Hallo, bin wieder da. Vielen Dank für das positive Feedback bis jetzt!
Fürs bessere Verständnis muss ich wohl ein bißchen die Akkordeonszene erläutern, die in Deutschland ziemlich groß ist. Vielleicht mal ganz interessant für Euch, in eine völlig andere Musikerwelt reinzuglubschen.
Als fortgeschrittener Akkordeonspieler landet man meistens früher oder später in einem der weit verbreiteten Akkordeonorchester. So ein Akkordeonorchester besteht meistens aus 20-30 (wenns hochkommt bis 40) Spielern. In einem Orchester wird in 99% Prozent der Fälle nur mit der rechten Hand gespielt, die Bassseite des Instruments, auf dem normalerweise die Begleitung gespielt wird, bleibt zugunsten der Balgtechnik aussen vor.
Das Orchester (bzw. die Kompositionen) sind meistens aufgeteilt in 4 "Stimmen". Wenn man es mal mit einem Sinfonieorchester vergleicht, dann kann man sagen: 1. und 2. Stimme sind die Violinen, 3. Stimme sind Bratschen und Celli und 4. Stimme macht den Rythmus. Dann gibts noch ein Bassakkordeon
http://de.wikipedia.org/wiki/Bassakkordeon, das dann an einen Bassamp angeschlossen wird, damit es durchkommt und als Soloinstrument gibt es noch das sogenannte Elektronium
http://de.wikipedia.org/wiki/Elektronium, früher waren das grausige Heulbojen mit Röhren drin, jetzt sinds eigentlich nur noch Keyboards in Akkordeonform.
Dann ist natürlich je nach Bedarf noch Percussion und Schlagzeug/Schlagwerk mit dabei.
Dadurch, dass so ein Akkordeon Register hat (ein bißchen wie eine Orgel) kann man verschiedene Klangfarben einstellen, mit denen man andere Instrumente versuchen kann zu simulieren. Also kann so eine Stimme im Orchester Streicher simulieren, eine andere eher Bläser, usw.
Diese Akkordeonorchester sind meistens in Musikschulen und/oder Vereinen organisiert und wie Ihr Euch denken könnt, sind derartige Vereine ein typisches Beispiel klischeedeutscher Vereinsmeierei. Wen es interessiert, der kann ja mal mit "Akkordeonorchester" googlen.
Dachverband dieser Vereine ist der DHV (Deutscher Harmonika Verband), ein typischer Haufen selbstverliebter Knacker/Knackerinnen, die sich die meiste Zeit am liebsten selber reden hören.
Das ganze ist alles ziemlich bierernst und es wir immer Wert auf den Anspruch auf die sogenannte "Ernste Musik" gelegt.
Weil Akkordeon ein ziemlich junges Instrument ist, gibt es als Originalkompositionen für Akkordeonorchester fast nur die sog. "zeitgenössische Musik".
Also werden in Akkordeonorchestern meistens diese zeitgenössischen Originalkompositionen gespielt. Es gibt aber auch genug Arrangeure, die die alten Klassiker bearbeiten, das wird nur meistens nicht als so "künstlerisch wertvoll" wie die Originalkompositionen betrachtet.
Die Stücke werden grob in 4 Schwierigkeitsstufen eingeteilt (Unterstufe, Hauptstufe, Oberstufe und Höchststufe) und es gibt landes- und bundesweite aber auch internationale offizielle Wettbewerbe, wo man sich dann Pokale und Urkunden abholen und an die Backe kleben (bzw. ins Regal stellen) kann.
Ach ja, eins noch.: Ausser Orchestern gibts noch sog. "Ensembles" oder Spielgruppen, bestehen meistens aus 5-10 Leuten, da ist jede Stimme nur einfach oder doppelt besetzt.
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Sorry für den Exkurs, ist aber wichtig fürs weitere Verständnis, zurück zur Story:
Die Musikschule, in der ich war, war ziemlich groß und jedes Jahr gab es natürlich ein Schülerkonzert, wo die Eltern mit stolzgeschwellter Brust die Auftritte ihrer Sprößlinge bewundern konnten. Wegen der Größe der Musikschule und der Anzahl der Gruppen, arteten diese Konzerte in bis zu 4stündige Events aus, bei denen das Publikum immer mehr schrumpfte, weil die Eltern mit den Kindern, die bereits gespielt hatten, so schnell wie möglich das Schlachtfeld verließen.
Erst kam das Blockflötengepiepse der meist unter 10jährigen Teilnehmer und dann die Gitarrengruppen.
Was war ich froh, Akkordeon zu lernen, als ich das erste mal so eine Gitarrengruppe hörte! Dieses leise, armselige, langweilige PlingPlang, das wegen des allgemeinen Geräuschpegels höchtens bis in die ersten Reihen des Publikums vordrang! Wir, mit unserer Akkordeon-Unterrichtsgruppe, konnten da einen ganz anderen Soundteppich legen!
Ich war also heilfroh, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Nur um es klarzustellen: Diese Konzerte waren nur für die Schülergruppen. Es gab in dieser Musikschule auch ein Gitarrenorchester, drei (später vier) Akkordeonorchester und ein (später zwei) Akkordeonensemble. Die traten bei diesen Schülerkonzerten nicht alle auf, sie hatten eigene Konzerte.
Als dann mal bei einem Schülerkonzert zum Abschluss als Höhepunkt das Akkordeonensemble, das aus den besten Spielern der Schule bestand, auftrat, war das ein Meilenstein für mich. Ich glaube, das war das erste mal in meinem Leben (muss so 11 oder 12 gewesen sein), wo mir Musik so unter die Haut ging, dass ich Gänsehaut bekam.
Sie spielen den Säbeltanz von Aram Chatschaturjan.
Mir fiel die Kinnlade bis zum Boden, dass man so etwas mit Akkordeons spielen konnte! Mir war eins klar: So wollte ich auch mal spielen können!
To be continued...