So, jetzt ich auch mal!
Ich war etwas verwundert, hier einen derartigen Thread zu finden, hab auch brav alle zehn Saiten, äh, Seiten durchgelesen und mich gewundert, daß noch keiner was zu der Gitarre hier
https://www.thomann.de/de/harley_benton_hbmc500.htm gesagt hat.
Der von mir gern zitierte Kollege ist durch einen Schüler bei einem Besuch bei Thomann "drübergestolpert", und hat nach ausgiebigen Vergleichen mit den hier genannten Marken sich dann so ein Teil geleistet, obwohl er der Hausmarke eher kritisch gegenübersteht. Ich habe meiner kleinen Sammlung (derzeit sind es 24 Gitarren) dann etwas später auch eine hinzugefügt.
Wenn man aber weiß, daß die Gitarre bis auf das Label identisch mit einer anderen Marke ist (sinnigerweise steht auf der Originalverpackung (Karton) der HB der Name der anderen Handelsmarke drauf), die doch deutlich teurer verkauft werden, so ist die HB eigentlich ein Geheimtipp. (Ich orakele hier mal ein bisschen, der Originalname setzt sich aus dem Namen eines Computerherstellers mit vier Buchstaben (nein - nicht Apple) und einem Wort, dass einem Fremdwort für Kunst ähnelt, zusammen. Und die Typenbezeichnung ist die französische Übersetzung für Huldigung/Ehrerbietung). Und gerade die Huldigung trifft den Kern der Sache eigentlich ganz gut.
Die Gitarre ist sehr gut verarbeitet, der Halsstab lässt sich in beide Richtungen gut verstellen, und wenn man die Gitarre immer schön im Koffer verstaut und dort einen großen (PlanetWaves) Befeuchter reinlegt, bleibt der Klang (und die Decke) erhalten. Ich habe gerade mit dieser Gitarre wieder gesehen, daß bei neuen Gitarren ein Befeuchter fast lebensnotwendig ist, auch wenn die Gitarren schön im Koffer stehen, und ein Luftwäscher seine Dienste verrichtet. Auf den Bewertungsseiten bei T klagt ein Käufer über ungleichmässig abgerichtete Bünde. Mein Exemplar fing mit Anfang der ersten Kälteperiode in den höheren Lagen das Scheppern an. Nach zwei Wochen Einsatz des genannten Befeuchters ist die Gitarre gut 40g schwerer, klingt ziemlich satt (die Video-/Audiobeispiele bei T geben nicht wieder, wie voll aber trotzdem blechern die Klampfe klingen kann/soll), und von wegen Bundstäbchen ist auch wieder alles in Ordnung, ohne meine Feilen benutzen zu müssen. Aber zurück zum Thema:
Ich bin nun nicht so der Gypsy-Swing Spezialist, aber wenn man weiß, was man tun muss, damit es authentisch klingt, ist es schon erstaunlich, was aus dem Teil alles herauszuholen ist. Und gerade im direkten Vergleich mit den hier so oft genannten Gitarren ist die HB wirklich (zumindest meiner Meinung nach) die bessere Wahl. Die Verarbeitung ist wirklich sehr gut, der Ahorn-Hals ist auf althergebrachte Art fünffach verleimt (dreimal Ahorn, zweimal Wenge) und hat ein sehr dickes Palisandergriffbrett drauf. Möglicherweise hat man ähnliche Probleme wie Fender in den ersten Jahren mit dieser Holzkombination.
Die Gitarre hat im Gegensatz zur Gitane die lange Mensur, was auch nochmals klangliche Unterschiede bringt, und das Teil ist wirklich LAUT. Und wenn man weiß, das auch die Originalgitarren nur eine massive Decke und einen laminierten Korpus hatten, bzw. man erst in den Bereich über 3000,-€ an vollmassive Gitarren denken kann, dann ist die HB-MC 500 bestimmt keine schlechte Wahl. Allerdings, etwas größer sollte man schon sein (der Korpus ist relativ groß, und der lange Hals tut ein Übriges) und einen kräftigen Plektrumanschlag nebst einem dicken Pick (V-Picks kommen hier richtig gut) sollte man schon haben, weil die Gitarre erst bei entsprechender Behandlung ihre Stärken zeigt. Fingerstyle ist hier definitiv
nicht. Und auch für andere Stile würde ich die Gitarre nicht einsetzen, weil sie zwar als Sologitarre durchaus einsetzbar sein mag (dafür muss man aber schon ziemlich fix sein, weil sie kein großes Sustain hat), für die Rhythmusarbeit ist sie in anderen Stilen aber gerade deswegen doch sehr gewöhnungsbedürftig.
Und hier kommt noch ein Nachteil (jedenfalls für mich): Akkordarbeit ist auf dem Teil relativ schwer, weil der Hals doch sehr einer Konzertgitarre ähnelt, die zumindest für mich sehr gewöhnungsbedürftig ist, also flacher Griffbrettradius, und eine D-förmige Halsrückseite, allerdings hier in einer etwas kräftigeren Ausführung gepaart. Man kann hier also schon ein wenig Krafttraining machen. Das gilt auch dann, wenn man mit Vierklängen, oder Django-/Freddie Green-mässig mit verkürzten Akkorden arbeitet. Und für die nur Barre-Spieler (was man für diese Stilistik von wegen Authentizität sowieso vermeiden sollte!), Jungs/Mädels: nachdem hier nur mit der linken Hand gedämpft wird, kommt hier ziemlich Arbeit auf Euch zu.
Kurz und gut - gerade in Bezug auf das Preis-/Leistungsverhältnis ist diese Gitarre wirklich eine Empfehlung wert. Und - irgendwie macht das Teil süchtig, jedenfalls macht es ziemlich Spaß, damit zu spielen. Jedenfalls ist die HB neben meinen aus beruflichen Gründen immer wieder gespielten Akustik-Gitarren die Gitarre, die ich in meiner Freizeit momentan am liebsten spiele.
Was Saiten angeht, kann ich die Empfehlung mit den Optimas nur unterstreichen, bei den Savarez weiß ich noch nicht so genau.
Bei YouTube finden sich einige Videos, unter anderem ein Vergleich der chinesischen Originalgitarre mit anderen Maccaferri/Selmer-Style-Gitarren. Dabei ist dann auch ein Video zu finden, bei dem die Gitarre mit einer Hahl für über 6000,-€ verglichen wird. Dabei kackt sie natürlich ab, zieht man aber die Preise wieder heran, dann ist die Hahl (die natürlich viel besser klingt) aber auch fast 15mal so teuer ist, doch nicht mehr so eine gute Wahl. Jedenfalls für Leute wie mich, die halt möglichst authentisch klingen wollen, aber doch nicht gerade ihr Heil im Imitieren von Django Reinhardt suchen.
Und wer noch was zur Spieltechnik sucht, bei dem obengenannten Videoportal finden sich drei Videos von "Romane", die zumindest einem etwas fortgeschrittenen Spieler den Einstieg in die Materie Zigeunerjazz sehr erleichtern können. Gewisse (nicht nur Grund-)Kenntnisse sollte man aber dafür schon haben. Wer weiter in die Materie einsteigen will, von besagtem Herrn gibt es auch ein ziemlich gutes Buch
http://www.melbay.com/product.asp?ProductID=20014BCD, bzw. hier noch ein weiteres von Stephane Wrembel
http://www.melbay.com/product.asp?ProductID=20273BCD, das auch eine gute Einstiegsmöglichkeit in die Materie bietet. Und beide Bücher sind meiner unmaßgeblichen Meinung nach eine weitaus größere Hilfe als alles, was online und vor allem in besagtem Videoportal zu finden ist. Über Google lässt sich noch eine Menge Material finden, recht gut ist das hier
http://www.gipsy-jazz.de/ , weil hier eigentlich wirklich hilfreiche Informationen gegeben werden. Wer´s mag und braucht, wird dort bestimmt noch fündig.
Was ich in diesem Zusammenhang schon etwas lustig finde: die Spieltechniken, die für Zigeunerjazz gebraucht werden, finden sich eigentlich alle heute im Metalbereich wieder (3 Noten auf einer Saite-Skalen, Arpeggios, Sweeping etc.). Nur hat das vor gut siebzig Jahren schon mal einer auf einer Akustik-Gitarre vorgemacht. Und wie war das, wer spielen kann, spielt Akustik?
Das war´s. Ich danke für die Aufmerksamkeit!