Noch einmal meine 4 Pfennig.
Also, als einer der letzten Hardware-Verfechter möchte ich die meisten Funktionen einer Workstation nicht missen, insbesondere den Sequencer nicht. Denn ich gehöre nicht zu den Leuten, die alles über den Rechner machen und das Keyboard nur als Tastatur, HW-Controller, vielleicht noch Audio- oder USB-Interface und zusätzlichen Klangerzeuger zwecks Entlastung des Rechners benutzen. Ich bin sozusagen einer der letzten lebenden Beweise, daß man als Keyboarder, als Elektroniker noch komplett ohne Computer musizieren kann. Und ja, ich arbeite tatsächlich komplett am Roland MRC Pro. Ich bin in den 80ern aufgewachsen, ich kann das noch, wenn ihr versteht, was ich mein.
Stichwort Arpeggiator. Ich stell jetzt einfach mal folgende Aussage in den Raum: Der Arpeggiator des Korg microX ist besser als der der Yamaha Motif XS-Reihe. Zugegeben, ersterer hat 251 feste Figuren, letztere über 6000. So weit, so gut. In der Praxis hat man aber bei Yamaha abertausende Werks-Arpeggiatorfiguren, die man nie brauchen wird, sucht sich aber nach etwas Bestimmtem einen Wolf. Bei Korg programmiert man sich einfach, was man braucht, denn die ganze Triton-Familie hat auch 251 frei programmierbare Arpeggiatorfiguren. Vorteil eines Arpeggiators gegenüber einem Step-Sequencer: Die Figur ist nicht starr, man kann sie per Tastaturspiel transponieren und variieren. Es ist eigentlich wenig verwunderlich, daß ausgerechnet Korg auch Stephen Kays KARMA verwendet.
Was ich vermisse (außer programmierbaren Arpeggiatoren bei vielen Fabrikaten): Fangen wir mal mit was Offensichtlichem an. Wieso zum Henker hat Roland bei der Ur-Fantom die 5 Pedalbuchsen der XP-80 wegrationalisiert?!
Außerdem scheinen einige Hersteller, wie schon erwähnt wurde, mit User-Speicherplätzen zu knausern. Gerade Multi-Speicherplätze werden im Livebetrieb reichlich gebraucht. Und mal ehrlich: Wer von euch hat je auch nur ein Werks-Multi benutzt? Die Werks-Multispeicherplätze könnte man grundsätzlich dem User zur Verfügung stellen. Nur zur Erinnerung: Ein 17 Jahre alter Kurzweil K2000 hat 900 freie Speicherplätze für Setups.
Ach ja, Echtzeitfader. Acht sind üblich, aber irgendwie eine komische Zahl, wenn das Gerät auch eine Hammond imitieren können soll. Neun wären besser, zwölf wären schön rund. Bei der Gelegenheit spreche ich hier mal aus, daß ich lieber Fader als Potis oder Endlosencoder habe. Die sind robuster und lassen sich mit einer Hand auch zu mehreren bedienen. Drehknöpfe werden doch nur deshalb benutzt, weil Bob Moog damals auch...
An unnötigen Features bin ich bis jetzt bei Workstations sonst auf kaum etwas gestoßen. Hey, sogar Skip Back Sampling (Rolands Fantom-Reihe) könnte ich sinnvoll einsetzen, da würde ich im Probenraum die Bandsumme einspeisen... und die Sprüche meiner mikrobewehrten Mitmusiker verewigen und auf die Triggerpads legen, hrhr...
Vielleicht müssen bestimmte Sachen nicht ab Werk mit drin sein. Ist ja prima, daß die Alesis Fusion eine Physical-Modeling-Sektion hat. Aber wenn die nicht wirklich ausgereift ist, sollte man sie eher als Erweiterung anbieten. Dito FM à la DX7, was Yamaha ja bei den Prä-XS-Motifs gemacht hat.
Über Sinn und Unsinn von integriertem Harddisk-Recording läßt sich jetzt vortrefflich debattieren, aber Fakt ist, daß das sogar schon die Korg Trinity optional konnte. Dann würde ich sagen, das sollte man auch zur Option machen. Eventuell könnte man statt einem Klinkenbuchsenoktett S/PDIF- oder gar ADAT-Schnittstellen anbieten. Das spart Platz und ermöglicht die freie Auswahl von A/D-Wandlern nach Geschmack und Budget.
Überhaupt bevorzuge ich ausbaufähige Workstations und nicht solche, die zu einem entsprechenden Preis mit Unmengen an Funktionen kommen, sich aber nicht mehr ausbauen lassen (außer evtl. mehr Sample-RAM oder so). In letzterem Fall hat man entweder ein abartig teures Featuremonster, und zwar auch dann, wenn man gar keins haben will und somit für Sachen mitbezahlt, die man überhaupt nicht braucht, oder ein Gerät, das bestimmte Features oder auch nur Klänge auf ewig vermissen läßt. Beispiele für Nachrüstbares:
- Stereo-Audioeingänge. Erstens könnten sie dem Sampler dienen. Samples einladen und bearbeiten sollte man schon können, aber mal ehrlich, wieviele Leute sampeln mit ihrer Workstation? Siehe Kurzweil, wo schon der K2000 einen RAM-Sample-Player ab Werk hatte, aber nicht zwingend Sampling-Eingänge. Zweitens könnte man damit die interne Bearbeitung externer Audiosignale ermöglichen. Stichwort Vocoder. Macht auch nicht jeder. Drittens könnten sie fürs HDD-Recording verwendet werden, das auch nur wenige mit ihrer Workstation praktizieren. Für den Fall könnte man statt zweier Stereoklinkenbuchsen auch wie oben erwähnt ein mehrkanaliges Digitalinterface vorsehen.
- mLAN und/oder andere mutmaßliche MIDI-Nachfolger. Man kann sich nicht ewig auf den Standard der Prä-Atari-ST-Zeit beschränken.
- Mindestens ein zweites MIDI-Terzett. Was nützt einem ein Sequencer mit zig MIDI-Parts, wenn das Gerät, in dem er verbaut ist, nur halb so viele MIDI-Anschlüsse hat wie ein Akai MPC? By the way: Keyswerk (Böhm-Nachfolger) baut Orgeln (!) mit 12 MIDI-Buchsen.
- Sample-RAM in Form handelsüblicher Speichermodule, also keine proprietären Lösungen, um dem Benutzer das Geld aus der Tasche zu ziehen.
- Internes Speichermedium. Nicht jeder wird eine eingebaute Festplatte brauchen, manche Bandmusiker werden sie gar als Fehlerquelle sehen. Abgesehen davon kann man sich so eine Festplatte nach eigenem Gusto einbauen und muß vor allem auch nicht eine schon vorhandene vorher mitbezahlen und ausbauen. Und die Solid State Disk ist ja auch langsam im Kommen.
- Thematisch sortierte ROM-Sample-Erweiterungen. Das Prinzip ist ja bekannt.
- Erweiterungen um neue Klangsynthesen. Hierbei würde ich aber vom "Synthesizer im Synthesizer" abkehren. Normalerweise ist es ja bei verschiedenen Syntheseverfahren (z. B: Korg OASYS, Alesis Fusion, aufgerüstete Yamaha Motif der Prä-XS-Generationen) so: Man hat einen Sample-Player. Man hat einen virtuell-analogen Synthesizer. Man hat einen FM-Synthesizer. Man hat einen Physical-Modeling-Synthesizer. Aber: Man hat somit vier vollkommen separate Synthesizer in einem Gehäuse, die nur die Mastersektion gemeinsam haben. Also praktisch ein Korg Triton, ein Access Virus, ein Yamaha DX-7 und ein Yamaha VL-1, die in einen Submixer laufen und über MIDI gekoppelt sind. Was ich mir vorstelle, ist, daß alle Klangsyntheseverfahren in einer einzigen Engine laufen. Schon beim Kurzweil K2000 war es so, daß die Samples mit VAST einen virtuell-analogen, ja sogar virtuell-modularen Synthesizer durchliefen (und ja, VAST hat Oszillatoren!), der, wie 2003 festgestellt wurde, auch FM kann. Samples, VA und FM in einer Engine, die 1991 auf den Markt kam. Und zwar alles gleichzeitig in ein und demselben Klangprogramm. Warum also sollte man einen Sample-Player, eine Sechs-Operatoren-FM-Engine oder einen PM-Klangerzeuger nicht wie virtuelle VCOs in einen virtuell-analoge Klangweg einbauen können?
- Effekt-DSPs. Daß die Fantom-Gs endlich eine fast schon novationmäßige Effektbatterie mit locker einem Effekt pro Part auffahren, find ich prima, aber nicht jeder braucht es. Man könnte eine Basis-Effektengine im Gerät verbauen, die mit bis zu zwei DSP-Erweiterungen (eigene Slots) aufgebohrt werden kann.
Am Ende bliebe eine moderne, gut ausgestattete, aber nicht überfrachtete, somit bezahlbare und beliebig erweiterbare Workstation übrig. Vielleicht wird sie in der Werksausführung nicht mit einer Motif XS oder einer Fantom-G konkurrieren können, aber was man braucht, kann man ja nachrüsten.
Für die Leute, die Presetschleudern mit sonst nix suchen, möchte ich etwas anderes anregen. Etwas, das es schon gegeben hat in Form des E-mu Proteus Custom. Nur gehen wir noch ein Stück weiter.
Stellt euch einen Rompler vor mit eigentlich allen Schikanen. Mit komplett ohne Rechner editierbaren Sounds. Mit voll multitimbraler Effektsektion (vielleicht das auch optional erweiterbar). Mit einem richtigen Multimode mit Multi-Speicherplätzen (im Gegensatz zur Proteus-Familie, die praktisch nur 16 Single-Modes hat). Mit programmierbarem Arpeggiator. Vielleicht sogar mit Festplattenslot und Sample-RAM-Slots zum Einlesen eigener Samples. Erhältlich als Rackmodul und als vier verschiedene Keyboards (leicht gewichtete 61er und 76er Synthitastatur, 73er Waterfall, 88er Hammermechanik) mit angemessener Anzahl an Controllern.
Aber, und jetzt kommt's, komplett ohne Sample-ROM!
Und nein, das soll kein reiner RAM-Sampler à la Akai werden. Statt dessen gibt's eine kleine, na gut, große feine Klappe, unter der sich mindestens acht leere Slots verbergen. Diese Slots lassen sich je nach Belieben und Bedarf mit ROM-Karten belegen, die es zu diversen Themen gibt. Diese ROM-Karten können außer Samples auch z. B. neue Filtermodelle oder Effekte enthalten, etwa authentische Moog- und Oberheim-Filter bei einer Vintage-Synth-Karte oder eine Rotary-Simulation bei einer Orgel- oder Vintage-Keys-Karte. So kann auch die Zahl der vorhandenen Sounds pro Karte variiert werden; eine Acoustic-Grand-Piano-Karte beispielsweise könnte genau einen Klang enthalten, der aber den gesamten zur Verfügung stehenden ROM einnimmt.
An Karten könnte man sich einiges vorstellen. Beispiele:
- Standardsounds (Universalkarte, um sich nicht mit etlichen spezialisierten Karten eindecken zu müssen)
- Acoustic Grand (wie gesagt, kann auch genau ein Klavier enthalten)
- Electric Pianos (Rhodes, Wurly, CP-70, vielleicht gar GS-1 usw.)
- Tonewheels (wie der Name schon sagt, also B3, C3, A100..., dazu mindestens eine amtliche Leslie-Simulation als Effekt)
- Vintage Keys (Transistororgeln, Clavinet, Mellotron...)
- Vintage Synth (die ganze Bandbreite + Extras für den Signalweg)
- Pop (hier sind dann zum Beispiel die 80er-Jahre-Synthiklassiker wie DX7 und D-50 zu Hause)
- Dance (Nachteil: veraltet schnell)
- Hip Hop (gibt's auch 'n Markt für)
- Orchestra (evtl. mit Schwerpunkt Streicher)
- Brass & Woodwinds (auch als Orchesterergänzung)
- und so weiter...
Vorteil dieses Systems: Man kann sich die Klänge, die man sucht, individuell zusammenstellen und schleppt kaum unnötigen Ballast in Form von hunderten unbenutzten "Brot-und-Butter"-Sounds mit sich herum. Gut, das ging damals mit Hardware-Samplern auch, da lud man auch nur, was man brauchte, aber dieses System bootet und lädt seine Sounddaten selbsttätig in unter zehn Sekunden. Klar, E-Pianos und Hammondorgeln kann ein Nord Stage besser, aber eben auch kaum mehr als das; dem kann man nicht mal eben Orchesterklänge oder fetzige Hörner einpflanzen, und 16fach multitimbral ist er auch nicht. Sicher, ein virtueller Analoger oder gar ein echter Analoger wird einem Rompler mit Synthi-Samples immer überlegen sein. Aber weder ein Radias noch ein Andromeda noch ein Virus TI kann Konzertflügelmultisamples abspielen.
Einen Song Sequencer oder gar MIDI-File-Player braucht dieses Gerät ebensowenig wie einen MP3-Codec in der Sample-Player-Sektion oder eine Karaoke-Funktion. Wer eine "Tischhupenworkstation" sucht, kauft sich eine Solche. Und ob ein riesiger Farbtouchscreen unbedingt notwendig ist (außer um Tester in Zeitschriften zufrieden zu stellen, die alles an Korg OASYS und Roland Fantom-G messen) oder man mit einem einfachen hintergrundbeleuchteten Grafik-LCD wie in den 90ern nicht auch auskommt, na ja...
Zielgruppe wären besonders bei den Tastenvarianten hauptsächlich Livekeyboarder, besonders die, die in einer Band spielen. Aber auch als Zweitgerät neben einer ausgewachsenen Workstation dürfte so etwas gut funktionieren.
Martman