Ja, das ist so eine Sache mit den Nord-Pianosounds - love it or hate it
Das Thema ist eine differenzierte Betrachtung wert - ich persönlich kann nicht verhehlen, den Nord-Produkten sehr zugeneigt zu sein (hat nichts mit irgendwelchen Verbandelungen mit der Industrie zu tun, ich bin total Hobbymäßig unterwegs), einfach weil das Zeug mich immer wieder überrascht und überzeugt hat und für meinen Einsatzbereich eben einfach das passendste war.
...dennoch bin ich immer bemüht, kein "einseitiger Fan" zu sein und mir schon interessehalber ein möglichst objektives Urteil über vergleichbare Produkte zu verschaffen (soweit man das sich durch Antesten überhaupt bilden kann - und nach inzwischen ~30 besessenen Tasteninstrumenten aller Marken wohlwissend, daß man die Dinger so richtig erst beurteilen kann, wenn man sie einmal eine Weile im Einsatz hatte)
Also:
bezüglich eines Urteils über die Nord-Pianosounds muß man m.E. mehrere Aspekte getrennt betrachten:
- der erste Aspekt ist, wie schon erwähnt die Tastatur. Ich selbst bin aus Transportgründen auf den Kompromiß des Stage Compact angewiesen und darauf ganz gut "eingespielt" - staune aber jedesmal bei einem Stage 76 oder 88, wie anders sich der gleiche Sound auf einer Hammermechanik anfühlt.
Wer glaubt, den über eine Waterfalltastatur spielen zu müssen, muß sich des Kompromisses bewußt sein und seine Spielweise darauf abstimmen. NE3 gegen ein schweres Yamaha oder Kawai ist "unfair"
. Auch eine angeschlossene Hammermechanik ist nicht unproblematisch, ich habe auch ein Doepfer LMK 2+, bei dem mich keine der Vel-Kurven in Verbindung mit dem Stage so recht überzeugt.
- die zweite Sache ist der Grundsound an sich. Also nicht, wie detailliert und authentisch das ganze im Detail ist - sondern das große Bild, von weitem betrachtet: wie gefällig und universell das ganze vom Frequenzgang ist, wie es sich mit nicht so idealen Boxen verträgt usw.
Hier sehe ich die traditionellen Digitalpianobauer wie Yamaha und Roland im Vorteil, die haben es einfach raus, einen guten universellen Klang ins Silizium zu bannen, der die vom Massengeschmack geforderte Brillianz und Strahlkraft hat und keine großen EQ-Kenntnisse und Eingriffe erfordert.
Clavia ist da ein wenig anders, die Sounds sind grundsätzlich gut, aber eben teilweise speziell (die diversen Uprights!) und haben hier und da ein paar Ecken und Kanten im Spektrum, die das ganze dann je nach Anlage gerne mal muffig oder blechern klingen lassen, zudem sind sie nicht so auf Hifi-mäßige Höhen-Brillianz getrimmt.
Das alles läßt sich, wenn man weiß, was man tut ganz gut mit einem externen EQ in den Griff bekommen (was aber nicht Sinn der Sache sein sollte. Ich will endlich parametrische Mitten und Höhen beim Stage-EQ!)
- der dritte Punkt - und das ist in meinen Augen die große Stärke und das Alleinstellungsmerkmal der Clavia-Sounds - ist die Authenzität und Lebendigkeit im Detail. In wie weit man das braucht, muß jeder für sich entscheiden. Im Livesound geht sowas als allererstes unter.
Wenn man jedoch auf sowas Wert legt und mal genau hinhört, wird man feststellen, daß es in Hardware wenig vergleichbares gibt. Andere Pianos klingen lecker und meintwegen auch brillianter, aber die schönen langen Loops und lebendigen Pedal-Down-Samples der Nordpianos kennt man so eher aus großen Softwarepianos, die Stagepiano-Konkurrenz incl. der diversen Modeling-Varianten klingt da eher statisch und tot-optimiert. Saubere Loops, in denen aber wenig passiert.
Kurz:
die wahre Stärke der Nordpianos sehe ich eher im Solo- oder Studiomäßigen Umfeld, wo sie sich klanglich vor gigabyte-schweren Softwarelibraries nicht verstecken müssen (das ist übrigens auch so'n Thema für sich: ich bin mir sicher, daß einige der großen Pianoplugins im PA-Livesound gegen die üblichen YamaWaiRoland-Stagepianos den kürzeren ziehen würden).
Im Livesound sehe ich bei den Clavia-Klavieren durchaus Raum für Optimierungen...