Nein, ich trauere nicht wegen Michael Jacksons Tod.
Warum auch?
Die Wahrscheinlichkeit, dass Michael Jackson uns noch etwas Unvergleichbares hätte geben können, die Musikwelt noch einmal hätte stark beeinflussen können, ist mMn so wahrscheinlich wie ein großer Meteoriteneinschlag in den nächsten 20 Jahren.
Der "King of Pop" hatte sein Königreich lange verloren, er träumte "im Exil" von vergangenen und neuen glorreichen Großtaten - die nie kommen würden. Eine ähnliche Situation wie beim letzten Deutschen Kaisers. Eine tragische Figur der Zeitgeschichte, die nicht akzeptieren konnte, dass die Krone verspielt und sein Reich Vergangenheit war.
Ich trauere um den Menschen Michael Jackson, der ein weitgehend verpfuschtes Leben führte. Hoffentlich war seine Flucht vor der Wirklichkeit, seine verbogene und verschrobene Wahrnehmung nicht nur äußerlich, sondern hat auch innerlich geklappt.
Ein Verlust für die Musikwelt ist der Tod Michael Jacksons - wie gesagt - meiner Meinung nach nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, was Jackson noch hätte bewegen sollen. Durch die Traumwelt in die er sich geflüchtet hatte und in der er lebte, hätte er vermutlich keine Großtaten mehr vollbracht, sondern eher Kopfschütteln, Verwunderung und Mitleid erzeugt. Sein schöpferisches Feuer war schon lange erloschen. Hier wurde kein Schöpfer aus der Mitte des Lebens gerissen, sondern ein ausgebranntes Wrack.
Ein "weiser alter Mann, der noch wichtiges zu sagen hat" (wie z.B. Johnny Cash) wäre Jackson vermutlich nicht geworden.
Es ist ein menschlicher Verlust für diejenigen, Jackson wirklich liebten. Das sind vermutlich seine Familie und (bestimmt nicht viele) echte Freunde sowie die relativ kleine Zahl an Fans, die die letzten Jahre treu zu ihm gehalten haben.
Es gibt genug Menschen, deren Kindheit und Jugend wirklich untrennbar mit Jacksons Musik verbunden ist. Für die ist wirklich ein "guter Bekannter" gestorben. Aber seien wir ehrlich; die meisten dürften den Bekannten doch lange aus den musikalischen Augen verloren haben, weil sie längst "weggezogen" sind? Durch Michael Jacksons Tod geht für sie aber nicht wirklich etwas verloren, denn "der alte Michael Jackson" lebt in seiner Musik weiter. Was er uns die letzten Jahrzehnte gab, bleibt dank Noten, Tondokumenten und nicht zuletzt Cover-Bands erhalten.
Was mich abstößt sind die vielen "Betroffenheitsreisenden", die bei jedem medialen Großereignis (Flugzeugabsturz, Naturkatastrophe, Schulmassaker etc.) ihre tiefe Betroffenheit entdecken, klagen und rumheulen. Wenige Tage nach dem Begräbnis werden sie Jackson vergessen und sich auf das nächste Opfer stürzen, dem sie ihre "tiefe Betroffenheit" entgegenschleudern. Die Person Michael Jackson interessiert sie nur als Mittel zum Zweck.
Jacksons Musik wird bleiben und den Menschen weiterhin Freude bringen.
Jacksons Körper soll in Frieden ruhen - woran ich allerdings nicht glaube.
Jacksons Seele soll endlich getröstet und geheilt werden. Falls es einen Gott gibt, ist er das Michael schuldig.
Jacksons Tod ist mMn nicht traurig - sein Leben hingegen war es.
Gruß
Andreas