Hallo zusammen,
nach langer G.A.S.-Abstinenz konnte ich innerhalb einer Woche gleich zwei Neuzugänge verbuchen, die ich Euch präsentieren möchte. Beide Projekte sind Langläufer, die bis ins Jahr 2014 zurückreichen.
Die zweite muss ich noch vollends herrichten, aber hier ist erstmal für Euch die folgende Gitarre, die mir bezüglich Identifikation erst große Rätsel aufgab. Sie tauchte Ende August 2014 in einer Kleinanzeige auf, gefiel mir aufgrund der "schaurigen Schönheit", aber der Preis schreckte mich zunächst ab. Dennoch blieb sie in der Merkliste, bis ich neulich beim Ausmisten alter Einträge wieder über sie stolperte. Dann fasste ich mir ein Herz und nahm Kontakt bzw. Verhandlungen mit dem Anbieter auf, tja, und dann führte eins zum anderen. Sie ist bis auf die Gurtpins im Originalzustand, der Hals trägt eine 1987er-Seriennummer, die Pickupbestückung deutet aber eher auf 1988+ hin.
So weit, so normal - jetzt beginnt das Kopfzerbrechen. Der Korpus hat ein spezielles Textilfinish mit grauem Burst-Effekt und klarem Decklack, welches 1988 auf dem Werbeposter für Ibanez USA Custom Metaldesign den Namen "Lizard" trägt. Diese Gitarre ist aber keine USA Custom, sie hat kein solches Logo, keine Guss-Halsplatte mit Adresse, kein CRL-Schalter, keine CTS-Potis usw. Aber wie kommt sie dann zum Finish einer solchen? In der Katalogliteratur 1987..1990 findet sich nichts dergleichen und deshalb wusste ich zuerst überhaupt nicht, womit ich es zu tun habe: Spot Production Kleinserie? Vorserienmuster? Finish-Testgitarre? Ähnliche Modelle im Snakeskin-Look sind zwar schon öfters aufgetaucht, sogar hier im Board, aber keiner konnte bisher konkretere Infos zu den Modellen und ihren Namen liefern. Extensive WWW-Recherchen förderten ebenfalls nichts zutage. Zu meiner Überraschung und Freude fand ich dann handschriftliche Markierungen in der Halstasche! Ich musste also jemanden finden, der die japanischen Schriftzeichen unterhalb des "560"-Stempels entziffern kann. Frei nach dem Motto "geh zu Schmidt und nicht zu Schmidtchen" habe ich direkt Makoto "Nick" Sugimoto kontaktiert, eine der wichtigsten Schlüsselfiguren bei Fujigen in den 80er Jahren. Er schrieb mir dankenswerterweise prompt zurück! Die Übersetzung lautet:
"560 sample"
"Sample SNS"
"Sales Engineering Dept. OKUHARA"
Nick bestätigte mir, dass er damals jene "Sales Engineering"-Abteilung gründete und der Kollege Okuhara, welcher heute immer noch bei Fujigen arbeitet, für das Thema Samples verantwortlich war. Nick vermutet, dass es sich bei der Gitarre um ein Farbmuster, einen sonstigen Test oder ein "Show Model" handelt. Also lag ich gar nicht so daneben mit meiner ersten Vermutung - bleibt nur noch die Frage, wofür die Abkürzung SNS wohl steht. Außerdem würde mich interessieren, wie diese Gitarre ihren Weg nach Deutschland gefunden hat. Aber ich tippe darauf, dass sie wie üblich von Fa. Meinl importiert, möglicherweise auf der Frankfurter Messe ausgestellt und dann ganz normal über einen Ibanez-Händler verkauft wurde.
HALS
* 24 Bünde Square Heel mit Full Binding und Shark Tooth Inlays
* Wizard-Profil
* schwarze Kopfplatte mit Standardlogo ohne weiteren Schriftzug
* rückseitiger Aufkleber mit Seriennummer F7xxxxxx (gebaut 1987)
* Stempel am Halsfuß WALRJ-T24 (= Wizard, Angled, Locking Nut, Rosewood, Jumbo Frets, Shark Tooth, 24 Frets)
BODY
* Lizard Finish wie USA Custom Metaldesign (UCMD)
* Stempel "560" und handschriftliche japanische Markierungen in der Halstasche (kein H&S wie UCMD)
* Tilt Neck Joint
* normale schwarze Halsplatte aus Stahl mit eingestempeltem Logo (nicht die verchromte Druckgussvariante wie UCMD)
* IBZ USA Pickups in HSS-Konfiguration mit grauen Covers bzw. Spulenkörpern und weißen Logos
* Single-Coil-Fräsungen sehen aus wie nachträglich angebracht (Graphitlack statt Klarlack)
* Steghumbucker IBZ USA F2 (hergestellt frühestens 1988), zwei Single-Coils IBZ USA C2
* Position Volume-Poti sehr nahe am Steghumbucker (wurde in späteren Baujahren geändert)
* 5-Weg-Klingenschalter Typ YM-50 (kein CRL wie UCMD)
* Original EDGE Vibrato, schwarzer HS-Block, Feinstimmerschrauben mit Fase am Rändelkopf und ohne Schutzringe an der unteren Spitze (wurde in späteren Baujahren geändert)
Die Gitarre hat formal die Features einer japanischen RG760 (Sharkfin-Hals, IBZ USA Pickups) und deshalb taufe ich sie einfach mal RG760-Lizard.
Mein Bassist hat schon gemeint, es sei mit Abstand die hässlichste Gitarre, die ich habe; und er konnte sich nicht alle Bilder anschauen.