Vorab: Asche auf mein Haupt - Du hast zwar ein Alt-Timbre, aber ohne Transposition kannst du in der Tat kaum einen der Standards in den üblichen Real Book-Tonarten singen.
Dafür gibt es einen ganz einfachen Grund, den ich aber bei meinen bisherigen Überlegungen überhaupt nicht auf dem Schirm hatte: Deinen Tonumfang!
Sie hat mir gesagt, ich bin ein Alt.
Grundsätzlich ja, d.h. zumindest im Timbre, und mit Tendenz zum etwas tieferen Alt (dein unterer Grenzton liegt ungefähr bei f).
Meine Gesangslehrerin hat übrigens gesagt, ich habe eine ziemlich große Range.
Tut mir leid: Entweder war das vor zwanzig Jahren, oder sie hat schlichtweg gelogen!
Die Ursache deines Problems liegt schlicht und ergreifend darin, dass du nur mit Mühe auf eine Dezime kommst, und die liegt auch noch im untersten Alt-Register (f-a1)!
Realistisch betrachtet ist es sogar nur eine None, denn dein a1 ist bereits ein Wackelkandidat, und Versuche, bis zum b1 zu gehen (wie in
deiner YT-Version von "My Funny Valentine") sind klanglich nicht mehr wirklich berauschend.
Mit diesem begrenzten Umfang hast du selbst bei Tonarten, die auf Altstimmen ausgelegt sind, natürlich keine Luft mehr nach oben, um die höhere Alt-Oktave (ungefähr bis d2/e2) zu nutzen, die in den meisten RBs als Standard vorausgesetzt wird. Auch bei
Real Vocal Book-Ausgaben für "low voice" würdest du bereits häufig sowohl tief, als auch hoch am äußersten Limit kratzen, bzw. ohne erneute Transposition selbst die dort gelegentlich geforderten Spitzentöne (meist c2) nicht mehr schaffen.
Der Knackpunkt: Dein Ambitus liegt in einem Bereich, der für einen Tenor(!) optimal zu bewältigen wäre, bzw. bei Hochoktavierung noch im obereren Range einer Chor-Sopranisten läge. Das sind aber ausgerechnet die Stimmlagen, für die RBs nicht ausgelegt sind - im Regelfall muss hier um eine Quarte oder Quinte transponiert werden.
Das Blöde an der Geschichte: Läge dein Umfang eine Quarte/Quinte höher, d.h. im
oberen Alt-Bereich, könntest du fast jeden RB-Standard in der Original-Tonart singen! Aber leider ist das Leben kein Wunschkonzert, und
shit happens ...
Auch wenn du (noch) keine Noten liest, kannst du ja anhand der Lage der Notenköpfe ungefähr erkennen, wo das Problem liegt:
(1) Umfang eines "normalen" Chor-Alts (g-e1)
(2) Opernstimme: Dramatischer Kontra-Alt (z.B. Wagner: Erda) (f-a2)
(3) Dein Umfang!
(4) Umfang 2-Oktaven-Tenor (c-c2)
"My Funny Valentine":
(5) nochmals Chor-Alt g-e1 zum Vergleich (siehe auch 1)
(6) Original-Umfang (nach RB I und Rodgers & Hart "Anthology", HAL LEONARD) - entspricht dem oberen, gut singbaren Chor-Alt-Bereich.
(7) nochmals dein Umfang zum direkten Vergleich
(8) Dein Umfang bei "My Funny Valentine" (YT), wobei der höchste Ton (b1, rot markiert) schon "out of range" klingt.
Also - lange Rede, kurzer Sinn: Bei einem sehr begrenzten Ambitus, zudem in relativ problematischer Lage, kann man (im wahrsten Sinne des Wortes) keine großen Sprünge machen. Zumindest hast du jetzt aber eine kleine Orientierungshilfe für die Praxis:
- Dein Umfang ist f-a1 (sprich "kleines F bis eingestrichenes F")
- Wenn du zukünftige Begleiter um eine Quint- oder Quart-Transposition bittest, dürfte es in den meisten Fällen passen.
Lass dich also nicht entmutigen, und bedenke: Die wahre Kunst liegt in der Beschränkung - man muss nur mit den eigenen Grenzen umgehen können!