Musikalisch aber nicht gut genug für ein Studium in dem Bereich

Deiner Tochter wurde im Gegensatz zur breiten Masse das Musizieren zuhause vorgelebt und war positiv belegt und gefördert?

Das stimmt, vorgelebt auf jeden Fall (Hausmusik), und bei mir war es ähnlich - mein Vater war ein begnadeter Hobby-Pianist und Hausmusik gehörte zu meinem Alltag, allerdings bekam ich als Kind keinen Musikunterricht (dafür aber regelmäßige Theater- und Opernbesuche); später (mit 12 oder 13) bekam ich eine Gitarre und die durfte ich mir selbst beibringen.

Sicherlich ist die Hausmusik ein wichtiger positiver Aspekt für musikalische Erziehung, aber wenn es bei den Eltern fehlt, ist es nicht um so wichtiger, den Kindern außerhalb des Hauses musikalische Angebote zu machen? Damit sie das Musizieren erlernen und ihren Kindern vorleben können? Ist das Musizieren nicht unser aller Kulturgut?

Sorry, du lebst in einem Elfenbeinturm.

Es stimmt zwar, daß ich keine schulpflichtigen Kinder habe, aber ich selbst bin (als Kind/Jugendlicher) in viele Schulen gegangen, und ich war auch jahrelang EV in der Klasse meiner Tochter (Staatliche Schule, nix Privates). In jeder Klasse gab es 1-3 Problemkinder (sozial problematische deutsche Familien), die überwältigende Mehrheit waren "normale" Kinder/Jugendliche. Und auch die Türkischen und Flüchtlingskinder (Jahre 199x, Bosnien-Krieg; in jeder Klasse gab es etwa 5, maximal 10 Flüchtlingskinder) wurden integriert und bekamen in der Schule noch extra Sprachunterricht (Deutsch).

Also ganz hinter dem Mond lebe ich nicht.

(...) und es werden zunehmend weniger. Und damit sind entspr. Angebote nicht zu rechtfertigen (...)

OK, eine detaillierte Übersicht zu dieser Frage habe ich nicht, aber ich habe verstanden, daß ein kostenloser (subventionierter) Musikunterricht keine befürwortende Mehrheit in unserer Gesellschaft fände.

Gruß, Bert
 
Ich habe auch immer Angst gehabt, nach dem Abi und bereue es jetzt!
Bin im Rentenalter...
 
Wenn du meinst, das es uns allen so gut geht, dass zur Sicherung der Bildungs- und Entfaltungszukunft der nächsten Generation freier Musikunterricht die naheliegenste Baustelle ist und es keine wichtigeren Probleme gibt solls so sein
Hmm, dies könnte man als "freier Musikunterricht ist Luxus" interpretieren. In Bezug auf eine Studiumsvorbereitung kann ich da zustimmen, in Bezug auf allgemeine Bildungs- und Integrationsleistungen sehe ich hier schon eine große Bedeutung. (Wie übrigens auch beim Sport, den ich als Schulfach allerdings gehasst habe, wir hatten doch den Bolzplatz ganz in der Nähe... Die Bolzplätze gibt es heute nicht mehr in der Menge:-/ Die abends selbst musizierenden Nachbarn auch seltener.) So wird vielleicht auch ein Schuh aus der Position von @MusikBert
 
Hmm, dies könnte man als "freier Musikunterricht ist Luxus" interpretieren.

Nein, kann man nicht, weil es bei der Aussage (Zitat) "Wenn (...) es uns allen so gut geht, dass zur Sicherung der Bildungs- und Entfaltungszukunft der nächsten Generation freier Musikunterricht die naheliegenste Baustelle ist und es keine wichtigeren Probleme gibt solls so sein" um die Setzung von Präferenzen geht.
Wer von elementaren Rechenoperationen ohne Hilfe der Finger überfordert ist, wer Texte bestenfalls nur noch als Lautfolgen dekodieren kann, ohne zum Sinngehalt vorzudringen, kurzum, wer auf der kulturhistorischen Zeitachse eine Kehrtwendung vollzogen hat, um im Eilschritt wieder im Nebel schriftloser Kulturen zu verschwinden, der hat dringlichere Probleme, als freien Zugang zur Randgruppenmusik bürgerlicher Leitkulturen.
 
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Randgruppenmusik bürgerlicher Leitkulturen.
Das ist mir zu "speziell" (man könnte auch sagen: zu nahe an der aktuellen Realität dran) gedacht. EInerseits muss sich Musikunterricht (der sich nicht in besonderem Maß als "irgendwie potenziell berufsvorbereitend" versteht) nicht unbedingt nur um diese Randgruppenmusik kümmern, andererseits sehe ich durchaus Möglichkeiten, den Musikunterricht quasi zu "instrumentalisieren" (schlechter Kalauer an dieser Stelle, ich weiß), und mit ihm im Zusammenhang mit anderen Fächern auch deren Lerninhalte unterstützen (und andersherum übrigens auch)
 
Einerseits muss sich Musikunterricht (...) nicht unbedingt nur um diese Randgruppenmusik kümmern ...

Das wäre im Sinne der allseits geforderten "Offenohrigkeit" und der auch musikalisch fragmentierten Heterogenität moderner Gesellschaften auch nicht wünschenswert.

Allerdings stellt sich die Frage, ob veränderte Zugangsbedingungen auch mit Veränderungen aktueller Lerngewohnheiten und -erwartungen einhergehen würden, anderenfalls führen wir hier nämlich - zumindest methodisch - eine Scheindiskussion:
Die ebenso naiven, wie anbiedernden Versuche, musikalische Jugend- und Populärkultur in formelle Bildungsangebote einzubinden, kann man nämlich getrost als weitgehend gescheitert betrachten. Hier ist der Kompetenzerwerb nach wie vor überwiegend informell, wobei neben der klassischen Peergroup insbesonders die Video-Plattformen zum dominierenden Informationsträger geworden sind.

Eine Generation, die es gewohnt ist, sich jederzeit im Internet bei ihren Idolen das zusammenzuklauben zu können, was ihr zur Selbstverwirklichung als wesentlich erscheint, wird man selbst mit Gratisangeboten der Musikschulen nicht wieder einfangen können. Dieser Zug ist abgefahren!


Noch ein Punkt zum Weiterdenken: Wenn es um musikalische Teilhabe geht, kann auch das Life span learning nicht ausgeblendet werden - die Diskussion kann und darf sich daher nicht nur um privilegierte oder unterprivilegierte Kinder und Jugendliche drehen, sondern muss alle Altersgruppen einbeziehen, um nicht einseitig und ausgrenzend zu werden.

... andererseits sehe ich durchaus Möglichkeiten, den Musikunterricht quasi zu "instrumentalisieren" (...), und mit ihm im Zusammenhang mit anderen Fächern auch deren Lerninhalte unterstützen (und andersherum übrigens auch)

Damit rennst du im Prinzip offenen Türen ein. Es gibt mittlerweile keinen natur- und geisteswissenschaftlichen Bereich mehr, der die Anschlussmöglichkeiten und Querverbindungen der Musik zu anderen Disziplinen nicht thematisiert.
Allerdings gibt es auch hier die übliche Latenz zwischen Theorie und Praxis, denn an der Basis scheint sich der fächerübergreifende Unterricht in einer bestenfalls embryonalen Versuchsphase zu befinden.
 
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Ich weiß ja, dass man nicht von sich auf andere schließen soll, aber ich war der erste in meiner Familie mit einem höheren Bildungsabschluss (ich will nicht sagen, ich wäre prekär aufgewachse) Um mir den Luxus einer akademischen Ausbildung leisten zu können, habe ich einfach einen full-time Job ausgeübt. Schön war das nicht. Zeit hatte ich - insbesondere im Hauptstudium - für nix. als ich die Erfahrung aber erfolgreich überlebt hatte, konnte mich nichts mehr umhauen. Es war mir aber schlicht zu blöd, mich hinzusetzen und über die Ungerechtigkeit der Welt zu jammern.

Übrigens hat niemand in meiner Familie ein Instrument gespielt. Springsteen, Glam&Sleaze und nicht zuletzt der getting-laid-Faktor haben mich hier aber so zur Gitarre hingetrieben, dass mich lediglich die Überlegung, nicht als darbender Künstler mein Leben fristen zu wollen, in die Wirtschaftswissenschaften getrieben hat. Musik war danach immer noch mein Refugium und ist auch heute noch meine Festung der Einsamkeit und zur Kontemplation.

Zumindest für mich persönlich sind die Dinge, die ich mir wirklich hart und gegen alle Widerstände (wie z.b. den sozialen Stand) erkämpft habe, wertvoller, als die "Alles für Alle"-Geschenke.

Bevor man also in die "die Gesellschaft muss sich verändern und die Bildungschancen verbessern"-Debatte einsteigt, sollte man auch immer mal den Blick auf sich selbst richten und sich fragen "was habe ich eigentlich in meinem Leben schon für die Gesellschaft getan?" und auch "habe ich wirklich ALLE meine Kraft schon auf dieses Ziel gerichtet?".

"Das Streben nach Glück" ist kein Leistungsversprechen.

Aber wahrscheinlich ist dieser Blickwinkel wieder zu radikal. Just my 2c :nix:
 
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Aber wahrscheinlich ist dieser Blickwinkel wieder zu radikal.
Finde ich nicht.
Ziemlich genau am Ende meiner Schulzeit kam raus, dass mein angeblich ach so erfolgreicher Geschäftsmann von Vater eigentlich nur massive Schuldenberge verschoben hat, was dieser aber mit dem Absetzen in ein anderes Land goutiert hat- Elternhaus weg, alles weg, mein selbstverantwortliches Leben hat quasi direkt auf einen Schlag mit dem vollen Programm angefangen, Arbeitssuche, Wohnungssuche, verdammt, ich brauche zumindest die wichtigsten Haushaltsgeräte....., von daher kann ich das sogar überaus gut nachvollziehen.

Andererseits, bis dahin war ich sicher in einer eher gut situierten Blase daheim, ich wurde sicher nicht verhätschelt, aber alles was irgendwie Bildung betraf, seien es Bücher, Musikunterricht, Judo/Basketballverein oder auch was wie Reisen - ich hab bis dahin wirklich verhältnismäßig viel von der Welt gesehen - ist stets auf relativ viel Resonanz gestoßen. Von daher rede ich schon auch gerne dem Argument das Wort, dass was man vor allem Kindern und Teenagern mal in ihren Kopf gebracht hat zwar nicht unbedingt ein Garant für einen erfüllten Lebensweg ist, man es ihnen aber zumindest nie wieder wegnehmen kann - für mich war das insofern wichtig, weil ich eben an einem wesentlichen Wendepunkt meines Lebens eben tatsächlich so gut wie nichts anderes mehr hatte.
(Gut, eine fertige Ausbildung. Das fällt aber nebst dem Wisch der das bestätigt ja eigentlich da auch drunter)
 
Eine Generation, die es gewohnt ist, sich jederzeit im Internet bei ihren Idolen das zusammenzuklauben zu können, was ihr zur Selbstverwirklichung als wesentlich erscheint, wird man selbst mit Gratisangeboten der Musikschulen nicht wieder einfangen können. Dieser Zug ist abgefahren!
Das ist sicher ein wichtiger Punkt.

Inzwischen wird diese Generation nämlich allmählich zur Elterngeneration jener Generation, über deren Zugang zu Musikunterricht wir hier die letzten Seiten diskutieren.
Und wer in der Schiene unterwegs ist, ist für wohlüberlegte Argumente unerreichbar, was da an Inhalten angezeigt wird entscheiden Algorithmen, die auf genau eines getrimmt sind: Welchen Inhalt wird dieser User am längsten und vollständigsten konsumieren bzw. an andere weiterleiten. Und zwar mehr oder weniger vollkommen unabhängig von Sinnhaftigkeit und auch Wahrheitsgehalt. Das Video der lustigen Katze ist gleichgeschalten mit der Verschwörungstheorie und diese wiederum mit der Meldung, das in Nahost -zig Menschen in die Luft geflogen sind sowie, dass irgendso ein Hirni einen Nobelpreis für irgendwas bekommen hat, was eh kein normaler Mensch versteht.

Da ist schon eines der Probleme unserer Zeit, in dieser Informationsflut nicht mehr Sinn von Unsinn trennen zu können- und sowas spezifisches wie Musikunterricht kommt da niemals durch. Der Algorithmus sieht, dass die meisten der ersten 100 User die drüber stolpern nach keinen 10sec auf "weiter" drücken und lässt den Inhalt in der Versenkung verschwinden. 1:0 für die Handstand machende Katze, die mindestens jeder 2. geliked hat.....
 
Die ebenso naiven, wie anbiedernden Versuche, musikalische Jugend- und Populärkultur in formelle Bildungsangebote einzubinden, kann man nämlich getrost als weitgehend gescheitert betrachten.
Ja, ich habe gedanklich Vor- und Grundschulkinder im Kopf gehabt, hier sehe ich tatsächlich noch Möglichkeiten / mehr Offenheit in der Rezeption.
Noch ein Punkt zum Weiterdenken: Wenn es um musikalische Teilhabe geht, kann auch das Life span learning nicht ausgeblendet werden - die Diskussion kann und darf sich daher nicht nur um privilegierte oder unterprivilegierte Kinder und Jugendliche drehen, sondern muss alle Altersgruppen einbeziehen, um nicht einseitig und ausgrenzend zu werden.
Auf jeden Fall.
Allerdings gibt es auch hier die übliche Latenz zwischen Theorie und Praxis, denn an der Basis scheint sich der fächerübergreifende Unterricht in einer bestenfalls embryonalen Versuchsphase zu befinden.
... falls er nicht schon wieder zurück geht - dem "Pisa-Controlling" sei Undank.
 
Ich weiß ja, dass man nicht von sich auf andere schließen soll, aber ich war der erste in meiner Familie mit einem höheren Bildungsabschluss (...)

So geht es vielen von uns, den älteren Semestern.

(...) die Gesellschaft muss sich verändern und die Bildungschancen verbessern (...)

In dieser Diskussion geht es mehr darum, welche Gebiete/Fächer als Bildung betrachtet werden, und da bekommt Mathe oder Geographie eine höhere Priorität als Musik, die nicht als Bildung betrachtet wird, sondern nur als Hobby und Spaß.

(...) auch immer mal den Blick auf sich selbst richten und sich fragen "was habe ich eigentlich in meinem Leben schon für die Gesellschaft getan?

Ja, und auch das tun viele, und versuchen, einen Teil davon, was sie von der Gesellschaft bekamen, auch zurückzugeben. Denn wir alle, auch Du und ich, fingen mit "ausgestreckter Hand" an - die Schulbildung ist bis zum Abitur für alle Schüler kostenlos, ebenso die Büchereien (zu meiner Zeit hat man sich Bücher ausgeliehen, es gab noch kein Internet) und viele Jugendzentren und Sportvereine - alles von der Gesellschaft finanziert.
Unsere Gesellschaft wird zum großen Teil aus Steuern finanziert, und wer viel Geld verdient, zahlt auch höhere Steuern und gibt der Gesellschaft mehr als derjenige, der nur wenig Geld verdient u/o eine staatliche Unterstützung braucht, weil er mit seinem Einkommen unter einem bestimmten Limit liegt.
Und so kommt es, daß ein Akademiker in seinem Erwerbsleben mehr Steuern und Sozialabgaben zahlt als ein Arbeiter mit Hauptschulabschluß in seinem ganzen Leben (Brutto) verdient.

Es gibt viele Kinder, die mit dem Schulstoff (Mathe, Deutsch, Englisch, Physik, Chemie ...) nicht klarkommen, und auch mit Büchern können sie nichts anfangen; ihr Interesse lag schon immer im musischen Bereich, da zieht es sie hin, dahin richten sie ihre Aufmerksamkeit. Aber sie bekommen keinen kostenlosen Unterricht in diesem Bereich, obwohl sie mit einer solchen Ausbildung, ihrem Talent und Interesse Großes leisten könnten - auch für die Gesellschaft.
So bleiben solche Kinder paar mal sitzen und dann, als Erwachsene, auf unserer Tasche liegen, weil sie ohne Schulabschluß auf die Sozialleistungen unserer Gesellschaft angewiesen sind. Böse Zungen behaupten: Diese Leute (Sozialleistungsempfänger) bekommen jeden Monat eine Entschädigung dafür, daß sie in ihrer Kindheit keine Chance bekamen, einen Beruf nach ihren Fähigkeiten zu erlernen.

Auch wenn die Korrelation zwischen Bildungsstand und Einkommen nicht so ganz stimmig ist, sieht es die Gesellschaft/Politiker/Wirtschaft als vorteilhaft oder gar notwendig an, in die Bildung der Bevölkerung viel Geld/Personal/Infrastruktur ... zu investieren. Denn mit dieser Investition tut die Gesellschaft etwas Gutes für sich selbst.

Gruß, Bert
 
Denn wir alle, auch Du und ich, fingen mit "ausgestreckter Hand" an - die Schulbildung ist bis zum Abitur für alle Schüler kostenlos
Zu meiner Zeit in den 90ern war mein Studium in D selbst auch praktisch kostenlos - sehr im Gegenteil zu einigen anderen Ländern. Hat sich das inzwischen geändert? Bin da gerade nicht mehr ganz im Thema.
 
mein Studium in D selbst auch praktisch kostenlos

Für meine Tochter mußte ich an einer staatlichen Universität in Deutschland Studiengebühren um die 500-600 € pro Semester zahlen; es war nicht über das ganze Studium, weil diese Gebühren später wieder abgeschafft wurden (zumindest in einigen Bundesländern). Da meine Tochter mehrere Fremdsprachen auch im Ausland studiert hat, kamen dazu auch die Semestergebühren im Ausland, die deutlich vierstellig waren. Das alles war in den Jahren 200x-201x.
Ich habe vor 1990 Naturwissenschaften studiert (staatliche Universität in Deutschland) und habe keine Semestergebühren gezahlt, nur einen "symbolischen" Semesterbeitrag (höchstens 100 DM pro Semester).

Gruß, Bert
 
Eher Prioritäten ...

Stimmt. Allein schon wegen der "Setzung" ...

Da ist schon eines der Probleme unserer Zeit, in dieser Informationsflut nicht mehr Sinn von Unsinn trennen zu können- und sowas spezifisches wie Musikunterricht kommt da niemals durch.

Wer Musik-Tutorials sucht, findet sie auch, weil er eben nicht nach Katzenvideos sucht. Das Problem ist also nicht, dass die Musik-Tutorials in der allgemeinen Informationsflut untergehen, das Problem ist die teilweise indiskutable Qualität, insbesonders die unsägliche "Amerikanisierung" des Unterrichtsstils (20 Minuten quatschen - 30 Sekunden Herumgenestel am Instrument - 4:30 Minuten Werbung für den eigenen Channel und irgendwelche Zusatzangebote - Abspann und Ende = 25 Minuten verplemperte Lebenszeit).
Dieser salbadernde, pseudo-dozierende Stil, dazu überwiegend nur von Möchtegern-Dozenten zelebriert, ist eben das Ergebnis einer Melange aus Autoverkäufer-Mentalität und fundamentalistischer Bekehrungsideologie, die sich wie eine klebrige Schleimspur auch durch die amerikanische Unterrichts- und Fachliteratur zieht. Schlimm nur, dass dieser sich anbiedernde Mist bereits auch in Europa metastasiert hat - aber das ist letztlich eine andere Baustelle und soll hier nicht vertieft werden.

Was im Überangebot oft untergeht, sind die in der Relation qualitativ wirklich gut gemachten Angebote, die eben nicht auf der marktschreierischen "Secrets you never wanted to know"-Schiene unterwegs sind, und deren bisweilen beschämend geringen Aufrufszahlen im Prinzip ein Armutszeugnis für die Beurteilungskompetenzen der Konsumenten sind.
Da befinden wir uns in einem Teufelskreis, weil eben ein Anfänger im Regelfall auch ein Anfänger in der qualitativen Beurteilung eines Angebots ist. Wäre es anders, wären unqualifizierter Unterricht im echten Leben und grottige Unterrichtsangebote im Internet ein Thema, das sich längst von selbst erledigt hätte.
Aber ebenso utopisch, wie die Forderung nach "Musikunterricht für alle", dürfte die Forderung nach einer qualitätsorientierten "Medienschulung für alle" sein, obwohl ich sie sogar für vorrangig halten würde - womit wir wieder bei den Prioritäten wären ...
 
Und so kommt es, daß ein Akademiker in seinem Erwerbsleben mehr Steuern und Sozialabgaben zahlt als ein Arbeiter mit Hauptschulabschluß in seinem ganzen Leben (Brutto) verdient.

Abgesehen davon, dass du hier so ganz nebenbei auf eine im Prinzip skandalöse Schieflage im Lohngefälle aufmerksam machst - ich gehe mittlerweile allerdings davon aus, dass dich das herzlich wenig belastet, zumal man sich ja diese Schieflage durch wohltätiges Handeln moralisch etwas aufhübschen kann: Seine finanziellen Opfer für die Gesellschaft kann sich der Akademiker im Regelfall später aber auch wieder mehr als großzügig vergüten lassen!

In einer normalen akademischen Karriere kann man erfahrungsgemäß nur im letzten Drittel in eine Gehaltskategorie aufsteigen, über die sich auch der Fiskus freut, für die Pensionshöhe sind dann aber nur die letzten beiden Dienstjahre entscheidend. In den ersten beiden Jahrzehnten leidet man sicher keinen Hunger, aber dafür befinden sich auch die Abgaben selten im absoluten Spitzenbereich.
Und wenn jemandem, z.B. als ehemaliger beamteter akademischer Spitzenverdiener ein langer und geruhsamer Lebensabend vergönnt ist (was sogar relativ wahrscheinlich ist, weil man sich ja nicht kaputtmalocht hat, und selbst im Krankheitsfall auf der Chefarzt-Etage im luxuriösen Einzelzimmer liegt), dann holt sich der wackere Akademiker durch seine Pension ganz schnell vom Steuerzahler mehr zurück, als er jemals eingezahlt hat.
 
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Abgesehen davon, dass du hier so ganz nebenbei auf eine im Prinzip skandalöse Schieflage im Lohngefälle aufmerksam machst (...)

Ja, die Gehalts-Schieflage gibt es auch unter den Akademikern, und die Pensionsansprüche der Beamten will ich gar nicht erwähnen. Aber wieviel wer verdient, entscheide nicht ich, ich bin kein Arbeitgeber.
Die wichtige Aussage hier ist - wer viel Geld verdient, zahlt auch hohe Steuern und unterstützt damit die Gesellschaft mehr als derjenige, der kein oder nur wenig Geld verdient.

Gruß, Bert
 
Die wichtige Aussage hier ist - wer viel Geld verdient, zahlt auch hohe Steuern und unterstützt damit die Gesellschaft mehr als derjenige, der kein oder nur wenig Geld verdient.

Was von den Steuergeldern wirklich zum Nutzen der Gesellschaft verbleibt, lassen wir mal außen vor.
Dass, wer viel verdient, tatsächlich auch hohe Steuern zahlt, ist mir zu blauäugig - und wer wirklich "mehr" für die Gesellschaft tut, möchte ich nicht an der Höhe seiner Steuerzahlungen festgemacht sehen. Das sollte uns spätestens seit Beginn der Pandemie überdeutlich geworden sein.

Ja, die Gehalts-Schieflage gibt es auch unter den Akademikern ...

Kann man selektive Realitätswahrnehmung eigentlich willentlich trainieren, gibt es dazu Ratgeberliteratur, z.B. von Andrea Nahles ("Mach dir deine Welt, wie sie dir gefällt") oder bestimmte Atemübungen?

Gehaltsunterschiede bei Akademikern gibt es natürlich auch, sofern sie sich nicht ganz einfach durch Unterschiede in der akademischen Qualifikation erklären lassen. Aber es gibt - oh Wunder! - noch eine Welt außerhalb der Akademiker-Idylle. Und da wird aus einer leichten Schieflage oftmals ganz schnell eine Absturzkante.
 
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Kann man selektive Realitätswahrnehmung eigentlich willentlich trainieren (...)

Das weiß ich nicht, aber die Wahrnehmung eines jeden Menschen ist spezifisch und selektiv, so sind die Menschen (physiologisch) gebaut, und daran können wir nichts ändern.

Die Akademiker hatte ich aus zwei Gründen gewählt; die Menschen mit einem Hochschulabschluß bilden (anzahlmäßig) mit etwa 33 % die stärkste Fraktion der deutschen Bevölkerung, während die Menschen ohne Schulabschluß mit etwa 4 % die schwächste (betrachtet werden alle Menschen älter als 15 Jahre). Und bis zum Abschluß ihrer Ausbildung belasten die Akademiker die Staatskassen am längsten. Da ist wohl die Frage berechtigt: Was geben die Akademiker dem Staat zurück? Ich erinnere:

(...) was habe ich eigentlich in meinem Leben schon für die Gesellschaft getan?

Abgesehen von den Leistungen, mit denen der Akademiker durch seine überdurchschnittlich qualifizierte Arbeit unserer Gesellschaft dient, sind es auch die überdurchschnittlich hohen Einkommenssteuern und soziale Leistungen, die er in die Staatskasse zahlt, und damit die Gesellschaft unterstützt.
Diese Erfahrung lehrt unsere Gesellschaft, daß die Bildung unserer Kinder eine wichtige Investition für die ganze Gesellschaft ist. Darum sollte jedes Kind eine gute und kostenlose Ausbildung bekommen, die seinen Talenten/Interessen/Fähigkeiten entspricht, damit es später mit seiner Arbeit sich und seine Familie "ernähren" und der Gesellschaft "etwas geben" kann. Und es spielt keine Rolle, ob aus dem Kind ein geschickter Handwerker, Lehrer, Architekt oder Musiker wird, wichtig ist, daß das Kind diesen Beruf erlernen und später ausüben will und kann.

Gruß, Bert
 
... die Menschen mit einem Hochschulabschluß bilden (anzahlmäßig) mit etwa 33 % die stärkste Fraktion der deutschen Bevölkerung,

Wenn schon Statistik, dann bitte weder mit willkürlich herausgepickten Zahlen, noch mit elementarsten Rechenfehlern:
"33 %" können in einem einfachen Modell mit nur zwei Kohorten (Hochschulabschluss vs. sonstige Abschlüsse/kein Abschluss) bereits rechnerisch nicht die stärkste Fraktion bilden - da kannst du dich auf den Kopf stellen.
Des weiteren ist Berufsqualifikation nicht gleich Schulabschluss, ein Hochschulabschluss ist daher nicht gleichbedeutend mit Hochschulreife!

Nach Statistischem Bundesamt (2019):
46,6 % Berufsausbildung
18,5 % Hochschulabschluss, davon 1,2 % mit Promotion
Schlussfolgerung: Akademiker sind de facto eine Minderheit!

Die von dir herangezogene Zahl bezieht sich auf Schulabgänger mit Hochschulreife, von denen aber fast die Hälfte keinen Hochschulabschluss erreicht:
33,5 % FH- und Hochschulreife
58,6 % Abschlüsse bis Mittlere Reife
Auch hier: Eine deutliche Bevölkerungsmehrheit hat keine höheren Schulabschlüsse!

Richtig ist: Die mit dem Höchstsatz besteuerten Einkommensgruppen (6,3 % aller Steuerzahler) erbringen ungefähr 55 % der Einnahmen aus der Einkommenssteuer, die allerdings nur 45,4 % der Staatseinnahmen ausmacht. Der Höchstsatz greift bekanntlich bei knapp 57.000 EUR (Ledige), so dass sich in diesem Segment auch noch besser verdienende Einkommensgruppen ohne Hochschulschulabschluss befinden.
Immerhin wird der nicht unerhebliche Rest (45 %) aber von den 93,7 % der unteren Einkommensgruppen aufgebracht (von denen allerdings ca. 20 % überhaupt nichts zahlen), zu denen eben auch viele Hochschulabsolventen, z.B. Berufsanfänger und Honorarkräfte zählen - abgesehen von den akademisch qualifizierten Praktikumsnomaden, die jahrelang in prekären Lohnverhältnissen unterhalb des Mindestlohns dahindümpeln.

Kurzum: Du haust hier wieder mal eine Behauptung raus, deren Unsinnigkeit durch richtiges Lesen der jedem zugänglichen Statistiken sofort ersichtlich wird.
So langsam gebe ich es auf :bang: ...
 
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