Ich verstehe beide Seiten.
Bei mir sieht’s eher so aus:
Kleinkram, Pedale usw, kaufe ich auch ohne Hemmung online- sofern sie mein Händler vor Ort nicht hat. Da steht in der Regel der Aufwand nicht im Verhältnis zum (beiderseitigen) Nutzen.
Ansonsten ist eigentlich mein Händler zunächst Anlaufstelle für Gitarren und Amps, sofern er diese beschaffen kann und ich die Möglichkeit habe, bei Nichtgefallen auf einen Kauf zu verzichten.
Leider hat sich das in den vergangenen Jahren ziemlich in die falsche Richtung entwickelt. Ob das nun an der Vertriebsstruktur einiger Hersteller liegt, am Geschäftsgebahren des Händlers, an der Kundschaft kann und möchte ich nicht abschließend beurteilen, ich denke aber, dass es eine Mischung aus mehreren Faktoren ist.
Als ich mit der Gitarre begonnen habe, hatte eben dieser Händler vor Ort ein buntes Sortiment an Gitarren, Amps, Effekten und Zubehör (natürlich neben all den anderen Instrumenten, die es so gibt). Die Auswahl war nicht riesengroß, aber es war für jeden Geschmack und Geldbeutel was dabei. Ich erinnere mich zum Beispiel an die Zeit, als ich etwa 15 war, da fand man in diesem kleinen Raum für E-Gitarren unter anderem ein, zwei Les Pauls unterschiedlicher Preisklasse, ein paar
Fender, was von Hohner, Jackson,
Ibanez (die Floyd Rose Dinger eben), usw.
Bei den Amps gab es eine kleine Auswahl an Einstieger- und Transistoramps (Hughes and Kettner, Laney, …), dann stand da ein JCM 900 Top, ein Combo gleicher Baureihe, dann ein VOX, ein Twin Reverb, ein
Marshall Slash, usw.
Wie gesagt, für jeden Geschmack und Geldbeutel war was dabei. Und wenn man was Bestimmtes wollte, dann erfolgte ein Anruf beim Vertrieb oder Außendienstler und ein paar Tage später war das Gewünschte dann meist da.
Der Laden wurde größer, meine Wünsche und Kenntnisse (über Marken) auch, aber das Geschilderte hatte Bestand. So hat er mir, ohne die Instrumente ständig zu führen, z. B. Music Man,
ESP, Mesa usw. einfach bestellt, alles mit der Möglichkeit zu testen und zurückzugeben, falls was nicht passt. Als ich einmal eine ESP M2 wollte, hat er nur gefragt, ob
PRS auch kenne, die hat er auf der Messe gesehen und die wären auch sehr schön, ob er mal eine besorgen solle.
Das alles hat sich leider geändert und man ist teils fast schon gezwungen, entweder zu bestimmten Händlern zu fahren, was je nach Herkunft eben eine weite Strecke bedeutet, oder man lässt eben schicken. Und ich denke, dass wir alle hier in eine bestimmte Richtung erzogen wurden. Alles ist ständig verfügbar und nur einen Klick und zwei Tage entfernt. Und wenn’s nicht passt, dann eben zurück.
Dennoch, vor allem bei Gitarren habe ich mit dem Schicken ein Problem. Erstens hab ich einfach Angst vor Schäden, zweitens find ich immer irgendwas (auch hier: diese Einstellung und Haltung hat sich geändert), drittens möchte ich das Teil auch einfach gerne in der Hand haben. Und eben nicht unbedingt wieder einpacken und versenden. Das kostet alles Geld und muss von irgendwem bezahlt werden. Von den Ressourcen mal gar nicht zu sprechen.
Was die Qualität angeht: Ich bin auch eher so gestrickt, dass ich keine neue Gitarre mit Macken kaufe. Mach ich beim Auto, Handy, Fernseher, usw. auch nicht. Das Zeug kostet Geld, irgendwer rühmt sich mit Qualitätskontrolle, dann sollen die das bitte auch machen.
Aber grundsätzlich glaube ich schon, dass wir unseren Anteil an der Situation haben. Früher ging man in den Laden, hat sich was angesehen und bei Gefallen gekauft, fertig, Beide Seiten waren zufrieden. Und vermutlich der Käufer noch viel mehr, eben weil er nicht ständig suggeriert bekommt, das Neueste haben zu müssen, weil man nicht ständig in einer Flut an Angeboten geschwommen ist.
Das Internet, all die Foren und YouTube Typen machen es eigentlich nicht besser, jeder hat zu allem eine Meinung, alles wird hochgekocht und zerrissen - und wir spielen alle mit.