Ich habe letztes Wochenende mal zugeschlagen, weil das blaue Voicelive Play zum B-Ware-Preis bei ebay zu bekommen war. Gestern hatte ich einen Solo-Gig mit einem Cover-Programm, da wollte ich das Gerät einsetzen. Ich habe mir das "Acoustic"-Modell bewusst gespart, weil ich auf der Akustikgitarre nur Kompression und Hall brauche, die ich schon habe.
Mittwoch habe ich die Kiste bekommen, mich mit den Presets vertraut gemacht und ein paar als Ausgangspunkt herausgepickt. Dann habe ich für jede der 15 Nummern einen Sound programmiert und in der richtigen Reihenfolge die Speicherplätze belegt.
Am Auftrittsort ( open-air-Bühne, Stadtfest ) habe ich kurz mit dem Mischer gesprochen, den ich gut kannte. Meine Ansage war: ich hab alle Sounds fertig, du musst nur laut machen. Er hat das abgenickt. Das hat auch richtig gut geklappt.
Ein Gerät, das ich grade mal zwei Tage kenne, gleich bei einem Gig einzusetzen, ist zwar immer ein Wagnis, aber hier fühlte ich mir ausnahmsweise ziemlich sicher. Der Sound war klasse ( ich habe den tonestyle "more comp" gewählt, weil ich eine ziemlich weite Dynamik habe und "pitch corr." mit 35% eingestellt ), die leicht unterschiedlichen Hallräume haben dezent für klangliche Abwechslung gesorgt, die Harmonie-Stimmen im Background waren sauber und bei zwei Songs habe ich ein bisschen mit Effekten rumgespielt. Zappa's "Bobby Brown" mit einem modifiziertem "Barry White" - Preset hat jedenfalls für große Heiterkeit gesorgt.
Mein erstes Fazit nach ein paar Tagen:
- Klanglich ist das Gerät über jeden Zweifel erhaben. Die Tonestyles mit dem "adaptive Soundshaping"/ EQ und automatisierten Kompressor geben der Stimme einen hervorragenden Grundsound. Auch die pitch correction arbeitet sehr dezent und hilfreich, wenn man sie vernünftig einstellt. Das ist echt "fire and forget" / "plug and play". Ebenso die Hallräume , Delays, usw. TC gibt sich da wie erwartet keine Blöße.
- Die Presets sind ziemlich bunt. Anders als das hier einige behaupten, habe ich nicht den Eindruck, daß die in Effektsoße absaufen. Da sind tatsächlich auch sehr dezente und relativ trockene Sounds im Angebot. Am Ende muss da aber eh jeder selbst ran.
- Kleine Überraschung am Rande: die "Transducer"-Effekte "Megaphone" und "Tweed" machen einen richtig guten Bluesharp-Sound!
- Das Programmieren am Gerät ist ratzfatz erledigt. Die Bedienung hat man ohne Anleitung in kürzester Zeit kapiert. Der Live-Einsatz ist problemlos - man muss zwar genau hinschauen, wohin man tritt, aber das ist ja nicht das Problem von TC ....
Auch die Tonarterkennung per "roomsense" (mit den eingebauten Mikros) war absolut zuverlässig - solange man sich nicht verspielt.
- Die Software " Voicesupport" ist ein Witz. Man kann da eigentlich nur Firmware aktualisieren und Presets verwalten - und auch da gibt es z.B. die Einschränkung, daß die ersten 235 Werks-Presets nicht gelöscht, sondern nur überschrieben werden können! Editieren der presets ist nicht. Dafür gibt's ein paar nette Artikel zum Thema Gesang zu lesen. Macht auf mich einen unfertigen Eindruck. Warum kann ich z.B. bei meinem "Hall of Fame" eigene Hallräume am Computer programmieren und beim VoiceLive geht garnix? Sehr merkwürdig.
- Die größte Herausforderung ist tatsächlich, die Sounds geschmackvoll zu programmieren. Ich hab mir Zurückhaltung auferlegt und z.B. darauf geachtet, nicht in jedem Stück den gleichen Chor einzusetzen. Das Umschalten muss sauber sitzen, der eigene Gesang muss auch etwas "gezähmt" und an die Harmonien angepasst werden, damit es gut klingt.
Bei den Hallräumen habe ich mir zwei ausgesucht, ein paar Rock-Nummern haben ein Slapback-Echo bekommen statt Hall und das war's. Nur halt bei "Bobby Brown" und "Lucy in the Sky..." ( Chorus, Hall, Harmony ) bin ich in die Vollen gegangen.
Das ist, wenn man das Gerät musikalisch sinnvoll nutzen will, eine richtige Fleißarbeit, aber imo unabdingbar und sehr lohnend. Nichts ist nervtötender als ein Alleinunterhalter, der auf jeden einzelnen Refrain die selbe schnulzige Country-Pop-Backgroundchor-Breitseite draufpackt - weil er's kann!
- Das Publikum fand es klasse, auch die Mucker der befreundeten Band, die mich eingeladen hatten und der Mann am Mischer waren extrem angetan von dem, was die Kiste für die Performance leistet.
Ich sehe nur eine gewisse Gefahr darin, daß der Eindruck aufkommt, man müsse selber gar nicht mehr singen können.
Um dem zu begegnen, bin ich dem Publikum gegenüber offensiv mit der technischen "Hilfestellung" umgegangen und habe bei einigen Stücke auf den Harmony-Effekt verzichtet oder ihn nur sehr sparsam zum "Andicken" eingesetzt.
Unterm Strich: tolles Gerät, sehr inspirierend! Es wird jetzt eine ziemliche Fleißarbeit werden, für meine beiden Bands die passenden Sounds zu bekommen. Aber ich freu mich drauf.