So, bin zurück vom Gig mit, na ja, etwas zwiegespaltenen Eindrücken. (Blødes Wetter aber auch...)
Wir haben gerade den Rausschmeißer von BilleVue gemacht, und zwar auf der großen NDR-Bühne. Wie kommt man als praktisch unbekannte Band eigentlich an so einen Job? Meine Theorie ist, daß sich sonst niemand für einen entsprechend gering bezahlten 75minütigen Vorabendslot erbarmen wollte.
Unsere ursprüngliche Planung war, das Ganze als Promogig zu nutzen und ein halbwegs professionelles Video mit mehreren Kameras zu schießen, damit wir mal ein Live-Video zum Vorzeigen haben. Als dann aber der Wetterbericht einen völlig durchnäßten Tag ankündigte, haben wir kurzfristig den Kameraleuten abgesagt, auch weil wir mit nur wenig Publikum rechneten, das hätte in den Totalen einfach doof ausgesehen. Was soll's, die Filmaufnahmen hätten uns fast viermal so viel gekostet, wie der Gig eingebracht hat.
Wir sind also am Nachmittag mit immenser Verfrühung da aufgeschlagen. Natürlich hat's geregnet, entsprechend wenig war los (der Löwenanteil der Leute war im Billstedt-Center, da war's trocken und warm, und da soll Detlef D! Joost sein Unwesen getrieben haben oder so).
Aber die Bühne. Die Bühne! Wie angekündigt, eine Bühne mit Ausmaßen wie so manches Einfamilienhaus. Gute 140 m² Gesamtfläche. Aussagen des Veranstalters zufolge gehörten zur PA 20 Subwoofer. Und das bei unserer Musik. Und als wenn das nicht genug gewesen wäre, stand neben dem FoH-Zelt eine Kamera, ein weiterer Kameramann lief auf der Bühne mit seiner Apparatur umher, alles für eine riesige LED-Videowand, wie sie der NDR gern auffährt. Das hatte fast schon Kieler-Woche-Dimensionen. Ich glaub, wir rechneten gar nicht wirklich damit, daß das alles auch in Betrieb bleibt, wenn wir spielen, weil da, als wir ankamen, ein "hochoffizieller" Bandcontest dem Ende entgegen lief und danach die HipHop Academy vortanzte. Als wenn sie einen quasi gerade erst aus dem Probenraum hervorgekrochenen Musikerhaufen wie uns auch auf die Videoleinwand holen würden...
Wo wir eh schon so früh da waren, und weil die HipHopper vorzeitig fertig waren, durften wir zehn Minuten früher mit Aufbauen anfangen, und weil Letztere außer einem DJ-Set praktisch kein Gear auf der Bühne hatten, mußten wir nicht darauf warten, daß irgendeine Vorgängerband ihr Equipment von der Bühne geschafft hätte. Wir konnten alles aus dem Transporter raus direkt auf die Bühne schleppen, die im übrigen so hoch war, daß Rampen gebraucht wurden. Die bei Bands so beliebte Leadsänger-steigt-mit-Funkmikro-mal-locker-von-der-Bühne-und-läuft-im-Publikum-rum-Nummer ging da nicht.
Als wir oben waren, zeigte sich, daß die Größe der Bühne ein Segen und eine Notwendigkeit zugleich war. Ein Segen, weil irrsinnig viel Platz war. Wir konnten zu fünft nebeneinander aufbauen, also inklusive beider Keyboardsets, und im Gegensatz zum letzten öffentlichen Gig, wo wir nur auf einer 6×4-Meter-Bühne standen, mußten wir unseren Aufbau nicht aus Platzgründen spiegeln. Der Drumriser, der selbst eine Monströsität war (ich hab schon Bühnen von der Größe und der Höhe gesehen), stand in der Mitte. Eine Notwendigkeit, weil die Bühnenabdeckung mittlerweile vor dem Dauerregen kapituliert hatte. Der Drumriser stand deshalb in der Mitte, weil das der einzige trockene Platz fürs Schlagzeug war. Und ich konnte nicht wie üblich in zweiter Reihe parken, weil einen halben Meter hinter meinem Rackturm Regenwasser von oben gesifft kam. Die halbe Bühne war naß. Sogar den mächtigen Monitormixer haben sie unter einer Plane betrieben.
Der NDR-Mensch kündigte übrigens, als wir gerade mit Ausladen angefangen hatten, zunächst mal nur unsere Sängerin an, die zu dem Zeitpunkt noch nicht mal da war, und den Rest der Band als ihre Begleitband. Jemand muß ihm zwischenzeitlich gesteckt haben, daß das mitnichten Sängerin und Begleitband sind, sondern alle gleichberechtigt, zumal wir drei Leadsänger haben, von denen zwei den Abend gesungen haben. Dafür war die Ankündigung auf dem Videoschirm schon genehmer. (Wir wurden auf dem Videoschirm angekündigt! Wie geil ist das denn?)
Noch viel geiler: Die Videoaktion sollte auch uns betreffen. Zum ersten Mal sollten wir vor Profikameras spielen. Zwar nicht fürs Fernsehen, aber immerhin. Der zum Filmen mitgebrachte Sohn unseres Gitarristen hat trotzdem mitgefilmt.
Kaum zu glauben, aber es zeigte sich, daß wir unter Umständen sogar auf einer 13 Meter breiten Bühne für Platzmangel sorgen können. Der mobile Kameramann hatte seinen Ausgangspunkt stage right. Da standen aber auch die Keyboards, und ich hatte hinter mir auf 5 Uhr meinen Turm (nicht 6 Uhr, die Leute sollten ja auch was davon sehen, aber das hätte keinen großen Unterschied gemacht). Großartig woanders hätten wir nicht mehr hin gekonnt. Fazit: Der arme Mann war fast eingemauert. Wenn er zu unserer Sängerin in der Mitte oder den Saitenspielern stage left wollte, mußte er vorne am Bühnenrand lang, also zwischen Publikum und Monitoren. Und das hatte schon seinen Grund, daß die Monitore anderthalb Meter vom Bühnenrand entfernt lagen: Da lagen sie trocken.
Na ja, aufgebaut, angeschlossen, dabei stellte sich heraus, daß es bei der Bühnencrew wohl einige ziemliche Gearnasen gab. Mir hat einer beim Aufbauen zugeguckt, der wohl auch was von Synths verstand. Das sollte aber noch besser werden (siehe weiter unten). Den Aufbau hatte ich beschleunigt, indem ich noch im Probenraum den Virus in den Rackturm mit eingebaut und halb vorverkabelt hatte. Der "Loom of Doom" (7 Audio- und 2 MIDI-Kabel, die als Bündel zwischen dem Virus im eigenen Case und meinem Turm verliefen) konnte im Probenraum bleiben, ich brauchte ein Case weniger, der Virus ist nun oberhalb des Kurzweil besser sichtbar, der Kurzweil selbst ist besser sichtbar, weil nicht mehr der halbe Virus davor steht, und endlich hab ich eine Rechtfertigung für 15 HE, weil ja irgendwo auch die Stecker am Virus untergebracht werden müssen.
Mein Mikrokanal (der nach wie vor über den Submixer lief) wurde schnell und unbürokratisch geschaltet. Die Crew hatte sogar ein passendes Kabel mit Stereoklinke. Ich hätte selbst zwei gehabt, und die Stagebox lag gleich um die Ecke, aber egal.
Soundcheck ging schnell, danach ging ich mich (als einziger) umziehen. Das Backstagezelt war gleichzeitig Security- und Sani-Aufenthaltsraum. Na ja, immerhin war mein Zeugs bewacht. Das einzige anwesende Mädel stand mit dem Rücken zum Eingang. Mein Bühnenoutfit für kühlere Tage: schwarzes Hemd, schwarze Jeans, darüber ein offener Trenchcoat ohne Gürtel, also Badass Longcoat-artig.
Mitten beim Soundcheck fiel mir siedend-heiß ein: Ey, meine Main Outs sind noch gar nicht geschaltet. Einen von der Crew angesprochen, eine Minute später hing ich am FOH.
Zum Soundcheck Crying At The Discotheque durchgespielt. Wir hatten kaum Publikum da unten (Regen), aber wie das bei uns so ist, die waren schon nach dem Soundcheck außerhäusig. Na ja, was bei dem Wetter eben als außerhäusig durchging. Einer von der Mannschaft wollte bei meinem Spoken-Word-Part was von mir. Hab ihn warten lassen, die 10 Sekunden hat er dann doch noch. Dafür konnte er mich danach aus dem Konzept bringen, als er mich gefragt hat, ob meine Mikrolautstärke gut ist.
Kurz nach dem Soundcheck brummte was. Ich hab reflexartig alle Kanäle durchgemutet und sogar meinen Main Out kurz zugezogen. Ich war's trotzdem. &#§@%$ Brummschleife trotz symmetrischer XLR-Outs. Also doch zwei DI-Boxen zwischengeschaltet, Ground Lift an, weg war das Brummen (Zeitaufwand ca. 30 Sekunden, und die Boxen wurden in meinem Rack hinterm Virus und auf dem Kurzweil geparkt, auch weil sie da trocken lagen). Kurz noch mal angespielt, weil ich jetzt mit Mikrolevel ins FOH ging und nicht mehr mit Linelevel.
Dann ging's los. Erstes Stück: Fresh. Da fiel mir erst richtig auf, wie laut ich mir aus meinem eigenen Monitor entgegendröhnte. Hab ich wieder nicht die Bandmische gekriegt, dafür aber meine eigenen 3 Kanäle volle Röhre. Und das, wo mein Setup nach dem Mischertausch noch nicht 100% eingepegelt war. Egal, muß man positiv sehen, so hab ich mich selbst gut gehört.
Dann Let's Groove Tonight. Wie könnte es anders sein: Der Vocoder vom Virus war nicht zu hören. Ich hab gute Miene zum bösen Spiel gemacht, trotzdem weitergesungen, auch wenn selbst ich mich nicht gehört hab (hatte gerade eine Nahaufnahme vom Mobilkameramann, da durfte ich mir nix anmerken lassen), und dem Publikum zumindest den Synthbaß serviert. Beim zweiten Vocoderdurchgang nach hinten gegriffen und den Mikrokanal aufgemacht, damit es überhaupt einen Sinn hat, daß ich ins Mikrofon reinblök. Dazwischen Gedanken gemacht: Woran kann es liegen? Einzige Fehlerquelle konnte nur die Verkabelung sein, und bei Let's Groove spiel ich pausenlos und kann nicht mal eben hinter den Rackturm laufen. Nächstes Mal nehm ich einen Kopfhörer mit und teste den blöden Vocoder vorher.
Von gelegentlichen Schnitzern abgesehen (da beneidet man dann fast die Keyboarder, die nur Background spielen wenn vom Intro von In The Stone 70% aus der eigenen Keyboardburg kommen, kann man sich nichts erlauben) ging's danach recht glatt weiter. Weil der Kameramensch nur schwerlich aus seiner Ecke kam, was diverse Teleeinstellungen quer über die Bühne notwendig machte, hat er gern bei mir mit der Kamera rumgespielt.
Einmal erwischte ich ihn aus dem Augenwinkel im Umfeld meines Türmchens. Was zum Geier macht der da? Hält der etwa der hält doch tatsächlich auf meinen Mackie 1642 drauf?! Ja, ich weiß, ich hab wohl den dicksten Keyboardsubmixer Hamburgs, noch dazu die Amimarke, wo man für den Namen mitbezahlt, die aber nicht Allen & Heath ist, und das Ding ist praktisch noch neu, aber filmogen? Da war's mir fast schon peinlich, daß meine beiden Workstations so wenig Pegel erzeugen (und die zwei Stereokanalpaare ohne wirksamen Gainregler abgekriegt haben), sonst hätte ich die Pegelanzeigen besser tanzen lassen können. Mein Mischer hat übrigens den ganzen Gig über mindestens drei Nahaufnahmen gehabt. Sah auf der Videowand schon etwas strange aus. Allerdings ist mir nie aufgefallen, daß der Kameramann richtig bei meinem Gearporno mitgemacht, also auf die beiden Synths vorne gehalten hätte.
Ansonsten hat er mir (und meinem Keyboarderkollegen, der ja gleich nebenan stand, also über meinen Keyboardstapel hinweg gut filmbar war) gern auf die Finger geguckt. Leider manchmal zu unpassenden Zeiten, etwa wo ich fast nichts zu tun hatte oder nur mit der linken Hand. Ich meine, daß ich nur einmal vor laufender Kamera regelrechte Zweihandakrobatik aufgeführt hab, wobei wir nur zwei Songs haben, wo es so sportlich wird. Das war zum Glück CATD, das zweite Mal den Abend, so daß der Kameramann schon Bescheid wußte, daß ich den Spoken-Word-Teil mache, und gleich mit der Linse da war. Hab darauf verzichtet, mit der Kamera zu spielen und mal ein bißchen die Vierte Wand zu brechen. Übrigens hat sich hier die Anschaffung des MicroKorg auch aus optischen Gründen ausgezahlt.
Mal zur Abwechslung vorne zu stehen, war schon genial, hatte aber einen Nachteil: Ich mußte mich immer zur Seite drehen, um zu sehen, was der Rest der Band macht. Der Drummer war ja hinter uns allen, wir anderen standen alle in einer Reihe und ich am Ende. Das war eh eine Spontanaktion mit der Aufstellung. Das lange Mikrokabel, das ich mir eigens für den Gig gekauft hatte zwecks Rumlaufen bei Vokaleinlagen, hab ich in der Länge gar nicht gebraucht. Selbst beim Holiday Rap hab ich nur einen Schritt nach links in die Burg meines Kollegen machen müssen.
Ein paar fiese Stellen gab's schon. Irgendwer hatte irgendwann kürzlich den Geistesblitz, von Holiday auf That's The Way (I Like It) mit einer kurzen Pause überzuleiten. Und erst vor ein, zwei Proben hatten wir uns geeinigt, daß ich diese Pause durchzählen soll, damit das sauber vonstatten geht. Jetzt sind wir aber wie die Irren durch Holiday geheizt, wieder mit ein paar BPM zuviel auf dem Zähler, und ausgerechnet an mir blieb's dann hängen, das Ganze um eine gefühlte Zillion BPM runterzubremsen, was gar nicht mehr ging. Mangels Übung ging die Überleitung dann halbwegs in die Wicken. Das Umschalten von meiner Seite (noch dazu zwischen zwei unterschiedlichen Tastenlagen und von Virus & MicroKorg auf Kurzweil) war da schon als bequem anzusehen. Das (bißchen) Publikum hat's nicht gestört, einige haben sogar getanzt.
Ja, Publikum hatten wir echt nicht viel. Vor der Bühne vielleicht 20 People oder so, also einer pro Subwoofer, magere Bilanz. Aber die hielten auch vom Soundcheck bis zum Ende durch. Gut, einige davon hatten wir sozusagen selbst mitgebracht... Vielleicht war es eine große Hilfe, daß die Bühne nicht zu eng von Freßbuden umzingelt war, wo sich das Volk hätte aufhalten können, statt sich direkt vor der Bühne zu postieren.
Sehr kurz vor acht, also praktisch pünktlich zum Ende der Veranstaltung wurden wir dann mit Le Freak fertig. Der letzte Ton, den das Publikum von uns bekam, war ein mächtiger, verhallter Baßknall von mir. 20 Subwoofer... Als Zeichen, daß zum einen ich das war und zum anderen das gewollt war und kein Defekt, hab ich die freie Hand hochgerissen. Zugaben kamen auch keine mehr, auch wenn das Publikum welche wollte und wir da echt nette Sachen vorgesehen hatten.
Nach Ende des Gigs bekam unser Drummer (und Bookingansprechpartner) übrigens eine DVD mit dem Videomaterial der beiden Kameras in die Hand gedrückt. Für lau. Und entgegen vorherigen Ansagen mit Ton. Mal sehen, wie der Ton ist, weil wir außerdem noch den FOH-Ton und eine eigene Mikroaufnahme von auf der Bühne haben. So kamen wir gewissermaßen doch noch an unser Promovideo.
Beim Abbau gab's dann Catering. Jemand reichte belegte Brötchen und Muffins. Hab eins von ersteren genommen (lecker Salami) und einhändig weiter abgebaut. Mein Mikrokabel hat mir einer von der Stagecrew aufgewickelt, während er mich fragte, ob das meins ist. Die beiden DI-Boxen mußte er erst aus einem Dschungel von Kabeln befreien. Tja, ich hab jetzt zwei Synthesizer im Rack, das macht 11 Audiokabel (von denen 7 momentan im Betrieb sind), und weil der 1642 die Buchsen oben und echte Stereokanalpaare hat, was den Einsatz von Winkelsteckern erschwert, muß ich die immer abziehen, wenn ich das Case schließen will, und so hingen zumindest die vom Virus schön vor den beiden DI-Boxen. Aber gut, außerhalb meines Racks hätten sie im Regenwasser gelegen.
Im nachhinein ist uns noch eingefallen, daß wir vergessen haben, den Leuten die Adresse unserer Website zu geben. Aber die kennt die Hälfte davon wohl ohnehin schon...
Wir waren übrigens erstaunlich früh wieder zurück. Gegen halb zehn abends war der Transporter schon wieder entladen. Normalerweise spielen wir um die Zeit noch und sind irgendwann um Mitternacht oder später am Probenraum.
Setlist (gab nur 1 Set):
Fresh (Kool & The Gang)
Lets Groove (Earth, Wind & Fire)
Brick House (The Commodores)
Dont Look Any Further (Dennis Edwards & Siedah Garrett)
In The Stone (Earth, Wind & Fire)
Cant Get Enough Of Your Love (Taylor Dayne)
I'll Be Good To You (Chaka Khan)
Crying At The Discotheque (Alcazar)
This Love (Maroon 5)
Holiday (Madonna)/Holiday Rap (MC Miker G & Deejay Sven)
Thats The Way I Like It (KC & the Sunshine Band)
Boogie Wonderland (Earth, Wind & Fire)
Celebration (Kool & The Gang)
Le Freak (Chic)
Martman