Wenn also jemand das Gefühl hat, sehr lange mit dem Metronom "rumstümpern" zu müssen, dann frage ich mich ob
a) der Schwierigkeitsgrad der Stücke richtig gewählt ist
b) die Person über die geeigneten Übungstechniken verfügt (oder einen Lehrer bei der Hand hat)
Die Frage ist mehr als berechtigt.
Sie stellt sich mir im Unterrichtsalltag ständig und zwingt mich bei manchen Schülern, völlig neue Wege zu gehen und nach neuem Übungsmaterial zu suchen.
Viele Autodidakten oder erwachsene Schüler starten mit dem Wunsch, möglichst bald / schnell ein bestimmtes Stück können zu wollen. Wenn das Erlernen des Instruments dann ohne methodische Heranführung geschieht bzw. sie vom Lehrer verlangen, eine methodisch aufbauende Schule beiseite zu lassen und direkt mit dem Wunschstück zu beginnen, kann das dazu führen, dass kein solides Grundwissens erarbeitet wird. Die Wissenslücken welcher Art auch immer machen sich beim Musizieren später immer wieder auf unterschiedliche Weise bemerkbar. Werden die Wissenslücken immer wieder ignoriert, verfestigen sich die daraus resultierenden Fehler
mit entsprechenden Folgen. Den Schwierigkeitsgrad der Stücke richtig wählen, setzt methodisches Wissen voraus, das Autodidakten nur dann erwerben können, wenn sie sich mit methodischen Fragestellungen beschäftigen. Der Kauf von Instrumentenschulen reicht da in der Regel nicht aus. Bei der Durchsicht neuer Instrumentenschulen, die mit bunten Grafiken und großzügigem Notenbild zumindest optisch oft viel attraktiver daher kommen als Notensammlungen alten Stils, fiel mir wiederholt negativ auf, dass der Stoff (also das Angebot an systematisch aufbauenden Übungsstücken) so gerafft ist, dass eigentlich für jeden Lernschritt zusätzliche Übungshefte gekauft werden müssen, um ausreichend Material zum Festigen der aktuellen Lerninhalte zu haben. Das macht die eigenständige Auswahl an Studienmaterial unter Umständen schwierig. Selbst für mich als erfahrene Lehrerin ist es ziemlich aufwändig, wenn ich für einen Schüler für dessen Lernstand, Neigungen und Lernverhalten passend neues Notenmaterial aussuche und das nicht einfach der Reihe nach von einem in die Jahre gekommenen Notenstapel herunter nehmen will. Da setze ich mich dann das ein oder andere Wochenende hin und spiele ein Heft nach dem anderen durch, das in den vorgegebenen Rahmen passen könnte, halte Ausschau nach Neuem etc. (Das funktioniert um so besser, je länger ich einen Schüler kenne.) Wie soll das ein Anfänger machen? Trotzdem wird ein
guter Autodidakt im Laufe der Zeit ein gutes Gespür für methodisch aufbauendes Lernen entwickeln, erkennen, was noch zu schwer ist, das dan weg legen und leichteres Material nehmen, das das Gelernte festigt und ihn durch regelmäßiges Üben/Spielen Schritt für Schritt voran bringt. So wird er für sich selbst zum Lehrer.
Leider ist die Einsicht, dass auch (oder gerade ? !) viele sehr kleine Schritte auf Dauer zum Erfolg führen, meiner Erfahrung nach nicht sehr verbreitet. Ist es symptomatisch für die Schnellebigkeit unserer Zeit, dass auch beim (Laien-)Musizieren nur die schnellen großen Erfolge zählen? Also der Katapultstart von 0 auf 100 oder am besten 1000 innerhalb weniger Wochen? Und das am besten mit 10-20 Minuten Üben 2x die Woche? (Weil man ja auch noch mit vielen anderen Dingen beschäftigt ist.) Wie soll das gehen?
Ein angehender Profimusiker übt nicht ohne Grund täglich mehrere Stunden. Wenn er es richtig macht, wählt er die Methode der ganz kleinen Lernschritte. Dass er mit seinem Pensum trotzdem schnell weiter kommt, ist zum nicht unerheblichen Teil ein Resultat des höheren Zeitaufwandes bzw. der dichter aufeinander folgenden Übungssequenzen und natürlich auch der Übungsmethode selbst. Wenn jemand täglich mindestens 4 Stunden effektiv mit seinem Instrument übt, hat er am Ende eines Monats rund 120 Stunden trainiert. Wer 2x die Woche 20 Minuten übt, hat am Ende des Monats nicht einmal 3 Stunden mit dem Instrument verbracht Um auf die 120 Stunden zu kommen, braucht er ...
Wie heißt es so schön: Von nix kommt nix.
Und: Steter Tropfen hölt den Stein.
Also immer alles hübsch der Reihe nach, Schrittchen für Schrittchen. Egal wie lange es dauert. ;-)
In diesem Sinne: Vergnügliches Flöten!
Lisa