Der Glaube, man könne sich den Klang eines Instrumentes exakt über Wochen, Monate und Jahre einprägen, ist m.E. absurd. Ich höre je nach Verfassung jeden Tag ein bischen oder auch drastisch anders, die Luftfeuchtigkeit hat einen gewissen Einfluss auf Instrument und Speaker, die Raumakustik ist entscheidend etc.
Unabhängig davon, da gibt's ein ganz nettes Gedankenexperiment (für optische Erinnerungen), an dem man sieht, wie das Gedächtnis arbeitet.
Man braucht dafür eine möglichst alte Erinnerung, zu der man noch Bilder im Kopf hat und an der Personen beteiligt sind, zu denen man noch immer bzw. wieder in regelmäßigen Kontakt steht.
Führt man sich die Szene vor Augen und achtet bewusst darauf wird man feststellen, dass das Hirn bei den damals z.B. 16Jährigen Kumpels versucht, das aktuelle Bild anno 2020 einzusetzen. Das Gedächtnis ist kein Film mit Bild- und Tonspur, der beim erinnern abgespielt wird. Es ist mehr eine Sammlung an erlebten Eindrücken, Emotionen und Reizen, die wir natürlich auch nach Kriterien wie Kausalität und Logik interpretieren, trotzdem wird jede Erinnerung, die wir abrufen dadurch jedes mal neu interpretiert.
Das ist auch ein (bzw. der) Grund, warum Zeugenaussagen immer problematischer werden, je länger sie zurück liegen. Mit jedem mal erinnern wird es ein wenig anders interpretiert, irgendwann erinnert man sich nur noch abstrakt daran, dass man sich mal erinnert hat, dass man gesehen hat wie....., und das Hirn macht mit den Lücken dasselbe, was es immer tut: füllen. So baut es aus dem nur sehr kleinen Ausschnitt unseres Gesichtsfeldes, den wir wirklich scharf sehen den Eindruck eines scharfen Gesamtbildes, ja es dichtet bei einer reinen Quinte sogar einen nicht klingenden Grundton eine Oktave tiefer dazu, weil normalerweise der Quintabstand zwischen ersten und zweiten Oberton einer natürlichen Schwingung liegt. Drum klingt ein Powerchord so viel "mächtiger". Das, was wir dann schlussendlich in seiner Gesamtheit "Bewusstsein" nennen ist ein sehr vielschichtiger Mix aus Sinnesreizen und Erinnerungen substituiert und ergänzt mit Erfahrungen und Erwartungen.
Und genau diesen Mix nehmen wir als Realität war. Und speziell Sachen, die man unmöglich mit anderen abgleichen kann, die "damals auch dabei waren" (wenn sich alle Beteiligten meinen erinnern zu können, dass damals in der 1. Klasse Susi in der ersten Reihe saß ist es überaus unwahrscheinlich, dass das nicht stimmt, selbst wenn Susi selbst sich sicher ist, in der zweiten Reihe gesessen zu haben), sondern es z.B. um die genau Charakteristik eines Klanges geht, auch noch bei Musikern, die ihr Hirn seit dem ziemlich sicher ziemlich viel diesbezüglich angeregt und befüttert haben, da ist das eigene Gedächtnis mit Vorsicht zu genießen.
Grüße