schon so etwas gelungen?

Wichtig werden bei diesen Songs die Modis. Dann sollte man wissen was eine Phrygische, Mixolydische oder Dorische Kadenz ausmacht.

Das ist den Komponisten, den Spielern und den Hörern dieser Songs vollkommen schnuppe! Denn sie wollen ja gar keine Kadenz komponieren, spielen oder hören.

Wenn HaraldS von Kirchentonleitern im Berklee-Gewand spricht, handelt es sich dabei um sogenannte Chordscales.

jepp

Das hat absolut nichts mit Modal-Playing (Stichwort. Miles Davis) zu tun.
Genau das wollte ich sagen! Die Herangehensweise von Miles kann ich nachvollziehen und sie hat mir schon viel gegeben, die von Berklee nicht.

Modale Kadenzen gehören zum Wortschatz sowohl der klassischen als auch der Jazz Analyse. Und wie Hagenwil bereits sagte, es gibt keinen Unterschied zwischen einer klassischen und einer Jazz-Analyse. Die Gewichtungen von Auflösungen und Spannungen sind gleich.

So ist es! deshalb habe ich diesen Thread eröffnet!!

Wenn ich Türkisch lerne und erst einen Wortschatz von 100 Wörtern habe, kann ich auch noch keine grossen sprachlichen Sprünge machen
Um im Bilde zu bleiben: Die Situation ist eher so, dass die Schüler türkische Grammatik lernen, die türkische Sprache aber nicht hören und nicht sprechen.

Wenn Deine Schüler schon im diatonischen Bereich "schlapp" machen , sollte man sich wirklich etwas überlegen, um sie zu animieren.

Meine Schüler sind in ihrer Lieblingsmusik z.T. wahre Experten! Die reden von Musikgenres Spieltechniken und Bands die ich noch nie gehört habe. (ich empfehle dir mal einen Besuch z.B. im Metalboard dieses Forums)

Ich bin zwar kein Metalfan - deswegen kenne ich nur einen ganz kleinen Ausschnitt aus dieser Musik - aber ich nehme meine Schüler ernst und habe diesen thread vorallem deshalb eröffnet um eine Sprache zu entwickeln die Ihre Musik harmonisch angemessen beschreibt und die kein Fachchinesisch ist.

Ich glaube Du siehst die klassische Methode viel zu eng. Es ist wirklich nicht nur V I.
Ich redete vom Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen bis zur 10. Klasse... wie weit kommen die da? Meine Erfahrung ist, dass bei den meisten Schülern so gut wie nichts hängenbleibt, ausser einer lebenslangen Allergie vor Musiktheorie! - und das Problem existiert schon seit einigen Generationen. Glaub mir ich weiss wovon ich spreche - ich unterrichte jedes Jahr in meinen Kursen etwa 200 musikbegeisterte Menschen von 15 - 65 und war 20 Jahre lang Musikschullehrer.

Wo willst Du denn anfangen zu kürzen? Das wäre mal interessant zu wissen.
Ich will dass die Musiklehre endlich auf die Musik eingeht die ein Großteil der Menschen bewegt. Z.B. das sie anerkennt, dass Kadenzmuster nicht die alleinseeligmachenden harmonischen Strukturen sind und das schon in der ersten Unterrichtsstunde .

Die elementaren Grundbausteine sind in beiden Fällen die selben

Die verwendeten Akkorde sind dieselben, nicht aber die Beziehungen die sie zueinander eingehen. - zumindest sehr oft nicht -

Keine Frage, aber der Schüler sollte eben nicht nur II-7 V7 Ima7 lernen.

Genau! er sollte da abgeholt werden wo er steht. Alle jungen Menschen (wir doch auch - gibs zu- sind in der ersten Phase ihres Musikhörens oft eingefleischte Fans einer ganz bestimmten Musikrichtung und in dieser Phase sehr starr und verschlossen wenn es darum geht eine andere Musikrichtung überhaupt zu akzeptieren.
Wenn ein Musiklehrer anfängt in der Schule (musische Gymnasien mal ausgenommen) was von Mozart und Haydn zu erzählen, macht er sich nur zum Gespött der Klasse - die machen sich lustig über ihn, sonst nichts. Erfolgreich kann er nur sein, wenn er die Musik seiner Schüler kennt und ernstnimmt. Dann kann er versuchen nach und nach ihren Horizont zu erweitern.

zu Charlie Parker... Du und Hagenwil - ihr habt selber gesagt, dass ihr beim Komponieren nicht an Harmonielehre denkt... Dachte den Charlie Parker in seinen Improvisationen daran?

Ich wollte mit diesem Vergleich nur ausdrücken, dass geniale Musiker so gut hören, dass sie Harmonielehre nicht nötig haben um ihre Meisterwerke zu komponieren. Normalsterbliche haben sie nötiger - aber sie müssen sie verstehen um von ihr zu profitieren zu können.

so long
gw
 
Zuletzt bearbeitet:
Dachte den Charlie Parker in seinen Improvisationen daran?

Hätte er wahrscheinkich schon wenn da noch Zeit dafür gewesen wäre zwischen zwei Noten.

Ich mag aber vor allem seine Balladen Alben mit den Streichern, das high speed Zeugs geht mir unterdessen auf's Nervenkostüm.
 

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