Zum Thema
- Potis und Toleranz:
Leider sind die 20% meiner Meinung nach schon berechtigt.
Ich hab in den letzten Monaten sehr viel mit verschiedenen Schaltungen experimentiert und auch viele aktuell gekaufte CTS und japanische Göldo Potis hier gehabt.
Da war von ca. 440k bis 580k alles dabei.
Die Göldos lagen allerdings dichter beisammen, meistens mit Werten um 520k herum - hatten aber auch vereinzelt extreme Ausreißer nach oben.
Acy von AGL berichtet, dass er kaum noch 500k CTS Potis bekommt, sondern die meisten mittlerweile auch deutlich über 500k liegen. Deshalb hat er ja auch diese Trimmpots im Angebot, wo jeder auf den Sweetspot hinschrauben kann.
Wer behauptet, dass das "absolut" keinen Einfluss auf den Sound hat, meint damit wohl, dass ihm selbst dieser Anteil des Einflusses egal ist. Mir ist er das nicht. Ich hab selbst schon herumprobiert und gehört, wo der Unterschied bei einem 450k, 500k oder 550k Volume Poti liegt (selbe Schaltung) - und ja, das hört man und es ist Geschmackssache, welchen Sound man bei vollaufgedrehten Poti bevorzugt.
- Anteil des Korpus' und dessen Holz am Sound:
Ich kann es nicht verstehen, wieso man sich ernsthaft darüber streiten muss, ob der Einfluss überhaupt da ist.
Ich meine, jeder kann doch einfach mal nur eine SG und eine Paula mit ziemlich identischen Hälsen vergleichen. Eine SG wird immer eher nach SG klingen und eine Paula immer eher nach Paula. Wundert das jemanden? Mich nicht...
Wer es noch genauer braucht (da ja auch unterschiedliche Hälse, evtl. Hardware etc. verbaut sind), kann auch bei ner Strat einfach mal nur den Korpus tauschen, wie bereits schon erwähnt wurde. Natürlich macht das einen Unterschied.
Zu sagen, dieses Holz "klänge" so und jenes so, z.B. "Mahagoni wird mehr Bass haben als Esche oder Erle" halte ich auch für sehr pauschal. Es gibt ca. 200 verschiedene Mahagoni Arten von denen wahrscheinlich mal gut 50 verschiedene regulär im Gitarrenbau Anwendung finden. Manchmal hat genau die gleiche Unterart drei verschiedene bekannte Namen, manchmal hat vermeintliches "Mahagoni" mit richtigen Mahagoni gar nix zu tun, abgesehen davon ist es in seiner physikalischen Struktur in wirklich allen beliebigen Variationen erhältlich.
Selbst, wenn man Stücke für den Korpus von einem einzigen Baum nehmen würde, einmal vom Baumstamm unten und einmal von ganz weit oben, und ansonsten alles identisch aufbaut, werden diese beiden Gitarren unterschiedlich klingen.
Ich denke, dass ein Gitarrenbauer mit Erfahrung in erster Linie auch Holzfachmann ist. Er weiß einfach, wie er das Holz als Konstruktionsstoff einsetzen und am besten verarbeiten kann, um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen. Dabei ist es von Vorteil, gut abgelagerte Hölzer zu benutzen, die ihre physikalischen Eigenschaften größtenteils beibehalten - und sich nicht im schlimmsten Fall bei kleinsten klimatischen Veränderungen sofort verziehen. Dieses Holz kostet nunmal einfach etwas mehr als irgendein x-beliebiges nicht-abgelagertes Baumarktbrett.
Wenn es keine supertollen Maser-Decken sind, die natürlich in erster Linie wegen ihrer Optik recht teuer sind, dann ist das für mich als Kunde eines Gitarrenbauers auch völlig in Ordnung. Und gibt mir das gute Gefühl, dass mein Instrument einfach aus hochwertigen Hölzern gebaut wird, die das Potential haben, dem Klang nach einer gewissen Zeit des regelmäßigen Einspielens den letzten Schliff zu geben.
Ich hab das bei meiner Custom made Gitarre so erlebt. Auch wenn man jetzt meinen könnte, dass man so einen schleichenden Prozess, der sich über viele Monate hinzieht, gar nicht bemerken könne, wenn man das Instrument eh täglich spielt - ok - es ist aber so, dass ich das so wahrnehme.
Ich hab auch dem Gitarrenbauer die Gitarre mal wieder mitgebracht zum Anspielen und Anhören, er war sehr begeistert und ihm gefiel das Instrument deutlich besser als direkt nach der Fertigstellung, als es noch sehr direkt und "modern" klang, wie er es nannte. Ja und heute? Viel ausgewogener, mehr Sustain (sowas ließe sich bestimmt leicht messen im Vergleich zu Klangschattierungen und der 13. Obertonreihe *g*) und mehr Dynamik, dh. ein besseres, leichteres Ansprechverhalten auf das, was man mit der Gitarre macht.
Und da bin ich nicht der Einzige, dem das so geht, wie mir der Gitarrenbauer berichtet hat. Fast jeder seiner Kunden beobachtet diesen Prozess mit der Zeit.
Alles nur Psychoakustik? Nein, das glaube ich nicht!
Bei aller Beachtung der Hölzer und des "Trockenklangs" sollte man aber dennoch in erster Linie darauf achten, wie eine E-Gitarre am Amp klingt - denn dafür wird sie gebaut, um elektrisch verstärkt zu überzeugen. Ich hab schon einige Gitarren gespielt, die haben trocken gespielt wirklich unspektakulär bis langweilig geklungen und waren am Amp einfach grandios. Genauso gab es welche, die im ersten Moment den Eindruck (trocken gespielt) erweckt haben, wirklich klanglich was herzumachen und dann am Amp etwas übertrieben Nerviges am Sound hatten (könnte man dann möglicherweise mit entsprechenden Pickups in Ordnung bringen, mag ja sein).
Ich hab dennoch daraus gelernt, dass ich E-Gitarren am Amp teste - und nirgends sonst. Wenn eine Gitarre da nicht überzeugt, dann kauf ich sie nicht. Bei meiner Custom Gitarre war es so, dass ich erst noch schauen musste, welche Tonabnehmer am besten zu ihr passen. Das ist dann etwas, dass sich für mich für diese besondere Instrument dann auch lohnt.
Fazit:
Ich finde, erlaubt ist, was gefällt. Man muss auch nicht alles unbedingt "messen" können, die eigenen Ohren sind sehr gute Messinstrumente.
Ich finde es auch ok, wenn man dennoch bestimmte Aussagen, die sich darauf beziehen, warum eine Gitarre so oder so klingt, hinterfragt und nach "wissenschaftlichen" Erklärungen sucht. Nur, weil man diese nicht kennt, heißt das nicht, dass die Aussage an sich nicht richtig ist.
Dazu verweise ich auch gerne auf den Thread, den ich mal gestartet habe, in dem ich gefragt habe, warum ein Treble Bleed bei aufgedrehten Volume den Sound beeinflusst (so habe ich das wahrgenommen und auch darauf hingewiesen, dass es ja aus elektrotechnischer Sicht nicht sein sollte). Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass ich mir das nicht "einbilde", wie man mir gönnerhaft und verständnisvoll versucht hat, zu erklären. Aber das darf ja jeder selbst ausprobieren. Wer einen Unterschied hört, wird das Ding draußen lassen (was viele so machen) und wer ihn nicht hört, hat die freie Wahl, ob er sowas braucht oder nicht.
Genauso ist es bei Gitarren auch. Und selbst, wenn jemand den Klang einer Open Book Kopfplatte hört, dann soll er das doch tun - das ist mir persönlich wirklich egal, solange nicht ein übertriebener Kult daraus entsteht, der das generalisiert und zu einer allgemeingültigen "Wahrheit" erhebt - und im gleichen Zuge anderen Gitarren dann das "Recht auf einen guten Sound" abgesprochen wird, weil sie dieses tolle Feature nicht haben... ; )