Tach,
Hm... ist vielleicht eine gewagte These, aber ist es nicht völlig egal, nach welchem "System" man zunächst die Tonleitern lernt, solange man sich dabei die Lage der Töne auf dem Griffbrett klar macht (lernt) und dann anfängt mit diesem Wissen die Zusammenhänge herzustellen und weiterzuentwickeln?
Prinzipiell ist das überhaupt keine gewagte These.
Ich frage mich nur ein paar Dinge:
Wird, wenn solche Pattern gelehrt werden, denn wirklich erzählt, wo die Töne auf dem Griffbrett liegen? Wenn der typische Amin-Pentatonik Fingersatz in 5. Lage gezeigt wird, sagen dir die Schaubilder (oder auch dein Lehrer), wo bspw. alle Gs zu finden sind? 5. Bd., D-Saite, 8. Bd. H-Saite, identischer Ton, nur durch eine Oktave getrennt.
Das findet man, so glaube ich, sehr selten.
Und dann, ebenso was das Erlernen von Tonpositionen auf dem Griffbrett angeht: Ist es wirklich leichter, das innerhalb einer Lage zu bewerkstelligen? Im Endeffekt spielt man doch selten nur einzelne Töne sondern eine Kombination aus mehreren (wenn nicht gar vielen). Macht es dann nicht Sinn, sich einzuprägen, wo sich gewisse Tonkombinationen greiftechnisch wiederholen?
Nehmen wir als Beispiel mal G-Dur, 2. Lage. Ein relativ leicht zu spielender Lagenfingersatz. Sieht so aus:
e----2-3-5
h----3-5
g----2-4-5
d----2-4-5
A----2-3-5
E----2-3-5
Und dann nehmen wir für jetzt mal die Töne, die auf den tiefen beiden Saiten greifbar sind. Der Fingersatz 1-2-4 ist vermutlich (zusammen mit 1-3-4), ganz ohne Überstreckung, einer der komfortabelsten, die man so greifen kann, in diesem Fall ist es sogar auf beiden Saiten ein identischer Fingersatz. Also das hier:
A----2-3-5
E----2-3-5
Und dann suchen wir nach einer oktavierten Wiederholung dieser Töne innerhalb der Lage.
Das wäre dann sowas:
h--5
g--2-4-5
d--4-5
Fast jedes Pattern, das wir innerhalb der durch diese Töne (zumindest vorerst) diktierten Range spielen können, ist meiner Meinung nach ungleich schwieriger mit dem Fingersatz des zweiten Schaubildes zu bewerkstelligen.
Jetzt suchen wir aber mal ganz frech nach einer anderen Wiederholung des Tonpatterns.
Wir werden bspw. hier fündig:
g--4-5-7
d--4-5-7
Es wiederholt sich nicht nur das Ton- sondern auch das Fingerpattern. Alles, was es dazu braucht, ist ein recht überschaubarer Lagenwechsel um 2 Bünde nach oben.
Wenn man den geschickt einzusetzen weiß, könnte das vielleicht so aussehen:
g-----------------------------4-5-7
d----------------------4-5-7
A---------2-3-5-(sl)7
E--2-3-5
Den reingerutschten Ton auf der A-Saite habe ich mal ganz dreist hinzugefügt. Dadurch ergibt sich aber auch eine komplette G-Dur-Tonleiter.
Ich will jetzt nicht behaupten, dass dieser Fingersatz deutlich besser ist, als das, was man so kennen mag, bin aber der Meinung, dass es sich in jedem Falle lohnt, mal auf eine solche (oder ähnliche) Art nach Tönen bzw. Patterns zu suchen.
Und ganz generell geht es mir eben, wie ja schon häufig gesagt, um Effizienz. Unbequeme Fingerpatterns zu lernen ist manchmal vielleicht unumgänglich. Aber gerade für den Anfang ist es doch viel besser, wenn die Patterns eher leicht zu greifen sind.
"Problematisch" ist doch letztlich nur das ausschließliche, sture Auswendiglernen von (beliebigen) Pattern, ohne irgendwann zu begreifen und zu verstehen, warum das Ganze so funktioniert und was man an Tönen greift. Wie das reine Auswendiglernen von Akkordgriffen, ohne sich klar zu machen, welche Akkordtöne man greift und wie man dementsprechend bspw. aus einem G7 ein G7b9, ein G9 usw. macht.
Ich gebe dir in jeder Hinsicht komplett recht. Aber leider hat auch all das bisher kaum Einfluss in die Lehrmethodik gefunden, zumindest auf Einsteigerniveau herrscht da meist komplette Funkstille. Nun kann man natürlich Anfänger nicht gleich mit irgendwelchem Wissen um irgendwelche Töne "beglücken", aber die Wiederholbarkeit von Patterns auf dm Griffbrett ist durchaus vermittelbar, jedenfalls habe ich damit ganz brauchbare Erfolge erzielt. Gerade die weiter vorne im Thread vorgestellte "Rutsch-Pentatonik" stößt häufig auf gutes Interesse.
Dann wird man vermutlich auch unweigerlich diese "Brücken" (hier "Diagonalspiel") entdecken, mit denen man sich zwischen den Lagen elegant bewegen kann, oder?
Wenn man sich mehr oder minder intensiv damit beschäftigt, dann wird man das zweifelsohne.
Aber die Frage bleibt bestehen: Wenn das letztendliche Spiel diagonal orientiert sein soll (und auch wenn mir da vielleicht Leute nicht beipflichten wollen: Meiner Meinung nach soll es das unbedingt), warum soll ich dann erst einmal mehr oder minder ausgiebig Lagenpatterns büffeln, die mit diagonaler Beweglichkeit nichts am Hut haben? Zumal es sich bei einem doch relativ hohen Prozentsatz von Fingerpatterns um Dinge handelt, die man im "echten Arbeitseinsatz" eigentlich niemals so spielen wird? Auch hier nur ein ganz kleines Beispiel: Patterns, die auf den tiefen beiden Saiten Spreizungen enthalten, sind an sich nicht wirklich komfortabel zu spielen (außer man spielt nur im Sitzen und mit annähernd klassischer Haltung, was dem Anschlag dann nicht wirklich zugute kommt). Und man kann die oft vermeiden, indem man eben einfach die Lage wechselt. Dazu aus meiner persönlichen Praxis: Wenn wir schon bei der Amin-Pentatonik in 5. Lage sind, dann spiele ich mittlerweile tatsächlich so gut wie nie mehr das C auf der E6-Saite. Und da muss man noch nicht einmal überstrecken. Ich finde das einfach nicht komfortabel (obwohl ich einen relativ langen kleinen Finger habe) - und 95% dessen, was ich in der Range so spielen mag, lässt sich auch ganz wunderbar (und vor allem deutlich ergonomischer) mit dem C im 3. Bund der A-Saite bewerkstelligen. Alles, was es braucht, ist ein klitzekleiner Lagenwechsel, den ich persönlich tatsächlich gar nicht mehr wahrnehme.
- Der Sack
---------- Post hinzugefügt um 11:53:12 ---------- Letzter Beitrag war um 11:39:08 ----------
Jetzt hab ich ein Ergebnis, das ich so tatsächlich noch nie in nem Lehrbuch gesehen habe und das spieltechnisch wahrscheinlich sogar Sinn macht.
https://www.musiker-board.de/attachment.php?attachmentid=210034&d=1331459316
Edit: Die Rhythmik hab ich nur zur besseren Übersicht notiert. Natürlich kann und soll man das anders spielen.
Ob man das anders spielen "soll"? Ich weiß es nicht. Geht doch so.
Ich persönlich finde es allerdings zumindest beim Üben für mich immer am Angenehmsten, mit dem jeweils letzten Finger auf der Seite den Lagenwechsel/Rutscher vorzunehmen. Aufwärts wäre das dann der kleine, abwärts der Zeigefinger. Allerdings habe ich mich für eine Weile mal bemüht, an jeder möglichen und unmöglichen Stelle Lagenwechsel einzubauen. Mit den mittleren beiden Fingern ist das aber etwas problematisch, weil ich dann aus einer Lage, in der an sich 1-2-4 gegriffen wird, in eine mit Fingersatz 1-3-4 reinrutschen könnte. Wenn man ausschließlich 1 und 4 zum Rutschen verwendet kann einem das nicht passieren, weil die ja im an sich zugrundeliegenden 3NPS Fingersatz immer dabei sind.
Eine kleine Übung hierzu, die mache ich ganz gerne (Beispiel G-Dur)
e--2-3-5-(sl)7----3-5-7-(sl)8----5-7-8-(sl)10---- etc.
Rhythmik natürlich gleichmäßig in 1/8 oder 1/16. Der Fingersatz (also 1-2-4 oder 1-3-4) passt sich den Gegebenheiten an. Der kleine Finger rutscht dabei halt hoch.
Abwärts funktionierts genau so.
e--15-14-12-(sl)10----14-12-10-(sl)8---- etc.
Das rutscht dann der Zeigefinger.
Hilft einem übrigens meiner Meinung nach ungemein, die Abfolge von Halb- und Ganztonschritten zu verinnerlichen.
- Der Sack
---------- Post hinzugefügt um 14:25:25 ---------- Letzter Beitrag war um 11:53:12 ----------
Hier übrigens noch eine kleine Erweiterung der o.a. Übung, jetzt wechselt beim Aufwärtsspiel der Zeigefinger die Lage, beim Abwärtsspiel der kleine (Bsp. wieder für G-Dur):
e--2-5-3-2----(sl)3-7-5-3----(sl)5-8-7-5---- etc.
Abwärts:
e--15-12-14-15----(sl)14-10-12-14----(sl)12-8-10-12---- etc.
Kleine Anmerkung: Idealerweise spielt man diese Übung mal so, dass man den Rutscher hört, mal so, als ob nicht gerutscht werden würde, also per schnellem Lagenwechsel (ist vermutlich für fast Alle die etwas schwierigere Variante).
Persönliche Beobachtung: Interessanterweise fällt es mir leichter, bei der zweiten Übung die Lage ohne Rutscher zu wechseln, obwohl ich das Pattern an sich vermutlich weniger gut drauf habe.
Und auch wenn das jetzt alles wirklich nicht mehr viel mit Pentatonik-Fingersätzen zu tun hat (naja, ein bisschen dann doch noch...), eine Art Frage- bzw. Checkliste, auch wenn schon fast alles erwähnt wurde:
- Will ich mich im Endeffekt "frei" bzw. "diagonal" auf dem Griffbrett bewegen können? Definitiv. Also, ich möchte das jedenfalls unbedingt.
- Brauche ich das "reine" Lagenspiel im täglichen Einsatz tatsächlich? Wenn man erfolgreichen Spielern auf die Hände schaut, kann die Antwort hier nur "nein" lauten. Es werden eigentlich immer nur die komfortableren Ausschnitte aus Lagen genutzt.
- Muss ich Lagenwechsel bzw. Rutscherei auf dem Griffbrett beherrschen? Definitiv. Anders kommt man nunmal nicht in andere Lagen. Geht vorerst auch nicht um schnell oder langsam. Selbst diejenigen, die nur Am-Penta in 5. und bspw. 12. Lage beherrschen, führen vermutlich zwischen diesen beiden irgendwann einen Lagenwechsel durch. Allein dadurch wäre die Frage bereits zureichend beantwortet. Hinzu kommt aber eben, dass ich lediglich durch ganz einfache Lagenwechsel (wie im Bsp. G-Dur von 2. nach 4. Lage) in der Lage bin, mich relativ flüssig von einer "comfort zone" in die nächste zu begeben.
Und bei der ganzen Rutscherei kommt auch noch irgendwie hinzu, dass sowas ja sogar zum "guten Ton" gehört. Bzw. man ja sogar "tricksen" kann, indem man nämlich, wenn es mit dem Lagenwechsel nicht direkt, also ohne hörbaren Rutscher, klappt, genau das Rutschen als Stilmittel deklariert. Das ist vollkommen legitim.
Und nebenbei noch eine kleine Beobachtung: Wenn man irgendwelche Akkorde spielt, fast egal welche, als Bsp. seien mal typische Barrés genannt, dann wechselt man Lagen wie blöd. Da gibt's dann so gut wie kaum einen Akkordwechsel ohne Lagenwechsel. Das bekommen auch Anfänger ziemlich schnell ziemlich gut hin. Und zwar meist schon vor den ersten Skalengehversuchen. Niemand beschwert sich darüber.
Aber sobald es dann ans Skalenspiel geht, soll man sich für den Anfang mehr oder minder sklavisch an striktes Lagenspiel halten? An sich ist es doch mit Einzeltönen sogar einfacher, die Lage zu wechseln, zumal es sich ja auch gar nicht um große Lagensprünge handelt.
Ich finde, all das bietet genug Anlass, irgendwelche ach so traditionellen Lehransätze zumindest einmal zu überdenken. Ob man dann irgendwas über den Haufen wirft, das sei dahingestellt.
Und dann noch, ganz abschließend (zumindest für den Moment), ein klitzekleines mehr oder minder zufälliges Beispiel, in dem ich den Lagenwechsel deutlich einfacher als das Lagenspiel finde. Ein A7-Arpeggio (Finger in Klammern), zunächst ohne Lagenwechsel:
e--------------------------5(1)
h--------------5(1)-8(4)------
g--------6(2)------------------
d--7(3)------------------------
Exakt dieselbe Tonfolge mit einem ganz kleinen Rutscher als Abschluss:
h--------------5(1)-8(4)-(sl)10(4)
g--------6(2)------------------------
d--7(3)------------------------------
Ich weiß natürlich nicht, wie es euch geht, aber ich finde die zweite Variante wirklich deutlich leichter, warum auch immer.
Wer des Sweepens ein wenig mächtig ist, kann es auch mal damit probieren, da wird's dann für mich noch viel offensichtlicher.
- Der Sack