wie bereits im (nicht zitierten) Eingangssatz erwähnt: ein technisches Mess-System arbeitet entweder statisch oder mit einem willkürlich gewählten, festen Raster.
Das Gehör dagegen macht neben der Aufnahme auch gleich mehrere Auswertungen simultan: Lautstärke, Tonhöhe und Phase werden in ihrem Verlauf interpretiert.
Die 'Zeitachse' kann dabei variieren, je nach Aufmerksamkeit und individueller Erfahrung.
Die meisten dürften den Alltags-Effekt kennen, dass bei einer Alarm- oder Gefahrsituation plötzlich alles wie in Zeitlupe abläuft. Das Gehirn ist da äusserst anpassungsfähig.
Oder man denke an die Signalgeber an Ampeln, an denen sich Blinde orientieren können.
Das Gehör lässt sich imho nicht auf einfache technische Parameter reduzieren.
Das Gehör kann man bei aller Bewunderung für seine Fähigkeiten, seine Empfindlichkeit und sein Erkennungsvermögen in der Tat nicht als ein Messinstrument bezeichnen und es funktioniert auch grundlegend anders. Der Schnecke (Innenohr) mit seinen Zilien kann man sich noch mit der Analogie an die Funktionsweise eines Spektrum-Analysers annähern, aber spätestens bei der Weiterverarbeitung im Gehirn (Hörzentren u.a.) merkt man doch, wie deutlich anders unser Hören funktioniert im Vergleich mit Messinstrumenten. Hören ist für das Gehirn wie bei allen anderen Sinnesleistungen auch vornehmlich ein Erkennen durch
Filtern und
Interpretieren.
Unser Gehirn filtert praktisch ununterbrochen alles, was auf uns, auf die Sinne einströmt und verwirft in einem noch vor-bewussten Prozess das meiste davon als unwichtig und lässt nur das durch, was auf irgendeine Art als relevant eingestuft wird (Gefahr mit höchster Priorität, aber auch "interessant", "macht mich neugierig", "ist wichtig" usw.).
Darin liegt aber auch die Krux wenn es wie hier um klangliche Vergleiche aller Art geht, zumal wenn sie extrem subtil und minimal sind. Man hört dann sehr schnell, was man hören möchte, weil es das Gehirn selber so interpretiert und den Klang sozusagen intern einfärbt. Da dieser "Sinneseindruck" für den Betreffenden eine wie echt wahrgenommen Realität darstellt, kann man ihm dann auch weder widersprechen noch ihn vom Gegenteil überzeugen, bzw. nur mit Mühe.
Das Ganze ist ein spannendes Thema, aber auch sehr komplex und wer dazu weiterführende Informationen sucht, dem kann ich dieses Buch empfehlen (allerdings auf Englisch und aufgrund der wissenschaftlichen Detailfülle auch ´starker Tobak´):
"Auditory Neuroscience - Making Sense of Sound", Jan Schnupp et al, The MIT Press
Hier auch noch mal der Link, der unsere Grenzen der Wahrnehmung anschaulich beschreibt:
https://www.theatlantic.com/health/...t-why-we-cant-tell-good-wine-from-bad/247240/
Wie will er denn sonst gezielt solche Klänge erzeugen...?
Beispiel: Der Sound der Stimme ist beim Mix zu "unoffen". Was muss nun der Tonschaffende machen, um den Stimmensound etwas zu "öffnen"...?
Irgendwas technisches wird er schon mit dem Signal anstellen müsse - auf dem Mischpult gibt es ja keinen "Offenheits-Regler".
Wohl aber EQ-Regler, Hall, Kompresser, Exciter, ... Alle mit Reglern für technische Parameter, nicht für "Offenheit", nicht wahr...?
Oder aber, kann das gar kein Tonschaffender gezielt, und es passiert immer nur zufällig..?
In einem recht speziellen Fall, der schon etliche Jahre zurück liegt, musste ich mal gezielt den "Offenheits-Regler" betätigen. Bei einer Aufführung des Weihnachtsoratoriums von J.S. Bach war der Bassist stimmlich aufgrund einer gerade erst überstandenen Erkältung etwas belegt und seine Stimme klang etwas ´bedeckt´. Auf seinen Wunsch hin habe ich dann später seine Stimme wieder ´geöffnet´. Das Mittel der Wahl war natürlich der EQ in seiner Spur in der DAW, was auch sonst (wenn ich mich recht erinnere, kam noch eine geringe Kompression dazu).
Nicht zwingend. Man muss auch nicht wissen wie ein Auto funktioniert, um es fahren zu können. Die Erfahrung kommt nicht daher, dass die Schaltpäne studieren, sondern dass die viele Aufnahmen bereits damit gemacht haben, und wissen wie das Ding reagiert.
Für den professionellen Tonschaffenden würde es mir bei weitem nicht reichen, dass er in der Analogie gesprochen "nur Auto fahren kann". Er sollte um bei der Analogie zu bleiben, auf jeden Fall mehr wissen und mindestens das Niveau eines Automechanikers/-mechatronikers haben.
Nicht unbedingt muss er aber selber Autos konstruieren können, dass ist Sache der Hersteller. Aber intime Kenntnisse seiner Funktion und der Funktion all seiner Komponenten sollte er auf jeden Fall haben, ohne die eine Werkstatt ein Auto auch nicht wirklich reparieren kann.
Erfahrung und eine gute Prise Intuition sind ebenfalls sinnvoll und helfen auf jeden Fall, schneller ans Ziel zu kommen und sich auf ungewöhnliche Situationen und Herausforderungen einzustellen.
Sich aber nur darauf zu verlassen, wäre für mich aber das Niveau des reinen Amateurs. Dem Amateur sei das unbenommen, niemand verlangt vom Amateur echte Professionalität und umfassende Kenntnisse. Eine gewisse Unbefangenheit und Unvorbelastetheit kann auch schöne und erfrischende Ergebnisse zeitigen.
Aber die Gefahr, daneben zu liegen, womöglich kräftig, ist dabei immer gegeben. Und die Empfängnis für schwammige und technisch-wissenschaftlich nicht haltbare Aussagen von Herstellern, die gerne ihr Zeug für möglichst viel Geld verkauft. Jeder kennt genug Beispiele dazu aus der "Audio-phoolen-Szene".
Ich kenne das auch noch gut aus dem Musikstudium. Es gab immer einige spieltechnisch Hochbegabte, die aber keinerlei tiefere Kenntnis der musikalisch-strukturellen Hintergründe hatten und sich auch nicht dafür interessierten. Wenn sie dabei immerhin mit einer guten musikalischen Intuition gesegnet waren (die auch jeder gute Musiker braucht), dann konnten sie auch tatsächlich schön und mitreißend Musizieren.
Aber im Zweifel lagen sie halt interpretatorisch schon mal krass daneben - und das klang dann eher grotesk als schön (z.B. Wahl viel zu schneller Tempi, weil die Finger es ja konnten).
Alle wirklich großen und halbwegs bedeutenden Musiker und Komponisten egal welchen Genres kannten bzw. kennen sich umfassend und tief fundiert in der Materie aus. Ohne echtes Know-How und nur mit Erfahrung und Intuition waren bzw. sind viele wieder ganz schnell weg vom Fenster.
Nicht umsonst sind alleine die Aufnahmeprüfungs-Bedingungen für ein Tonmeister-Studium so besonders anspruchsvoll, hier als Beispiel die Bedingungen an der HDK Berlin:
https://www.udk-berlin.de/studium/tonmeister/studium/bewerbung/pruefungsdetails/
https://www.udk-berlin.de/studium/t...efungsdetails/die-praktischen-pruefungsteile/
https://www.udk-berlin.de/studium/t...ungsdetails/die-theoretischen-pruefungsteile/
https://www.udk-berlin.de/studium/tonmeister/studium/bewerbung/vorbereitung-und-voraussetzung/
Ich selber würde mich als einen Ton-Amateur mit dem Bestreben nach Professionalität bezeichnen.
Aber für Pure Audio (24 Bit und 192 kHz) benötigt man schon mal "analog unkomprimiertes Studio-Material" um das zu demonstrieren.
Über das 24/192-Format und seinen Sinn/Unsinn findet man bei "Monty" sehr erhellendes:
https://xiph.org/~xiphmont/demo/neil-young.html