Mein Jazztutor hat das mal so erklärt: in der der jeweiligen Harmonie ( z.B. C maj 7) gibt es eine Grundtonart - also C-Dur. Und die steht im Kontext zur Tonart des Gesamten Stücks. Und den Unterschied zwischen den verschiedenen Akkorden machen Tongeschlecht und Farbton.
So sehe ich das auch.
Und gerade im Jazz hat man wirklich alle Freiheit, nach Belieben auszudünnen oder aufzufüllen, zu oktavieren, etc. Und zwar so, dass es zum Gesamtbild stimmt. Tendenziell klingt Ausdünnung auf Dauer wesentlich besser, weil eben das Gehör tatsächlich fehlende Töne virtuell ergänzt. Oder in eine andere Oktave schiebt, als sie tatsächlich gespielt werden. Ich habe das selbst in Beispielen gehört und fand das extrem interessant und aufschlussreich für Arrangements. (speziell für Akkordeon)
Ich denke im Prinzip sind wir und alle einig.
Meine (laienhafte) Zusammenfassung: Es gibt Jazz-Stücke die von wenigen sparsamen Akkorden leben, wenn man die "anreichert" versaut man's. Das kann man aber mit MII oft nicht vermeiden.
Die Mischung macht es doch. Fette Akkorde, einstimmig, dünne Akkorde, angedeutete Harmonien, ausgespielte Harmonien, und das variabel.
Gerade bei Stücken, in denen Improvisation beteiligt ist, braucht bzw. darf es nicht immer zu vollen Begleitakkorden kommen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein allzu gut gemeinter voller Akkord, spontane Einfälle des Improvisateurs stören kann, ist sehr hoch. (AUCH wenn man selbst dazu improvisiert)
Wobei der Grundton da am wenigsten stört, sofern er tiefer liegt als die Melodie. Überhaupt spielt die Höhe der gespielten Harmonien in Bezug zur Melodie eine wichtige Rolle. Es gibt einen Oktavbereich, der sich besonders gut für Akkorde eignet, spielt man die zu hoch, verlappt sich das zu sehr mit der Melodie oder klingt kitschig, wenn es sogar über der Melodie liegt. Spielt man sie zu tief, brummelt es zu sehr.
Für Bässe gilt das ähnlich, wobei "Bass" per se der tiefste gespielte Ton ist, ganz egal, ob man dazu eine extra Taste/Knopf drückt oder nicht.
Auch ist es oftmals so, dass die von
@maxito erwähnten charakteristischen Töne sehr häufig teil der Melodie sind und überhaupt keiner zusätzlichen Verdopplung in einer Begleitung brauchen.
Während bei "braven" Stücken ziemlich nichts an Reibung passieren kann, wenn man voll begleitet, ist das bei "schrägeren" Stücken meist kontraproduktiv.
Das gilt insbesondere auch für das Piano, von dem oft geredet wird im Zusammenhang mit M3. Daher bringe ich unten ein Beispiel dazu.
Das M2 hat für meine Begriffe nicht so sehr das Problem, zu fett zu klingen oder zu viele Töne im AKkord zu spielen (wunderbar ist, dass der Septimbass und der verminderte keine Quinte enthalten und damit super Spileraum für Optionstöne lässt, Das eigentliche Problem, bzw der Kompromiss, den man immer einschneidend bedenken muss, ist meiner Meinung nach der Oktavknick, und zwar der in den Akkordtönen. (Die Bässe liegen ohnehin in der Regel tief genug, auch wenns mal knickt. (Jeder Bassspieler muss in seinem "Walk" auch mal "knicken", da er nicht unendlich hoch oder runter laufen kann. Wo genau ist nicht so häufig ein Hindernis zum Arrangieren als das bei den Akkordklängen der Fall ist.
Mal ein konkretes /fiktives aber realistisches
Beispiel ohne Notenvorgabe:
Ich habe ein Stück, bei dem ein große None ein markanter Melodiepunkt ist.
Dieser Ton MUSSEN im Stück mit Cmoll - Harmonie drin sein, weil er entscheidend für das ganze Stück ist.
Nun haben wir aber am Akkordeon bloß dur und moll Akkorde.
Sagen wir mal ganz simpel, das Stück ist momentan auf C-moll und es enthält die None D eine Oktave über dem Grundton C. Als Harmonie haben wir an dieser Stelle auch C-Moll.
Was jetzt tun in der linken Hand?
Je nachdem, wie tief, hoch das Verhältnis zwischen dem Eb vom C-moll liegt, kann dieser bei gedrücktem Akkordknopf absolut verboten zu dem D in der Melodie klingen. Ist Eb im AKkordwerk der hächste Ton im Moll (bauartbedingt), dann ist der Akkord je nach Registrierung an dieser Stelle gegebenenfalls unspielbar. (Es sei denn es handelt sich um ein Stück von Strawinsky
)
Bei einem Instrument, in dem G der höchste Ton bei gedrückter C-Moll taste wäre, klingt das Eb tief genug, dass es wieder sehr schön wirkt, weil es weit genug von D entfernt liegt.
Was also tun als M2- Spieler?
1. Ich wähle Register, bei denen das nicht passiert (Diskant hoch genug, Bass tief genug) - aber nur, wenn das generell überhaupt sinnig klingt.
2. Ich spiele KEINEN Akkordknopf, wenn das sich so reibt, sondern wähle einen der Akkordtöne oder gar einen Optionston als BASS, und ergänze rechts mit einem weiteren Ton, der dem Ohr INSGESAMT ein C-Moll-Gefühl vorgaukelt.
Das ist alles machbar und erfordert Kreativität und auch bissel Kenntnis, warum was wie klingt oder nicht klingt.
Das kann man auch nie pauschal sagen, weil es von der konkreten Oktavlage abhängt, die im Instrument verbaut ist.
Eventuell findet man keine befriedigende Lösung für genau diese eine Stelle (was ich aber glaube noch nie erlebt habe, erinnere mich jedenfalls nicht, dass ich wegen sowas das Stück sein gelassen hätte.
oder die Stelle kann durch Ablenkungsmanöver so sehr auf diese D gerichtet werden, dass der Hörer kein C-moll vermisst etc etc ...
Das alles ist für mich aber kein Grund, für solche speziellen Fälle zu sagen, ich bräuchte M3 in diesem Genre.
Ich glaube mich zu erinnern, dass F. Marokko früher M3 gelernt und auch ausgiebig gespielt hat. Und das natürlich auch für Jazz ausprobiert hat. Das Ergebnis kennen wir.
Wenn
M3 für mich persönlich infrage käme (deshalb habe ich nach Quintkonvertern geschaut aber wieder sein lassen aufgrund das übertriebenen Aufwands) dann für
gebrochene Akkorde oder
ineinander fließende Akkordtöne, die ich dazu noch frei auswählen kann.
Das fänd ich wirklich nice. So als Anregung für Anwendung im Jazz. Dann aber nur phasenweise, oder als Alternative bei Wiederholungen, die es im Jazz ja extrem gibt.
Jedoch für den reinen Harmonieeffekt sehe ich keine Notwendigkeit, M3 im Jazz zu gebrauchen. Da kommt man mit verkraftbaren Abstrichen super mit M2 aus.
Daher gilt für mich: Ich spezialisiere mich, auch angesichts des Alters lieber auf ein System, erforsche die tatsächlichen Klangmöglichkeiten und habe mehr als genug in diesem Leben zu tun ... lach
Jetzt das versprochene Beispiel für eine eine angemessene minimalistische pianistische Spielweise am Piano, für die Duke Ellington bekannt ist:
View: https://www.youtube.com/watch?v=UGK70IkP830