bagotrix
Helpful & Friendly User
Das sehe ich völlig anders. Eigentlich ist es genau das, was ich vermisse. Eine Messreihe, die belegt, dass das Holz einer Brettgitarre für deren verstärkten Klang keine nennenswerte Rolle spielt. Oder ein Hinweis, das Aufwand und Nutzen dieser Messreihe in keiner Relation stünden. Oder das explizit Zöllner (mit ö, wie's auf dem Buchcover steht) als Person den Einfluss des Holzes als zu vernachlässigen erachtet. Das taugt dann aber nicht zur Entmystifizierung.
Hi,
inzwischen denke ich durchaus, dass Zollner (ich sehe da übrigens kein Cover - auf der Titelseite des .pdf, im Fließtext und allen Veröffentlichungen der eigenen Uni wird er jedenfalls durchgehend mit o geschrieben) mit seiner kontroversesten Aussage gegen Windmühlen kämpft. Holz hat einen wesentlichen, und nicht nur marginalen Einfluss auf die Eigenschaften einer E-Gitarre.
Warum sage ich jetzt nicht "auf den Klang, insbesondere den verstärkten"? Weil darauf reduziert natürlich schon was dran ist. Der Zuhörer von außen wird es oft schon durchaus schwer haben, den Unterschied zwischen zwei Gitarrentypen herauszuhören, geschweige denn zweien vom gleichen Typ und erst recht bei Verzerrung. Richtig ist auch, dass einem die Werbung gerne das Gegenteil vermitteln will, aber ich persönlich denke, dass das dem Publikum weitgehend wurscht ist.
Allerdings lenkt das mMn von der Kernfrage nur ab. Sobald man selber spielt, bemerkt man eben doch - oft sehr große - Unterschiede, und aufmerksame Mitmusiker in aller Regel auch. Da ist es wohl jedem Gitarristen schon mal so gegangen, dass er ein neues Instrument benutzt hat und es klar wird, dass es in den Bandsound wesentlich besser oder schlechter eingebettet wird. Das hört dann selbst der Drummer . Manchmal hilft es auch wirklich, an Klangregelung, Hardware und Elektrik zu schrauben und zu löten, aber oft genug ist alles verlorene Liebesmüh - die Gitarre bringts in der Band einfach nicht.
Das widerlegen zu wollen ist ungefähr so aussichtsreich, wie ein Perpetuum Mobile zu bauen. Ich muss mich wiederholen: man kann eigentlich jede Gitarre durch Setup und Tuning optimieren, aber man kann sie nicht zu einer anderen machen, als es das Holz erlaubt.
Wie schon andere bemerkt haben, ist er ursprünglich sogar selbst von der Wichtigkeit des Holzes ausgegangen, hat die eigene Wahrnehmung aber dann über Bord geworfen - und die der ganz überwiegenden Mehrheit von Gitarristen und Gitarrenbauern. Und hier liegt für mich der eigentliche methodische Fehler: er traut er seinen eigenen Ohren nicht, weil es ihm nicht gelungen ist, deren Wahrnehmung durch Messwerte zu bestätigen. Das kann ich mir nur durch blinde Wissenschaftsgläubigkeit erklären oder durch den Unwillen, den Misserfolg bei der Suche nach einer Erklärung einzugestehen. Er bekommt die Unterschiede im Holzklang messtechnisch nicht zu fassen, und daraus schließt er nicht nur, dass das nicht geht (was schonmal fraglich ist), sondern dass die Unterschiede nicht existieren (was ich für unwissenschaftlich halte, denn die sind nunmal da).
Was seine Messungen - die ich überhaupt nicht in Zweifel ziehen will - greifbar machen, ist der ganz erhebliche Einfluss vieler anderer Faktoren. Die bekommt er denn auch in den Griff und kann sie messtechnisch verifizieren. Das ist durchaus auch praktisch hilfreich, wenn man sich beim Bau oder Kauf zB Gedanken über Saitenwinkel, verschiedene Brückenkonstruktionen usw. macht. Es ist aber keineswegs logisch zwingend, daraus zu folgern, dass andere Einflüsse hinter den gemessenen ganz zurückstünden. Und genau das zeigt sich dann auch beim Modden, wenn man merkt, dass es alle Änderungen an den von Zollner allein verantwortlichen Stellschrauben einfach nicht schaffen, dass die Gurke richtig klingen will.
Gruß, bagotrix