Keiner von diesen Kisten hat einen eigenständigen Sound, der "selbstbewusst" dargestellt wird. Immer orientiert man sich ja genau nach den analogen Kisten. Ist ähnlich wie vergetarische Schnitzel oder Würste.Die könnten ja auch anders schmecken, aussehen oder heißen.
Das liegt, würde ich sagen, daran, dass es den Unternehmen darum geht, Geld zu verdienen und nicht, unnötige Risiken einzugehen. Es gibt massenweise vegetarische Gerichte, die ihre ganz eigenen Namen, Aussehen und Geschmäcker haben, aber wer Fleischersatzwaren anbietet, wendet sich gezielt an Menschen, die a) entweder ihren Fleischkonsum verringern möchten, ohne dabei komplett auf gewohnte Formen, Gerüche, Zubereitungsweisen und Geschmäcker zu verzichten, oder b) angehende oder fortgeschrittene Vegetarier sind und dabei ebenfalls nicht auf bestimmte Dinge verzichten wollen, die sie von früher her kennen.
Bei den Amps ist es ähnlich: Was meinst du mit "eigenständigem Sound"? Einen, der sich radikal von allem unterscheidet, was man bisher so kennt? In diesem Fall unterscheiden sich Hersteller von Röhren-, Transistor- und Modelling-Amps überhaupt nicht (denn dass man auch voll analog abgefahrene Amps machen könnte, beweisen die vielen Pedale auf dem Markt, mit denen sich sehr ungewohnte Töne produzieren lassen) - alle scheuen das Risiko, weil man lieber auf Altbekanntes setzt. Bei der Zielgruppe kein Wunder.
Oder meinst du mit "eigenständig" einen Sound, der zwar im Rahmen des Bekannten liegt, aber trotzdem nicht irgendwelche klassischen Röhren-Amps sklavisch imitiert? Weil, die gibt's ja: Die ID-Amps von Blackstar lassen dir die freie Wahl, bestimmte Komponenten nach Belieben so zu kombinieren, dass du entweder bekannte Amps "nachmachen" kannst oder aber Amp-Sounds kreieren, die es so nicht gibt bzw. wofür man irgendwelche bestehenden Tube-Amps ziemlich stark modden müsste. Die neuen Boss-Amps machen es meines Wissens auch so. Der Roland Blue-Cube ist kein Fender-Clone, der sich darum bemüht, irgendeinen bestimmten Fender zu kopieren, sondern hat seinen ganz eigenen Sound, der lediglich in etwa in Richtung "Tweed" geht.
Und über Floor-Modeller brauchen wir erst gar nicht reden: Da lassen sich Amp-Modelle derart verbiegen und/oder irre Kombinationen erschaffen, mit denen man völlig problemlos eigene Sounds machen kann, die mit analogem Equipment schwer zu emulieren wären.
Wenn du in diesem Fall (zu Recht) fragst, warum das niemand "selbstbewusst" präsentiert ... doch, doch, die Hersteller werben schon damit, aber leider wird es von uns, den Gitarristen, meistens völlig ignoriert bzw. locker-flockig als gegeben hingenommen: Na ja, ist halt Modelling, klar, da kann man so was natürlich machen, nicht weiter der Rede wert, gehört halt dazu.
Auch hier hat man ja 2 Argumente:
- billiger ( die Kempers und AxeFX mal außen vor )
- leichter
[...]
Ich hatte es vorher schon mal geschrieben. Es gibt ja 2 wirklich gute Gründe für Modeller:
- Reproduzierbarkeit ( Live und Studio )
- weniger Transportaufwand ( live )
Eins würde ich noch erweitern: Reproduzierbarkeit
in fast jeder beliebigen Lautstärke, was natürlich speziell bei den alten Fender-Boliden ein gutes Argument ist.
Dennoch spielt die große Masse keine Transistoramps. Hier sehe ich für die Modeller mehr Potential.
Denke ich auch. Mir scheint es als hätte Vox z.B. mit der AV-Serie ziemlich ins Klo gegriffen (ich nehme die mal als Beispiel, weil es, glaube ich, das letzte Mal war, dass ein großer Hersteller explizit eine "Transistor, nicht Modelling"-Serie herausgebracht hat). Nicht, weil die nichts taugen würden, aber ich habe den Eindruck, es interessiert sich schlicht keiner dafür.
Roland wiederum spielt einerseits auf die eigene Transistor-Vergangenheit an und wendet sich (wie schon das "Blues" im Namen sagt und die damalige Werbekampagne gezeigt hat) an eine traditionsbewusste, aber auch vorsichtig aufgeschlossene Zielgruppe, die möglicherweise Transistor-Technik dem "kalten" Modelling vorzieht. Es ist ja schon so, dass Transistor-Technik als "wenigstens noch analog" in den letzten Jahren durchaus sowas wie eine Aufwertung in bestimmten Kreisen erfahren hat, weil eben Modelling als weitere Technik dazugekommen ist.
Und Fender haut jetzt so richtig auf die Kacke und sagt: Wir machen pures digitales Modelling, und das klingt so richtig gut. Warum? Ich habe in einem meiner vorherigen Beiträge spekuliert, dass sie vielleicht deutlich auf sich aufmerksam machen möchten - yes, we can. Das wiederum hat dann absolut nichts mit kurzfristigen Sales zu tun, sondern mit langfristiger Firmenpolitik, und wäre insofern sehr interessant, weil es zeigt, dass Modelling für Fender mittlerweile ein wichtiger Bestandteil des Angebots ist bzw. Fender Interesse daran hat, sich als modernes und zukunftsorientiertes Unternehmen darzustellen.
Wobei der Boss Blues cube sich auch nicht gerade wie geschnitten Brot zu verkaufen scheint.
Die Blues-Cubes sind auch nicht als Massenware konzipiert. Dafür gibt's ja Boss mit Katana und Nextone.