„Stammtisch-Argumente“ bzgl. nicht „handgemachter“ Musik u.ä.

Hm. Jeder hat halt seine Meinung. Sich darüber so aufzuregen bringt ja nix. Du musst ja net derer Meinung sein. Mach einfach dein Ding und gut ist.
Du musst ja bei dem Stammtischgerede ja auch nicht dabei bleiben.
Oder möchtest du jetzt ne Bestätigung das jede Musik seine Berechtigung hat? Solange sie jemand gerne hört, hat sie das wohl auch.
 
Ich lese hier so ein gewisses "Wenn sich einer Mühe gibt..." heraus. Das ist wohl auch das, warum viele die "handgemachte" Musik so schätzen. Aber ich betrachte das unabhängig davon und frage mich, warum die "Mühe" oder der Körpereinsatz so wichtig sind. Nicht falsch verstehen, auch ich selbst finde es absolut cool wenn einer mit Leidenschaft rangeht und sich richtig reinhängt. Der Punkt für mich ist aber, dass das nicht automatisch für mich die Musik "besser" macht und auch dass das nicht notwendig ist für mich, um eine Musik gut zu finden. Es ist also kein absolutes Kriterium oder so. Bei manchen Musikrichtungen passt und passiert es halt einfach, bei anderen vielleicht weniger oder gar nicht. Aber diese Musik kann für mich genauso toll sein und ebenfalls Emotionen in mir auslösen.

Da sind wir halt bei dem subjektiven Aspekt der ganzen Angelegenheit angelangt. Für mich macht es die Musik vom Klang oder den Noten her nicht unbedingt besser, wenn sich jemand reinhängt. Vom Gefühl her sieht das schon anders aus. Ich würde das mit dem schauen einer Sportart vergleichen. Fußball bspw. wäre um einiges uninteressanter, wenn die Spieler nur auf dem Platz herum trödeln würden. Das übertragt einfach Emotion und es gibt bei diesem Thema kein "absolutes Kriterium".

Aber diese Musik kann für mich genauso toll sein und ebenfalls Emotionen in mir auslösen.

Ja. Es gibt Menschen, die Weinen, wenn ihnen ein Teller herunter fällt und andere weinen nicht einmal, wenn ihr Großvater stirbt. Jeder empfindet anders. Ich glaube so eine ähnliche Darlegung habe ich von dir im Zuge des Threads schon gelesen. Ich frage mich, warum du so vehement versuchst dies anderen zu erläutern. Es geht hier mEn nicht darum, andere User in Form einer Erörterung davon zu überzeugen, dass sie falsch lägen. Siehe Post #24. Deine Sicht der Dinge wurde denke ich wahrgenommen.
Ich lese bei dir einfach sofort heraus, dass dir eine andere Meinung, als die deine, stinkt.


Der Vollständigkeit halber möchte ich auch noch drauf eingehen, dass Du hier von "einem DJ" schreibst. Ich gehe davon aus Du kennst den Unterschied und hast es vielleicht nur etwas unglücklich formuliert bzw. bist vom einen Extrem (Angus) zum anderen Extrem (DJ) gegangen, um Deine Aussage besser zu untermauern, aber elektronische Musik wird natürlich auch zum Teil wirklich live performt, oder zumindest "halb-live" (unter Zuhilfenahme von Sequenzern), aber nicht ausschliesslich nur von DJs, die ja im eigentlichen Sinne nur fertig produzierte Stücke abspielen (die Grenzen sind natürlich auch hier wieder fließend und es gibt natürlich DJs, die was neues kreieren oder Live-Elemente in ihr Set einbauen).

Ich habe ja gesagt, dass es sich auch hierbei um Kunst handelt, die gut umgesetzt sein kann. Schön dargelegt, wie bereits zuvor und trotzdem bin ich meiner Meinung. :D


Naja aber warum ist das "der Ursprung", schließlich sind viele der aufgezählten Instrumente ja auch von Menschen geschaffene, ja, Instrumente. Es braucht keinen Strom, aber es wächst jetzt auch nicht auf den Bäumen. Und soweit ich weiss, war sogar das Klavier anfangs verpönt, weil es ein recht modernes Instrument war. Und die Gitarre wurde oft als primitives Zigeuner-Instrument abgetan. Ich denke, es hängt halt auch damit zusammen, wie wir aufgewachsen sind. Aber wenn man es mal nüchtern betrachtet, ist es doch egal, ob ein von Menschen erschaffenes Instrument Strom braucht oder nicht. Beides sind künstlich erschaffene Geräte, die so in der Natur nicht vorkommen.

Für mich ist es halt schon ein Unterschied, ob die Bude mit Strom läuft oder nicht. Im Grunde genommen geht es mir darum, dass alles angesprochene Analog funktioniert. Der Ursprung deshalb, weil es chronologisch gesehen auch vor den elektronischen Instrumenten da war und damit näher am Ursprung der Musik liegt ("Rhythmen und Gesänge").


Was das Gefühl angeht, so bin ich ebenfalls der Meinung, dass man Gefühl auch mit elektronischen Instrumenten ausdrücken kann. Streng genommen bietet ein Synthesizer sogar noch viel mehr Ausdrucksmöglichkeiten als jedes andere herkömmliche Instrument. Es gibt sogar Synthesizer und Drum Machines, die richtig "lebendig" klingen (und zwar ohne einen "Humanize"-Regler). Weil eben auch die nicht immer perfekt sind und es auch da oftmals analoge Schwankungen gibt.

Ich glaube nicht, dass irgendein Synthesizer an den Ausdruck einer Menschlichen stimme heran kommt.

So. Eigentlich wollte ich gar nicht so sehr darauf eingehen aber nun.

LG
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genau @Gogeta2oo2 !
 
Das hier ist einfach eine Ansichts- und Meinungsfrage.... jeder sieht das einfach anders, es gibt kein eindeutiges richtig oder falsch.
Genau. Und zwar deswegen:

Aber ich betrachte das unabhängig davon und frage mich, warum die "Mühe" oder der Körpereinsatz so wichtig sind. (...) Es ist also kein absolutes Kriterium oder so.
Das eine große Kriterium für die Qualität von Musik gibt es nicht. Jeder Mensch hat andere Kriterien, die ihm bei Musik wichtig sind. Manche hören vor allem auf den Sound, andere nur den Song, den sie gerne mitsingen. Manchen ist nur wichtig, dass man dazu tanzen kann, andere wollen virtuose Musiker sehen. Und es gibt noch viele Faktoren, die viel schwerer zu beschreiben sind, weil sie im Unterbewusssein liegen.

Wenn man also jemandem vorwirft, er habe einen schlechten Musikgeschmack, sagt man eigentlich "Du willst die falschen Dinge von Musik". Auf einmal klingt es albern, oder?
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Für mich persönlich ist "echte" Musik das, was nicht aufhört, nur weil ich 'nen Stecker rausziehe. Akustik-Gitarren, Klavier, Trommeln, Cajons, Gesang etc.
Sehr schön formuliert. Überhaupt nicht meine Meinung, aber du drückst aus, was dein Empfinden ist. Ok, cool.

Es ist halt der Ursprung von allem, was da gesampelt wird.
Hm naja, nicht alles ist gesamplet, gibt ja auch Synthesizer, die reine Mathematik zu Musik machen. Warum das per Definition schlechter sein soll...

Man kann viel mehr Gefühl rein legen, weil es eine analoge Form der Musik ist.
WTF!!!!! :p :D

Nee, da verlierst du mich. Ich spiele Keyboard und habe keinen Platz für ein Klavier. Willst du mir sagen ich kann deswegen kein Gefühl in meine Musik legen? Oder einfach nur weniger? Wie viel weniger?

Ich stimme dir zu wenn du meinst, dass die Technik, die zwischen der Hand (etc.) und dem Klang ist, ein Hindernis sein kann. E-Drums sind für mich so ein Beispiel. Liegt dann aber eher daran, dass die Technik einfach nicht gut genug ist, und nicht daran, dass es "Technik" ist. Für dich mag das eine schlüssige Assoziation sein, und die drückt sich in deinem Geschmack aus. Schön! Aber in irgend einer Form denen, die elektronisch arbeiten, das Gefühl abzusprechen ist erstens irgendwie beleidigend und zweitens hast du die logische Verbindung nicht einmal etabliert. Nein, "Weil das eine ja analog ist und das andere nicht." reicht nicht. Warum sollte Analog-heit wichtig sein?
 
Nee, da verlierst du mich. Ich spiele Keyboard und habe keinen Platz für ein Klavier. Willst du mir sagen ich kann deswegen kein Gefühl in meine Musik legen? Oder einfach nur weniger? Wie viel weniger?

Ich stimme dir zu wenn du meinst, dass die Technik, die zwischen der Hand (etc.) und dem Klang ist, ein Hindernis sein kann. E-Drums sind für mich so ein Beispiel. Liegt dann aber eher daran, dass die Technik einfach nicht gut genug ist, und nicht daran, dass es "Technik" ist. Für dich mag das eine schlüssige Assoziation sein, und die drückt sich in deinem Geschmack aus. Schön! Aber in irgend einer Form denen, die elektronisch arbeiten, das Gefühl abzusprechen ist erstens irgendwie beleidigend und zweitens hast du die logische Verbindung nicht einmal etabliert. Nein, "Weil das eine ja analog ist und das andere nicht." reicht nicht. Warum sollte Analog-heit wichtig sein?

Nicht gar kein Gefühl sondern weniger. Selbst das Instrument bringt sich da ein. Je nachdem wie warm oder feucht es ist arbeitet das Holz und schwingen die Saiten anders. Reicht das als logische Verbindung? Ich habe gerade echt keine Lust, ständig in diese Argumentationsschiene reinzugeraten. Meine Meinung, für die ich auch Gründe habe. ;) Ich spreche der elektronischen Musik nicht komplett das Gefühl ab, nur ist es für mein Empfinden nicht so umfänglich (und trotzdem breit gefächert). Wie lange arbeiten Menschen schon daran, eine menschlich klingende Computerstimme zu entwickeln? Man hört es trotz unserer Technik noch immer heraus, was menschlich und was synthetisch ist.

Bei deiner Frage wie viel weniger kommt es wohl auf dein Keyboard an. Wenn du ein Keyboard ohne Tastenwiderstand etc. hast wohl weniger, als mit Tastenwiderstand zB. oder "verliere" ich dich da auch?

Ich will hier gar keinen gewinnen, nehmt es doch einfach mal HIN!

LG und Adios :hat:
 
Je nachdem wie warm oder feucht es ist arbeitet das Holz und schwingen die Saiten anders. Reicht das als logische Verbindung?
Ähnliche Effekte hatte man bei alten Synthesizern ja auch. Dass sich ds irgendwie positiv auf die Musik auswirkt, glaub ich gerade eigentlich nicht, macht eher Probleme. Wenn doch, würd mich das interessieren! Aber selbst wenn das in irgend einer Weise positiv ist, fehlt mir noch ganz der Zusammenhang mit dem Ausdrücken von Gefühlen.

Ich versuche mal, zu formulieren, welche Idee vielleicht dahintersteckt - bitte widersprich mir, wenn du es anders siehst!

Wir Menschen messen Dingen, die selten sind, einen höheren Wert zu. Musik, die 1:1 reproduzierbar ist, ist also weniger wert. Zum Beispiel wenn es eine Aufnahme einer Performance ist (wie eine CD) oder wenn es sogar nur ein Playerpiano ist, bei dem ein Papierstreifen mit Löchern durchgezogen wird, die die Tasten steuern. Wenn man dagegen einen Pianisten live spielen hört, ist das ein Hörerlebnis, das nicht 1:1 einzufangen ist - man muss einfach da gewesen sein. Dieser flüchtige Moment ist auch tatsächlich teurer, gerade heute; Musik streamt quasi kostenlos auf Spotify. Wenn man ein Konzert sehen will, muss man noch immer Geld bezahlen, und die Menschen sind auch bereit dazu. Das wären sie wahrscheinlich nicht, wenn auf der Bühne so ein Playerpiano stände. Kleiner Fehler in der Musik können in dieser Philosophie als Artefakte gesehen werden, die von einem tatsächlichen Moment zeugen, in dem die Musik aufgenommen wurde. Fast wie ein historisches Dokument.

Nach dieser Logik ist Musik weniger wert, wenn sie sorgfältig geplant und konstruiert ist. Bohemian Rhapsody hat eine Ära eingeläutet, in der Musik zusammengestückelt und durchproduziert ist. In meiner Sicht hat das die Möglichkeiten des musiklischen Ausdrucks unglaublich erweitert, und inzwischen kann das jedes Kind am Rechner im Keller. Ich finde das großartig!

Bei deiner Frage wie viel weniger kommt es wohl auf dein Keyboard an. Wenn du ein Keyboard ohne Tastenwiderstand etc. hast wohl weniger, als mit Tastenwiderstand zB. oder "verliere" ich dich da auch?
Ist dann ein Cembalo für dich ein richtiges Instrument, weil es analog ist? Oder ist es eher digital, bzw. binär, da die Tasten nur an oder aus sind, und es keine Anschlagdynamik gibt?

Ich will hier gar keinen gewinnen, nehmt es doch einfach mal HIN!
Ich will gewonnen werden! Ich will deine Perspektive verstehen! Und wenn sie mich überzeugt, dann wird sie auch zu meiner Perspektive. Dafür braucht es aber mehr als nur ein einmaliges Statement deiner Meinung, das keine Rückfrage erlaubt. Das muss ich dann hinnehmen, ist aber eher enttäuschend.
 
Ich will gewonnen werden! Ich will deine Perspektive verstehen! Und wenn sie mich überzeugt, dann wird sie auch zu meiner Perspektive. Dafür braucht es aber mehr als nur ein einmaliges Statement deiner Meinung, das keine Rückfrage erlaubt. Das muss ich dann hinnehmen, ist aber eher enttäuschend.

Na enttäuschen möchte ich ja auch niemanden! Wenn du das wirklich möchtest, formuliere ich hier noch einmal ein paar Zeilen.


Ähnliche Effekte hatte man bei alten Synthesizern ja auch. Dass sich ds irgendwie positiv auf die Musik auswirkt, glaub ich gerade eigentlich nicht, macht eher Probleme. Wenn doch, würd mich das interessieren! Aber selbst wenn das in irgend einer Weise positiv ist, fehlt mir noch ganz der Zusammenhang mit dem Ausdrücken von Gefühlen.
[...]
Wir Menschen messen Dingen, die selten sind, einen höheren Wert zu. Musik, die 1:1 reproduzierbar ist, ist also weniger wert. Zum Beispiel wenn es eine Aufnahme einer Performance ist (wie eine CD) oder wenn es sogar nur ein Playerpiano ist, bei dem ein Papierstreifen mit Löchern durchgezogen wird, die die Tasten steuern. Wenn man dagegen einen Pianisten live spielen hört, ist das ein Hörerlebnis, das nicht 1:1 einzufangen ist - man muss einfach da gewesen sein. Dieser flüchtige Moment ist auch tatsächlich teurer, gerade heute; Musik streamt quasi kostenlos auf Spotify. Wenn man ein Konzert sehen will, muss man noch immer Geld bezahlen, und die Menschen sind auch bereit dazu. Das wären sie wahrscheinlich nicht, wenn auf der Bühne so ein Playerpiano stände. Kleiner Fehler in der Musik können in dieser Philosophie als Artefakte gesehen werden, die von einem tatsächlichen Moment zeugen, in dem die Musik aufgenommen wurde. Fast wie ein historisches Dokument.

Gerade die Tatsache, dass ein nicht-elektronisches Instrument eher mit seiner Umwelt interagiert, ohne dass man vorher einen Wert für eine Tonänderung oder Abweichung vom Ideal programmiert hat macht es A) unberechenbar und B) klingt es immer ein bisschen anders, was dem ganzen dem Zitat nach einen höheren Wert beimisst oder? Ein Cembalo ist da nicht von auszunehmen, da auch dieses auf äußere Einflüsse reagiert und zudem die selbe Saite, die gezupft wird, nicht immer genau gleich klingt. Das ist allein schon durch die Mechanik begründet, da diese die Saite nicht immer 100%ig gleich erwischt, sowie auch die Saite an sich nicht immer im selben Schwingungszustand gezupft wird.
Wenn ich mit einem Synthesizer ein Cembalo produziere und dessen virtuelle Saite 5x in der Sekunde spiele, klingt sie immer gleich, wohingegen das echte Cembalo sicherlich nicht diesen konstanten, immer gleichen Anschlag produzieren wird.

Ich möchte, um das nochmal zu unterstreichen, nicht aussagen, dass elektronische Musik nicht interessant oder qualitativ hochwertig ist. Ein Bekannter von mir spielt auf nem Moog und das hört sich auch super an wenn man es kann, ist für mich aber dennoch ein anderer "Kulturkreis" wenn man so will. ;)

LG
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Wenn du das wirklich möchtest, formuliere ich hier noch einmal ein paar Zeilen.
Danke! :)

Unberechenbarkeit durch Umwelteinflüsse mag ich tatsächlich auch. Wenn man 5x hintereinander den genau gleichen Ton hört, klingt das fürs menschliche Ohr einfach falsch. Aber sowohl der Zufallsfaktor im Cembalo als auch das Holz, das in der Gitarre arbeitet, sind eben nur diese Artefakte von "Authentizität", und reiner Zufall. Es ist also nicht ein Ausdruck von Gefühl, der bei elektronischer Musik verloren gehen würde. Und Zufallsfaktoren gibt es in der elektronischen Musik, die werden bewusst eingesetzt.

Die beschworene Authentizität kann meiner Meinung nach also losgelöst vom musikalischen Ausdruck betrachtet werden. Und genau an der Stelle würd ich sagen: Das sind einfach zwei verschiedene Kriterien, und du legst eben einen größeren Wert auf ersteres als ich. Das will ich niemandem absprechen! Ich bin auch beeindruckt von musikalischem Können.

Ich habe ja gesagt, dass es sich auch hierbei um Kunst handelt, die gut umgesetzt sein kann. Schön dargelegt, wie bereits zuvor und trotzdem bin ich meiner Meinung. :D
Ist das Meinung oder ist das Geschmack? Ich weiß das klingt nach Haarspalterei, aber für mich ist das das absolute Herz von dem Thread hier. Du beschreibst deinen Geschmack, und niemand will dir den streitig machen. Aber du schreibst dann dahinter es wäre deine Meinung. Deine Meinung beschreibt, was aus deiner Sicht der Wirklichkeit entspricht - also etwas, wo wir alle irgendwie Zugriff drauf haben, und wo wir (wenn wir uns die Mühe machen, unseren Standpunkt klar zu formulieren und auch selbst zu hinterfragen) tatsächlich auf einen gemeinsamen Nenner kommen können.
 
Danke! :)

Unberechenbarkeit durch Umwelteinflüsse mag ich tatsächlich auch. Wenn man 5x hintereinander den genau gleichen Ton hört, klingt das fürs menschliche Ohr einfach falsch. Aber sowohl der Zufallsfaktor im Cembalo als auch das Holz, das in der Gitarre arbeitet, sind eben nur diese Artefakte von "Authentizität", und reiner Zufall. Es ist also nicht ein Ausdruck von Gefühl, der bei elektronischer Musik verloren gehen würde. Und Zufallsfaktoren gibt es in der elektronischen Musik, die werden bewusst eingesetzt.

Es vermittelt ein Gefühl wäre besser formuliert, ja.

Ist das Meinung oder ist das Geschmack? Ich weiß das klingt nach Haarspalterei, aber für mich ist das das absolute Herz von dem Thread hier. Du beschreibst deinen Geschmack, und niemand will dir den streitig machen. Aber du schreibst dann dahinter es wäre deine Meinung. Deine Meinung beschreibt, was aus deiner Sicht der Wirklichkeit entspricht - also etwas, wo wir alle irgendwie Zugriff drauf haben, und wo wir (wenn wir uns die Mühe machen, unseren Standpunkt klar zu formulieren und auch selbst zu hinterfragen) tatsächlich auf einen gemeinsamen Nenner kommen können.

Wohl eine Mischung aus beidem würde ich sagen, denn wenn etwas mein Geschmack ist, dann ist es meiner Meinung nach ja auch gut.^^
 
Wohl eine Mischung aus beidem würde ich sagen, denn wenn etwas mein Geschmack ist, dann ist es meiner Meinung nach ja auch gut.^^
Dass etwas subjektiv ist, bedeutet ja noch lange nicht, dass es wertlos ist. Vor allem nicht bei Musik, deren einziges Ziel immerhin das subjektive Empfinden des Hörers ist. Trotzdem wichtig, zwischen Allgemeingültigem und Subjektivem zu unterscheiden - gerade an Stellen wie das, was du gerade gesagt hast, wo die Sprache ungenau ist.

:prost:
 
Was für eine abgefahrene Diskussion. An den Haaren herbeigezogen liegt hier ganz dicht neben Haare spalten, aber dafür beides ganz schön weit von der ursprünglichen Fragestellung. Da unterscheiden sich Stammtische und Foren nur wenig. Trotzdem haben beide ihre Berechtigung. Und auch wenn ich von Pauschalaussagen wenig halte, gehe ich trotzdem noch gerne in Kneipen oder surfe in Foren...
 
Naja ich sage mal so, so ganz wusste ich anfangs selbst nicht, wie die Reaktionen auf den Thread ausfallen werden. Interessant finde ich aber auch, dass am Anfang hauptsaechlich sowas kam wie "ist doch egal, ist doch jedem sein eigenes Ding, hoere doch nicht auf die...." und inzwischen sind wir doch bei einer Diskussion angelangt. Finde ich aber gut, denn so lassen sich solche Argumente - und zwar von beiden Seiten kommend - evtl. doch noch etwas besser verstehen.

Es ist ja auch nicht so dass ich mich jetzt tagtaeglich darueber aufrege und schon gar nicht mehr ruhig schlafen kann, weil mir irgendjemand mal gesagt hat, elektronische Musik sei keine "richtige" Musik. Aber es gibt halt immer wieder mal den Fall, dass man solche Argumente hoert und mich nervt es halt, und ich wollte jetzt halt auch mal ein paar andere Meinungen und/oder Ansichten hoeren.

Was ich noch kurz betonen moechte: Bei einem analogen Synthesizer klingen die 5 nacheinander angeschlagenen Toene eben NICHT gleich. Sondern auch hier schwankt es. Das ist auch eine der grossen Schwierigkeiten beim Nachbau von analogen Synthesizern mit digitalen Mitteln. Und ich gebe @_pole recht, dass das ja dann auch nicht der super-emotionale Ausdruck des Musikers ist, sondern das ist der Zufall der natuerlichen Gegebenheiten.

Und noch was: Der Begriff "analog" fuer Instrumente wie Klavier, Gitarre usw. ist meiner Meinung nach etwas schlecht gewaehlt. "Akustisch" waere hier der korrekte Begriff.

Hierzu noch etwas:
Nihilus schrieb:
Ich glaube nicht, dass irgendein Synthesizer an den Ausdruck einer Menschlichen stimme heran kommt.
Wir reden hier ja nicht ausschliesslich von der menschlichen Stimme. Wir (auch Du) reden hier ja von akustischen Instrumenten vs. elektronisch erzeugten Klaengen. Die menschliche Stimme ist natuerlich ein Sonderfall. Das ist aber nicht hier der alleinige Punkt in der Diskussion.
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Was Foren und Diskussionen und die Sinnhaftigkeit dieses Threads angeht - ich finde solche Themen halt interessant. Mich beschaeftigen solche Themen nunmal, klar gibt es hier sicherlich auch Leute die einfach nur wissen wollen welches Mikro sie kaufen sollen usw. Aber es gibt einfach auch viele Themen, die mit Musik im Allgemeinen, mit der Wahrnehmung der Musik, mit Geschmack usw. zu tun haben und ueber die man auch durchaus mal sprechen kann. Da muss es ja auch am Ende kein "ich hab aber Recht und Du nicht" geben, es reicht ja auch einfach mal verschiedene Meinungen dazu gelesen zu haben. Auch kann es selbst dem ein oder anderen stillen Mitleser durchaus nochmal den ein oder anderen Anhaltspunkt geben oder seinen Horizont ein stueckweit erweitern.
 
Was ich noch kurz betonen moechte: Bei einem analogen Synthesizer klingen die 5 nacheinander angeschlagenen Toene eben NICHT gleich. Sondern auch hier schwankt es. Das ist auch eine der grossen Schwierigkeiten beim Nachbau von analogen Synthesizern mit digitalen Mitteln.
das ist imho ein pseudo-Argument um etwas künstlich zu überhöhen. ;)
Freilaufende Oszillatoren sind auch digital kein Hexenwerk mehr und 'Zufälle' erst recht nicht.
Seit man die Aliasing Nebeneffekte der Digitalverarbeitung durch 'oversampling' beseitigt, höre ich da keinen Unterschied. Der ist allenfalls in der (analog) oft besseren Haptik begründet... Arbeitsfläche, Reglergrösse, Tastaturausführung.
 
Und noch was: Der Begriff "analog" fuer Instrumente wie Klavier, Gitarre usw. ist meiner Meinung nach etwas schlecht gewaehlt. "Akustisch" waere hier der korrekte Begriff.
Stromgitarre wäre demnach was?
 
Ehm... xD
 
Irgendwie wurde hier so viel kurz und klein geredet, dass man schon überhaupt nicht mehr weiß, worum es geht. Eigentlich wollte ich nur meine Meinung darlegen.
Ich mach das jetzt wie am Stammtisch: ich steh auf, meckere noch einmal in die Runde und verlasse diese Kopfschüttelnd, da die sich aufgrund ihrer alkoholgeschwängerten Gemüter am
Folgetag ohnehin keiner Diskussion entsinnen kann.

:hat:
 
das ist imho ein pseudo-Argument um etwas künstlich zu überhöhen. ;)
Freilaufende Oszillatoren sind auch digital kein Hexenwerk mehr und 'Zufälle' erst recht nicht.
Seit man die Aliasing Nebeneffekte der Digitalverarbeitung durch 'oversampling' beseitigt, höre ich da keinen Unterschied. Der ist allenfalls in der (analog) oft besseren Haptik begründet... Arbeitsfläche, Reglergrösse, Tastaturausführung.
Also wenn Du z.B. bei einer TR-808 mehrfach die Snare anschlaegst dann klingt die jedesmal leicht anders. Ich habe mir daher auch fuer meine MPC ein entsprechendes Sample-Set angefertigt, wo ich von jedem Drum-Sound 4 verschiedene Samples verwende (die einfach nur deshalb verschieden sind, weil der jeweilige Sound 4x gespielt wurde, an den Einstellungen wurde also nichts veraendert). Natuerlich hoert das der durchschnittliche Zuhoerer erstmal bewusst nicht. Es sind aber definitiv klangliche Unterschiede feststellbar, und z.B. eine 16-tel Hihat mit nur einem einzigen Sample klingt um einiges steriler als wenn das 4 Samples sind die zufaellig oder im Kreis herum verwendet werden.
Das ist also kein Pseudo-Argument sondern durchaus hoerbar und vergleichbar. Mag sein dass die Unterschiede nicht so riesig sind, aber wir reden hier ja auch von den "kleinen" und "feinen" Unsauberkeiten, die das ganze so viel "lebendiger" machen (das Ur-Argument kam ja nicht von meiner Seite - ich stimme dem aber prinzipiell zu, sehe nur eben dass das auch bei elektronischen Musikinstrumenten der Fall sein kann).

Stromgitarre wäre demnach was?
Eine Stromgitarre ist eine elektrische Gitarre. "Elektrisch" ist aber nicht das Gegenteil von "analog". Zumindest was Gitarren und Klaviere angeht, ist "elektrisch" immer noch das Gegenteil zu "akustisch". "Analog" ist das Gegenteil von "digital". Es gibt z.B. analoge Synthesizer und es gibt digitale Synthesizer. Beide brauchen meines bescheidenen Wissens nach Strom...

"Analog" bedeutet in diesem Zusammenhang: Signale werden so verarbeitet "wie sie sind". Sie werden dabei evtl. mehrfach gewandelt oder verstaerkt, aber die "Kurve" des Originalsignals bleibt dabei stets in ihrer charakteristischen Form erhalten.
"Digital" hingegen bedeutet, dass ein Signal in Form von diskreten Zahlen bzw. Werten vorliegt. Ein Sample ist z.B. digital, eine Bandaufnahme hingegen analog.

"Akustisch" und "Elektrisch" sind hingegen zwei voellig andere Dinge. Bei einem akustischen Instrument wird der Klang durch einen Resonanzkoerper verstaerkt, bei einem elektrischen wird es durch einen Tonabnehmer und einen elektrischen Verstaerker verstaerkt.

Dann gibt es noch "elektronisch", was nochmal ein Unterschied zu "elektrisch" ist. Bei einem elektronischen Instrument werden die Klaenge durch elektronische Bauteile erzeugt, z.B. durch Oszillatoren (die analog oder digital sein koennen) oder durch das Abspielen von Samples (die immer digital sind).
 
Eine Stromgitarre ist eine elektrische Gitarre. "Elektrisch" ist aber nicht das Gegenteil von "analog". Zumindest was Gitarren und Klaviere angeht, ist "elektrisch" immer noch das Gegenteil zu "akustisch". "Analog" ist das Gegenteil von "digital". (...)
:rofl:
 
Du kannst mir bestimmt erklären was Du daran so lustig findest?
 
Argument 1: "Das ist ja keine handgemachte Musik"
Hier kann ich als jemand sprechen, der selbst davon betroffen ist, als rein elektronischer Musiker.

Oftmals verwendet wenn es um elektronische Musik geht. Was für ein sinnfreier Kommentar.
Eigentlich gar nicht so sinnfrei, wenn man darüber nachdenkt.

Zunächst einmal: In ausnahmslos allen Spielarten nichtelektronischer Musik wird diese gemacht von Leuten, die diese Musik in Echtzeit auf ihren Instrumenten spielen – und sie genau zu dem Zeitpunkt spielen, wo sie auch aufgenommen bzw. vom Live-Publikum gehört wird. Absolut alles, was man da hört. Vor allem, wenn als Interpret eines Stücks nicht ein Einzelkünstler genannt wird, etwa ein Sänger, sondern eine ganze Musikgruppe (Orchester, Ensemble, Band, Kapelle, whatever).

(Ja, es gibt Ausnahmen. Aber so manch ein Metalhead ist der felsenfesten Überzeugung, daß die Blastbeats auf der CD da tatsächlich vom Drummer der Band eingespielt wurden, und zwar in diesem Tempo. Und so manch ein Altrocker redet sich immer noch ein, daß die Drums auf ZZ Tops Eliminator komplett von Frank Beard gespielt wurden – obwohl eigentlich ziemlich klar ist, daß das kein Mensch war, sondern eine LinnDrum.)

So ist es jedenfalls, so war es immer™, so ist man es gewohnt, und so gehört es eigentlich auch.

In der elektronischen Musik ist es allerdings in den allermeisten Fällen nicht so, vor allem nicht in der (bis auf Gesang, so vorhanden) vollelektronischen Musik. Die einzige Ausnahme, die mir gerade einfällt, sind Kraftwerk 1974, vielleicht noch 1975. Da war wirklich alles echtes Handspiel, sogar die Drums, für die Kraftwerk die wohl allerersten elektronischen Schlagzeuge überhaupt bauten. Aber schon 1975 wurde in "Radioaktivität" eine rhythmische Baßfigur mittels LFO erzeugt, statt jede Note händisch in eine Klaviatur zu hacken.

Natürlich kann man als Elektronikerfahrener jetzt sagen: "Wieso, ist doch handgemacht, da muß jemand die Note halten." Das Problem ist: Der Elektroniker bzw. Elektroniksympathisant hört gebundene ganze Noten mit einem sich rhythmisch in der Lautstärke verändernden Klang. Alle anderen hören Achtelnoten und verlangen, daß die auch jeweils einzeln von einem Musiker per Hand gespielt werden. Ab dem Album Trans Europa Express setzten dann auch Kraftwerk Sequencer ein.

Wer also mit elektronischer Musik in Berührung kommt, bei dem ist die Wahrscheinlichkeit, daß er nur 100% handgespielte elektronische Musik mitbekommt und nie irgendetwas, wo auch noch ein bißchen "automatisiert" ist, ziemlich gleich null. Man erlebt es also zwingend, daß irgendetwas automatisch abläuft. Selbst live (oder was an dessen Stelle tritt) hört man Noten, sieht aber niemanden diese Noten spielen, und man hört Drums, aber es ist weit und breit kein Schlagzeug zu sehen. Daraus schlußfolgert man dann zwei Dinge:
  1. Elektronische Musikinstrumente können vollautomatisch spielen.
  2. Davon wird auch Gebrauch gemacht.
Wenn man nicht sowieso schon ein Technikfreak oder Synthesizer-Enthusiast ist, erstickt das jegliches Interesse an der Entstehung elektronischer Musik im Keim – das und der Umstand, daß das ja alles "voll technisch" ist und somit gefühlt zu unverständlich/kompliziert. Statt sich also Wissen darüber anzueignen, behilft man sich mit gefährlichem Halbwissen.

Daß nicht immer jede Note und jeder Drumschlag von einem Musiker aus Fleisch und Blut live auf einer Bühne gespielt wird oder im Studio direkt aufs Tonband, entspricht zwar in den allermeisten Fällen der Wahrheit, ist aber trotzdem eine Annahme und für musikalische Puristen nicht nur störend, sondern ein absolutes No-Go. Das schließt dann gern auch Veränderungen im Klang mit ein. Wenn eine Note nicht sofort aufhört, sondern allmählich leiser wird, kann man das als Laie noch als natürliches Ausklingen wie beim Klavier auffassen. Sobald man aber begreift, daß es kein natürliches Ausklingen ist, sondern von einem elektronischen Schaltkreis (Hüllkurve) gesteuert, ist das böse. Alle anderen Veränderungen im Klang, die nicht natürlich klingen und auch nicht von jemandem mit einem Regler per Hand gesteuert werden, sind mindestens genauso böse.

Die Annahme geht dann manchmal noch weiter: In jeglicher elektronischen Musik, von wann auch immer die sein mag, ist absolut nichts jemals per Hand gespielt worden. Warum auch, wenn das auch Maschinen vollautomatisch können. Ist doch einfacher. Es ist also völlig ausgeschlossen, daß auf irgendeiner Aufnahme elektronischer Musik irgendwas von einem Menschen eingespielt wurde.

Besonders schön wird es, wenn "elektronisch" immer automatisch mit "Computer" gleichgesetzt wird: "Das hat doch alles ein Kompjuter gespielt!" Das wiederum meint, daß auf dem Computer dann auch noch eine Art KI lief, die sich ohne menschliches Zutun um alles gekümmert hat. Noch einmal: immer. Ungeachtet der Tatsache, daß es, als Walter Carlos Switched-On Bach einspielte, noch keinen einzigen Computer in Privatbesitz gab. Auch Carlos' Moog IIIc war weit von einem Computer entfernt: In dem Ding saß kein bißchen Digitaltechnik, es war vollanalog mit rein diskreten Schaltungen und hatte nicht einmal Platinen. (Übrigens gehörte der erste private Computer tatsächlich einem Elektronikmusiker: Kurz darauf legte sich Peter Zinovieff, Inhaber der Electronic Musik Studios in Putney und selbst experimenteller Musiker, einen schrankgroßen Rechner zu, um mit Sampling zu experimentieren. Zinovieff baute auch einige der ersten speicherbaren Sequencer.)

Halten wir also fest: Der Vorwurf, daß elektronische Musik "nicht handgemacht" ist, hat zwei Schichten. Zum einen, und das stört schon die zahllosen Puristen aus Klassik, Jazz, Folk, Blues, Chanson, Rock, Liedermacherszene etc., wird da nicht immer alles von Menschen in Echtzeit per Hand gespielt. Das ist Fakt, und wie ich schon schrieb, das ist für diese Puristen schon verwerflich genug. Jede Note, die nicht zu dem Zeitpunkt, wo man sie live hört oder wo sie "auf Band" aufgenommen wird, von einem Menschen gespielt wird, ist eine zuviel. Dito jeder Drumschlag. Dito jede wie auch immer automatisierte Veränderung im Klang.

Natürlich müssen Sequenzen erst eingestellt oder einprogrammiert werden. Natürlich kann das sehr aufwendig sein. Natürlich steckt hinter elektronischen Klängen – besonders deren songdienlicher selbsttätiger Veränderung — eine Menge Arbeit. Die wird aber nicht honoriert, denn man spielt ja nicht Musik in dem Augenblick, wo sie zu hören ist. Es ist und bleibt "Schummeln".

Zum anderen ist da aber die daraus resultierende Annahme, daß überhaupt nichts per Hand gespielt würde. Oder noch besser, daß diese Musik mit einem Minimum an Interaktion seitens des Menschen von Maschinen praktisch vollautomatisch gemacht wird. Daß man sich als elektronischer Musiker im Prinzip zurücklehnen und sein Keyboard, seinen Synthesizer oder seinen "Computer" die ganze Arbeit machen lassen kann.

Das heißt, heutzutage wird tatsächlich ein Großteil der elektronischen Musik größtenteils oder komplett im Rechner produziert. Kaum jemand macht sich noch die Mühe, vollständig rechnerlos zu arbeiten. Irgendwann muß die Musik ja auch mal aufgenommen werden. Für den reinen Vertrieb übers Netz braucht man einen Computer, CD-Preßwerke dürften heute längst keine Analogbänder mehr akzeptieren, Digitalbänder oder Wechselplatten aus Harddisk-Recording-Systeme schon mal erst recht nicht, und der extreme Underground-Grassroots-Vertrieb nur auf Kassetten ist nicht nur aufwendig und qualtitativ fragwürdig, sondern ziemlich tot, weil niemand mehr Tapedecks hat. Aber auf den Laien wirkt die Verwendung eines Computers an welcher Stelle der Produktion auch immer so, als hätte die Maschine die ganze Produktion praktisch selbsttätig gefahren – höchstens hat der "Musiker" "drei Knöpfe gedrückt", und los ging's.

Menschen mit einer solchen Einstellung vom Gegenteil zu überzeugen, ist ziemlich unmöglich und der Versuch aussichtslos. Dafür ist elektronische Musik an sich zu unsympathisch. Das fängt schon an mit der physischen Natur der Klangerzeuger: Zum gefühlt ersten Mal in der Geschichte werden musikalische Klänge nicht dadurch erzeugt, daß ein Mensch mit Muskelkraft mechanische Komponenten des Instruments zum Schwingen bringt. Keine schwingende Saite, keine schwingende Membran, keine schwingende Luftsäule in einer Röhre, von Muskelkraft angeregt schon mal erst recht nicht.

Der geneigte Musiker wird sicherlich jetzt schon sagen: Das ist Nonsens. Ist es auch. Pfeifenorgeln ohne fußbetätigte Blasebalge gibt es schon lange. Oder die Autoharp. Oder den Leierkasten. Oder die Kirmesorgel, die ja auch noch automatisierte mechanische Percussion mit eingebaut hat. Oder die Tonradorgeln von Laurens Hammond oder gar deren riesiger Vorgänger, das Telharmonium von Thaddeus Cahill. Tape Keyboards (Chamberlin, Mellotron), die Tonbänder abspielen und eigentlich noch verwerflicher sind als jeder Analogsynthesizer, und deren semioptische Verwandten Optigan und Orchestron. Und auch im rein elektronischen Bereich gab es schon das Theremin, das Ondes Martenot, das Trautonium oder den Electronic Sackbut. Aber der Laie weiß das alles nicht, und auch die meisten rein akustischen Musiker haben von den meisten dieser Dinge nichts gehört – allein mit Pfeifenorgeln und Leierkästen könnte man sie kriegen.

Trotzdem sind und bleiben elektronische Musikinstrumente freaky und unsympathisch. Außer daß sie ihre Klänge ohne von Muskelkraft angeregte mechanische Schwingungen erzeugen, kommt hinzu, daß selbst für musikhistorisch (= im Bereich rein akustischer Musik) gebildete Leute komplett undurchsichtig bleibt, wie diese Klänge denn nun erzeugt werden – was auf kein anderes Musikinstrument zutrifft, das sie kennen. Gut, es geschieht irgendwie elektronisch. Aber:
Arthur C. Clarke schrieb:
Jede hinreichend fortgeschrittene Technologie ist von Magie nicht mehr zu unterscheiden.
Und Magie gibt es ja bekanntlich nicht, also sucht man verzweifelt nach anderen Erklärungen. Auch wenn es sich um analoge Schaltungen auf dem technischen Stand von vor 50 Jahren dreht: Was da passiert, bleibt ein Mysterium. Das allein macht Synthesizer schon einmal sehr unsympathisch. Daß ein Synthesizer eben nicht alles vollautomatisch macht oder gar irgendeine Audioaufzeichnung abspielt, während ein Musiker ihn vorführt, davon kann man die Menschen frühestens dann überzeugen, wenn man sie dazu bringt, selbst ihre Hände ans Gerät zu legen und es zu spielen. Okay, es ist also kein Betrug. Aber was da drin nun vor sich geht, bleibt nebulös.

Erschwerend kommt dann ja noch die Klangvielfalt eines Synthesizers dazu. Vielleicht klingt er jetzt so ähnlich wie eine Violine. Dann hantiert der Spieler ein bißchen am Gerät herum – oder drückt gar nur einen einzelnen Knopf –, und auf einmal klingt exakt derselbe Synthesizer so ähnlich wie eine Klarinette. Oder wie etwas, was es eigentlich gar nicht gibt, weil man es noch nie zuvor gehört hat. Es ist ohne weiteres möglich, einem Synthesizer ein um Größenordnungen weitreichenderes Klangspektrum zu entlocken als jedem akustischen Instrument. Das ist nicht nur unglaublich, sondern unglaubwürdig. Sowas kann doch gar nicht gehen; wird da vielleicht doch irgendwie geschummelt? Und für den Traditionalisten macht es den Synthesizer noch unsympathischer, weil ein einziges Instrument die Aufgaben einer ganzen Anzahl an anderen Instrumenten übernehmen könnte.

Daraus resultieren dann auch gern Fehleinschätzungen dessen, was ein Synthesizer tatsächlich kann, und daraus wiederum völlig unzutreffende Implikationen. Nicht ganz unschuldig daran ist der bereit erwähnte Walter (seit ein paar Jahren später Wendy) Carlos und sein 1968er Werk Switched-On Bach. Ein Musiker spielt auf einem einzelnen Instrument ganze Barockkompositionen von Johann Sebastian Bach ein?! Einige sahen das als Sensation (die Platte verkaufte sich überragend gut), andere aber als Frevel. Es wirkte nämlich so, als wenn Carlos auf seinem Moog IIIc alles auf einmal gespielt hätte. Tatsächlich konnte der Synthesizer trotz seiner überbordenden Größe immer nur eine einzelne Note zur Zeit spielen (er war monophon), und Carlos brauchte Monate, um im Overdub-Verfahren nicht einmal eine Stunde an Musik zusammenzuspielen.

Das wußte aber fast niemand. Für die breite Masse sah es so aus, als machte damals schon der Synthesizer es einzelnen Musikern möglich, ganz allein komplette Orchesterkompositionen werkgetreu nachzuspielen. Gerade bei den Traditionalisten schrillten hier die Alarmglocken: Der Synthesizer schien in Bälde ganze Orchester zu ersetzen und deren Berufsmusiker arbeitslos zu machen! Womöglich sogar ohne einen Musiker (so fürchteten diejenigen, die mal die Vorführung eines Stepsequencer gesehen hatten und damit einen Synthesizer, der ganz alleine spielte)! Musikerverbände forderten, daß die Verwendung von Synthesizern sowohl im Studio als auch live umgehend verboten würde. So ein Verbot kam letztlich nicht, weil sich die Vorwürfe als haltlos erwiesen.

Tatsächlich kam erst Jahre später mit dem EMS Synthi 100, einem semimodularen Synthesizer von der Größe einer Küchenzeile, ein Synthesizer heraus, der auf Jahre der einzige seiner Art war, der auch nur ein Streichquartett hätte ersetzen können. Der war allerdings horrende teuer und kaum zu bewegen (Konzerte auf dem Synthi 100 fanden im allgemeinen, wenn überhaupt, in Studios statt, wo der Synthesizer schon stand), an Streichquartette kam man wesentlich leichter heran, und bis ein elektronisches Instrument auch klanglich zufriedenstellend ein Orchester emulieren konnte, sollten noch Jahrzehnte vergehen, in denen die klanglichen Ansprüche natürlich weiter anstiegen.

Damit kann ich gleich wieder einen Bogen schlagen zu "handgemacht" oder nicht. Switched-On Bach war tatsächlich noch 100% handgemacht – nur eben nicht alles gleichzeitig (wobei das auch wieder "schlimm" gewesen wäre). Carlos' Moog IIIc hatte meines Wissens einen Stepsequencer eingebaut, aber für Barockmusik hätte man den überhaupt nicht gebrauchen können. In den 70ern ging jedoch der "handgemachte" Anteil schon zurück. Irgendwann fingen die ersten Elektronikmusiker an, die eigentlich für Alleinunterhalter gedachten Rhythmusgeräte dieser Zeit in ihrer Musik einzubauen, und die laufen ja praktisch vollautomatisch. Wohlgemerkt, für gewöhnlich waren diese Klopfgeister das einzige, was nicht per Hand gespielt wurde; für ganze Songs geeignete Sequencer gab es noch nicht, geschweige denn damit ansteuerbare Klangerzeuger – oder auch nur die Möglichkeit, eine Drummachine mit einem Sequencer zu synchronisieren, daß die nicht auseinanderliefen. Und das blieb noch weit in die Zeit des Synthpop hinein so. Noch im 1981er Riesenhit "Fade To Grey" der Synthpop-Supergroup Visage war außer den Analogdrums von einer Roland CR-78 alles ehrliche Handarbeit (wobei natürlich für Puristen die CR-78 schon zuviel ist – ungeachtet des trotzdem noch vorhandenen richtigen Schlagzeugs). Auf verschärftes Sequencing setzte eigentlich nur die Berliner Schule um Tangerine Dream herum und das, was von der Westcoast-Szene noch übrig war, und auch da hatte man nur die vergleichsweise simplen Stepsequencer.

In den 80ern hatten es Synthesizer gut, denn gerade die Generation X sprang voll auf sie an. Synthpop, New Romantic, Italo Disco etc. waren für sie fast schon wie eine kleine Rebellion gegen die antiquiert wirkende Musik, die ihre Eltern hörten. Und alles, was irgendwie nach High Tech roch, nahmen sie mit Kußhand an. Die ganze Kritik an Modern Talking, die ja als einer der ersten Acts aus Deutschland im Fernsehen immer Vollplayback machten und denen man sogar im Studio Vollplayback unterstellte, kam überwiegend von den Baby Boomers und älter, richtete sich aber nicht gegen den Synthesizer an sich. Irgendwann mußten sie sich ja eingestehen, daß schon ABBA ihnen ab Mitte der 70er Jahre Synthesizer untergejubelt hatten und sie das nicht gestört hatte (weil sie es gar nicht gemerkt hatten). Und die Zeiten, in denen die Instrumentalbackings im deutschen Schlager von Orchestern eingespielt wurden, waren ja auch längst vorbei.

Mit elektronischen Instrumenten ein Problem hatte die Generation X erst, als Synthesizer auch die Rockmusik fast komplett übernahmen. Ich sage nur Hair Metal und das Ende von Queens Beteuerungen, keine Synthesizer zu verwenden. Irgendwann war es einfach zuviel. Bands wie Metallica, Green Day, Pearl Jam und Nirvana und die richtig durchstartenden Aerosmith wurden um die Jahrzehntewende als die Helden angesehen, die die Musikwelt vom Synthesizer befreiten und endlich wieder "richtige", "handgemachte" Musik brachten. Das kam nicht von ungefähr, denn bei allem, was keine Rockmusik war, herrschte nicht nur die elektronische Klangerzeugung, sondern das seit 1983 verfügbare MIDI mit entsprechenden Sequencern, die zwar maschinenhaft, aber immer blitzsauber spielten.

Genau zu der Zeit verlor die elektronische Musik – von einigen alten Recken abgesehen, die schon seit den 70ern Musik machten – praktisch endgültig alles "Handgemachte": 1987 erschuf das Chicagoer DJ-Trio Phuture mit der Extrem-Low-Budget-Produktion Acid Tracks den Acid House, aus dem ein Jahr später in Detroit und Berlin der Techno werden sollte – und etablierten bei der Gelegenheit das Aufbauen tanzbarer elektronischer Tracks aus geloopten eintaktigen Patterns. Ihre billig gebraucht erstandenen Maschinen konnten teilweise nichts anderes (und wenn, dann zweitaktige Loops) – das aber kam so gut an, daß genau diese Maschinen binnen kürzester Zeit ein Vielfaches ihres Neupreises kosteten.

Seitdem stehen Techno, House (bedeutend aufwendiger und geschliffener, aber mit einem wohl noch höheren Automationsgrad), Trance und dergleichen Genres gemeinhin für "elektronische Musik" und "Synthesizer". Und keines dieser Genres setzt auf Handspiel, zumal spätestens seit dem letzten Jahrzehnt auf perfektes Timing im Mikrosekundenbereich geachtet wird (erst mußte alles exakt auf den Punkt kommen, inzwischen wird künstlich minimal verschoben, um ein bißchen aufzulockern). Somit trifft auf den weit überwiegenden Teil besonders der ím 21. Jahrhundert produzierten elektronischen Musik die Behauptung, daß sie nicht "handgemacht" (= Note für Note in Echtzeit per Hand eingespielt) ist und aus dem Computer kommt, ziemlich vollumfänglich zu. Und abseits dieser Dance-Stilistiken, längst nur noch gemacht von Leuten, die sich mehr als DJ als als Musiker verstehen, kennen gerade jüngere Leute keine andere elektronische Musik. Ich habe es selbst schon erlebt, daß jemand Anfang 20 sich weigerte zu glauben, daß elektronische Musik per Hand gespielt werden kann.

Das heißt nicht, daß es keine "handgemachte" elektronische Musik gibt. Auch nicht, daß keine mehr gemacht wird, selbst wenn sich hierzulande die meisten Elektroniker entweder an der EDM oder an der Berliner Schule der 70er Jahre orientieren. Jedoch sind einige derjenigen, die noch aufs Handspiel setzen, selbst schon seit den 70ern aktiv.

Vangelis verstand sich selbst nie als Producer, schon gar nicht als DJ. Er ist ein Spieler im besten Sinne. Er schmeißt auch schon mal die Aufnahmetechnik an und spielt einfach los, deswegen soll er riesige Mengen an unveröffentlichter Musik haben. Er komponiert nicht einmal vorher, sondern während er spielt. Und auch wenn er längst vollelektronisch arbeitet, spielt er so ausdrucksvoll wie kaum ein anderer – und wie eine Maschine nie zu spielen vermag. Das heißt, gewisser Automationen bedient auch er sich, z. B. der "gefühlten Bassline" per LFO oder auch mal einer Drummachine. Allerdings sind seine Live-Auftritte extrem selten.

Wie Vangelis setzt auch Jean Michel Jarre auf melodische Musik und nicht nur auf sich wiederholende Patterns. Er tritt allerdings wesentlich häufiger auf. Je größer und aufwendiger seine Konzerte sind (und die können sehr groß und aufwendig werden), desto zuverlässiger muß die Musik sein. Das endete blöderweise damit, daß seine Fans feststellten, daß beim 2005er Konzert Space Of Freedom in Danzig fast nichts live war; Jarre & Co. taten überwiegend nur so, als würden sie die Musik spielen. Der Shitstorm war nicht unerheblich, denn bei der Gelegenheit sah man sich auch seine anderen Konzerte an und attestierte allem, was nach den 1981er Concerts In China kam, Playback. So gerechtfertigt das in den Situationen auch war (riesige Lightshows und Projektionen auf Wolkenkratzerskylines müssen automatisiert werden, und automatisierte Lightshows verlangen nach perfekter Musik dazu, und die bekommt man mit genug Sicherheit nur in Form von Audioplaybacks), so nahmen seine Fans ihm das doch übel.

Jarres Reaktion war, daß er 2007 erst sein 1976er Kultalbum Oxygène mit Erweiterungen komplett neu einspielte, verspätet zu dessen 30. Geburtstag. Dann nahm er drei Mitmusiker und etwa fünf Dutzend Synthesizer und andere elektronische Instrumente, fast alle analog und ein paar Jahrzehnte alt, mit in ein leeres Filmstudio, wo sie das Album noch einmal einspielten, dieses Mal vor laufender Kamera und bis auf Drumpatterns und ein paar sowieso als solche vorgesehene Sequenzen, die überhaupt nicht adäquat händisch spielbar wären, vollständig per Hand. Deswegen war man auch zu viert: Bei anwesender Kamera gehen keine Overdubs, es muß alles gleichzeitig gespielt werden. Und die Berge an Equipment waren nötig, weil die meisten Synths keinen Speicher hatten und man sie zwischendurch nicht auf neue Sounds einstellen konnte. Das kam auf DVD raus. 2008 ging er dann mit derselben Mannschaft und ziemlich demselben Instrumentenpark auf große Europatour – und die vier stellen unter Beweis, daß sie das, was auf der DVD zu sehen war, auch wirklich live vor Publikum konnten: ein komplettes rein elektronisches Musikalbum per Hand (bis auf die genannten Ausnahmen) nachspielen. Damit das trotz der Gearmengen und der daraus resultierenden ungünstigen Aufstellung auch jeder sehen konnte, hing schräg über der Bühne ein riesiger Spiegel, in dem das Publikum die Musiker und Instrumente von oben sah. 2009 bis 2011 tourte er jedes Jahr wieder, zwar mit einer breiteren musikalischen Palette, aber mit derselben Prämisse in puncto Livespiel (und Gearporn).

Die Musik ist immer noch vollelektronisch ohne Gesang (höchstens mal durch einen Vocoder). Trotzdem nimmt man von den Konzerten immer wieder gern Bootlegs mit, weil jedes anders klingt, auch weil die alten Analogkisten natürlich ein Eigenleben haben.

Nacheiferer haben die beiden kaum, einmal, weil ihre Musik auch unter Anhängern elektronischer Musik vergleichsweise "uncool" ist, aber auch, weil man dafür wirklich spielen können muß. Einen gibt es aber: den finnischen Synthgeek Kebu. Obwohl er solo arbeitet, kennt man ihn weit mehr für seine Konzerte, die zur Hälfte aus Covers bestehen, als für seine Studioarbeiten. Man merkt ihm dabei an, daß er von Jarre und Vangelis inspiriert ist. Als Solokünstler kann er natürlich nicht alles 100% per Hand spielen, dafür hat er nicht genug Hände. Er gibt auch zu, daß bei seinen Konzerten einiges vom Sequencer kommt (kein Laptop, sondern ein Akai MPC2500, das dafür eigentlich gar nicht vorgesehen ist). Aber er sagt auch, daß er keine Audiozuspielungen verwendet und alles, was man hört, von den Synthesizern auf der Bühne generiert wird.

Und er spielt per Hand, was er eben per Hand spielen kann, zumal nicht alle seiner Geräte MIDI haben – die Logan String Melody beispielsweise nicht. Damit das auch zur Geltung kommt, baut er bevorzugt so auf, daß das Publikum ihm auch gut zusehen kann, also gern auf niedrigen Bühnen oder gleich ebenerdig und bevorzugt vor stehendem Publikum, daß man ihn und seine 360°-Keyboardburg nicht von schräg unten sieht. Und er versucht immer, möglichst nah am Publikum aufzubauen. Kebu gehört zu den wenigen, bei denen es tatsächlich Teil des Konzepts ist, daß man ihnen beim händischen Synthesizerspielen zusehen kann.

Um zur grundlegenden Behauptung zurückzukehren, daß elektronische Musik nie "handgemacht" sei: Ich glaube, genau das ist auch ein wichtiger Punkt. Man sieht einfach zu selten elektronischen Musikern dabei zu, wie sie ihre Geräte per Hand spielen. Natürlich, das passiert schon zu selten, weil reiner Sequencerbetrieb "einfacher" und sicherer ist und die Resultate beim feiernden Publikum besser ankommen. Die feiernde Meute stört es herzlich wenig, daß sie einem David Guetta oder Calvin Harris nicht auf seine Gerätschaften gucken können, weil dieser beim Festival (wo er fertige Radio Edits abfährt) auf einer mindestens zwei Meter hohen Bühne steht. Und im Club sind es nur wenige, die sich für den auftretenden Künstler interessieren, für das, was er macht – und dafür, wie unschön das aussieht, wenn er hinterm Laptop herumspringt, ohne seine Maschinen auch nur anzufassen, oder gar den Eindruck erweckt, daß er gerade seine E-Mails liest, derweil die Musik ohne ihn weiterläuft.
Deadmau5 schrieb:
We all hit "play".
Dazu kommt dann auch noch der generelle Mangel an entsprechend melodischer und damit handspielgeeigneter elektronischer Musik jüngeren Datums. Selbst wenn es sie gibt, ist sie häufig wieder komplett per Sequencer eingespielt worden, und wer dahinter steckt, kann überhaupt nicht spielen. Wenn es melodischer ist, ist es häufig sowieso gesangsorientiert, und entsprechend verlockend ist es, nur die Gesangsspitze auf die Bühne zu stellen.

Selbst wenn ansonsten alles stimmt und auf der Bühne auch zumindest das live gespielt wird, was live gespielt werden kann (und damit meine ich nicht, daß die schwarzen und weißen Tasten zum Triggern von Zuspielungen genutzt werden), wird häufig trotzdem nicht auf die Perspektive geachtet. Da wird der ganz natürliche Aufbau eines Keyboarder-Setups diesem zum Verhängnis. Im Gegensatz zu einem Gitarristen oder Sänger, dem man hervorragend von vorn oder auch von schräg unten bei dem zusehen kann, was er tut, kann man das bei einem Keyboarder nur von schräg oben. Bei Synthesizerleuten kommt erschwerend hinzu, daß sie fast immer im Stehen spielen und selbst ihre untersten Instrumente entsprechend höher aufgestellt sind als bei sitzenden Pianisten, so daß man schon diese Instrumente bestenfalls gerade von hinten oder von der Seite sieht, häufig sogar von schräg unten, nicht aber, wie auf ihnen gespielt wird. Gibt's dann auch noch Gesang und/oder Gitarre oder dergleichen, steht die Keyboarderzunft dann auch noch mindestens zwei Meter vom Bühnenrand entfernt, so daß das Publikum endgültig dem Synthmann nicht mehr folgen kann.

Man beginnt wirklich zu verstehen, warum Jarre den riesigen Spiegel verwendet hat und Kebu und andere, die so wie er auf händisches Spiel setzen, auch schon mal selbst dann ebenerdig aufbauen, wenn es eine Bühne gibt: Händisches elektronisches Spiel sieht man nur selten. Aber dann muß man als Künstler auch dafür sorgen, daß es fürs Publikum gut sichtbar ist, und es am besten gleich zum Teil des Konzepts machen.

Argument 2: "Die können ja gar nicht singen" (HipHop)
Das hört man gerade heute eigentlich fast nur noch von älteren, konservativen Zeitgenossen. Um so öfter hörte man es, als Rap noch neu war.

Es war einfach ungewohnt. So etwas gab es noch nicht, zumindest hatten die Leute es noch nie gehört. Nun fragten sie sich: Wieso rappt der und singt nicht? Singen ist doch viel schöner. Das kann doch nur daran liegen, daß er gar nicht singen kann!

Zunächst einmal: Es heißt nicht umsonst "Sprechgesang". Dann ist Rap vielfältiger und häufig "melodischer" als das, wovon er abstammt: dem jamaikanischen Toasting. (Wer nicht weiß, was das ist: je nachdem, wie alt ihr seid, Shaggy oder Sean Paul.) Im Vergleich mit Gesang kann Rap Emotionen besser transportieren, weil man dabei nicht durch eine festgelegte Gesangsmelodie eingeschränkt wird.

Und wer sich noch an den Deutschrap von Anfang, Mitte der 90er erinnern kann, dem wird auch noch ein weiteres Stilmittel vertraut sein, das so nur im Rap geht, und das ist die zirkusreife Reimjonglage in Verbindung mit einem praktisch nicht mehr existenten Versmaß für maximale Freiheit. Ein Extrem dürfte da "Jein" von Fettes Brot sein, bei dem man darüber staunt, was sich so alles reimt (und auch tatsächlich reimt) und die Brote obendrein unter Beweis stellen, daß sie durchaus auch singen können.

Aerosmith - Walk this Way, eigentlich rappt der doch. Ist Aerosmith jetzt keine Musik mehr?
Schönes Beispiel. Eine der populärsten Rockbands ihrer Zeit, die man hören konnte, ohne sich dessen zu schämen (im Gegensatz zu Bon Jovi).

Und daß man auf allem rappen kann, bewiesen dann Run-DMC, indem sie "Walk This Way" tatsächlich in eine Rapnummer verwandelten – in Zusammenarbeit mit Aerosmith selbst. Das war eine Zeit, in der der Hip Hop keine Berührungsängste mit harter Gitarrenmusik hatte. Die Beastie Boys machten beides gleichzeitig: Raps auf einem Metal-Backing. Und nicht nur die. Damals wählte man nicht die Seite (Hip Hop oder Metal), man sagte: "Fsckt euch und eure Schubladen und Dogmen, wir machen beides auf einmal!"

Ende der 80er ging Rap auf allem. Die Fat Boys schossen den Vogel ab, als sie in einer Kollaboration mit dem Twist-Großmeister Chubby Checker Hip Hop und Rock & Roll kombinierten.

Was ist mit Fred Schneider von den B-52's?
Kann singen und hat es auch bewiesen. Nur manchmal funktioniert Rap und Shouten im Songkontext einfach besser.

Argument 4: "Am Computer was zusammenklicken kann ja jeder"
Stimmt. Das garantiert aber nicht, daß dabei keine Kacke rauskommt.

Versucht haben es genug Newcomer. Wer aber lange genug dran blieb, stellte irgendwann fest: Für einen richtig guten Track braucht man Ahnung. Und Skills. Und Zeit. Im Endeffekt dauert die Produktion einer Elektroniknummer am Rechner auch nicht wesentlich weniger lange als komplett outside the box mit Hardware. Das kommt auch daher, daß man am Rechner mitunter weitaus mehr Möglichkeiten hat – und die Nutzung dieser zur Perfektionierung der eigenen Musik zur Obsession wird. "Das laß ich jetzt so, das ist jetzt gut genug" said no laptop producer ever.

Zu Deinen Beispielen: Hast Du exakt solche Dinge bereits erlebt oder waren die jetzt etwas übertrieben formuliert? Ich habe mal im TV ein Volksmusik-OpenAir gesehen, da hatten die ne richtige Outdoor-Bühne (also kein TV-Studio, auch kein "TV-Garten" oder sowas) und auch richtige Zuschauer und alles. Also wie ein richtiges OpenAir-Konzert. Aber auf der Bühne stand kein einziger Mikroständer (und es gab auch keine Headsets oder Handmikros). Das fand ich sehr kurios.
Typisch fürs TV: Die Leute sollen exakt dasselbe hören, was sie auch im ganz normalen Radioprogramm hören. Das ist live natürlich nicht machbar, also wird Vollplayback gemacht.

Man sehnt sich so'n bißchen die ZDF-Hitparade vor Mitte der 80er zurück (als das Konzept geändert wurde, weil man Modern Talking brauchte, um wieder Quote zu ziehen). Damals war zumindest der Gesang immer 100% live. Das war eine Frage der Ehre. So manches Mal, wenn sich eine Band ins TV-Studio verirrte (besonders gern passierte das mit Trio), bestand die darauf, auch ihre Instrumente selber zu spielen.

Was hier weniger erfasst wird, ist die Art und Weise wie viele (professionelle) Songs heute entstehen und fertiggestellt werden - im Studio, nur da, ohne Aufnahmen mal abgesehen (vielleicht) von Vocals. Oder über den Erdball verteilt Quellmaterial eingesammelt und dann zusammengebaut. Obendrauf noch AutoTune und sonstige Effekte. In Summe entsteht ein Werk, das dann "so wie aufgenommen" in einer Live-Situation nicht auch nur ansatzweise reproduzierbar ist - zumindest, wenn eben "live" gespielt werden soll. Da geht nur "PLAY" drücken, Track ablaufen lassen, und dazu singen (oder nur Lippen bewegen).
Das wurde schon mit Heranreifen der Popmusik in den 70ern zum Problem: Entweder man bremste die eigene Kreativität und die eigenen Studioskills ein und produzierte so, daß es live umsetzbar war. Machte aber irgendwann keiner mehr, als im Studio Dinge gingen, die cool waren, aber nicht livetauglich. Oder man ging im Studio in die Vollen und überlegte sich vielleicht hinterher, wie man das auf die Bühne bringen konnte. Dann hatte man natürlich ein Problem, wenn's wirklich ans Touren ging. Noch aus den 60ern war die konsequente Beatles-Lösung: Wir touren gar nicht mehr, setzen im Studio neue Maßstäbe und pfeifen endgültig auf Live-Umsetzbarkeit. Nachdem ABBA wegen Fridas Flugangst nicht mehr touren konnten, ging Benny ebenso vor.

Ist ja auch das, was wir heute beim ESC, irgendwelchen Music Awards, usw. erleben. Bei den wenigsten echten Hits steht eine "Band" auf der Bühne. Klar, dann gibt's diejenigen die ihre "elektronischen" Tracks für den Live-Betrieb eben mit einem Band-Arrangement ersetzen... sieht man aber in letzter Zeit auch eher selten.
Früher™, als der ESC noch Grand Prix Eurovision de la Chanson hieß (und hier auch nicht ESC abgekürzt wurde, sondern Grand Prix – wenn du "Grand Prix" sagtest, wußte jeder, was damit gemeint war), war 100% Livemusik Pflicht. Da war es völlig normal, daß da ganze Orchester mit auf der Bühne waren – bis 1974 ABBA in Brighton auftraten, nur mit ein paar Session-Musikern, aber ohne Orchester, und dann auch noch gewannen.

Die Live-Backing-Pflicht verschwand meines Erachtens, als es zu aufwendig wurde und/oder zu nerdig ausgesehen hätte, geil klingende Studiobackings live per Hand auf der Bühne umzusetzen, weil die inzwischen elektronisch gemacht wurden.

Warum muss ein Klang ueberhaupt live reproduzierbar sein? Warum ist das so wichtig und warum ist das "besser"?
Gerade in der instrumentalen elektronischen Musik sind die Sounds ein wichtiger, integraler Bestandteil der Musikstücke, eben weil es keinen Gesang gibt, auf den man sich konzentrieren kann. Da ist es für den Wiedererkennungseffekt nötig, daß diese Sounds eben auch live so da sind, wie man sie kennt.

Aber auch bei elektronischer Musik kann es viele Unperfektheiten geben. Da ich sehr viel elektronische Musik hoere, habe ich da viel Einblick und liebe viele Lieder gerade deshalb.
Da kann ich auch wieder gut Jarre nennen. 1981 ist er ja als erster westlicher/moderner Musiker überhaupt im Nach-Mao-China aufgetreten. Das war das erste Mal, daß er mit Mitmusikern auftrat, denn eine weitgehende Playbackshow wie auf der Place de la Concorde 1979 (mit mächtiger Lightshow und mehr als einer Million Zuschauer, das bekam also kaum jemand mit) konnte er sich da nicht erlauben. Und er konnte nicht mal eben sein ganzes Studio in Flightcases nach China fliegen, also mußte da viel improvisiert werden – und viel live gespielt. Auf dem Livealbum The Concerts In China sind bis auf "Arpegiator" und dem 1982 im Studio nachträglich produzierten "Souvenir Of China" (jeweils Linn LM-1) sogar die Drums per Hand gespielt auf einer riesigen Simmons-SDS-V-Schießbude. Von allen offiziellen Live-Releases von Jarre entfernt sich das noch am weitesten von den Studioversionen.

Viele loben z.B. auch den Groove bestimmter Drum Machines, z.B. wird der TR-808 gerne ein "eigener Groove" nachgesagt, genauso wird auch oft der Groove der alten Akai MPCs gelobt. Dabei spielen diese Geraete nunmal von selbst (gut, die MPC wird oftmals vorher von Hand "betrommelt" - aber oftmals dann auch anschliessend direkt quantisiert).
Die Maschinen von Linn hatten eine Besonderheit: Das Snare-Sample war am Anfang nicht sauber zugeschnitten und hatte ein kurzes Stück Stille. Dadurch kam die Snare nie 100% auf den Punkt, was dem Groove eine ziemliche Lebhaftigkeit verlieh. Deswegen hat Roger Linn das nie korrigiert.

Geil ist auch die Sequential Circuits Drumtraks, weil man da nicht nur sehr gut mit Mikrotiming arbeiten kann (macht extra Spaß bei Hi-Hat-Figuren), sondern sie statt einer Accent-Funktion richtige Dynamik hat. Für eine Maschine aus den 80ern ist das beachtlich.

Und selbst Drum Machines mit Preset-Rhythmen koennen ihre Reize haben. Oftmals klingen gerade bei alten analogen nicht-programmierbaren Drum Machines die vorprogrammierten Rhythmen und auch Fill-Ins sehr cool.
Beweisstück 1: Sly Stone und der Maestro Rhythm King Mk 2. Sly nannte die Kiste "The Funk Box".

Beweisstück 2: die Roland CR-68 und CR-78, die Ende der 70er in Verbindung mit echten Drums die New Wave durchzogen. Ich sag nur "Heart Of Glass" von Blondie, "Fade To Grey" von Visage und natürlich "In The Air Tonight" vom Drummachine-Junkie Phil Collins.

Naja, eigentlich fast alles was so gerade im Rock-Bereich so bis zu den 1970ern gemacht wurde. Und davor sowieso. Irgendwie auch alles, bevor es Mehrspur-Aufnahmen gab.

Beispielsweise "Damn The Torpedoes" von Tom Petty & The Heartbreakers. Grundsätzlich sauber gemacht mit Jimmy Iovine als Producer, aufgenommen im durchaus legendären Sound City Studio ... aber eben von Beginn an mit dem Hit "Refugee" trotzdem nicht endlos glatt geschliffen, das darf mal kratzen und rumpeln.
Oder "Nebraska" von Bruce Springsteen, das ja nur ein etwas aufpoliertes Demo ist das auf einem Mehrspur-Cassettenrecorder aufgenommen wurde.
"Exile On Main Street" von den Rolling Stones - echte Rocker machen echte Musik. Die in Frankreich im Keller von Richard's Villa eingespielten und mit dem mobilen Recording-Studio aufgenommenen Tracks sind auch nicht wirklich perfekt.
Oder das von Stevie Wonder zum Großteil selbst eingespielte "Superstition", wo man - gute Aufnahme und gutes Equipment vorausgesetzt - die Fußmaschine vom Schlagzeug quietschen hört.
"Get Up (I Feel Like Being A) Sexmachine" von James Brown. Da war nicht mal der Songablauf vorher abgesprochen (das gehört sich im Funk aber auch nicht), sondern James hat alles angesagt und im laufenden Song mit der Band abgesprochen.

Alles von Parliament und Funkadelic. Wenn der Godfather of Soul nichts vorher abspricht, spricht der Godfather of Funk noch viel weniger vorher ab.

Wie Nebraska, nur extremer: "Why Can't We Live Together" von Timmy Thomas. Timmy hatte zu Hause eine Hammond, oben drauf einen Maestro Rhythm King, dazu einen Amp. Damit hat er das Demo eingespielt und in den instrumentalen Zwischenteilen den Amp kurz übersteuert (das hat er nicht mal sauber umgeschaltet). Das war eigentlich nur eine Skizze (!) als Demo, und Timmy hoffte, daß die Plattenfirma ihm ein amtliches Studiobacking baut. Die aber fand das Demo so rattenscharf, daß sie entschied, das genau so in Vinyl zu pressen.

"Like A Rolling Stone" von Bob Dylan. Der hat von jetzt auf gleich Al Kooper an die Hammond gepflanzt, der eigentlich Gitarrist war und noch nie an einer Orgel gesessen hatte. So what. Die Refrains sind ja auch nicht alle gleich lang, weil Bob auch mal eine Textzeile weggelassen hat. Shit happens. Dafür gab's eine ziemliche Punktlandung an der Sechs-Minuten-Marke.

Stichwort Keller und mobiles Stones-Studio: Eigentlich paßt dazu auch zumindest teilweise die Machine Head von Deep Purple. Die wurde komplettiert mit dem Mobilstudio der Stones, aber nicht in einer Villa, sondern im kalten und feuchten Keller des Grand Hotel in Montreux, der dafür nicht mal ansatzweise vorgesehen und komplett ungenutzt war, eben weil er kalt (ungeheizt) und feucht war. Der eigentlich vorgesehene Aufnahmeort im Casino war ja nicht mehr verfügbar, nachdem ein Spezialist gemeint hatte, während eines Zappa-Gigs eine Leuchtrakete abzufeuern, und der ganze hölzerne Kasten niedergebrannt war. An diesem unwirtlichen Ort spielten Purple ihren größten Hit ein, der übrigens die ganze Story erzählt: "Smoke On The Water".

Die frühen Sachen von OMD könnte man auch nennen, etwa das gerade im Intro noch sehr ungenau eingespielte "Electricity" (man hatte keinen Taktgeber und spielte nach Gefühl). Später war's einfach der Umstand, daß sich OMD kein ordentliches Equipment leisten konnten. Hauptsächlich auf einem Mellotron – damals spielte sonst keine Sau mehr Mellotron, also wurden einem die unhandlichen, wartungsintensiven Dinger gebraucht hinterhergeschmissen – spielten sie dann ihren größten Hit ein: "Maid Of Orleans". Und eigentlich funktioniert das Stück nur mit dem leicht eiernden Lo-Fi-Sound des Mellotron richtig. (Der Drummer ist auch nicht immer mit der CR-68 perfekt synchron.) Aber erst danach konnten sie ihren Sound richtig polieren.

Oder auch Kraftwerk, man höre und staune. Erst höre man sich Die Mensch-Maschine von 1978 an, das schon ziemlich poliert und maschinenhaft ist. Dann höre man sich die vier Jahre ältere Autobahn an.

Andersrum gesagt: Bei mehr oder minder "live" eingespielter "handgemachter" Musik sind immer irgendwo "Fehler" drin - aber wenn es sich um kompetente Musiker handelt, merkt man das eben kaum. Es geht ja nicht um eindeutige "Verspieler", sondern eher um nicht-perfekten Sound, Timing-Schwankungen, suboptimalen Mix, einen ungeplanten Rimshot oder oder oder...
Siehe Earth, Wind & Fire. Eine der technisch ausgefuchstesten Bands der R&B-Schiene ihrer Zeit, aber die wurden mit schöner Regelmäßigkeit innerhalb der ersten paar Takte um mehrere bpm schneller. Um so erstaunlicher, daß sie dabei immer auf dem Punkt blieben.

Oder "Heat Of The Moment" von Asia. Im Instrumentalteil zieht die Band auf einmal das Tempo an und bleibt dann weitgehend dabei, weil eine komplette Vollbremsung zu auffällig gewesen wäre.

Der Vollständigkeit halber möchte ich auch noch drauf eingehen, dass Du hier von "einem DJ" schreibst. Ich gehe davon aus Du kennst den Unterschied und hast es vielleicht nur etwas unglücklich formuliert bzw. bist vom einen Extrem (Angus) zum anderen Extrem (DJ) gegangen, um Deine Aussage besser zu untermauern, aber elektronische Musik wird natürlich auch zum Teil wirklich live performt, oder zumindest "halb-live" (unter Zuhilfenahme von Sequenzern), aber nicht ausschliesslich nur von DJs, die ja im eigentlichen Sinne nur fertig produzierte Stücke abspielen (die Grenzen sind natürlich auch hier wieder fließend und es gibt natürlich DJs, die was neues kreieren oder Live-Elemente in ihr Set einbauen).
Generelles Problem heute: Wenn von "elektronischer Musik" gesprochen wird, meint man praktisch immer EDM, die von DJs produziert und am Laptop vom USB-Stick "performt" wird. (Außer bei den Baby Boomers und älter, die meinen mit "elektronischer Musik" oder "EM" fast ausschließlich die Berliner Schule.)

Und soweit ich weiss, war sogar das Klavier anfangs verpönt, weil es ein recht modernes Instrument war.
Das war im Spätbarock, so ungefähr zu Bachs Zeiten. Aber der olle Johann Sebastian dachte sich: "Ihr könnt mich mal, ich spiel jetzt Hammerklavier, und ihr könnt mich nicht daran hindern." Als er wieder aufstand von der Klavierbank, war musikalisch gesehen der Barock vorbei, und die Klassik stand vor der Tür.

Und die Gitarre wurde oft als primitives Zigeuner-Instrument abgetan.
Was hat die E-Gitarre schon alles erlebt, seit Django Reinhardt das Fingerpicking populär gemacht hat?

Allein schon in den 60ern. Auf beiden Seiten des Teichs waren supercleane Melodiegitarren das große Ding. Da gab's einen Duane Eddy, einen Dick Dale, einen Hank Marvin usw. Übersteuern des Amp wurde tunlichst vermieden. Dann kamen The Who mit der "Dann zerrt das eben"-Attitüde. Natürlich wurden sie dafür kritisiert, sie haben die Kritiker aber nicht gehört, weil ihre Fans so laut gejubelt haben. Tja, und dann kam Jimi Hendrix mit seiner "So, und jetzt zerrt das mal richtig"-Attitüde. Und siehe, es war gut. Die ersten Rocker, die auf Zerre verzichteten, waren erst wieder Aerosmith.

Was das Gefühl angeht, so bin ich ebenfalls der Meinung, dass man Gefühl auch mit elektronischen Instrumenten ausdrücken kann. Streng genommen bietet ein Synthesizer sogar noch viel mehr Ausdrucksmöglichkeiten als jedes andere herkömmliche Instrument.
Wie gesagt: Vangelis mit seinem expressiven Spiel. Aber auch Jarre mit seiner stilistischen Vielfalt – es gibt außer ihm nicht viele, die auf elektronischem Wege auch mal auf der Tränendrüse rumdrücken können, aber er kann auch happy (und dabei das Publikum anheizen).

Im übrigen besteht elektronische Musik auch dann, wenn sie von einem Einzelkünstler kommt, höchst selten aus nur einem Synthesizer. Mitunter verwendete ein elektronischer Solokünstler für ein Musikstück schon vor Jahrzehnten mehr Equipment als eine fünfköpfige Rockband.

Wenn ich mit einem Synthesizer ein Cembalo produziere und dessen virtuelle Saite 5x in der Sekunde spiele, klingt sie immer gleich, wohingegen das echte Cembalo sicherlich nicht diesen konstanten, immer gleichen Anschlag produzieren wird.
Du machst denselben Fehler wie viele Rock- und Metal-Musiker: Du setzt "Synthesizer" pauschal gleich mit volldigital und samplebasiert, also einem modernen Rompler, wie ihn meistens der Keyboarder einer modernen Rock- oder Metalband vor sich stehen hat für Piano und Streicherflächen.

Schon mal was von Analogsynthesizern gehört? Also solchen, die vor diesem Jahrzehnt gebaut wurden? Je weniger "modern" sie sind, je niedriger also ihr Technologieniveau ist, desto weniger gleichmäßig klingen sie, und desto anfälliger für äußere Einflüsse sind sie. Wenn man sich "Shine On You Crazy Diamond" von Pink Floyd anhört, kann man Rick Wrights Minimoog beim Driften und Flattern zuhören.

Analogsynthesizer müssen nach dem Einschalten erst warmlaufen, um stimmstabil zu sein. Ein Moog-Modularsynthesizer aus den späten 60ern (komplett analog und diskret) verstimmt sich, wenn jemand die Tür aufreißt. Sogar ein Oberheim OB-X von 1979 – und der ist schon polyphon, speicherbar und teilweise mit integrierten Schaltkreisen aufgebaut – verstimmt sich so leicht, daß Eddie van Halen sich nicht mehr traute, ihn aus dem Studio zu nehmen und sich für Musikvideos und Tourneen einen OB-Xa gekauft hat.

Und gerade wegen dieser ganzen Ungleichmäßigkeiten ist es ein Riesenaufwand, den Klang eines Minimoog digital in Software zu replizieren. So wirklich exakt hat es bis heute niemand geschafft.

Und noch was: Der Begriff "analog" fuer Instrumente wie Klavier, Gitarre usw. ist meiner Meinung nach etwas schlecht gewaehlt. "Akustisch" waere hier der korrekte Begriff.
Kommt vom Irrglauben, daß "elektronisch" und somit "Synthesizer" immer = "digital" ist.


Martman
 
Interessante Diskussion, auf die ich mich nicht mehr einlasse.
Ich habe nicht die Zeit, um irgendwelchen Leuten, die in ihrer kleinen Welt gefangen sind, zu erklären, wie Kunst sich entwickelt, und der Kreative Prozess vom Handwerk losgelöst betrachtet werden sollte, und ebenso die Wirkung beim Publikum nicht durch den Aufwand vorher beeinflusst wird. Ich höre in der Zeit lieber gute Musik, egal ob schnell aufgenommen oder liebevoll am PC zusammengeklickt ;)

Ich persönlich mag "handgemachte" Musik spielen, mit aus dem Grunde, dass ich es digital nicht kann. Sonst hätte ich sicherlich auch daran Spaß :)



Ich wollte früher Sozialpädagoge werden.
Meine Großtante (?, Schwester vom Opa) meinte, ich solle mir einen richtigen Beruf suchen, das sei nur was für Studenten und nicht für Erwachsene, und schon gar nicht für Männer.
Nicht mein Problem, dass manche in ihrer Zeitperiode hängen bleiben, und nicht mehr die neuen Wunder um sie herum aufnehmen können.
 

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