Warum denken wir eher in Dur?

HëllRÆZØR;4532745 schrieb:
Was mich interessieren würde ist, wie deine Truppe einen m7b5 auflösen würde.
(mit der Annahme, er müsse aufgelöst werden)

Gehen wir einmal von Cm7b5 aus, mit den Tönen c' - es' - ges' - b' (deutsche Schreibweise)
Ganz spontan würde ich ihn nach Des-Dur auflösen: des' - f' - as' - des''

Der Tritonus (c'- ges') bestimmt primär die Auflösungsmöglichkeiten. Es wäre prinzipiell auch G-Dur denkbar, klingt aber nicht so plausibel (h - d' - g'- h'). Untersucht man die Sache genauer, läßt sich auch ein rationaler Grund dafür finden:

Cm7b5 ist nur einen Ton vom Dominant-Septakkord von Des-Dur entfernt (b'->as'), jedoch zwei vom Dominant-Septakkord von G-Dur (b'->a' und es'->d').

Soweit meine ersten Empfindungen und Überlegungen.

Gruß
Klaus
 
Zunächst zum Chor-Experiment: Wenn sich durch vorherige Übungen, das Moll-Gefühl genügend durchgesetzt hat, wird auch nach Moll aufgelöst werden.
Was nur belegt, daß der Mensch fähig ist, natürliche Gegebenheiten durch Übung zu verändern...
Nicht mehr und nicht weniger sagt das. Man könnte auch vorher 38 Stunden üben, dann löst der Chor auch auf Dim7 auf...

Einstudiertes kann man schlecht als Beleg für ein natürliches Verhalten heranziehen.

Andere Kulturen, wie z.B. die russische würden sicher viel eher zu Moll tendieren. Doch möglicherweise entspricht Moll hier eher dem "trüb-harten" Lebensgefühl mit unwirtlichen natürlichen Verhältnissen (russicher Winter)? Der hohe Alkoholkonsum spricht vielleicht ebenfalls für eine gedämpfte Stimmung.
Russische Suffköppe singen in Moll...? Was für eine These...:D

Nein, das Experiment würde sicher auch da ein Dur-Akkord ergeben. Kein Russe käme auf den Gedanken, ein Dur-Lied in Moll anzustimmen, weil die russische betrunkene Seele nach Menlancholie schreit.

Dur liegt einfach in der Struktur der 12 Töne begründet und wird zudem durch die schon weiter oben erwähnte Obertongeschichte verstärkt.


Emotionale Ausdruckskraft müßte bei Musik, welche auf Harmonien verzichtet, auf andere Weise erzeugt werden, was aber schwieriger sein dürfte.
Emotionale Ausdruckskraft liegt in der Interpretation, nicht in der Harmonik verborgen...

Von den chromatischen Intervallen werden in den beiden Sprachen ganz bestimmte bevorzugt, nämlich die der Pentatonik (≈70%) und Heptatonik (≈80% ). Dies spricht nach Meinung der Autoren dafür, daß die größere Präferenz für diatonische und pentatonische Skalen aus der größeren Vertrautheit mit diesen Formant-Verhältnissen aus der Sprache rührt.
Wobei man ergänzen muß, daß strukturell 5 und 7 in einem 12er-System besonders korrellieren. In der Musiktheorie noch viel mehr, denn Pentatonik ist nur ein Teilausschnitt der diatonischen Heptatonik bzw. die Heptatonik eine Erweiterung der Pentatonik.

Moll kann sehr fröhlich klingen - eine Sache des Tempos, was der erfahrene Musiker auch schon eine Weile als Banalität kennt, den Sprachforscher hingegen mag das möglicherweise überraschen.

Alles keine Erklärung dafür, weshalb die Menschen in der Sprachmelodik offensichtlich ein 12-Ton-System benutzen, denn sonst wären pentatonische bzw. heptatonische Intervalle statistisch nicht derart auffällig.

Wenn man sich allerdings mit dem mathematisch-strukturellen Aufbau des Tonsystems an sich vertraut macht, erkennt man deutlich, daß es da extreme Zusammenhänge gibt, ja sogar der Zahlenraum und die Struktur verschmelzen.

Insbesondere dann, wenn man berücksichtigt, daß der Mensch ein 12er-Endlossystem in der Musik benutzt, allerdings Symmetrie hier natürlicherweise meidet und ein unsymmetrisches System ihm erst ermöglicht, tonal zu hören und zu denken.

@PVaults: Interessant, dass du hier auf mathematische Modelle zurückgreifst, um ein musikalisches Phänomen einzuordnen. Neulich meintest du noch, man sollte mathematische Ansätze strikt von der Theorie der Harmonik in der Harmonielehre trennen. Zumindest verstand ich das so. Nun gut, um so besser!! Mathematik hilft eben weiter.

Dort, wo es um musikalische Gesetze geht, benutze man ein musikalisches System. Wobei selbst das über Abstandsmessungen (Intervallmessung) funktioniert und demnach immer auf mathematische Systeme nutzt.

Wenn musikalische Effekte auf ein mathematisches System zurückzuführen ist, ist das nochmal ein anderer Fall. Hier geht es ja nicht darum, einen harmonischen Vorgang zu erklären, sondern darum, archaische Verhaltensformen, die einer Urmusikalität einer Gemeinschaft entspringt, zu erklären.

Hörgewohnheiten gibt es, sie sind aber soziologisch bedingt, während die Nutzung des 12-Ton-Systems strukturell bedingt ist, womöglich aus der Fähigkeit unbewußten Zählens heraus, das selbst komplexere Zusammenhänge erlernen kann.

Ich hatte mich aber an anderer Stelle schon ausführlich darüber ausgelassen...
 
@Klaus111: Ich finde interessant, dass du eine Auflösung nach Moll gar nicht in Betracht zu ziehen scheinst, wie z.B. Cm7b5 - Bbm.

Dur liegt einfach in der Struktur der 12 Töne begründet und wird zudem durch die schon weiter oben erwähnte Obertongeschichte verstärkt.
Sagen wir mal so: Wenn man von 12et ausgeht kommt man recht schnell auf Dur, aber das geht auch ohne 12et wunderbar, z.B. in der mitteltönigen Stimmung, oder in der reinen Stimmung / über freie Intonation (wie man ja wunderbar an dem Chor-Experiment sieht ^^).

Die Dur-Tonleiter selbst ist übrigens nichts natürliches, nur weil der Dur-Dreiklang besonders konsonant ist.
 
Doch das 12-Tonsystem, welches in unseren Landen so selbstverständlich zu sein scheint, ist alles andere als natürlich...
...
Von Kind auf lernen die Menschen hierzulande Dur kennen. Und das ist der eigentliche Grund, warum uns zum Beispiel arabische Musik zunächst Fremd klingt.
...
Achtet auch mal darauf, was die Vögel so zwitchern. Da sind "Mikrotonalität", Glissandi, Dissonanzen und "unaufgelöste" Klänge der Normalfall. Quintfälle sind dort und anderswo eher Spezialfälle.

Der Widerspruch, der in den o.g. Aussagen zu liegen scheint, lläßt sich m.E. leicht erklären.

Unser System der Heptatonik, durch Transposition erweitert auf unser Zwöltonsystem, zeichnet sich durch eine große "Natürlichkeit" für die mehrstimmige Musik aus.

Die westliche Kultur brachte sie weltweit zu einem einzigartigen Höhepunkt. Die Gebote/Verbote der Harmonielehre versuchen sie zu erklären.

Wenn man so will, so wurde diese Entwicklung "erkauft" durch eine vergleichsweise geringer ausgeprägte Melodik.

Die arabische Kultur ist dafür ein gutes Gegenbeispiel. Traditionell spielt das ganze Orchester praktisch unisono ein Melodie. Der Gesang ist in weiten Teilen ebenfalls unisono, jedoch mit Verzierungen und bei freier Improvisation kann sich die arabische Melodik so richtig entfalten.

Ein sehr gutes Beispiel für letzteres ist von Umm Kulthum hier zu hören. Ab 2:35 eine Improvisation über das Wort "ah" im "HIGAZ"-Modus.

Die Musik mag für uns fremd klingen, doch wir spüren sofort, daß sie viel bedeutet, obwohl wir ihre Organisation zunächst nicht durchschauen. Und sie ist wohlorganisiert:

Teilweise wurde das System der Pythagoreer auf eine andere Art weiterentwickelt, in der Neuzeit fanden 24tönige Oktaven Verbreitung. Die Syrer entwickelten, ähnlich den Pythagoräern, aus oktavtransponierten addierten Quinten 53 mögliche Töne innerhalb der Oktave.
So unterschiedlich die verschiedenen Versuche das arabische Tonsystem zu erklären auch waren, hatten doch alle eines gemeinsam: Aus dem errechneten Tonvorrat wurde eine Vielzahl von heptatonischen Modi gebildet - die sogenannten Maqām-Reihen. Ihnen gemein ist unter anderem, dass der theoretisch gebildete Viertelton nie auftaucht.
(Quelle und weitere Info hier:http://de.wikipedia.org/wiki/Klassische_Arabische_Musik)

Die arabisch-islamische Welt hat natürlich gelernt, die Nuancen der Melodie viel stärker zu beachten als wir. Es ist immer das Spannungsfeld zwischen Natur und dem vom Menschen geschaffenem/gelerntem in dem wir uns bewegen.

Umm Kulthum, der "Stern des Orients" entspricht im arabischen Kulturkreis wohl Maria Callas und Beatles in einer Person.

Bei ihrer Beerdigung versammelten sich mehrere Millionen Trauernde in den Straßen Kairos, der Sarg mit ihrem Leichnam wurde den eigentlichen Trägern abgenommen und über drei Stunden in zahlreichen Windungen durch die dichtgedrängten Straßen Kairos gereicht.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Umm_Kulthum
Nun zu den Vögeln: Wenn sie organisiert zusammen singen würden, wären auch bei Ihnen die melodischen Freiheiten eingeschränkt. Der Quintfall hat natürlich seine Funktion in der mehrstimmigen Musik, nicht im einstimmigen melodischen Gesang.

Fehlt die Mehrstimmigkeit, so hat die Melodik zunächst einmal eine sehr große Freiheit, Mikrotonalität, Glissandi eingeschlossen.

Wäre man jetzt der Meinung, in der Vogelwelt würde Tonalität keine Rolle spielen, so wäre das ein Irrtum. Es spielt sogar die absolute Tonhöhe eine große Rolle, wie dem JOURNAL
für ORNITHOLOGIE (1917) ausführlich zu entnehmen ist:

Wie sehr die absolute Tonhöhe für die Charakterisierung und Be-
stimmung eines Vogels herangezogen werden kann, sehen wir
z, B. bei den Krähen. Die Saatkrähe läfst ihr breit gezogenes
gahk vorwiegend in der Tonlage f-d erklingen, die Rabenkrähen
dagegen — und ihnen schließen sich die Nebelkrähen an —
beginnen ihren kürzeren Ruf arrk meist mit dem höheren g oder
gis, oft sogar mit a. Der grofse Buntspecht ruft vorwiegend
zwischen eis und dis, der kleine gewöhnlich in e, der Turmfalk
dagegen etwas tiefer zwischen a und c. Ebenso sind die Tonlagen
der Kohl- und der Tannenmeise etwas verschieden, d. h. ungefähr
um eine kleine Terz oder Sekunde, wobei die Tannenmeise die
höhere Stimme hat Daraus ergibt sich, daß, wenn auch nicht
für alle, so doch für viele Vögel die Feststellung und Angabe
der absoluten Tonhöhe sehr wichtig ist.
Quelle: http://www.archive.org/stream/journalfrornit65deut/journalfrornit65deut_djvu.txt
Übrigens sind die verschiedenen Modi der "kirchlich-abendländischen" Kultur bekanntlich noch keine Systeme von Dreiklangsbeziehungen und fußen auf Gebilden melodischer Art. Erst als eine "Neue Musik", nämlich mehrstimmig, sich entwickelte, reduzierten sich die Modi auf Dur und Moll. Soweit ich weiß, mußte sich diese "Neue Musik" zunächst gegen die Kirche durchsetzen.

Wem es noch nicht aufgefallen ist:

Es gibst bei uns ein großes Angebot an Harmonielehren, aber kaum eine Melodielehre. Auch in diesem Forum fehlt die Melodielehre. Die Harmonielehre hingegen ist der beliebteste Ort innerhalb der Musiktheorie.

Grüße
Klaus
 
Selbstverständlich ist die Dur-Tonleiter für mehrstimmige Musik gut geeignet. Es ist aber nicht die einzige Tonleiter mit dieser Eigenschaft, und ich wüsste nicht wieso es natürlich sein sollte, Quinten oder Dur-Dreiklänge zu stapeln und dabei die Teiltöne ab dem 7. auf der Strecke zu lassen, während man ohne weiteres einen verminderten Dreiklang in Kauf nimmt, der mit dem aus der Obertonreihe nicht all zu viel zu tun hat. Ich denke die Dur-Tonleiter besitzt einzigartige Eigenschaften, die sie auf gewisse Weise zu etwas besonderem machen, aber mehr auch nicht. Nur meine bescheidene Meinung...
 
Mit Spannung haben ich die vielen guten Ideen und wissenschaftlichen Belege gelesen und kann jetzt nur in aller Kürze antworten... muss gleich zur Arbeit. :)
Ich habe also etwas länger eine Moll-kadenz gespielt und dann einen Septakkord im Chor eingestellt.
Nach dem ich rief: "Auflösen" herrschte witziger Weise enorme Unsicherheit und es kam erst nach einer Weile eine Auflösung zu stande. Das war letztlich ein Dur-Akkord. Aber sofort ging die Diskussion los und aus dem Tenor, dem ich die Septe zugeteilt hatte schallte es zu mir herrüber: "...nach Dur oder nach Moll auflösen?"
:)
Erstmalig kam also die Frage auf in welches Tongeschlecht aufzulösen sei.
Spannend war, dass sich nach einigen Momenten der Uneinigkeit letztlich ein Dur-Akkord durchsetzte, was PVaults bereits anmerkte... Menschengruppen würden sich letztlich auf Dur einigen.

Gleich in der Schule werde ich meiner Russischen Musikkollegin einen Septakkoprd vorsingen und sie bitten, ihn aufzulösen. Ich vermute, dass auch sie den Klang assoziativ nach Dur auflösen wird.
 
Was nur belegt, daß der Mensch fähig ist, natürliche Gegebenheiten durch Übung zu verändern...
...
Einstudiertes kann man schlecht als Beleg für ein natürliches Verhalten heranziehen.

Da sind wir einer Meinung. Es gibt natürliche Grundlagen der Musik, an die man selbstverständlich nicht sklavisch gebunden ist. Musik bewegt sich im Spannungsfeld von natürlichem, gelerntem und neuen Abenteuern. Doch verläßt man Natur und Kultur wird es wohl kaum möglich sein, der Musik eine wesentliche Bedeutung zu verschaffen. Es wird um sie recht einsam. Tendenzen sind u.a. in den Teilen der Neuen Musik zu sehen, die keine Nachfolger mehr findet und die sich absichtlich von emotioneller Bedeutung distanziert.

Russische Suffköppe singen in Moll...? Was für eine These...

Diese primitive verkürzte These stammt von Dir. Ich dachte, Du würdest verstehen, daß gemeint war, daß in einem Land mit weit verbreitetem Alkoholismus und hartem Winter vielleicht auch die Stimmung gedämpft ist und das mit der relativen Bevorzugung von Moll zu tun haben könnte. Es wird schon Gründe für die russische Moll-Liebe geben, vielleicht auch andere? Wie wäre es mit alternativen Vorschlägen?
Selbstverständlich war auch nicht gemeint, ein Dur-Lied in Moll anzustimmen.

Dur liegt einfach in der Struktur der 12 Töne begründet und wird zudem durch die schon weiter oben erwähnte Obertongeschichte verstärkt.

Warum soll ohne die o.g. Verstärkung Dur stärker in der Struktur der 12 Töne begründet sein als Moll? Das solltest Du erklären!

Zitat von klaus111:
Emotionale Ausdruckskraft müßte bei Musik, welche auf Harmonien verzichtet, auf andere Weise erzeugt werden, was aber schwieriger sein dürfte.
Emotionale Ausdruckskraft liegt in der Interpretation, nicht in der Harmonik verborgen...

Entschuldigung, ich hatte z.B. an die Zwöltonmusik gedacht. Der (versuchte) Verzicht auf das Spannungsfeld zwischen Konsonanz und Dissonanz führt dazu, emotionale Ausdruckskraft auf andere Weise zu erzeugen, falls überhaupt gewünscht. Ich rede von komponierter Musik und der wird man i.d.R. wohl auch ohne besondere Interpretation eine emotionale Ausdruckskraft zubilligen müssen. Ein guter Interpret bringt sie im Idealfall optimal zur Geltung.

Wobei man ergänzen muß, daß strukturell 5 und 7 in einem 12er-System besonders korrellieren. In der Musiktheorie noch viel mehr, denn Pentatonik ist nur ein Teilausschnitt der diatonischen Heptatonik bzw. die Heptatonik eine Erweiterung der Pentatonik.

Völlig einverstanden! Auf einen einfachen Nenner gebracht könnte man es so sagen:

- Basis ist die Quinte
- drei Quinten bilden Grundton, Quint, Quart innerhalb einer Okatv und in der weiteren Entwicklung die Grundtöne von Tonika, Dominate und Subdominante.
- fünf Quinten bilden die Pentatonik
- sieben die Heptatonik (und was für ein Glück, daß nach vier Quinten eine einigermaßen akzeptable Dur-Terz auftritt, das berühmte Stimmungs-Dilemma)
- zwölf unser Zwöltonsystem; mit Einführung der Temperierung wurde es auf Konsonanz über alle Tonarten optimiert.

Moll kann sehr fröhlich klingen - eine Sache des Tempos, was der erfahrene Musiker auch schon eine Weile als Banalität kennt, den Sprachforscher hingegen mag das möglicherweise überraschen.

Selbstverständlich und Dur traurig! Es geht allgemein darum, daß Forscher versuchen für das, was die Musiker i.d.R. empfinden, eine rationale Erklärung zu geben. Bei einem seriösen Vergleich dürftest Du also nicht einfach das Tempo von Moll steigern, um mehr Fröhlichkeit zu bewirken. Du müßtest prüfen, was unter sonst gleichen Bedingungen (z.B. Tempo) fröhlicher wirkt.
Es geht um den "bias". Also mit was ist Dur bzw. Moll eher assoziiert? Und dieser "bias" hat wohl natürliche Gründe. Die Dinge sind nicht schwarz-weiß zu sehen, sondern es wird versucht, eine Erklärung für die signifikanten (eben nicht zufälligen) Unterschiede der Stimmung von Dur und Moll zu geben.

Alles keine Erklärung dafür, weshalb die Menschen in der Sprachmelodik offensichtlich ein 12-Ton-System benutzen, denn sonst wären pentatonische bzw. heptatonische Intervalle statistisch nicht derart auffällig.

In der Arbeit von 2007 wurde nicht die Sprachmelodik untersucht, sondern die Klangspektren von Vokalen, welche Formante bilden. Die ersten beiden Formante sind besonders wichtig für die Verständlichkeit (siehe auch Tabelle 1, Wikipedia).

Die Maxima dieser beiden Formante bilden Intervalle, die man genau analysieren kann. Durch Okatavversetzung wurden diese Intervalle in eine Oktave gebracht (Oktavidentität).

Hier zeigte sich eine Häufung der Intervalle, die wir aus der Musik kennen. Wie aus Fig. 3 der Arbeit hervorgeht, sind alle zwölf Intervalle der chromatischen Skala (reine Stimmung) mit recht großen Häufigkeiten präsent (rote Striche). Sie machen 68% der Intervalle aus, die überhaupt vorkommen.

Unter den chromatischen Intervallen sind am häufigsten:
Oktav, Quint, Dur-Terz, Quart,
am wenigsten häufig: Mollterz (!), kleine Sekund, Tritonus (siehe Tabelle 1)
Man sollte die Rangfolge im Einzelfall nicht überinterpretieren, denn wie sich aus Tabelle 1 entnehmen läßt, kann sie je nach Geschlecht und Sprache sowie aus statistischen Gründen variieren.

Mit Deinen weiteren Aussagen wäre ich wohl einverstanden, nur das 12er-Endlossystem verstehe ich nicht. Falls der Tonraum gemeint ist, so hat der selbstverständlich für die menschliche Wahrnehmung seine Grenzen. Was über die Tastatur eines Flügels hinausgeht hat kaum Bedeutung und der Schwerpunkt liegt so etwa in der Mitte (wg. der menschlichen Stimme).

HëllRÆZØR;4534083 schrieb:
@Klaus111: Ich finde interessant, dass du eine Auflösung nach Moll gar nicht in Betracht zu ziehen scheinst, wie z.B. Cm7b5 - Bbm.

Ich habe sie in Betracht gezogen (Dbm und Gm), doch nach Dur hat sie m.E. mehr Affinität. Man kann Cm7b5 natürlich auch in andere Dreiklänge auflösen (von Vierklängen einmal abgesehen). Bb und Bbm sind auch möglich, doch weniger zwingend als die o.g. Akkorde, Denn es fehlt der Leitton und der entsprechende Tritonus. Das Bb ist ja schon in Cm7b5 enthalten.

HëllRÆZØR;4534247 schrieb:
Selbstverständlich ist die Dur-Tonleiter für mehrstimmige Musik gut geeignet. Es ist aber nicht die einzige Tonleiter mit dieser Eigenschaft...

Höchste Anforderungen an die Mehrstimmigkeit stellt der Kontrapunkt.

Der Mathematiker und Jazz-Pianist Mazzola erstellte ein mathematisches Modell für den Kontrapunkt. Dieses war auf beliebige Skalentypen anwendbar. Nun machte er folgende Beobachtung:
Man stößt auf ein interessantes Faktum betreffend die dominierende Rolle der Dur-Skala. In der Analyse für die drei 7-tönigen Skalentypen, die ausschließlich Halb- und Ganztonschritte verwenden. (Dur-Skala, melodische Moll-Skala und die um einen eingefügten siebten Ton erweiterten Ganztonleiter) erscheint die Dur-Skala als optimal im folgenden Sinn: Die Freiheit der Wahl eines Nachfolgeintervalls ist in der Dur-Skala mit Abstand am größten. Regelkonforme Nachfolger gibt es immer. Nur für zwei für zwei Fortschreitungen mit vorgegebenem Startintervall und Cantus-firmus-Schritt ist der Nachfolger eindeutig bestimmt. Die melodische Moll-Skala läßt in der Wahl von nachfolgerintervallen zwar weniger Freiheit zu, es treten aber keine Fälle auf, wo keine regelkonforme Fortschreitung existiert ("Sackgassen"). Hier hat man für 16 Fälle nur eine Wahl. In der "erweiterten Gantonleiter" treten in 18 Fällen Sackgassen auf und die Wahlfreiheit ist minimal.

G. Mazzola: Mathematische Musiktheorie: Status quo 1990, S. 24
in: DMV Jahresbericht, 93. Band Heft 1
Fazit: Man kann selbstverständlich auch mit anderen Skalen als der Durtonleiter mehrstimmige Musik machen. Doch sie sind, je nach Beschaffenheit, für hohe Ansprüche weniger dafür geeignet.
Selbstverständlich kann eine mehrstimmige Musik in anderen Skalen sehr interessant sein, denn die Dur Skala unterliegt ja auch einem Abnutzungseffekt durch Gewöhnung. Sie kann u.U. langweilig wirken. Und auch eine weniger anspruchsvolle Mehrstimmigkeit kann immer noch hochinteresant sein, vielleicht auch gerade wegen der Verwendung anderer Skalen.

@fugato
Hab ich mir gedacht, daß auch eine Unsicherheit bei dem Chor-Experiment passieren könnte.
Ob die Russinnen in ihrer kulturellen Umgebung eher nach Moll auflösen als hier?
Man müßt überhaupt einmal untersuchen, wie häufig Moll in russischer Musik tatsächlich auftritt. Am Ende ist es vielleicht nur eine relative Häufigkeit, die aus unserer Perspektive übertrieben wahrgenommen wird.

Grüße
Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Doch verläßt man Natur und Kultur wird es wohl kaum möglich sein, der Musik eine wesentliche Bedeutung zu verschaffen. Es wird um sie recht einsam. Tendenzen sind u.a. in den Teilen der Neuen Musik zu sehen, die keine Nachfolger mehr findet und die sich absichtlich von emotioneller Bedeutung distanziert.

Die Aussagen hier sind schlichtweg falsch. Neue Musik entfernt sich keineswegs von der Natur, sondern bewegt sich nach wie vor in ihr. Ein direktes Beispiel dafür ist das vorkommen von Geräuschen in Neuer Musik. Es ist auch nicht korrekt, dass Neue Musik keine Anhänger mehr findet. Es gibt derer mehr als man vielleicht denkt. Wenn du dich auf besondere Teile der Neuen Musik beziehst, so würde ich um genauere Hinweise bitten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei der nächstem probe bitte bei der dominante die septime weglassen und die quinte bitten, den "räumlich" nächsten ton nach oben zur tonika-terz zu wählen. Das ergebnis interessiert mich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe sie in Betracht gezogen (Dbm und Gm), doch nach Dur hat sie m.E. mehr Affinität. Man kann Cm7b5 natürlich auch in andere Dreiklänge auflösen (von Vierklängen einmal abgesehen). Bb und Bbm sind auch möglich, doch weniger zwingend als die o.g. Akkorde, Denn es fehlt der Leitton und der entsprechende Tritonus. Das Bb ist ja schon in Cm7b5 enthalten.
Bei der Folge Cm7b5 - Bbm fehlt der entsprechende(?) Tritonus keinesfalls: c - gb umschließt db und f, also Terz und Quinte des Zielakkordes, ich würde hier auch durchaus von einer Leittonbewegung sprechen, auch wenn diese nicht den "Grundton" des Moll-Dreiklangs betrifft. "In Betracht gezogen" war wohl eventuell etwas missverständlich formuliert, ich wollte dir nicht unterstellen dass du nicht einmal darüber nachgedacht hast; hoffe das ist nicht falsch angekommen. ;)

Höchste Anforderungen an die Mehrstimmigkeit stellt der Kontrapunkt.

Der Mathematiker und Jazz-Pianist Mazzola erstellte ein mathematisches Modell für den Kontrapunkt. Dieses war auf beliebige Skalentypen anwendbar. Nun machte er folgende Beobachtung:
[...]
Fazit: Man kann selbstverständlich auch mit anderen Skalen als der Durtonleiter mehrstimmige Musik machen. Doch sie sind, je nach Beschaffenheit, für hohe Ansprüche weniger dafür geeignet.
Selbstverständlich kann eine mehrstimmige Musik in anderen Skalen sehr interessant sein, denn die Dur Skala unterliegt ja auch einem Abnutzungseffekt durch Gewöhnung. Sie kann u.U. langweilig wirken. Und auch eine weniger anspruchsvolle Mehrstimmigkeit kann immer noch hochinteresant sein, vielleicht auch gerade wegen der Verwendung anderer Skalen.
Ich habe mir sein Buch "Geometrie der Töne" mal durchgelesen, durch die englische Neuauflage habe ich mich noch nicht durchgekämpft, die Unmenge an mathematischen und formalen Definitionen in letzterem Buch hat mich immer wieder zu Boden geworfen ^^.

Beim Kontrapunkt geht er aber strikt von 12et aus, außerdem wird im Kontrapunkt streng zwischen Konsonanz und Dissonanz getrennt, obwohl der Unterschied in Wirklichkeit fließend ist, und nicht schwarz-weiß. Mehrstimmigkeit ist allerdings auch mit Intervallen möglich (und kann sehr schön sein!), die mit den höheren Obertönen zusammenhängen, und gerade die septimalen Intervalle (7:6, 7:4, 8:7, 9:7 etc.) bilden meiner Meinung nach einen wunderbar fließenden Übergang zwischen Konsonanz und Dissonanz (von der neuen Klangfarbe ganz zu schweigen), der Harmonik erst so richtig lebendig und "natürlich" macht. Die strikte Trennung von Konsonanz und Dissonanz, wie sie im Kontrapunkt praktiziert wird empfinde ich als alles andere als natürlich.
 
Zitat klaus111:
Doch verläßt man Natur und Kultur wird es wohl kaum möglich sein, der Musik eine wesentliche Bedeutung zu verschaffen. Es wird um sie recht einsam. Tendenzen sind u.a. in den Teilen der Neuen Musik zu sehen, die keine Nachfolger mehr findet und die sich absichtlich von emotioneller Bedeutung distanziert.
Die Aussagen hier sind schlichtweg falsch. Neue Musik entfernt sich keineswegs von der Natur, sondern bewegt sich nach wie vor in ihr. Ein direktes Beispiel dafür ist das vorkommen von Geräuschen in Neuer Musik. Es ist auch nicht korrekt, dass Neue Musik keine Anhänger mehr findet. Es gibt derer mehr als man vielleicht denkt. Wenn du dich auf besondere Teile der Neuen Musik beziehst, so würde ich um genauere Hinweise bitten.

Das ist zwar eigentlich off-topic. Ich hoffe auf Toleranz von fugato.

Prinzipiell freue ich mich über Zustimmung, aber noch mehr, wenn meine Argumente widerlegt werden, denn dann kann ich etwas lernen.
Du solltest allerdings erst einmal einen Text vollständig erfassen, bevor Du ihn für falsch erklärst. Da steht ausdrücklich "... in den Teilen der Neuen Musik zu sehen, die keine Nachfolger mehr findet und die sich absichtlich von emotioneller Bedeutung distanziert."

Ich habe auch überhaupt nichts gegen wirksam eingesetzte Geräusche in der Musik. Ich schließe auch keineswegs eine bedeutungsvolle Musik aus, die auf konsonante Intervalle verzichtet, ja überhaupt auf Töne verzichtet. Nur, es ist m.E. eben sehr viel schwerer eine solche Musik bedeutungsvoll zu komponieren.

Du erbittest genauerer Hinweise besonderer Teile der sog. "Neuen Musik"? Da bleiben wir doch gleich bei Schönbergs Zwölftontechnik, über die wir uns früher schon auseinandersetzten und die weite Teile der sog. "Neuen Musik" beeinflusste. Wo sind denn die heute die Komponisten, welche diese Technik anwenden? Diese Art der Komposition wurde ja schon von Schönberg selbst verlassen, in den (späten?) 50ern von den damaligen Avantgardisten für tot erklärt.

Vielleicht symptomatisch die Aussage von Arvo Pärt, ein bedeutender zeitgenössischer Komponist:

Mir wurde diese Art von Stacheldrahtatmosphäre in der Zwölftonmusik unerträglich. Die Kompliziertheit dieser Musik war wie eine Schraube, die sich überdreht hat und nicht mehr hält. Ich wußte damals gar nicht mehr, ob ich überhaupt noch komponieren kann. Diese Lehrjahre 1968 bis 1976 waren keine bewußte Pause, sondern ein quälender innerer Konflikt auf Leben und Tod. Ich hatte keinen inneren Maßstab mehr und wußte nicht, was ein Intervall oder eine Tonart ist. So begann ich, Alte Musik, Gregorianik und frühe Mehrstimmigkeit zu studieren und Collagen zu schreiben, in denen ich serielle und tonale Musik gegenüberstellte.
Quelle
Wohlgemerkt, Schönberg war ein fähiger Musiker. Doch m.E. ist er mit der Zwölftontechnik einen Irrweg gegangen, zeitgeschichtlich nachvollziehbar. Jedenfalls hat er sich von Natur und Kultur (der "Herrschenden") sehr entfernt. Er ließ seine Musik im "Verein für musikalische Privataufführungen" erklingen. Eine Gleichberechtigung von Konsonanz und Dissonanz ist wahrnehmungspsychologisch eine Illusion.

Selbst was seine "atonale" frühere Musik anbelangt, Beispiel "Hängende Gärten":

"Und die Schockwirkung der Atonalität, die die Lieder der "Hängenden Gärten" vor einem halben Jahrhundert hervorriefen? Nichts davon ist geblieben; das Ohr nimmt sie schlichtweg als schöne Musik..."
(K.H. Ruppel, Süddeutsch Zeitung 10.11.1960)
Adorno (selbst Reihentechniker) belegte so schon 1963 das "Altern der Neuen Musik".

So sieht Karger, eine zeitgenössischer Komponist, heute das "Altern der Neuen Musik":

... Die Frische der ehemals neuen ästhetischen Setzungen wird nur noch verwaltet und in der Schublade "Avantgarde" abgelegt, aus der man sich bei Bedarf bedienen kann. ...
Quelle: Reinhard Karger: Mein Handy spielt Beethoven Oder: wie dem Komponisten die Zeit vergeht
Was sagt Boulez heute?

BZ: Welche Komponisten der Gegenwart interessieren Sie persönlich am meisten?
Boulez: Alle, die Ideen haben und wirklich auch Musik schreiben können. Ich habe eine Aversion gegen Dilettanten - und es gibt Dilettanten in der Neuen Musik. Ich will da jetzt keine Namen zitieren, aber wenn man zum Beispiel Erik Satie wieder bringen will: Man kann das tausend Mal versuchen - und es wird tausend Mal nicht funktionieren. Für diese Leute gibt es keine Zukunft.
Quelle: Alexander Dick in: Komponist und Dirigent - Interview mit Pierre Boulez: "Schafft diesen Frack ab"
Bezeichnenderweise benennt er bei den Komponisten keine positiven Beispiele.

Viele Grüße
Klaus
 
Also zum einen sage ich zu dieser Art von Sichtweise auf die Musik Schönbergs nicht mehr viel, da haben wir uns tatsächlich schon ausreichend an anderer Stelle auseinander gesetzt. Zudem habe ich im Sticky Thread "Terzverwandschaften" meine Meinung zu diesem Thema dargelegt.

Ich finde, dir fallen hier keine richtigen Argumente ein, um deine Aussagen wirklich zu unterstützen. Dein Post klingt so wie es normalerweise gemacht wird, unbelegt und einfach ins Blaue wird Neue Musik zerredet. Du zitierst hier lediglich ein paar Leute, darunter auch welche, die der "atonalen" Neuen Musik einfach abgeneigt sind und vielleicht sehr engstirnig und subjektiv denken und reden. Zudem stellst du es so dar, als sei Schönbergs eigene Zwölftonmethode wirklich grundlegend für Neue Musik. Sie ist es mit Nichten. Sie ist lediglich eine von sehr sehr vielen Kompositionsmethoden in der Neuen Musik. Schönberg war ein Pionier, und hat gute Musik geschrieben. Er hat damals eine Tür aufgestoßen. Er konnte auch hervorragend tonale Musik schreiben (Beispiel: Verklärte Nacht). Schönberg hat sich von der "Zwölftonmusik" auch nie abgewandt. Er hat lediglich spät ein paar tonale Gelegenheitswerke verfasst. Seine Musik allein kann jedoch niemals als repräsentativ für den weiten Begriff Neue Musik gelten.

Er ließ seine Musik im "Verein für musikalische Privataufführungen" erklingen.

Das ist richtig, es hatte aber nichts mit seiner Musik zu tun, sondern nur mit dem gesellschaftlichen Kontext. Alles Neue wurde gerade damals sehr skeptisch betrachtet. Ähnlich wie Jahrhunderte vorher die Aussage, die Erde wäre eine Kugel. Schönberg wollte seine Musik, und die Musik einiger Freunde, in Ruhe hören, studieren und in geschlossenem Kreise an den Interpretationen feilen, ohne dabei durch dumme Pawlow'sche Reaktionen von zurückgebliebenen oder überreagierenden Leuten respektlos unterbrochen zu werden. Deshalb gründete er den Verein. Er war übrigens auch ein Bürokrat, in Wien, was wiederum ein Grund ist, warum er gleich einen Verein aufmachte.

Wie Boulez über Satie redet, ist an dieser Stelle einfach nur lustig. Satie ist jemand, der vorwiegend tonale Musik geschrieben hat. Ihn hier in diesem Thread somit als weiteren Repräsentent guter Neuer Musik heranzuziehen, über den dann schlecht geredet wird, ist nicht so passend, finde ich. Boulez hat Recht, wenn er sagt:

"Alle, die Ideen haben und wirklich auch Musik schreiben können."

Vielleicht können wir uns zu dem Thema an anderer Stelle weiter unterhalten, und auch mehr ins Detail gehen, und Name-Dropping betreiben. Es steht nämlich genauso die Frage im Raum, welche wirklich guten zeitgenössischen Komponisten es gibt, die noch tonale Musik nach den Regeln der Harmonielehre schreiben.
 
Zuletzt bearbeitet:
HëllRÆZØR;4535253 schrieb:
Bei der Folge Cm7b5 - Bbm fehlt der entsprechende(?) Tritonus keinesfalls: c - gb umschließt db und f, also Terz und Quinte des Zielakkordes, ich würde hier auch durchaus von einer Leittonbewegung sprechen, auch wenn diese nicht den "Grundton" des Moll-Dreiklangs betrifft.
"In Betracht gezogen" war wohl eventuell etwas missverständlich formuliert, ich wollte dir nicht unterstellen dass du nicht einmal darüber nachgedacht hast; hoffe das ist nicht falsch angekommen.

Ist nicht falsch angekommen. Danke, daß Du an die Möglichkeit dachtest!
Du hast es mit dem Fragezeichen schon angedeutet. Dieser Tritonus ist nicht der, den man vom Dominantseptakkord her kennt. Die Leittonwirkung zum Grundton ist m.E. klar die stärkste. Der obige Tritonus gleitet zu Quint und leitet zur Mollterz. Klingt auch nicht schlecht, ist ungewohnter und kann im entsprechenden Kontext sicher wirkungsvoll eingesetzt werden.

Der Kontext ist immer ganz entscheidend. Aus ganz einfachen Dingen kann man hervorragende Musik gestalten, wenn man in der Lage ist, sie in den richtigen Kontext zu bringen. Was zum Beispiel die ersten drei Obertöne, sowie Dur und Moll wirklich bedeuten, führt Richard Strauss hier anfangs vor.

HëllRÆZØR;4535253 schrieb:
Ich habe mir sein Buch "Geometrie der Töne" mal durchgelesen, durch die englische Neuauflage habe ich mich noch nicht durchgekämpft, die Unmenge an mathematischen und formalen Definitionen in letzterem Buch hat mich immer wieder zu Boden geworfen ^^.

Das kann ich gut verstehen, mir reicht schon der zitierte Artikel.

HëllRÆZØR;4535253 schrieb:
Beim Kontrapunkt geht er aber strikt von 12et aus, außerdem wird im Kontrapunkt streng zwischen Konsonanz und Dissonanz getrennt, obwohl der Unterschied in Wirklichkeit fließend ist, und nicht schwarz-weiß. Mehrstimmigkeit ist allerdings auch mit Intervallen möglich (und kann sehr schön sein!), die mit den höheren Obertönen zusammenhängen, und gerade die septimalen Intervalle (7:6, 7:4, 8:7, 9:7 etc.) bilden meiner Meinung nach einen wunderbar fließenden Übergang zwischen Konsonanz und Dissonanz (von der neuen Klangfarbe ganz zu schweigen), der Harmonik erst so richtig lebendig und "natürlich" macht. Die strikte Trennung von Konsonanz und Dissonanz, wie sie im Kontrapunkt praktiziert wird empfinde ich als alles andere als natürlich.

Dem stimme ich zu, jedoch habe ich wohl noch kein Beispiel gehört, in dem die septimalen Intervalle verstärkt verwendet werden. Hast Du eines?

Es ist ja schon fazinierend wie man 31 Töne bemerkenswert harmonisch gleichzeitig erklingen lassen kann, nämlich Grundton und 30 Obertöne.
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/58/Harmonics.ogg

Ich bin der Meinung, daß wir heute die quasi "paradiesische" Gelegenheit haben, elektronisch eine beliebige Zahl von Instrumenten/Klängen zu simulieren, in denen wir das tonale Neuland erforschen können, das früher noch nicht zugänglich war.

Allerdings sind wir wohl einerseits keineswegs Herr dieser Möglichkeiten und andererseits können es elektronische Klänge summa summarum immer noch nicht mit natürlichen Klängen aufnehmen. Die elektronischen Musik ist zumindest aus den Konzertsälen verschwunden und zeitgenössische Komponisten haben das Feld praktisch verlassen.

Wir könnten z.B. neue Gesetzmäßigkeiten für mehrstimmige Musik formulieren, welche höhere Obertöne einschließt, inklusive der "ekmelischen" Töne. Versuche in dieser Richtung gibt es schon seit längerer Zeit, doch die Ergebnisse finde ich noch nicht so recht überzeugend.

@cvinos
Du hast weder mich, noch Boulez verstanden. Ich habe nichts gegen Schönberg oder Neuer Musik im allgemeinen, das war doch klar zu entnehmen. Ich bin auf die Richtung "Zwölftontechnik" eingegangen und darauf, daß manche Richtungen vereinsamen und absterben. Ist im Prinzip nichts neues. Auch heute hören wir z.B. praktisch keine der 5000 Fugen Simon Sechters.
Übrigens wüßte ich nicht von einen einzigen der von mir zitierten Komponisten, daß sie "atonale" Musik generell ablehnen würden, wie Du behauptest. Die meisten waren sogar Zwölftontechniker. Diese spezielle Technik ist auch mein Punkt.
Für weitere Korrespondez würde ich PM vorschlagen, wg. off topic.

Viele Grüße
Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Günter Sch.;4535208 schrieb:
Bei der nächstem probe bitte bei der dominante die septime weglassen und die quinte bitten, den "räumlich" nächsten ton nach oben zur tonika-terz zu wählen. Das ergebnis interessiert mich.
Und mich würde es interessieren, was passiert, wenn fugato nichts an Akkorden vorgibt, sondern den Chor einfach mal auffordert, einen Mehrklang zu bilden. Ohne ein Ton vorneweg.

Bei musikalisch nicht derart vorgebildeten Musikern wie in fugatos Chor ergibt so etwas stets einen Dur-Akkord, habe ich selbst schon einige Male getestet, allerdings aus künstlerischem Anspruch, nicht wegen psychologischen Experimenten. Es hat allerdings eine Zeitlang gedauert, bis die Leute den Dur-Akkord relativ sauber gesungen haben.

Noch ein paar Worte zu meinem Verständnis vom 12-Ton-System. Das System sehe ich unabhängig von einer exakten Stimmung. Ob jetzt die Quinte höher oder tiefer liegt, ist wurscht, es sollte lediglich halbwegs eine Temperierung möglich sein.

Stimmung und Systematik sind also nicht dasselbe. Zum Verständnis:
Wenn das Klavier oder die Gitarre verstimmt sind, nimmt man trotzdem die Harmonik wahr.

Weshalb ich mir auch sicher bin, daß die Dur-Terz, die eine Menschenmenge gemeinsam hervorbringt, relativ ungenau ist, also eher ein Dur-Terz-Spektrum abbildet. So nehmen wir das nämlich wahr.

Diese primitive verkürzte These stammt von Dir. Ich dachte, Du würdest verstehen, daß gemeint war, daß in einem Land mit weit verbreitetem Alkoholismus und hartem Winter vielleicht auch die Stimmung gedämpft ist und das mit der relativen Bevorzugung von Moll zu tun haben könnte. Es wird schon Gründe für die russische Moll-Liebe geben, vielleicht auch andere? Wie wäre es mit alternativen Vorschlägen?
Selbstverständlich war auch nicht gemeint, ein Dur-Lied in Moll anzustimmen.
Du darfst auch mal lachen...

Warum soll ohne die o.g. Verstärkung Dur stärker in der Struktur der 12 Töne begründet sein als Moll? Das solltest Du erklären!
Habe ich doch schon begründet:
- Quinte als Ausgangspunkt einer unsymmetrischen Tonleiter, die wiederum überhaupt Ausgangspunkt einer Tonalität ist.
- Stufenakkorde über der diatonischen Skala bilden.
- die Wirkung des Quintfalls berücksichtigen

Wenn man nun die Stufenakkorde sortiert, erhält man die Quintfallreihe
VII° => IIIm => VIm => IIm => V => I => IV

Demnach fallen die Quinte in die Subdominante, wenn man das ionische System als Bezugssystem definiert. Wobei ich den überall hin legen könnte, beispielsweise legt George Russell die I auf das lydische System. Unabhängig davon bleibt die Quintfallfolge:
°=>m=>m=>m=>D=>D=>D

Sie endet also auf einem Dur Akkord und ist somit eine Folge der strukturellen Gegebenheiten, die sich aus einen 12-Ton-System ergibt. Und das menschliche Hirn nimmt genau diese Strukturen als harmonisch bzw. schön wahr.

Das eigentliche Wunder an der Geschichte ist aber:
Normalerweise werden Symmetrien als schön wahrgenommen. In der Musik funktioniert das aber überhaupt nicht, sondern es wird ein unsymmetrisches System benötigt, um einen Wohlklang zu erreichen,der im Grunde aber auf einer mathematischen Endlosreihe beruht.

Anscheinend rechnet das menschliche Hirn viel mehr, als es manche Musikwissenschaftler akzeptieren können.
 
Stimmung und Systematik sind also nicht dasselbe. Zum Verständnis:
Wenn das Klavier oder die Gitarre verstimmt sind, nimmt man trotzdem die Harmonik wahr.

Das liegt daran, daß wir "zurecht hören", d.h. wir nehmen aufgrund früherer Erfahrung das wahr, was es offenbar sein soll, auch wenn es fehlerhaft ist. Man könnte z.B. auch eine Textzeile etwas abdecken und könnte sie immer noch lesen.

Dennoch klingt ein Orchester das in reinen Intervallen spielt anders als eines das temperiert spielt oder drastischer: Steicher eines Schülerorchester bzw. Berliner Philharmoniker

Du darfst auch mal lachen...

O.K. :D, dann hättest Du es nicht so formulieren sollen, daß man denken könnte, ich hätte so etwas vielleicht gemeint.

Wenn man nun die Stufenakkorde sortiert, erhält man die Quintfallreihe
VII° => IIIm => VIm => IIm => V => I => IV

Demnach fallen die Quinte in die Subdominante, wenn man das ionische System als Bezugssystem definiert. Wobei ich den überall hin legen könnte, beispielsweise legt George Russell die I auf das lydische System. Unabhängig davon bleibt die Quintfallfolge:
°=>m=>m=>m=>D=>D=>D

Sie endet also auf einem Dur Akkord und ist somit eine Folge der strukturellen Gegebenheiten, die sich aus einen 12-Ton-System ergibt. Und das menschliche Hirn nimmt genau diese Strukturen als harmonisch bzw. schön wahr.

Wie früher schon einmal erwähnt, ist die Heptatonik und die Quintfallreihe mit der Struktur eines Möbius-Bandes vergleichbar.

Es gibt für mich keinen plausiblen Grund, warum Du das Band gerade an dieser Stelle aufschneidest. Das könntest Du genauso gut bei VIm, dann würde die Reihe auf Moll enden. Außerdem wirkt Deine Reihe so nicht geschlossen, denn man kehrt nicht zum Ausgangspunkt zurück.
Es ist hier, wie so oft, die Geschlossenheit, die als schön empfunden wird. Übrigens auch beim Singen einer Tonleiter. Da hört man eben nicht mit dem Leitton auf. Stichwort. --> Auflösen! (Das hatten wir ja früher schon einmal.)

Das eigentliche Wunder an der Geschichte ist aber:
Normalerweise werden Symmetrien als schön wahrgenommen. In der Musik funktioniert das aber überhaupt nicht, sondern es wird ein unsymmetrisches System benötigt, um einen Wohlklang zu erreichen,der im Grunde aber auf einer mathematischen Endlosreihe beruht.

Anscheinend rechnet das menschliche Hirn viel mehr, als es manche Musikwissenschaftler akzeptieren können.

Richtig, im räumlichen Bereich (3D oder 2D) empfinden wir Symmetrie als schön.
Doch können wir Musik damit vergleichen? Es gibt prinzipielle Unterschiede:

Sie läuft in der Zeit ab. Was wäre hier die Symmetrie? Kein Mensch hört sich ein Musikstück rückwärts an, obwohl es heute möglich wäre. Von hinten spielen? Die Noten auf den Kopf stellen? Alles nicht schön. Auch der Krebs-Kanon von Bach ist wohl eher ein gut gemachter Gag, der zeigt, wie gut der Meister sein Handwerk verstand.

Sind Tonhöhen überhaupt symmetrisch zu sehen? Neigen wir vielleicht nur dazu, weil es uns aufgrund einer Notenschrift oder einer Tastatur optisch leicht fällt?
Assoziieren wir vielleicht nicht eher Tonhöhen als unsymmetrisch? Nämlich hohe Töne als klein, tiefe Töne als groß? Das hätte seine Enstprechung in underer Erfahrungswelt und würde vielleicht eher passen.

Wahrscheinlich meinst Du die Existenz der Halbton- und Ganztonschritte in unseren diatonischen Tonleitern, die wir als schöner enmpfinden, als eine Ganztonleiter oder chromatische.

Das stimmt selbstverständlich!

Doch um diese Tatsache zu erklären, reichen möglicherweise andere Dinge aus.

Nehmen wir das Prinzip der niedrigen Obertöne, die am mächtigsten sind.
(Oktavidentität vorausgesetzt)

Pinzip der Quinte (erster neuer Oberton):
Quintschichtung (sieben Quinten --> Heptatonik)

Prinzip der Dur-Terz (zweiter neuer Oberton) in Kombination mit der Quinte:
Wir haben den Dur-Akkord. Den schichten wir auf die Ober-und Unterquint --> Heptatonik

Dahinter steckt das Prinzip der niedrigst möglichen Zahl und des niedrigst möglichsten Energiezustandes. Mehr brauchts nicht!

Dieses Prinzip scheint mächtiger zu sein, als das einer Symmetrie, welche sich in diesem Falle wohl nur zweifelhaft auf die Musik übertragen läßt.

Grüße
Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hab jetz nciht alles gelesen, weswegen womöglich mein gedanke schon vorgekommen ist:

Wenn man ein Dominantakkord auflöst ist die Auflösung nach Dur stärker als die Auflösung nach Moll. Grund: der Schritt von der Dominantseptime zur Tonikadurterz ist chromatisch und der von der Dominantseptime zur Tonikamollterz halt ein ganztonschritt. Deswegen singt man vielleicht eher bei ner Auflösung ein Durakkord
 
Hi wiesenforce,

der Gedanke wurde schon öfter erwähnt und ist sicher korrekt.
Man könnte es auch so formulieren:

Es ist der kürzere Weg zum konsonanteren Akkord.

Gruß
Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Dem stimme ich zu, jedoch habe ich wohl noch kein Beispiel gehört, in dem die septimalen Intervalle verstärkt verwendet werden. Hast Du eines?
Im Prinzip gibt es sie bereits in vielen Stücken schon, da in der reinen Quint-Terz-Stimmung (also bei freier Intonation) so ziehmlich alle gebräuchlichen verminderten und übermäßigen Intervalle (bei perfekter Intonation von Quinten und Terzen) nur 7.7 Cent von septimalen Intervallen abweichen, was wesentlich besser angenähert ist als die Terzen und Sexten in 12et. Die Abweichung könnte man auch leicht austemperieren, so dass die Quinte rein (oder praktisch rein) ist, und die Abweichung von großer Terz und Naturseptime unterhalb von nur 3 Cent liegt.

Bei reiner Quint-Terz-Stimmung (oder einer geeigneter Temperierung) hat man also reinstimmige Quinten und Terzen/Sexten, und die #6 kann als Naturseptime 7:4 betrachtet werden, die #2 als septimale kl. Terz 7:6, die b4 als sept. gr. Terz 9:7, die #4 als Huygen'scher Tritonus 7:5 usw.

Bei der Zigeunermolltonleiter ergeben sich bei reiner Intonation der Quinten und Terzen (praktisch gesehen) also automatisch zahlreiche septimale Intervalle, und mind. drei septimale Vierklänge (ein Dom7, ein m7b5 und ein m7), alle auf der VI. Stufe.

Auch Wagner scheint von dieser Umdeutung Gebrauch gemacht zu haben, wenn man Martin Vogel glauben darf, und ich halte es für durchaus plausibel, auch wenn ich mich noch nicht näher damit beschäftigt habe. Allein schon der erste Akkord aus "Tristan und Isolde" kann als septimaler m7b5 1/(7:6:5:4) gedeutet werden, wenn man die #6 unter der Moll-Dreiklangsquinte als Naturseptime interpretiert (und so dürfte er auch gehört werden, wenn die Intonation stimmt). Die Harmonik des Stücks, die so vielen Musikwissenschaftlern Kopfzerbrechen bereitet hat dürfte aus dieser Sichtweise (eingeschlossen der, dass Konsonanz / Dissonanz relativ ist) ein wenig besser nachvollziehbar sein ... schätze ich zumindest, müsste mich wie gesagt mal ein bisschen mit dem Stück auseinandersetzen...

Ansonsten fallen mir gerade nicht so viele Beispiele ein, da ich mich zwar sehr intensiv mit der Theorie, aber weniger mit konkreten Stücken anderer Komponisten beschäftigt habe.

Wir könnten z.B. neue Gesetzmäßigkeiten für mehrstimmige Musik formulieren, welche höhere Obertöne einschließt, inklusive der "ekmelischen" Töne. Versuche in dieser Richtung gibt es schon seit längerer Zeit, doch die Ergebnisse finde ich noch nicht so recht überzeugend.
Ich denke bereits in diesen Strukturen, und Intervallnamen verbinde ich mit Zahlenverhältnissen und einem Klang. Sehr weitergeholfen haben mir hier die beiden Bücher "Die Lehre von den Tonbeziehungen" und "Die Naturseptime" von Martin Vogel, so wie die Arbeit mit dem Programm scala, mit dem man mit mikrotonalen Skalen experimentieren, und sogar mikrotonale MIDIs (über pitch shift) erzeugen kann.

Ich hätte schon längst mit der Komposition solcher Stücke begonnen, wenn ich ein praktikables Notensatzprogramm für mikrotonale Musik, und ein mikrotonales Instrument hätte. Gut, ich besitze eine E-Geige, habe die aber länger nicht mehr angefasst, und wegen dem Studium auch keine Zeit, wieder mit Geige anzufangen. Ich habe aber eher vor, mir bei meiner bundlosen Gitarre mikrotonale Bünde einzuzeichnen, eine Tabulatur für reine Stimmung habe ich auch bereits entworfen. Hier z.B. das Griffbild eines septimalen D7:

E| 2\
B| 1v
G| 2
D| 0
(/,\ = syntonisches Komma, ^,v = Leipziger Komma, +,- = pyth. Komma, Zahlen entsprechen 12 Intervallen der pyth. Stimmung und sind als Bünde auf dem Gitarrenhals zur Orientierung farbkodiert eingezeichnet)

Naja, ich schiebe das Projekt schon eine ganze Weile vor mir her, mal schaun wann ich die Zeit dafür finde...

Wie früher schon einmal erwähnt, ist die Heptatonik und die Quintfallreihe mit der Struktur eines Möbius-Bandes vergleichbar.

In der Mathematik gibt es Zahlenstrukturen, die sich Restklassenringe nennen, und mit denen man solche Zusammenhänge beschreiben kann. Ein Restklassenring modulo 12 besteht z.B. aus den Elementen {0', 1', 2', 3', ... , 10', 11'}, wobei jedes Element stellvertretend für alle Zahlen stehen, die sich von dieser um Vielfache von 12 unterscheiden; also 1' = {..., -11, 1, 13, 25, ...}, weswegen man 1' auch 13' oder -1' nennen könnte (es ist das Gleiche). Kurz: Man kann damit Oktavgleichheit in 12et beschreiben. Z.B. gilt 0' = 12' (Grundton und Oktave sind identisch), 12' * 7' = 0' * 7' = 0' (nach 12 Quinten kommt man wieder beim Startton an), -4' = 8' (die kleine Sexte ist das Kehrintervall der großen Terz), 7' * 2' = 2' * 7' (7 Ganztöne entsprechen 2 Quinten), und noch vieles mehr (über die unintuitive "Division" kann man auch zwischen Quintenzirkel- und chromatischer Darstellung wechseln).

Bei einer heptatonischen Leiter funktioniert das ähnlich, aber man muss die Prime als 0' betrachten (0 Schritte), die Sekunde als 1' (ein Schritt weiter), die Terz als 2' (2 Schritte bewegen), usw.

Weiter auf das Thema einzugehen würde hier aber wohl den Rahmen sprengen, bei Interesse kann ich dazu gerne einen separaten Thread öffnen.

Richtig, im räumlichen Bereich (3D oder 2D) empfinden wir Symmetrie als schön.
Doch können wir Musik damit vergleichen? Es gibt prinzipielle Unterschiede:

Sie läuft in der Zeit ab. Was wäre hier die Symmetrie? Kein Mensch hört sich ein Musikstück rückwärts an, obwohl es heute möglich wäre. Von hinten spielen? Die Noten auf den Kopf stellen? Alles nicht schön. Auch der Krebs-Kanon von Bach ist wohl eher ein gut gemachter Gag, der zeigt, wie gut der Meister sein Handwerk verstand.

Sind Tonhöhen überhaupt symmetrisch zu sehen? Neigen wir vielleicht nur dazu, weil es uns aufgrund einer Notenschrift oder einer Tastatur optisch leicht fällt?
Assoziieren wir vielleicht nicht eher Tonhöhen als unsymmetrisch? Nämlich hohe Töne als klein, tiefe Töne als groß? Das hätte seine Enstprechung in underer Erfahrungswelt und würde vielleicht eher passen.
Symmetrien haben durchaus eine wichtige Bedeutung für die Musik. Man sollte hier aber sehr gut zwischen unterschiedlichen Symmetrietypen unterscheiden. Zum Einen kann man Symmetrien aus physikalisch akustischer (ein Stück rückwärts abspielen) und aus symbolischer Sicht (Noten auf den Kopf stellen) betrachten. Dass Letzteres durchaus anhörbar sein kann sei an folgendem MIDI-Beispiel gezeigt, bei dem ich ein bekanntes Kinderlied inkl. Akkordbegleitung in der Tonhöhe gespiegelt habe, und dass nun in (reinem) Moll statt in Dur steht: Anhang anzeigen Kinderlied_Moll.mid

Symmetriebetrachtungen bei Tonhöhen sind auf unterschiedliche Arten möglich:
  • Frequenz-Darstellung: Hier ist der Dur-Dreiklang symmetrisch: Der Abstand in Hz zwischen Grundton und Terz ist der selbe wie der zwischen Terz und Quinte. Auch die Unterschiede aufeinanderfolgender Obertöne sind in dieser Darstellung gleich, und diese somit in diesem Sinne symmetrisch.
  • Periodendauer-Darstellung: Die Periodendauer ist umgekehrt proportional zur Frequenz, und proportional zur Länge einer schwingenden Saite / Luftsäule. Aus letzterem Grund war dies übrigens die Tonhöhendarstellung der alten Griechen (welche sich allerdings auch der Symmetrien der Obertonreihe bewusst waren). In dieser Darstellung ist der Moll-Dreiklang symmetrisch, d.h. wenn man auf einer Saite die Töne eines beliebigen Moll-Dreiklangs spielt, so liegt die Terz immer genau in der Mitte zwischen Grundton und Quinte auf der Saite. Auch die Untertonreihe ist hier symmetrisch, d.h. man erhält eine n-tönige Untertonreihe, wenn man eine Saite in n gleich große Teile teilt, wobei deren Ausgangston der höchste Ton ist; ebenfalls etwas, was die alten Griechen gemacht haben, für die Symmetrie eine sehr wichtige Rolle spielte.
    (ich glaube das war es, was du mit "hohe Töne als klein, tiefe Töne als groß" meintest. Spielst du ein Saiten- / Streichinstrument?)
  • Logarithmisch-melodische Darstellung: Die (für uns) übliche Darstellung: Hier sind weder Dur- noch Moll-Dreiklang symmetrisch. Hier ist der feste Teil der Tetrachorde der alten Griechen in sich symmetrisch, zwischen denen die beweglichen Töne eingefügt werden konnten: Grundton - Quarte - Quinte - Oktave (auch Tetraktys genannt, s. 2. Bedeutung). Außerdem sind hier Dur und Moll zueinander symmetrisch, und Ober- und Untertonreihe.

Es gibt natürlich noch weitere Formen der Symmetrie in der Musik...
 
Zuletzt bearbeitet:

Mit diesem Prinzip arbeite ich. Derzeit baue ich darauf auch eine Java-Bibliothek zur Musik-Theorie auf.

Interessant ist, dass man die Elemente solcher Mengen nicht nur als Repräsentanten für Töne in einem abgeschlossenen Tonsystem (bei Oktavidentität) betrachten kann, sondern es funktioniert auch, die Elemente als Repräsentanten für Intervallklassen anzusehen. Und wie Hellrazor bemerkte, ist es auch möglich, sie als Stufen zu betrachten. Es gibt sozusagen in der Musik für Restklassenringe verschiedene Anwendungsfälle.

Siehe weiterführend, in Bezug auf Musik natürlich, auch http://en.wikipedia.org/wiki/Set_theory_(music) .
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben