Ich bin mittlerweile echt nur noch am Schmunzeln, wenn Fachmessen zu Ende gehen und die Szenen sich nachher austauschen. In der Fotoszene schrecken immer alle vor Zahlen zurück "woah 36Mpix, braucht niiiieeemand" (verkauft sich wie warme Semmeln), wird bei den Canon 50 Mpix nun genauso werden...), "170 AF-Felder, ich komme mit 9 seit Jahren suuuper hin, wer braucht das?" "6fps? hm, also ich brauche 11!" "wer braucht schon ISO25.600?"...im selben Atemzug wird dann aber bejammert, wenn der persönlich präferierte Hersteller nicht mithalten kann. Und das permanent.
Das "Innovations-Empfinden" ist sehr subjektiv und hängt stark vom persönlichen Hintergrund ab. Nach knapp einem halben Jahr Gitarre hatte ich einen POD XT Pro (mit allen Model Packs). Ich hatte also eine Auswahl an Sounds zur Verfügung, die eigentlich niemand braucht. Für Proben immer auf dieselben Presets zurückgegriffen, Zuhause stundenlang rumgebastelt und ausprobiert. Ich habe dann viele Jahre damit verplempert, für jeden Moment den richtigen Sound zu finden mit wechselndem Equipment von Line6 (und auch anderen Herstellern). Irgendwann machte es aber "klick" und ich stellte fest: das sind alles echt immer nur diese Variationen. Klar klingen die Amp-Simulationen (und dementsprechend die Originale
) unterschiedlich. Aber letzten Endes ist das nichts anderes als der E-Gitarrengrundsound immer anders durch die Mangel genommen. Sorry an die Vegetarier/Veganer für den nächsten Satz. Das ist im Endeffekt wie ein Stück Fleisch auf immer andere Weise geschnitten (Amp) oder durch den Wolf gedreht (Fuzz, Bitcrusher...). Aber es bleibt Fleisch.
Die E-Gitarre ist ein ziemlich plumpes Instrument und egal was manche Leute behaupten und glauben: in fähigen Händen ist der Unterschied zwischen einer 300 Euro und 5000 Euro Gitarre sehr sehr klein (bei ähnlicher Konstruktion, also nicht Strat vs. ES295 oder so). Und schaut man sich an, wo die Entwicklungen der letzten Jahre hingehen, sieht man eben auch, dass es um das drumherum geht. Mal andere Tonabnehmer (Lace), selbststimmende Mechaniken, immer gestimmte Systeme (Evertune), Holzersatz (vorrangig Griffbretter), mal vollprogrammierbare Röhrenamps mit FX-Sektion und automatischem Röhrensetup. Entfernt man sich zu weit vom Konzept "ein paar Stahldrähte auf einem Holzklotz", verstößt man Kunden - und schafft eher ein neues Instrument als dass es noch eine E-Gitarre ist (Stichwort Klangerzeugung). Das Maximum an Technik (aktuell) wäre wohl eine Art selbststimmender (oder immer gestimmter) Variax mit Tonabnehmer-Schnellwechselsystem, Modeling-Sounds und MIDI-Out. Und ein Kaoss-Pad.
Sobald man mit Touchpads usw. anfängt, ist die Klangerzeugung ganz woanders - also eigentlich ein Synth mit Gitarrenartiger Bedienung und keine E-Gitarre mehr. Und das ist halt der Punkt, den viele hier gemacht haben: es bleibt entweder eine E-Gitarre und variiert die Konstruktion und macht möglicherweise den Alltag leichter - oder es ist keine E-Gitarre mehr, weil es schlicht ein anderes Instrument ist (welches sich möglicherweise ähnlich spielt). Und ähnlich verhält es sich mit der Peripherie. Amps und Simulationen haben halt eine Aufgabe zu erfüllen. Effektgeräte auch.
Grundlegende Innovationen sind unmöglich, die E-Gitarre ist an und für sich die Innovation gewesen verglichen mit den akustischen Gitarren davor. Amps kann man genauso Minimieren (puristische Einkanaler) oder Aufblasen (TriAmp, RoadKing...), und so weiter..
Was erwartet man also? Zahlen? 9 Saiten? 12 Sounds aus 2 Tonabnehmern? 1 Sound aus 2 Bauteilen?...Nein, damit ist ja nichts zu holen...
Also bleiben im Endeffekt nur Verbesserungen und rundumher. Da wird immer wieder mal was kommen (nicht jedes Jahr
), das Grundprinzip (Klotz mit Metallseilen) wird aber dasselbe bleiben. Rein logisch betrachtet...