ich platz her mal dazwischen, sry
Broeschies, gilt das, was du da schreibst, auch für die weibliche Stimme?
Bei uns tickt das ja alles etwas anders, oder? Bzw. verstehe ich dich richtig: es wäre schon möglich, durch Hinzunehmen der Muskeln aus dem Falsett wieder einen Kopfstimmenton zu machen, aber Kopfstimme <-> Falsett = 1 <-> 0, während Kopfstimme zu Vollstimme eine Frage der Dosierung ist bezüglich der Muskelaktivität.
Das gilt genauso für die weibliche Stimme. Aus dem Falsett wird durch Hinzunahme von Muskelaktivität die Kopfstimme. Das geht aber nicht während des Singens. Wenn du einen Ton im Falsett startest, und du dann während du den Ton hältst die Muskelaktivität erhöhst, gibt es einen Bruch bzw. eine Instabilität und keinen sauberen Übergang in die Kopfstimme.
Bei der Kopfstimme verhält es sich anders. Wenn du in der randstimmigen Kopfstimme startest, kannst du während du den Ton hältst durch Erhöhen der Muskelaktivität in die vollstimmige Kopfstimme wechseln. Das nennt man dann klassischerweise "messa di voce". Ein messa di voce vom Falsett in die Vollstimme geht aber z.B. nicht.
Der Hintergrund dabei ist, dass die Aktivität der "Vollstimmen-Muskulatur" gleichzeitig dafür zuständig ist, den hinteren Teil der Stimmlippen zu schließen. Ist diese Muskulatur nicht aktiv, können die Stimmlippen nicht vollständig schließen. Der Übergang zwischen Voll- und Randstimme wird ebenfalls durch diese Muskulatur geregelt. Sobald ein gewisses Maß an Aktivität unterschritten wird, wechselt die Stimme in die Randschwingung.
Der Unterschied zwischen Männern und Frauen ist lediglich, dass diese Muskelgruppe bei Frauen kleiner ist als bei Männern und Frauen deshalb eine geringere Tendenz zur "Überbenutzung" haben. Gleichzeitig ist es leichter eine geringe Aktivität dieser Muskulatur zu erhalten, weil der Unterschied zwischen geringer Aktivität und voller Aktivität nicht so groß ist wie bei Männern.
Das Resultat ist, dass Frauen tendenziell leichter in die Kopfstimme kommen als Männer und auch seltener ins Falsett "abrutschen". Dafür haben sie es häufig schwieriger mit dem Belting (was eine besonders hohe Aktivität dieser Muskulatur benötigt).
Genau genommen spielen bei dem Vorgang zwei Muskelgruppen sozusagen "gegeneinander". Umgangssprachlich könnte man sagen, dass die eine Gruppe die "Randstimmenmuskeln" sind und die andere Gruppe die "Vollstimmenmuskeln". Die Randstimmenmusklen werden gängierweise mit "CT" abgekürzt, die Vollstimmenmuskeln mit "TA". Die verschiedenen Modi stellen sich dann etwa so dar:
TA = CT: Vollstimmregister
TA < CT: "verschlankte" Vollstimme
TA << CT: Randstimmregister
TA = 0, CT > 0: Randstimmregister mit unvollständigem Stimmlippenschluss (=Falsett)
Das ganze ist in gewisser Weise ein Kontinuum. Für einen Übergang in die Randstimme muss die TA-Aktivität sehr gering sein. Das heißt es gibt Fälle, in denen zwar TA < CT ist, aber der Unterschied eben nicht groß genug ist, dass es schon für die Randstimme reicht. Eine solche Konfiguration wird dann gerne als "mixed voice" bezeichnet oder "verschlankte Stimme". Genau genommen singen die meisten Sänger über den Großteil ihrer Range hinweg in einer Konfiguration, bei der TA < CT ist. An welcher Stelle TA so klein wird, dass ein Übergang in die Randstimme erfolgt, ist dann jeweils individuell.
Aus rein praktischer Sicht erreicht man eine höhere CT-Spannung über Twang-Übungen (z.B. "Entenquaken") oder Tilt-Übungen (z.B. "Hundewinseln"). Eine höhere TA-Spannung erreicht man vor allem über höhere Körperspannung. Das voranstellen eines "B" vor die Vokale funktioniert dafür meistens ganz gut.
Was genau sängerisch "richtig" oder "falsch" ist darüber streiten sich die Experten gerne. Genereller Konsens ist aber, dass bei Männern oberhalb von C5 die Randstimme absolut in Ordnung ist. Umgekehrt sind sich die meisten einig, dass die Randstimme unterhalb von G4 rein technisch nicht zu empfehlen ist und allenfalls als gewolltes Stilmittel taugt. G4-C5 ist sozusagen ein "Graubereich" und es gibt jeweils Befürworter für "early" und "late" bridging. Falsett hingegen wird meistens kritisch gesehen, weil es sozusagen "entkoppelt" ist von den anderen Registern. Viele benutzen es aber als "Werkzeug" um die Kopfresonanz zu finden oder als Stilmittel für einen sehr weichen, hauchigen Klang.
Bei Frauen gelten diesbezüglich interessanterweise fast die gleichen Grenzen, wobei es durchaus nicht unüblich ist, dass klassische Sängerinnen schon um D4 herum in die Randstimme gehen. Meistens liegt aber auch bei denen der Wechsel um G4 herum.