Die interessante Frage ist, inwieweit Marketing UNBEWUSST auf den Prozess der Entstehung solcher Prioritäten und Überzeugungen eingreift. Gerade deine Argumentation wird doch leicht zum psychologischen Selbstläufer: "Wenn alle anderen (insbesondere die teuer endorsten Idole) echte Röhren nutzen, muss das doch besser sein - also brauche ich das auch". oder "Wenn all die coolen Sounds meiner Lieblingsband mit Röhren entstanden sind, dann brauche ich auch einen Röhrenamp und keinen billigen Ersatz".
Diese Mechanismen gibt, es klar. Wie viele Gitarristen im Metal-Bereich spielen z.B. EMG-PUs, weil das unheimlich viele Gitarristen tun - und wieviele haben tatsächlich über ein echtes Auswahlverfahren herausgefunden, dass dieser oder jener PU für sie besser funktioniert? Da gibt es viel "lemminghaftes" Verhalten, da ich stimme Dir zu.
Was das Thema Amps angeht, kann ich wieder nur auf meine Erfahrung in meinem Umfeld (ich hatte das ja denke ich zu genüge beschrieben) zurückgreifen: Und dort höre + sehe ich halt zu 95% das, was ich selbst auch für mich herausgefunden habe: Röhrenamps funktionieren in dem Umfeld unter den Anforderungen
für die meisten am besten. Das spiegelt der Marktanteil für mein Empfinden tendentiell richtig wieder.
Man muss schon ein überzeugter Rebell mit starkem Charakter sein, um als Rocker oder Metaller einen Modeling- Preamp direkt an die PA anzuschließen anstatt die Erwartungen zu erfüllen und mit den genreüblichen röhrenbefeuerten 4x12ern anzukommen.
Ich bin absoluter Fan solcher Rebellen, die abseits der ausgetretenen Pfade nach was Eigenem suchen! So entstehen neue Dinge. Dimebag spielte gegen den Trend billige Randall-Transistor-Amps, suchte sich ein Gitarrenmodell, dass kaum einer kannte, modifizierte das Ding mit dem eher seltenen OBL-PU und 'nem Floyd Rose und hatte somit ein sehr eigenständiges Equipment, das seinen eigenständigen Stil unterstrich und zu einem ganz eigenen PANTERA-Sound führte. Dieser fast manische Drang, was in jeder Hinsicht eigenes auf die Beine zu stellen ist aber nicht jedem gegeben! Daher ist für mich auch ok, wenn man solche Ambitionen nicht hat, sondern sich mit vielleicht weniger originellen, dafür aber bewährten Equipment "begnügt". Klar ist es nicht besonders orignell, wenn heute fast jeder 'ne LTD mit EMG-PUs und dazu 'nen Fireball oder 6505 kauft. Ohne Frage ist das aber für den Einsatzzwecke hervorragend geeigntes Equipment.
bei uns ist eine sehr erfolgreiche Metal-Cover-Band "Justice" seit mehreren Jahren (mind 10) schon mit Sansamps direkt ins Pult unterwegs! Die Jungs haben einen brachialen Livesound - und das alles ohne Röhre und 4 12er! Also es geht auch ohne da "typische" Equipment!
Jens, wir hatten auch schon die Beispiele Meshuggah oder Clawfinger. Es geht nicht darum, das es nicht geht. Es geht darum, dass es für
die meisten nicht die beste Lösung ist.
Wenn es denn
überhaupt praktikabel wäre: Das Konzept "Modeller direkt in PA und Gitarrensound auf der Bühne nur per Monitor" funktioniert für Bands NICHT, die NICHT immer auf Bühnen mit ordenlichem Monitorsound, NICHT immer einen fähigen Mischer (am besten dem eigenen!) und NICHT immer Zeit für einen ordentlichen Soundcheck haben.
Was für eigentlich jede Top-40- oder Tanzmucke-Kapelle selbstverständlich ist, entspricht nunmal nicht der
Realität der meisten nicht-professionellen Metal-Bands, wie ich es oben beschrieb. Unsereins hat 10 Minuten für Umbau und Line-Check, bei dem vor allem drauf geachtet wird, dass der Sänger klar kommt. Wenn man da als Gitarrist noch einen ordentlichen Monitor-Sound bekommt, ist es ein Sahnehäubchen. WENN man denn als Gitarrist überhaupt einen eigenen Monitor hat ...
Unter solchen Bedingungen macht ein kräftiger Amp + 4x12 einfach Sinn, weil er mir auch dann ermöglicht, mich in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Drums zu hören, wenn ich KEINEN Monitorsound habe. Und das ich den Drummer höre UND mich und umgekehrt ist nunmal die Voraussetzung, einen ordentlichen Gig spielen zu können.
Im übrigen beobachte ich auch bei den "Profis", die unter perfekten Sound-/Monitor-Bedingungen auf großen Bühnen spielen, dass sie ihre Amps ziemlich laut spielen und auch immer wieder gerne die Zone aufsuchen, wo sie ihren Amp hören und nicht nur den Monitor. Das ist soundmäßig, bzw. vom Spielgefühl her ein Unterschied, macht zudem auch Sinn, wenn man mal mit dem Feedback spielen will.
Soso, die Metal-Jungs, die mit den Tattoos, den Schädeln und Gardinenringen im Ohr, die brauchen etwa 4x12 plus Röhrentop..? Na sowas...
Amüsiert sich eigentlich keiner, wie entlarvend solche Posts wie das von Kasper666 sind? DAS ist es! Genau DAS! Das ganze Zeug ist Eierersatz! ICH HABE FEUERRRR GEMAAAAACHT!!!
Wie ich bereits in dem von Dir zitierten Beitrag und auch eben gerade versucht habe zu erklären, gibt es rein praktische Erwägungen + Erfahrungen, die zu diesem Equipment führen.
Ich habe vollstes Verständnis, dass das nicht jeder nachvollziehen kann, der sich nicht in diesem Umfeld bewegt. Man kann seine komplette Unkenntnis darüber allerdings eleganter offenbaren, als Du mit Deinem Kommentar.
Aber selbst, wenn es, wie Du schreibst ganz allein um einen "Eierersatz" ginge, und die Frage, ob dieses "Motiv" den Betrieb eines dicken Tops + 4x12 rechtfertigte, würde ich Dir in bester Metal-Manier sagen: "Hell, yeah!"
Ich gebe ja zu: Jedesmal, wenn ich mit meinen 38 Jahren im Proberaum oder auf der Bühne meine Gitarre in der Hand hab, fühle ich mich noch immer wie vor 20 Jahren, als ich zu meinen damaligen Idolen Metallica, Exodus, Slayer etc. aufblickte, die mit eckigen Gitarren vor Marshall-Wänden agierten und die Bühne in Schutt und Asche legten. Das ist es, was mich zum Gitarre spielen gebracht hat und was mich bis heute motiviert. Jeder wird von anderen Motiven geleitet, Musik zu machen, entsprechend unterschiedlich sind - zum Glück! - die Ergebnisse. Darüber kannst Du lächeln, ist schon ok.
Insofern endet für mich hier tatsächlich die Suche. Eine solche war es! Ehrlich. Ich habe mich gefragt, was ich kaufen soll. Ich war offen für jedes mögliche Ergebnis aber die Argumente pro Modeller haben mich überzeugt.
Viel Spaß mit Deinem ersten Gitarrenverstärker ...